Protokoll der Sitzung vom 26.08.2010

(Beifall bei der SPD)

Das Wort bekommt Frau Schneider.

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Lassen Sie mich vorweg einmal dem Hamburgischen Beauftragten für Datenschutz und Informationsfreiheit ein Kompli

ment machen, der in der Auseinandersetzung mit Google wesentlich zur Sensibilisierung für diese Problematik, über die wir heute reden, beigetragen hat.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Da hätte die CDU ruhig auch einmal klatschen können.

(Viviane Spethmann CDU: Haben wir doch!)

Er hat hartnäckig eine Praxis von Google kritisiert, die durch einen eklatanten Mangel an Respekt vor persönlichen Daten und dem Schutz der Privatsphäre gekennzeichnet ist.

Wir stimmen im Ergebnis dem vorliegenden Antrag der Regierungsfraktionen zu. Er zielt darauf ab, eine nachträgliche erkannte Lücke im Hamburger Gesetzentwurf zur Änderung des Bundesdatenschutzgesetzes zu schließen. Dieser Gesetzentwurf, den wir begrüßen, stammt von April. Im Mai wurde der Skandal bekannt, dass die Street-View-Fahrzeuge, die in Deutschland seit geraumer Zeit Straßen und Fassaden abfotografierten, nebenher WLAN-Daten von Internet- und Telefonnutzern sammelten. Nicht nur die Kennungen ungesicherter Drahtlosnetzwerke wurden gespeichert, sondern auch Teile privater E-Mails. Das Vorgehen von Google macht deutlich, wie dringend eine gesetzliche Regelung zum Schutz persönlicher Daten vor vordemokratisch, oder man sollte vielleicht besser sagen postdemokratisch, agierenden Großkonzernen ist. Deshalb unterstützen wir den vorliegenden Antrag, obwohl er noch ein bisschen vage ist; da gebe ich Herrn Grund Recht.

Wir brauchen darüber hinaus – und auch da stimme ich Ihnen vollständig zu – eine grundlegende Reform des Bundesdatenschutzgesetzes im Hinblick auf Internetveröffentlichungen. Dieses Gesetz stammt aus dem letzten Jahrhundert, aus einer Zeit, in der die Entwicklung des Internets und der damit verbundenen Möglichkeiten nicht annähernd absehbar war. Wir brauchen deshalb dringend eine öffentliche Debatte über die Verarbeitung systematisch erfasster Geodaten zu kommerziellen Zwecken, ihre Bedeutung als öffentliche Güter und die Gefahr der Monopolisierung ihrer Nutzung.

Wir setzen uns in dieser Debatte dafür ein, den Umgang mit Geodaten als öffentliches Gut gesetzlich zu regeln. Wird der Umgang nicht geregelt, würden private Großkonzerne über kurz oder lang das Monopol auf die Verwendung und weitere Verarbeitung solcher Daten haben. Diese Gefahr ist deutlich absehbar.

Ebenso setzen wir uns dafür ein, dass der Schutz personenbezogener Daten und das informationelle Selbstbestimmungsrecht unter den sich ständig

(Uwe Grund)

ändernden Bedingungen sichergestellt werden. Durch die Verknüpfung – darauf hat Herr Grund zu Recht hingewiesen – entstehen sehr schnell neue, unkontrollierte personenbezogene Daten. Dem wird das Bundesdatenschutzgesetz in keiner Weise gerecht. Wir wollen kein Verbot neuartiger Dienste, sondern ein zeitgemäßes Datenschutzrecht, das auch den Konflikt zwischen der Freiheit des Netzes und dem informationellen Selbstbestimmungsrecht reguliert. Wir werden daher Initiativen des Senats, die in diese Richtung zielen, auch in Zukunft unterstützen. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Weitere Wortmeldungen sehe ich jetzt nicht. Dann kommen wir zur Abstimmung.

Wer einer Überweisung der Drucksache 19/6965 an den Rechts– und Gleichstellungsausschuss zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen. – Gegenstimmen? – Stimmenthaltungen? – Das ist einstimmig so überwiesen.

Wir kommen zum Punkt 91 der Tagesordnung, Drucksache 19/6970, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Atomkraft abschaffen: Laufzeitverlängerung verhindern!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Atomkraft abschaffen: Laufzeitverlängerung verhindern! – Drs 19/6970 –]

Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/7074 ein gemeinsamer Antrag der GAL- und der CDU-Fraktion vor.

[Antrag der Fraktionen der GAL und CDU: Laufzeitverlängerungen von Kernkraftwerken (2) – Drs 19/7074 –]

Wer wünscht das Wort? – Frau Heyenn, bitte.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! In der rot-grünen Koalition auf Bundesebene wurde mühsam ein Atomkonsens ausgehandelt. Das war damals auch ein Entgegenkommen an die Energiekonzerne. Jetzt erleben wir, dass die Laufzeitverlängerung wieder von den Energiekonzernen und der CDU/FDP-Regierung auf die Tagesordnung gesetzt wird. Die Energiekonzerne E.ON, Vattenfall, RWE und EnBW wollen sich nach Medienberichten durch einen Geheimdeal mit Bundesminister Schäuble eine Laufzeitverlängerung von zwölf Jahren oder länger erkaufen und haben 30 Milliarden Euro angeboten. Da kann man sich schon einmal vorstellen, was sie eigentlich daran verdienen. Ihr Ziel ist es, durch die Lauf

zeitverlängerung das Oligopol auf dem Strommarkt für die nächsten Jahrzehnte zu zementieren.

Das Problem ist, dass jeder Weiterbetrieb der atomaren Grundlastkraftwerke jegliche Intensivierung der erneuerbaren Energie verhindert. Das gilt übrigens auch für jedes Kohlekraftwerk. Jedes neue Kohlekraftwerk bremst erst einmal die Notwendigkeit, erneuerbare Energien weiterzuentwickeln und das ist eigentlich unser Ziel.

Tatsächlich handelt es sich um eine massive Erhöhung der atomaren Bedrohungslage, wenn wir die Laufzeiten verlängern; darüber haben wir schon häufig diskutiert. Wir haben keine Lösung für den atomaren Müll, der geht nicht einfach so verloren, auch wenn uns das einige erzählen wollen. Wir haben mit jedem Tag, an dem auch nur ein Atomkraftwerk weiter in Betrieb ist, eine neue Gefahr, die von diesen Kernkraftwerken ausgeht. Es gibt einige Beispiele in der Welt. Das hat die Reaktorkatastrophe in Tschernobyl gezeigt und auch der Beinahe-GAU in Forsmark 2006.

Wir haben um uns herum einige Kernkraftwerke, die uns mit ihrer Pannenserie den Atem nehmen. In Krümmel war jetzt schon wieder ein Störfall bei einem stillgelegten Kernkraftwerk und auch in Brunsbüttel haben wir jede Menge Pannen gehabt. Bisher ist es einigermaßen glimpflich abgegangen, aber das Bedrohungspotenzial besteht nach wie vor. Schon nach der derzeitigen Gesetzeslage steht Hamburg angesichts der verbliebenen Reststrommengen beim AKW Krümmel noch eine Restlaufzeit von über zehn Jahren bevor ab der Wiederinbetriebnahme, denn die Zeit, die es jetzt stillgelegt ist, wird nicht gezählt.

Eine generelle Laufzeitverlängerung würde aber insbesondere auch das Atomkraftwerk Brunsbüttel mit einer nur noch geringen verbliebenen Reststrommenge betreffen und dann würde dieser Reaktor, der schon als Schrottreaktor bezeichnet wird, auch noch weiter laufen. Es geht also um die Sicherheit der Menschen in der Metropolregion Hamburg und ein Zurückfallen hinter den derzeitigen Stand zum Atomkonsens, also zum Ausstieg aus der Atomenergie, kann es nicht geben.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Monika Schaal SPD)

Die CDU und GAL haben am 1. Juni 2010 einen Antrag mit der Überschrift "Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken" eingebracht und die Bürgerschaft hat beschlossen, sobald ein konkreter Gesetzentwurf der Bundesregierung zur Änderung des Atomgesetzes vorliegt, genau zu prüfen, inwieweit der Bundesrat zur Beschlussfassung einzubeziehen ist und bei positivem Ergebnis auf eine Befassung des Bundesrats hinzuwirken. Außerdem soll darauf hingewirkt werden, die Frage der Laufzeitverlängerung von Kernkraftwerken auf Bundesebene nur gemeinsam mit einer Überprüfung des

(Christiane Schneider)

Energiekonzepts für die Bundesrepublik Deutschland zu behandeln und die Bundesländer dabei einzubeziehen.

Wir vermissen, dass aufgrund dieses durch CDU und GAL herbeigeführten Beschlusses jetzt in dieser Frage etwas von der Koalition unternommen wird. Deswegen haben wir diesen Antrag noch einmal eingebracht, weil der Senat der Freien und Hansestadt Hamburg trotzdem zu diesem Atomprogramm schweigt. Wir möchten gerne, dass die Bürgerschaft noch einmal deutlich macht, dass wir gegen jegliche Laufzeitverlängerung von Atomkraftwerken sind. Wir sind für das, was insbesondere auch immer von der GAL proklamiert wird, nämlich für erneuerbare Energien, nach Möglichkeit zu 100 Prozent. Und wir hoffen, dass HAMBURG ENERGIE irgendwann einmal so weit ist, selbst zu produzieren, und zwar erneuerbare Energien, so dass wir zu einer hundertprozentigen Versorgung kommen. Wir erinnern die GAL und die CDU daran, dass auch sie gefordert haben, wenn über Laufzeitverlängerungen bei Atomkraftwerken verhandelt wird und es einen Entwurf gibt, den Bundesrat zu beteiligen. Wir erwarten, dass der Hamburger Senat sich auf Bundesebene dafür stark macht, genau wie das Saarland, und Sie initiativ werden, um eine Laufzeitverlängerung zu verhindern.

(Beifall bei der LINKEN und bei Farid Müller GAL)

Das Wort bekommt Frau Stöver.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegen der Linken, liebe Frau Heyenn, wieder ein Antrag zur Atomenergie, wieder ein Antrag zum Komplex Laufzeitverlängerung, wieder die Verknüpfung mit den Vorkommnissen im Kernkraftwerk Krümmel. Das waren meine ersten Reaktionen auf Ihren Antrag. Auch wenn Sie es nicht glauben, aber einen Gesetzentwurf gibt es noch nicht und das Energiekonzept lässt noch ein wenig auf sich warten. Da es im Moment noch keinen neuen Sachstand in dieser Sache gibt, verstehe ich nicht, warum Sie diesen Antrag eingebracht haben. Sie kennen die Terminierung des Energiekonzepts, es wird Ende September von der Bundesregierung vorgelegt werden.

(Beifall bei der CDU und bei Horst Becker GAL)

Bis Ende September haben wir noch zwei Bürgerschaftssitzungen. Daher werden wir uns wohl noch zweimal mit dem Thema beschäftigen, aller Wahrscheinlichkeit nach, ohne große Neuigkeiten zu erfahren.

Das Thema ist nahezu medienbeherrschend. Bei den Laufzeitverlängerungen geistern alle Ziffern von null bis 28 oder gar unbegrenzte Laufzeitverlängerungen durch Presse, Funk und Fernsehen ebenso wie die dazugehörige Verwendung der daraus resultierenden Gewinnabschöpfung. So groß die Spannung bei den Medien, der Öffentlichkeit und bei Ihnen, meine Damen und Herren der Opposition, auch ist, die Koalition hält sich an die vereinbarte Diskussionskultur und die Termine der Veröffentlichung des Energiekonzepts.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU)

Lassen wir den Experten und den beteiligten Gremien Raum zur sachlichen Diskussion. Der Antrag der Linken schürt erneut Ängste.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Welche Ängste denn?)

Es ist wenig hilfreich, sich den Super-GAU in Brunsbüttel oder Krümmel vorzustellen, vor allem, da beide Meiler immer noch abgeschaltet sind. Es ist Besonnenheit gefordert. Die Atomkraft hat seit Jahrzehnten die Stromversorgung nicht nur in Deutschland gesichert. Risiken wurden neu bewertet, nachdem vermehrt Fragen zur Atommülllagerung und -wiederaufbereitung aufkamen. Heute besteht in Deutschland einhellig die Meinung, dass die Nutzung der Kernenergie zeitlich endlich sein muss. Uneinigkeit herrscht zwischen den Parteien über das Wann und Wie.

Die Bundesregierung aber hat klar definiert, dass die Stromerzeugung aus Kernkraft einen Übergang darstellt, bis die erneuerbaren Energien nicht nur quantitativ, sondern auch strukturell hinsichtlich des Netzausbaus und der Speichermöglichkeit die Kernkraft ablösen können. Dafür sollen Laufzeiten der Kernkraftwerke gegebenenfalls moderat und nicht unbegrenzt verlängert werden. Die Gewinne aus der Laufzeitverlängerung sollen den erneuerbaren Energien zugutekommen und die Lösung der Frage nach der Endlagerung des Atommülls muss finanziell unterstützt werden, denn auch bei Abschalten aller Kernkraftwerke muss die Endlagerung mit den größtmöglichsten Sicherheitsvorkehrungen ausgestattet werden.

Zurück zu den Anträgen. Liebe Kollegen der Linken, mit Blick auf den Koalitionsvertrag von CDU und GAL hätten Sie Ihre Frage, welche Position die Freie und Hansestadt Hamburg im Bundesrat einnimmt, selbst beantworten können. Die Position ist klar: Hamburg wird sich enthalten. Und damit ist ausreichend erklärt, warum wir den Antrag der Linken ablehnen werden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Meine Damen und Herren! Der Zusatzantrag von GAL und CDU geht weiter und nimmt den roten Faden auf, den die Koalition schon mit den Anträgen 19/3990 und 19/6372 begonnen hat. Er orien

(Dora Heyenn)

tiert sich an den Realitäten der Energieversorgung in Deutschland. Hierbei ist eine Forderung des Antrags 19/6372 bereits erfüllt.

(Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)