Protokoll der Sitzung vom 16.06.2010

Das würden wir auch gerne mit Ihnen tun, denn Ihr Verhalten heute, aber auch schon in der letzten Sitzung hat uns deutlich gezeigt, dass Ihnen diese Botschaft der Nachhaltigkeit, diese Überzeugung, das gemeinsam mit den Menschen anzugehen, noch sehr fremd ist. Die wollen wir auch Ihnen nahebringen und in Zukunft in diesem Bereich viel Gutes tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Hecht.

Herr Präsident, sehr verehrte Damen und Herren! Europäische Umwelthauptstadt 2011 zu sein ist für Hamburg ein Pilotprojekt, das es bisher in dieser Stadt noch nicht gegeben hat. Wie es ist, wenn eine Stadt mit diesem Titel

amtiert, kann man zurzeit in Stockholm anschauen. Dort können wir lernen und auch Vorschläge einholen, was wir vielleicht besser machen möchten.

Hamburg will mit konkreten Beispielen werben, wie dem Autobahndeckel über der A7, der geplanten Einführung der Stadtbahn oder den Referenzprojekten in der HafenCity. Das sind keine Fassaden, sondern Projekte mit Substanz, mancher wird sagen, mit Brisanz. Wir alle haben die politische Debatte um einzelne Themen erlebt, auch der Kollege Völsch. Lassen Sie es mich klar sagen: Für ein außerordentliches Projekt muss man auch offensiv werben dürfen. Nur Werben erzielt Aufmerksamkeit. Habe ich die Aufmerksamkeit gewonnen, muss ohne Zweifel auch inhaltliche Substanz folgen. Werbung ohne Substanz ist unlauter und – das sollten alle Kritiker des heutigen Senatsantrags nicht unterschätzen – die Hamburgerinnen und Hamburger würden das auch merken. Ich bin sicher, dass unsere Bürgerinnen und Bürger das Bewusstsein für tragfähige Ideen zu Umweltschutz und Umweltpolitik gut zu bewerten wissen. Das ist im Grunde genommen auch ein Zeichen dafür, dass der Titel hier in Hamburg genau richtig ist. Hamburg kann die Themen Umwelt und Klimaschutz mit Inhalten füllen und auch über das Jahr 2011 hinaus vorantreiben. Die EU-Kommission schaut genau hin, wen sie auszeichnet.

Vielleicht kann Hamburg bei der Gestaltung der Präsentation als European Green Capital noch dazulernen und sich weiter verbessern. Konstruktive Vorschläge, auch vonseiten der Opposition, sind herzlich willkommen. Wir sollten aber nicht Gefahr laufen, den Blick für das Gesamtprojekt zu verlieren. Lassen Sie uns dieses großartige Projekt nicht durch einzelne Kritikpunkte leichtfertig ramponieren, sodass wir unsere Initiativen und Konzepte bereits im Ansatz erreichen können. Lassen Sie uns stattdessen auch durch eine breite Mehrheit für die angestrebten Planungen des Senats ein Zeichen setzen, dass der Titel European Green Capital von der Politik als Verpflichtung gesehen wird, mutig zu gestalten und dort, wo Nachbesserung nötig ist, auch zu korrigieren.

Natürlich hat der NABU Hamburg recht, wenn er in diesen Tagen dafür plädiert, beim Umweltschutz Konfliktlösungen auszuhandeln, statt nur auf Konfrontation zu setzen. European Green Capital ist kein bequemes Etikett für die ewig Unbeweglichen beim Thema Naturschutz; für die ist auch das notwendige mediale Trommeln, mit dem für die Umwelthauptstadt geworben wird, lediglich Lärmbelästigung. Für diejenigen aber, die einen Ausgleich erreichen wollen, kann es Signal und Motivationsschub sein, um Projekte anzuschieben. Lassen Sie uns die Auszeichnung European Green Capital als das nehmen, was es ist: Eine große Chance, Umweltpolitik zu einem starken Thema zu machen. Wir können dafür sorgen, dass wir in vielen Berei

(Jens Kerstan)

chen der Umweltpolitik 2011 echte Fortschritte erzielen.

Wir können kritische Debatten führen. Ich sage aber auch, dass wir einzelne Projekte dahingehend prüfen müssen, ob sie geeignet sind, das Thema Umwelt zu transportieren, gerade, wenn sie sehr teuer sind und sich der direkte Bezug zu einer Verbesserung von Umweltschutz und Umweltqualität nicht auf den ersten Blick erschließt.

Hamburgs Amtszeit als europäische Umwelthauptstadt soll nicht den Blick des Fachpolitikers schärfen, der Regierungspolitik kritisch begleiten möchte, und nicht den Blick des Fachreferenten in der Verwaltung, der über Genehmigungsverfahren langfristiger Umweltschutzprojekte wacht. Sie schärft im besten Fall den Blick der Bürgerinnen und Bürger dafür, dass sich in Hamburg etwas bewegt und dafür, dass solche Titel immer auch ein Stück weit Vorschusslorbeeren sind und die Politik Weichen stellen kann für eine grüne Stadt im besten Sinne des Wortes. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Das Wort hat Frau Dr. Schaal.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Sicher, Herr Hecht, der Titel "Umwelthauptstadt Europas 2011" ist für Hamburg eine gute Möglichkeit, Umwelt- und Klimaschutz populär zu machen. Wir haben dennoch Kritik an dieser Drucksache und haben diese zum Teil auch schon im Ausschuss diskutiert.

Ich möchte daran erinnern, dass der Bürgermeister am Anfang dieser Sitzung sagte, man müsse, wenn man sich etwas leiste, ganz genau hinschauen, was notwendig sei. Uns erscheint es weder aus ökonomischer noch aus ökologischer Sicht notwendig, 8,65 Millionen Euro in ein Marketingkonzept für die Umwelthauptstadt zu stecken, so wie es hier dargestellt ist. Von den beantragten 8,65 Millionen Euro wird kein einziger Euro in Umweltschutz, erneuerbare Energien, Naturoder Landschaftsschutz fließen. Das finden wir – gerade mit Blick auf die Umwelthauptstadt 2010, Herr Kerstan – ausgesprochen bedauerlich.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Wir finden es auch bedauerlich, dass der Senat die Auszeit seit der letzten Bürgerschaftssitzung nicht genutzt hat, darüber nachzudenken, ob dieses Werbekonzept für die European Green Capital nicht auch eine Nummer kleiner ginge und ob man von dem beantragten Geld nicht auch Maßnahmen für den Umweltschutz finanzieren könnte. Außerdem hat, mit Verlaub, der Senat es auch versäumt, die Drucksache nachzubessern.

In der Tat halten wir den 4 Millionen Euro teuren "Zug der Ideen" für überflüssig, der durch mindestens 15 europäische Städte touren und Klimaschutzideen aus Hamburg und der Metropolregion transportieren soll. Der Tourenplan lag bei Drucklegung leider noch nicht vor. Abgesehen davon, dass man auch in anderen Metropolen längst weiß, worauf es beim Klimaschutz ankommt, ließen sich gute Ideen viel kostengünstiger über das Internet als über Gleise transportieren. Darüber hinaus ist mir nicht klar, wen Sie mit diesem Zug eigentlich beeindrucken wollen. Ihre Kritiker? Zu denen gehören immerhin selbst Werbefachleute und die Handelskammer, die als eher senatsfreundlich gelten kann. Statt 4 Millionen Euro für den "Zug der Ideen" auszugeben, ließe sich das Geld sinnvoller für die unterfinanzierte Grünpflege oder den Ersatz gefällter Bäume, der auch unter einer grün geführten Behörde nach wie vor unzureichend ist, einsetzen.

Werbung für Umwelt- und Klimaschutz ist wichtiger denn je, da teile ich die Meinung meiner Vorredner. Genau darum wäre eine groß angelegte Effizienzkampagne in Hamburg viel mehr Wert für den Klimaschutz als eine Wanderausstellung, die auf europäischen Hauptstadtbahnhöfen herumsteht.

(Beifall bei der SPD)

Eine derartige Effizienzkampagne für 2011 würde dem Motto "Die ganze Stadt macht mit" auch viel mehr entsprechen, weil alle gefordert sind, die Bürgerinnen und Bürger, die Unternehmen und die Verwaltung. Stattdessen soll viel Geld für die Deutsche Bahn ausgegeben werden und für Kongresse und teure Veranstaltungen. Eingeladen werden nur wenige, immer dieselben und, seien wir ehrlich, auch immer diejenigen, die bereits katholisch sind.

Bisher hatten Bürgerinnen und Bürger und Verbände keine Gelegenheit, ihre eigenen Ideen für die Umwelthauptstadt vorzustellen. Um diese Projekte unterstützen zu können, brauchen wir natürlich auch Geld. Im Klimaschutzprogramm des Senats sind dafür lediglich 60 000 Euro eingestellt. Das Werbekonzept für die Umwelthauptstadt hingegen ist in der Klimaschutzdrucksache mit über 1,7 Millionen Euro veranschlagt. Das ist der Betrag, den Sie laut Ihrer Drucksache allein für Messen, Konferenzen und Veranstaltungen, auch international, ausgeben wollen. Der Senat sollte den aktiven Klimaschutz vor Ort fördern und nicht grün angestrichenes Stadtmarketing.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Jens Ker- stan GAL: Als ob wir das nicht schon längst tun, sonst hätten wir den Preis gar nicht be- kommen!)

Dann wäre es aber schön gewesen, wenn Sie das eingebettet hätten in das, was im nächsten Jahr inhaltlich transportiert werden soll, so wie Stockholm es auch gemacht hat. Da lese ich wenig

(Heiko Hecht)

von Marketingkonzepten, da lese ich, was sie sich vorgenommen haben. Wenn Sie das in Ihre Drucksache geschrieben hätten, dann wäre die Diskussion wahrscheinlich auch weniger heftig.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

In der Drucksache wird versichert – das ist noch das Schönste –, dass alle Aktivitäten eine dauerhafte Wirkung für Umwelt-, Natur- und Klimaschutz entfalten würden. Das können wir bei den Tagungen und Festveranstaltungen, dem Infopavillon und dem "Zug der Ideen" wirklich nicht nachempfinden.

Herr Kerstan, Sie haben sich schon im Haushaltsausschuss empört und diese teure Werbekampagne damit gerechtfertigt…

(Glocke)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk (unterbrechend) : Frau Schaal, entschuldigen Sie bitte. Ich bitte die Damen und Herren, die sehr intensiv in ihr Gespräch vertieft sind, dieses draußen weiterzuführen; es stört sehr. – Fahren Sie bitte fort, Frau Dr. Schaal.

– Vielen Dank, Herr Präsident.

Herr Kerstan, Sie haben darauf hingewiesen, dass Hamburg den Preis nur bekommen hat

(Jens Kerstan GAL: Nicht nur, sondern auch!)

auch gut –, weil die Stadt sich zur Durchführung eines europaweiten Werbekonzeptes für den Titel Umwelthauptstadt verpflichtet hat. In der zweiten Fortschreibungsdrucksache zum Klimaschutz, die Ende letzten Jahres von Ihnen vorgelegt wurde, haben Sie für diese Werbekonzeption 1,5 Millionen Euro eingestellt; ich habe schon darauf hingewiesen. Wenn die Kampagne ein Muss gewesen wäre oder ein Muss ist, dann hätten Sie gleich die tatsächlichen Kosten für diese Kampagne einstellen oder zumindest einen Hinweis darauf geben sollen, was auf die Stadt noch zukommen wird. Stattdessen kommen Sie, kurz bevor der Haushalt in den Behörden zu Ende beraten ist und hier die Alarmglocken schrillen, mit einer Nachforderung, die den ursprünglichen Betrag um fast das Fünffache übersteigt. Das ist überhaupt nicht nachvollziehbar. Wir können gut und gerne davon ausgehen, dass sich die Behördenspitze das Konzept, insbesondere das Konzept für den "Zug der Ideen", von irgendeiner Agentur hat aufschwatzen lassen, ohne nach den -Kosten zu fragen und vor allen Dingen, ohne der Agentur einen Rahmen für die Kosten vorzugeben. Wie erklären Sie es sich denn sonst, Herr Kerstan, dass die Kosten für den "Zug der Ideen" und für andere Maßnahmen laut Drucksache noch mit Unsicherheiten behaftet sind

und es sich lediglich um Schätzwerte handelt? Wenn die wichtigsten Kostenfaktoren eines Projektes bei Drucklegung eines Senatspapiers noch nicht festgestanden haben, dann war die Drucksache doch gar nicht beschlussreif. Dann besteht die Gefahr – das ist uns sattsam von anderen Senatsprojekten bekannt –, dass die Kosten in der Folgezeit weiter aus dem Ruder laufen, und das können wir nicht zulassen.

(Beifall bei der SPD und vereinzelt bei der LINKEN)

Es gibt da noch eine Merkwürdigkeit. Obwohl das Konzept weder fertig war noch das Geld dafür bewilligt ist, wurden Konzeption und Umsetzung der rollenden Ausstellung bereits im Rahmen eines öffentlichen Teilnahmewettbewerbs ausgeschrieben. So steht es in der Drucksache und das ist ein Verstoß gegen das Budgetrecht der Bürgerschaft. Der Senat darf keine Maßnahmen zulassen, für die noch gar kein Geld bewilligt ist; so geht es nicht. Das ist auch ein Grund, warum wir nicht zustimmen.

(Beifall bei der SPD und der LINKEN)

Der Senat bezeichnet die Kosten für das Werbekonzept für die Umwelthauptstadt in der Drucksache als moderat und angemessen. Dennoch gab es offensichtlich in der Behörde Diskussionen über die Kosten, das lässt sich eindruckvoll aus der Drucksache entnehmen, wenn man die Passage über das Sponsoring-Konzept liest. Bände spricht hier die Aussage, die BSU bemühe sich – Zitat –:

"[…] um Kostenreduzierungen durch Akquise von Sponsorengeldern."

Abgesehen davon, dass man mit Sponsorengeldern keine Kosten reduzieren, sondern höchstens die Einnahmelage verbessern kann, wird in der Drucksache selber im Folgenden zu Recht darauf aufmerksam gemacht,

"[…] dass die möglichen Sponsoren ein größeres Interesse an der Unterstützung zusätzlicher Maßnahmen und Aktionen haben als an einer reinen Reduzierung der städtischen Kosten."

Wie wahr; darum ist das Spendenaufkommen in der Drucksache wahrscheinlich auch noch nicht darstellbar gewesen. Wenn es so wäre, Herr Kerstan, dass die Sponsoren Schlage bei Ihnen stehen, dann hätten Sie auch ein paar von ihnen in Ihrer Drucksache würdigen können. Es ist äußerst unterhaltsam, in einer Drucksache des Senats die behördeninternen Auseinandersetzungen nachvollziehen zu können; vielen Dank dafür.

(Claudius Lieven GAL: Das ist Transparenz!)

Das ist Transparenz, in der Tat.

Der Umweltausschuss hat eine Selbstbefassung zum Thema Umwelthauptstadt beschlossen. Ich

hoffe dort auf eine erfreulichere Diskussion über das, was Hamburg inhaltlich beitragen will. Die vorliegende Drucksache – es wird Sie nicht wundern – lehnen wir ab.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Heyenn.