Protokoll der Sitzung vom 01.07.2010

Ich rufe den Tagesordnungspunkt 22 auf, Drucksache 19/6468, Bericht des Umweltausschusses zum Thema Windenergie in Hamburg.

[Bericht des Umweltausschusses zum Thema: Windenergie in Hamburg (Selbstbefassungsan- gelegenheit) – Drs 19/6468 –]

Hier sind die Fraktionen übereingekommen, auf die Aussprache zu verzichten.

Damit stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Drucksache 19/6468 Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zum Tagesordnungspunkt 19, Drucksache 19/6347, Bericht des Schulausschusses: Umsetzung des Sprachförderkonzeptes in der vorschulischen Bildung sowie in den allgemeinbildenden Schulen.

[Bericht des Schulausschusses über die Drucksache 19/4681: Umsetzung des Sprachförderkonzeptes in der vorschulischen Bildung sowie in den allge

(Senator Axel Gedaschko)

meinbildenden Schulen (Große Anfrage der Fraktion der SPD) – Drs 19/6347 –]

(Glocke)

Ich bitte, die Gespräche nach draußen zu verlagern oder Ruhe zu bewahren.

Wird hierzu das Wort gewünscht? – Frau Duden, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Eigentlich ist es schade, dass jetzt die meisten Abgeordneten ihre Sprachkompetenz untereinander draußen testen wollen, aber ich möchte trotzdem ein paar Worte dazu sagen, wobei Sie keine Angst haben müssen, dass es sehr lange dauert. Ich habe gemeinsam mit Herrn Lemke, der nach mir reden wird, gegessen und wir sind uns in den wesentlichen Punkten einig. In den Punkten, in denen wir uns nicht einig sind, hat er versprochen, mir zu helfen.

Auch nach der umfangreichen Beratung und den Protokollerklärungen im Schulausschuss gibt es noch einige Punkte, die wir im Konzept der Sprachförderung nicht aus den Augen verlieren dürfen. Die Ergebnisse der neuesten PISA-Studie über die Sprachkompetenz von Schülern bringen noch lange keine Entwarnung. Wir befinden uns immer noch am unteren Ende der Tabelle und sind sozusagen fest abonniert auf den 13. Platz. Das kann noch besser werden. Da trösten auch nicht die Ergebnisse, die wir bei der Kompetenz im Englischen erreicht haben, denn eigentlich ist die Sprachkompetenz im Deutschen am wichtigsten. In den Zeiten, in denen man twittert, SMS schreibt und vieles andere, könnten viele Leute glauben, dass man nicht über ausreichende Sprachkompetenz verfügen muss und sich trotzdem gut verständigen kann.

(Vizepräsident Wolfgang Joithe-von Krosigk übernimmt den Vorsitz.)

All dies sind eigentlich Mittel, Sprache zu verhunzen – wobei ich mir gar nicht sicher bin, ob das dem parlamentarischen Sprachgebrauch entspricht – und Sprache auf ein so niedriges Niveau zu bringen, dass man denkt, um Gottes willen, das kann doch nicht ausreichen.

In diesen Zeiten hat das Erlernen von Sprachkompetenz allerhöchste Priorität. Ein offener Punkt ist für uns vor allem, dass in der Drucksache 19/6273 zwar eine Aufstockung der Lehrerstellen vorgesehen ist, es aber eine Absenkung von 524 auf 397 Lehrerstellen vom Schuljahr 2003/2004 bis zum 1. Februar 2009 gegeben hat. Da werden auch die zusätzlichen zehn Stellen, die in der Drucksache angekündigt worden sind, nicht dazu führen, dass wir wieder auf den Bestand von 524 Lehrern kom

men können. Zehn Lehrer sind sicher ein erster Schritt, aber ein deutlich zu kleiner.

(Beifall bei der SPD – Michael Neumann SPD: Das musste ja mal gesagt werden! – Dirk Kienscherf SPD: Bravo!)

Zum Punkt Lehrerausbildung muss man sagen, dass viele der Lehrer, die Förderunterricht geben, weitergebildet werden. Man hat noch keine Speziallehrkräfte, die an der Universität eine entsprechende Ausbildung durchlaufen haben. Deshalb ist das sicher noch ein Punkt, an dem man weiter gearbeitet werden muss, damit mehr Lehrkräfte mit einer Spezialausbildung von der Universität in den Schulbetrieb kommen. Weiterhin fehlen klare Konzepte, eindeutige Kompetenzverteilungen und vor allen Dingen einheitliche Vorgehensweisen. Daran muss die BSB noch etwas arbeiten.

Manche unter uns sind spezialisiert darauf, Statistiken in Großen Anfragen und Senatsdrucksachen wirklich auf das Äußerste zu interpretieren. Hier fällt aber selbst denjenigen, die das nicht mit voller Leidenschaft machen, auf, dass es Schulen gibt mit gleichen sozialen Kriterien, die auf sehr unterschiedliche Zahlen kommen. Das liegt wahrscheinlich auch daran, dass die Vorgaben der Schulbehörde einfach nicht eindeutig genug sind, damit Schulleitungen wissen, wie sie sich da einzusortieren haben. Auch daran kann man noch weiter arbeiten.

(Beifall bei der SPD)

Wir müssen uns auch die Frage stellen, ob es eigentlich erprobtes Unterrichtsmaterial und genügend Testmaterial gibt. Eignet sich alles für additive oder integrative Förderung und Sprachkompetenz oder sind das mehr oder minder zufällige Raubkopien aus Schulbüchern, die in der Schule schon ewig gebraucht und von Lehrer zu Lehrer weitergereicht wurden? Ich glaube, auch in diesen Bereichen kann man den Unterricht sehr viel besser vorbereiten und versuchen, in Zusammenarbeit mit dem LI wirklich bessere Materialien zu finden.

(Beifall bei der SPD)

Man muss natürlich auch nach der Rückkopplung mit der Universität fragen. Passiert das regelmäßig, zu welchen Ergebnissen führt das? Alles das sind für uns offene Fragen, wobei man wissen muss, dass wir hier nicht über eine kleine Gruppe von Schülern reden, die es treffen kann und für die wir uns ein Sonderprogramm ausarbeiten müssen, sondern dies ist eines der wichtigsten Themen. Zurzeit sind ein Viertel aller Hamburger Schüler betroffen und haben zum Teil erhebliche Sprachdefizite. Wer wie ich im Bereich der Bücherhallen auch mit Schülern arbeitet, kann das ganz sicher sofort bejahen.

Sprachkompetenz ist die Schlüsselkompetenz für eine erfolgreiche Schullaufbahn, ist der Türöffner,

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel)

den man braucht, um berufliche Kompetenz zu erlangen. Da ist es nicht hilfreich zu sagen, der lernt später mal ein Handwerk. Auch ein Handwerker muss über eine genügende Sprachkompetenz verfügen, von Abgeordneten will ich in diesem Zusammenhang gar nicht reden.

(Beifall bei der SPD)

Laut Bildungsbericht und Monitoring der BSB funktioniert die integrative Förderung nicht immer so gut, wie sie eigentlich gedacht war. Nur etwa die Hälfte aller Schulen führen integrativen Förderunterricht in angemessener Weise durch. Auf einen Grund habe ich eben schon hingewiesen: Es fehlen weiterhin Speziallehrkräfte. Viele Kinder laufen beim normalen Unterricht mit. Die Schulen haben zwar Lehrer und Unterrichtsstunden, aber bei den Schülern kommt nichts davon an, weil zu unprofessionell gearbeitet wird. Das soll beileibe keine Schulschelte sein, weist aber darauf hin, dass die BSB den Schulen Lehrerstellen zuweist und dann hofft, es werde schon irgendwie etwas Gutes daraus entstehen. Es gibt auch hier viel zu wenig Vorgaben oder Konzepte, die zu einer einheitlichen Beurteilung führen würden. Nur mehr Lehrer an die Schulen zu schicken, hilft in diesem Fall auch nicht immer.

(Beifall bei der SPD)

Ich will nicht verhehlen, dass es eine Reihe von Erfolgen, aber auch Misserfolgen bei der additiven Förderung gibt. Ich will hier nur ein paar Beispiele nennen: Viele Förderkinder bedeutet weniger Erfolg, ebenso ein schlechter sozialer Hintergrund. Bessere Elternberatung und Lehrerabsprachen hingegen bedeuten mehr Erfolg. Die Uni Hamburg hat in einer Untersuchung festgestellt, dass Sprachförderung von Zuwanderer-Kindern erfolgreicher ist, wenn ihre Eltern mitmachen. Die Eltern sind dann auch sehr viel mehr bereit, an Elternabenden teilzunehmen. Wer sich einmal bei Lehrern erkundigt, wie viele Eltern zu den Elternabenden kommen, wird zu erschreckenden Zahlen kommen. Ich bin überzeugt, dass die Zusammenarbeit mit den Eltern ein ganz wichtiger Punkt ist. Dazu möchte ich kritisch anmerken, dass das FörMig-Projekt, das mit Kindern und Eltern mit Migrationshintergrund zusammengearbeitet hat, von der Bundesregierung eingestellt worden ist. Wir hätten uns gewünscht, dass auch in Berlin erkannt worden wäre, dass in Großstädten – und nicht nur dort – ein höherer Förderbedarf bei der Sprachkompetenz vorhanden ist.

Zum Schluss möchte ich noch ein paar Fakten nennen. 60 Prozent aller getesteten Kinder waren einsprachig und 41 Prozent hatten einen Migrationshintergrund. Mir ist eben beim Zusammenzählen übrigens auch aufgefallen, dass das 101 Prozent sind. 28,8 Prozent der Kinder hatten einen Sprachförderbedarf und 11,5 Prozent einen ausgeprägten Sprachförderbedarf.

(Michael Neumann SPD: Das sind jetzt 140 Prozent! Das war ein Scherz!)

Das ist okay. Mich kann man im Bereich der Mathematik sehr gut aufs Glatteis führen, aber ich denke, das wird schon in Ordnung sein, das habe ich nachgelesen.

Man kann an diesen Zahlen sehen, dass ein hoher Handlungsbedarf vorhanden ist. Wir werden dieses Thema nicht aus den Augen verlieren. Dass die Sprachförderung Sinn macht, kann man daran erkennen, dass 30 Prozent der Kinder, die Förderunterricht bekommen haben, aufsteigen und ihr Lernziel erfüllt haben. 57 Prozent bleiben allerdings unverändert zu Fördernde. Man sollte außerdem beachten, dass 10 Prozent der Kinder, die aus dem Förderunterricht entlassen werden, am Ende des Schuljahres wieder dort stehen, wo sie am Anfang des Schuljahres gestanden haben. Diesem Drehtür-Effekt – in einem Schuljahr raus aus dem Förderunterricht, in dem anderen wieder rein – könnte man dadurch entgehen, dass man sich darauf einigt, die Schüler auch bei guten Erfolgen länger in den Fördergruppen zu lassen. Diese Schüler brauchen Erfolge, um weiter gute Leistungen zu bringen. Es gibt ihnen mit Sicherheit ein schlechtes Gefühl, wenn sie ein Jahr ganz toll sind, zurück in die normale Klasse kommen und dann wenig später festgestellt wird, dass sie doch zurück in die Förderung müssen. Da kann man Schulkarrieren auch positiver beeinflussen.

Dieses Thema ist unheimlich wichtig. Es betrifft eine große Anzahl von Schülern und in Wahrheit auch eine große Anzahl von Erwachsenen, aber die haben die Schule bereits hinter sich gebracht. Wir werden dieses Thema nicht aus den Augen verlieren. – Ich danke allen meinen konzentrierten Zuhörern.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Herr Lemke.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Frau Duden, wir haben in der Tat schon beim Mittagessen eine kleine Vorbesprechung gehabt, an die ich jetzt anknüpfen werde. Einige wichtige Dinge haben Sie noch nicht zum Ausdruck gebracht und ich will versuchen, vertieft auf diese Punkte einzugehen.

Sprache ist der Schlüssel zur Bildung, deshalb ist das für die CDU-Fraktion ein sehr wichtiges Thema.

(Beifall bei der CDU)

Durch das Vorstellungsverfahren der Viereinhalbjährigen haben wir in der letzten Legislaturperiode bereits eine wichtige Weichenstellung geschafft. Wenn man sich das anschaut, ist das natürlich der

(Barbara Duden)

Dreh- und Angelpunkt für die Steuerung der Förderung. Daneben haben wir mit der Einführung des verpflichtenden Vorschulbesuchs nach dieser Vorstellung dem Freiwilligkeitsprinzip eine deutliche Abfuhr erteilt und auch das ist eine wichtige Weichenstellung gewesen.

Zur Anzahl der Kinder mit Förderbedarf, Frau Duden hat es schon gesagt: 25 Prozent der getesteten Kinder haben einen Sprachförderbedarf, davon 11 Prozent einen ausgeprägten Förderbedarf. Diese Zahlen sprechen eine deutliche Sprache. Wir können das nicht als einen Nebenkriegsschauplatz betrachten, sondern das spielt eine wesentliche Rolle in den Kitas und in den Schulen. Wenn man mit Lehrern spricht, merkt man, dass das für sie eines der großen Themen ist, das sie auch in ihrer täglichen Arbeit berührt.

Zunächst einmal war es wichtig, die systemischen Voraussetzungen für den zielgerichteten Einsatz der staatlichen Leistungen zu schaffen. Das ist erfolgreich durchgeführt worden durch die Rahmenkonzepte, die noch aus der letzten Legislaturperiode stammen, und durch die Bereitstellung der erforderlichen Ressourcen. Auch wenn Frau Duden darauf hingewiesen hat, dass es bei den Ressourcen unterschiedliche Auffassungen gibt, so ist das natürlich trotzdem ein Riesenbrocken, der dort an Ressource zur Verfügung steht.

In diesem Punkt bin ich wirklich anderer Meinung als Sie, Frau Duden. Es ist nicht so, dass wir den Schulen einfach diese Mittel geben und sagen, nun macht mal irgendetwas daraus und hoffen, dass dann auch etwas Gutes entsteht. Hier wird schon durch Maßnahmen sichergestellt, dass die Mittel auch zweckgerichtet eingesetzt werden. Verantwortlich dafür sind die Sprachförderkoordinatoren an den Schulen. Natürlich habe ich in der Vorbereitung herumgefragt, wie die Arbeit der Sprachförderkoordinatoren bewertet wird und alles, was ich gehört habe, ist, dass diese Lehrer als sehr wichtig für die Sprachförderung gesehen werden und dass sie ihre Aufgabe sehr verantwortungsvoll ausüben. Die Diagnostik und die zweckmäßige Verwendung der Mittel obliegen den Sprachförderkoordinatoren und nach dem, was ich so höre, bin ich sicher, dass das ganz gut funktioniert.

Die Rahmenkonzepte sind in der Tat relativ offen, damit sind wir mitten in den Praxisproblemen. Es ist aus meiner Sicht richtig, den Schulen und Kitas auch Freiheiten zu geben, ihre eigenen Methoden zu entwickeln und ihnen nicht alles genau vorzuschreiben. Wir haben aber auf jeden Fall diese Zweiteilung, die sich grundsätzlich bewährt hat. Wir haben die additive Förderung durch zusätzlichen Unterricht, der in der Eingangsphase, nachmittags oder in geblockter Form in den Ferien stattfinden kann, und die integrative Sprachförderung. Wir sollten diese eingeräumte Pluralität nicht kaputt machen, denn die Freiheit, die wir den Institu

tionen geben, ist keine Beliebigkeit, sondern die Ressourcen müssen zweckgerichtet eingesetzt werden und das wird auch kontrolliert.

(Wilfried Buss SPD: Von wem?)

Es ist nicht so, dass hinterher nicht kontrolliert würde, wie zum Beispiel Kitas die ihnen zugewiesenen Ressourcen einsetzen, Herr Buss. Das ist nicht völlig ins Belieben der Institutionen gestellt.