Protokoll der Sitzung vom 16.12.2010

(Jörn Frommann CDU: Wer hat das Geld dafür?)

Diese Gelegenheit begrüßen die Grünen außerordentlich.

(Beifall bei der GAL)

In diese Richtung zielt auch die Volksinitiative "Unser Hamburg – Unser Netz". Wir Grüne begrüßen es, dass dank der Initiative diese Debatte nicht nur im politischen Raum, sondern auch in der Bevölkerung geführt wird.

Meine Damen und Herren! Für die Klimaziele, die wir uns gemeinsam gesetzt haben, ist es notwendig, einen Netzumbau vornehmen zu können, der die Gelegenheit eröffnet, dezentrale erneuerbare Energien stärker einzubauen, also ein modernes, intelligentes Netz zu schaffen. Das werden die großen Strom- und Gaserzeuger nicht in Angriff nehmen, weil es ihre zentralen Kraftwerke gefährdet. Auch deshalb begrüßen wir diese Initiative. Wir haben aber nur noch einen geschäftsführenden Senat und es ist nicht mehr sinnvoll, diesem einen entsprechenden Auftrag zu geben, denn wir können nicht davon ausgehen, dass er bis zum 20. Februar im Sinne der Initiative tätig werden und die Netze wieder rekommunalisieren kann. Insofern sollte es eigentlich relativ einfach für die Fraktionen in diesem Hause sein, eine Entschließung zu fassen und zu sagen, wir begrüßen diese Initiative, teilen die Grundintention und wollen in den nächsten Monaten in dieser Richtung auch tätig werden.

(Olaf Ohlsen CDU: Nein, das wollen wir nicht!)

Wie man sieht, scheint es so einfach aber nicht zu sein. Jede Fraktion hat einen eigenen Antrag eingebracht und wenn heute kein politisches Wunder geschieht, wird es, obwohl es den gemeinsamen Willen gibt, die Netze wieder zurück in die öffentliche Hand zu holen, kein einheitliches Votum der Bürgerschaft geben, sondern jeder dieser Anträge wird die Mehrheit verfehlen.

(Jörn Frommann CDU: Ihr blockiert euch doch gegenseitig!)

Wir Grüne glauben, dass das eine vertane Chance für die Politik in dieser Stadt wäre. Wir wollen diese Debatte auch nutzen, noch einmal an die anderen Fraktionen zu appellieren, einem gemeinsamen Antrag zuzustimmen, der das politische Signal aussendet, dass die Bürgerschaft die Rekommunalisierung der Netze in Hamburg will. Dafür bietet

sich uns am heutigen Tag eine große Chance. Lassen Sie sie uns gemeinsam ergreifen, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der GAL)

Man kann es sich nicht so einfach machen wie die LINKEN, die fordern, wir müssten der Initiative einfach beitreten und sie übernehmen.

(Beifall bei Christiane Schneider DIE LINKE)

Das will noch nicht einmal die Volksinitiative, liebe Kollegen von der LINKEN. Was würde denn eine Übernahme der Volksinitiative zum jetzigen Zeitpunkt bedeuten? Eine Übernahme würde bedeuten, dass ein geschäftsführender Senat, der in wenigen Wochen aus dem Amt ist, verpflichtet wird, etwas zu tun, was er in diesem Zeitraum gar nicht tun kann, der nächste Senat aber in keiner Weise verpflichtet wäre, die Forderungen umzusetzen, weil dann eine Diskontinuität eingesetzt hätte. Das ist gut gemeint, aber nicht gut gemacht, liebe Kollegen von der LINKEN. So einfach geht es nicht.

(Beifall bei Michael Gwosdz GAL)

Die Kollegen von der CDU wiederum haben gemerkt, dass die Bürgerinnen und Bürger das gut finden und sagen, man müsse jetzt prüfen, ob man das machen will und wenn ja, wie man das macht, auf jeden Fall brauche man noch Informationen. Ich glaube, wir brauchen vor allem ein bisschen mehr Mut zur Entscheidung.

Damit wären wir bei der SPD. Die sagen, wir wollen das auch

(Glocke)

ich komme zum Schluss –, aber wir wollen uns nicht mit dem Stromkonzern anlegen. Das ist so wie ein bisschen schwanger, um die 25 Prozent ja, aber mehrheitlich nicht.

Meine Damen und Herren! Unser Antrag ist ganz einfach. Stimmen Sie ihm zu.

(Jörn Frommann CDU: Nein!)

Er begrüßt die Volksinitiative und wünscht den mehrheitlichen Besitz der Netze hier in Hamburg. Das wäre eine gute Lösung für uns alle. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort hat Frau Stöver.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Kerstan, haben Sie so viel Ahnung vom schwanger sein? Im Gegensatz zu Ihnen habe ich davon mehr Ahnung.

(Zurufe von der GAL)

Sie haben schon einiges zu den Anträgen gesagt. Auch ich möchte noch einmal auf diese Anträge und die Ausführungen im Ausschuss eingehen. Beide habe ich intensiv studiert. Keinem der Teilnehmer gelingt es, tatsächlich beim Thema zu bleiben. Es findet eine permanente Vermischung statt. Wir reden nicht über Energieerzeugung und Vertrieb, meine Damen und Herren, sondern definitiv nur über die klassischen Aufgaben eines Netzbetreibers.

(Beifall bei der CDU)

Diese Trennung sieht das Energiewirtschaftsgesetz deutlich vor.

Das Schlagwort "Stadtwerke" geistert ständig durch die Debatte und mit ihm die Behauptung, diese würden eine bessere Energieversorgung ermöglichen. Auch Stadtwerke müssen aber die vorgeschriebene Entflechtung der drei Bereiche Erzeugung, Netzdurchleitung und Vertrieb beachten. Wir sind nicht München – München hat gewachsene Stadtwerke –, sondern Hamburg mit HAMBURG ENERGIE, die erst seit 2009 ein kommunaler Vertreiber mit einer kleinen Energieerzeugung ist. Bis zum Münchner Status ist es für Hamburg noch ein weiter Weg.

Klären wir doch zunächst einmal einige Aspekte im Puzzlespiel der Energieversorgung. Aufgrund von Gebäudesanierungen und Energieeffizienzsteigerungen werden wir einen Rückgang des Wärmebedarfs haben. Was aber bedeutet dieser sinkende Bedarf für die Zukunft der Wärmeversorgung und wie wird es mit der Fernwärme- und Gasversorgung weitergehen? Welchen Stellenwert wird die Kraft-Wärme-Kopplung bekommen und wo ist die Versorgung dezentral, wo zentral möglich? Diese und andere Fragen sind zu klären.

(Ingo Egloff SPD: Stimmt!)

Mit dem Debattentitel "Umsteuern für Klima- und Verbraucherschutz" suggerieren Sie, dass der Besitz der Netze ein wichtiger – vielleicht der wichtigste – Baustein für einen Erfolg der klimaverträglichen Energieversorgung sei. Die CDU-Fraktion bewertet den klimapolitischen Einfluss der Netze deutlich anders, und zwar eher gegen Null gehend. Die Wahrheit ist, dass die Durchleitung von Strom, Gas und Fernwärme nicht ein Gramm CO2 verhindern wird; die Stellschrauben für eine CO2-Reduktion liegen in der Erzeugung und der Brennstoffauswahl.

Auch finanziell ist der Einfluss des Netzbetreibers eher bescheiden. Ich wähle wieder das Beispiel der Stadtwerke München. Der Anteil der Netze am Gesamtgewinn macht dort gerade einmal 6,6 Prozent aus. Übrigens haben auch die Experten im Ausschuss Zweifel daran angemeldet, dass aus dem Rückkauf der Netze eine sozial gerechte Preisgestaltung, also eine Preissenkung für den

(Jens Kerstan)

Bürger, resultieren würde. O-Ton Herr Wübbels vom VKU: Er halte dies für eine Illusion.

Trotzdem, meine Damen und Herren, sind die Netze ein Baustein der energetischen Gesamtstrategie. Hamburg muss sich die Option offen halten, die Netze zu übernehmen und kann sich die Chancen für die nächsten 20 Jahre nicht durch eine vorschnelle Entscheidung dafür oder dagegen verbauen.

(Beifall bei der CDU)

Wir müssen aber auch erst Ende 2012 eine Entscheidung treffen. Bis dahin sollte Hamburg die Zeit nutzen, um einige Fragen in diesem speziellen Fall zu klären.

Erstens gilt es, einen wirtschaftlichen Betrieb der Netze nachzuweisen, denn trotz gesetzlich vorgeschriebener Renditen gibt es kommunale Versorger, die rote Zahlen schreiben.

Zweitens ist zu prüfen, welche klimapolitischen Vorteile durch den Netzbesitz erreicht werden können.

Drittens ist die Refinanzierung des Kaufpreises in angemessener Zeit seriös zu planen, auch vor dem Hintergrund, dass wir es hier mit einem Unternehmenskauf zu tun haben, und zwar inklusive des Personalübergangs, und nicht mit einem klassischen Netzübergang.

Viertens sind die Investitionen des Netzausbaus seriös abzuschätzen.

Fünftens – last but not least – ist die Preisstabilität trotz der hohen Investitionskosten zu gewährleisten.

All das ist das Ziel des CDU-Antrags. Er mag von der Seitenzahl her nicht der längste sein, aber er trägt eine große Vorsicht in sich und die größte Seriosität. Wir sollten nicht versprechen, was wir nicht halten können – Herr Neumann ist nicht im Raum –,

(Michael Neumann SPD: Hallo, aufwachen!)

aber ich möchte an die gestrige Debatte erinnern.

Der SPD-Antrag gleicht einem vorweihnachtlichen Wunschzettel mit Versprechungen für den Bürger, die nicht durchsetzbar sind. Ihr Antrag stellt eher eine Auflistung von Verhandlungsinhalten mit einem zukünftigen Vertragspartner dar, der solche Maximalforderungen ohne Gegenleistungen aber mitnichten abnicken wird. Der Punkt mit der Bundesnetzagentur ist außerdem sachlich falsch.

Die CDU hält es für fahrlässig, Versprechungen

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das sind keine Versprechungen!)

unter dem Deckmantel der Daseinsfürsorge und des Gemeinwohls zu machen, die hinsichtlich der Risiken und der Machbarkeit nicht ausreichend er