Protokoll der Sitzung vom 10.11.2010

Wenn Sie dann sagen könnten, die Fachbehörde suche keine Bürgernähe, dann hätten Sie recht, denn die Fachbehörde muss auch in ihrer Verantwortung Bürgernähe suchen, so wie wir im Übrigen mit dem Bezirk ein besonderes Verfahren vereinbart haben, um uns im Bezirk rückzukoppeln. Aber die Bezirksverwaltung selbst wie auch die Mehrheit der Bezirksversammlung weiß, dass in diesem Fall, wo es um die Verlegung nicht irgendeines kleinen S-Bahnhofs, sondern eines großen Fernbahnhofs geht, die Fachkompetenz der Stadt in verkehrlicher Hinsicht gebraucht wird. Und deswegen haben Sie, gemessen an der Übersicht, die Sie sonst über dieses Gebiet haben, einfach nicht ehrlich argumentiert.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Zweitens: Natürlich ist es ein Zielkonflikt, wenn man viele Wohnungen bauen will und eine große Fläche zum Entwickeln hat, die soziale Frage und die Zukunftsfrage des Klimaschutzes zusammenzubringen. Wir sehen diesen Zielkonflikt sehr wohl, Herr Grote, und wir arbeiten an ihm. In dieser Behördenstruktur ist auch angelegt, dass man dafür eine gute Balance finden muss. Aber es ist, perspektivisch gesehen, keine soziale Antwort, wenn man sagt, wir bekommen das nicht bezahlbar und auch noch zukunftsverträglich hin.

Deswegen, begeben wir uns doch gemeinsam in diesen Konflikt, bezahlbare neue Wohnungen zu bauen. Hamburg hat ja auch Fördermittel, die in diesem Segment eine Menge Mehrkosten auffangen. Damit ist der Zielkonflikt nicht vollständig aufgelöst, das behaupte ich gar nicht. Lassen Sie uns in diesen Zielkonflikt einsteigen, aber nicht in einem ersten Reflex die umwelt- und klimapolitische

(Andy Grote)

Zielsetzung gegen die soziale ausspielen. Weder die eine noch die andere Richtung darf einseitig sein; beides wäre nicht gerecht und auch nicht zukunftsgerecht.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Von daher werden wir mit Sicherheit noch intensive Debatten führen.

Lassen Sie mich zum Schluss noch sagen, dass wir uns beim Thema Wohnungsbau, bezahlbare Wohnungen in einer Fläche und Region Hamburgs, auch mit dem Problem auseinandersetzen müssen, wie wir die Herausforderung einer sinnvollen und qualitativ hochwertigen Erschließung bewältigen. Das hat mit Kosten zu tun und gehört ebenfalls in diesen ganzen Debattenzusammenhang.

Die Bürgerbeteiligung vor Ort wird selbstverständlich von uns aufgenommen; sie hat auch schon begonnen. Man muss beobachten, wie man sie vielleicht qualitativ weiterentwickeln muss und wie man intensiv dabei bleiben kann. In diesem Parlament muss keine Fraktion der anderen unterstellen, das Thema Bürgerbeteiligung nicht ernst nehmen zu wollen. So habe ich jedenfalls die Debatte von der Senatsbank aus verstanden und der Senat wird das auch tun. Wir führen unsere Diskussionen, unsere Dialogdiskussionen weiter. Sie wissen, dass wir auch mit einem neuen Format "Stadt im Dialog" begonnen haben und deswegen ist es richtig, dass wir dazu verpflichtet werden, dies gerade auch bei dem Thema "Mitte Altona" fortzusetzen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Herr Grote, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Senatorin, darauf möchte ich doch kurz erwidern. Wenn Sie uns Plattheit in der Argumentation vorwerfen,

(Wolfgang Beuß CDU und Ekkehart Wersich CDU: Zu Recht!)

dann kann ich das nur zurückgeben. Es ist auch etwas schlicht argumentiert zu sagen, dass das gesamte Verfahren an den Senat gezogen werden muss und der Bezirk nicht mehr das Planverfahren führen kann, weil wir es dort mit einem Partner wie der Deutschen Bahn zu tun haben. Das stimmt schlicht nicht. Selbstverständlich können Sie als Stadt auftreten, als Senatorin auftreten und die entsprechenden Fragen verhandeln, wenn das Planverfahren gleichzeitig im Bezirk läuft. Das haben wir an vielen anderen Beispielen auch gehabt.

Sie stellen die gesamte Planungslogik, wie sie im Bezirksverwaltungsgesetz und in der Verwaltungsreform angelegt ist, auf den Kopf, weil Sie sagen,

die Geschichte sei so, da gäbe es Beteiligte, da müssten der Senat und Sie selbst als Senatorin ran, sonst klappe es nicht. Das ist falsch, das ist nicht schlüssig und zwingend, wie Sie es darstellen. Sie könnten Ihre Rolle auch in einem beim Bezirk verankerten Verfahren finden. Das funktioniert in vielen anderen Bereichen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie sagen, dass Sie als zentrale Fachbehörde auch eine örtliche Bürgerbeteiligung organisieren und sich bürgernah verhalten könnten, dann mag das in der Theorie richtig sein. Nur das, was bisher dort an Veranstaltungen gelaufen ist und wie der Prozess wahrgenommen wird, hat eben dazu geführt, dass in Altona die Menschen anfangen, über Altona 21 zu reden und die Auftritte, die Sie als Fachbehörde bisher hatten, nicht so goutiert werden, wie Sie das nahelegen. Insofern ist nicht alles positiv. Es ist nicht so, dass dieser Beteiligungsprozess bisher funktioniert, und das sollte Ihnen zu denken geben.

(Beifall bei der SPD)

Wenn Sie sagen, dass wir Klimaschutz und das Ziel bezahlbare Wohnungen zu bauen, nicht gegeneinander ausspielen dürften, dann haben Sie natürlich recht. Selbstverständlich ist beides wichtig und von zentraler Bedeutung für die Zukunft der Stadt. Wir haben aber im Klimaschutz – und das ist der Unterschied – riesige Fortschritte gemacht. Wir sind deutlich oberhalb dessen, was bundesweit passiert. Hamburg ist vorbildlich; das ist großartig.

(Wolfgang Beuß CDU: Ist ja toll! – Beifall bei Michael Gwosdz GAL)

Diese Fortschritte haben wir im geförderten Wohnungsbau, im bezahlbaren Wohnungsbau aber eben gerade nicht gemacht. Dann ist doch die Frage, ob ich immer noch eine, noch eine und noch eine energetische Anforderung draufsattle, alle sechs Monate eine neue. Da hat der Kollege Roock recht, das ist irgendwann ein Problem. Die Ausgewogenheit, die Sie anmahnen, muss ich irgendwo finden.

Wenn Sie sagen, dass ab 2012 und am liebsten schon ab 2011 der gesamte geförderte Wohnungsbau nur noch Passivhausstandard sein soll – in der HafenCity nur Passivhäuser, die SAGA soll eigentlich nur noch Passivhäuser bauen und in der "Neuen Mitte Altona" eigentlich auch –, dann überfordern Sie das, was an Möglichkeiten, an Potenzial, das sozialverträglich und mit dem Ergebnis bezahlbare Wohnungen zu schaffen, noch vorhanden ist; das bekommen Sie nicht hin.

Der Konflikt geht bei Ihnen quer durchs Haus, das ist bekannt, aber nicht gut, weil wir dadurch keine einheitliche klare Stimme haben, die sagt: Das ist die Linie, so ist unsere Abwägung, darauf läuft es hinaus.

(Senatorin Anja Hajduk)

(Olaf Ohlsen CDU: Ihr habt doch keine Linie! Es muss endlich eine klare Haltung geben, (Heiko Hecht CDU: Quatsch!)

bezahlbaren Wohnungsbau zu schaffen,

(Heiko Hecht CDU: Aber nicht mit der SPD!)

und das mit der Förderung und auch mit der SAGA hinzubekommen. Sie wissen genau, dass wir seit Beginn dieser Legislaturperiode über die Wohnungsbauverpflichtung der SAGA sprechen und darüber, was die SAGA machen muss. Und Sie wissen ganz genau, dass die SAGA im Jahr 20010 nicht eine einzige Wohnung fertiggestellt hat. Das kann niemanden befriedigen, da stimmt etwas nicht. Insofern ist die Ausgewogenheit nicht da und es ist noch viel zu tun. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Hackbusch, Sie haben das Wort.

Meine Damen und Herren! Den letzten Beitrag von Herrn Grote habe ich nicht so ganz verstanden.

(Olaf Ohlsen CDU: Das hat keiner verstan- den!)

Warum die SAGA aufgrund der energetischen Vorgaben keine einzige Wohnung gebaut hat – das finde ich doch etwas überzogen.

(Andy Grote SPD: Das ist eine Zahl, die stimmt einfach!)

Das stimmt. Aber dass es die Ursache in den Punkten hat, die Sie aufgezählt haben, dass es im Wesentlichen im Zusammenhang mit der Frage der energetischen Vorgaben steht, stimmt natürlich nicht. Ich fand interessant, wie Sie das gesagt haben, aber das ist mir erst einmal nicht das Wichtige.

Das Wichtige ist erstens: Frau Hajduk, Ihre Begründung im Zusammenhang mit diesem großen Projekt und den Bezirken ist – wir haben die vorher schon einmal gehört –, die Bezirke in wesentlichen Bereichen politisch abzuschaffen. Auf diese Weise werden die Bezirke nicht mehr in die normalen politischen Aufgaben in dieser Stadt miteinbezogen und so sollte man es meiner Meinung nach nicht halten.

(Beifall bei der LINKEN – Hans-Detlef Roock CDU: Was ist denn jetzt mit dem Fernbahn- hof?)

Zweitens der Fernbahnhof: Das erste, was Herr Becker lernen muss, ist natürlich die Tatsache, dass man, wenn man dieses Gelände kennt, sich immer noch irgendeine Fernbahnstrecke an dieser Stelle vorstellen kann, da eine große Fläche übrig

bleibt, die man unabhängig davon nutzen muss. Das gesamte Güterbahngelände, diese gesamten dort zur Verfügung stehenden riesigen Flächen sind für zusätzliche Flächen und Wohnungsbaumöglichkeiten da. Das hat überhaupt nichts damit zu tun, ob man den Fernbahnhof wegnimmt oder nicht.

(Hans-Detlef Roock CDU: Was machen Sie denn mit dem Lärmschutz? Wollen Sie da auch einen Tunnel bauen wie in Stuttgart?)

Wir würden da auch gerne einen Tunnel bauen, aber folgende Schwierigkeit ist dabei:

(Antje Möller GAL: Tunnel sind nicht ange- sagt!)

Wie kann es sein, dass diese wichtige Frage der Verlegung des Fernbahnhofs überhaupt keine Rolle spielt bei dem, was die Stadt, die Behörde und die Parteien in dieser Bürgerschaft wollen? Es wird so getan, als wenn das vom lieben Herrgott kommt. Das ist falsch. Wir wollen mitbestimmen und dementsprechend ist es entscheidend, wenn es dazu gegenwärtige Diskussionen gibt, wie die Fernbahnanbindung von Altona in Zukunft aussehen wird. Das ist eine wichtige Aufgabe, die wir zu besprechen und zu planen haben. Ich weiß gar nicht, wer das sonst machen sollte. Und deshalb, Herr Becker, können Sie sich vor dieser Aufgabe nicht drücken und so tun, als würden das irgendwelche anderen Menschen entscheiden. Das macht diese Koalition immer sehr gern. Irgendwie wurde irgendwo etwas entschieden und leider müssen Sie das ausführen. Nein, Sie haben die Verantwortung, Sie müssen eine Meinung dazu haben und wir wollen in Altona die Diskussion dazu haben.

(Beifall bei der LINKEN)

Der letzte Punkt: Im Zusammenhang mit allen demokratischen Ideen ist das entscheidende Moment, dass keine Begründung dafür gegeben worden ist, warum wir diese Frage nicht im Stadtentwicklungsausschuss diskutieren. Das ist eine wichtige Frage für Hamburg und muss doch überwiesen werden. Warum wollen Sie die Bürgerschaft davon freihalten, wenn Sie andererseits dieses Thema an die BSU binden wollen? Das ist nicht logisch und das haben Sie überhaupt nicht beantwortet. Dementsprechend möchte ich Sie bitten, zumindest diese Anträge an den Ausschuss zu überweisen, wo wir weiter diskutieren können. Ich freue mich darauf.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Herr Becker, Sie haben das Wort.

(Andy Grote)

(Zuruf aus dem Plenum: Horst, jetzt mal die Ehrenrettung! – Wolfgang Beuß CDU: Es ist doch alles gesagt worden!)