Protokoll der Sitzung vom 16.12.2010

unter dem Deckmantel der Daseinsfürsorge und des Gemeinwohls zu machen, die hinsichtlich der Risiken und der Machbarkeit nicht ausreichend er

örtert wurden. Für eine ausreichende Erörterung fehlt uns die Datenbasis. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Egloff.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Die Initiative "Unser Hamburg – Unser Netz" hat mit ihrer Resolution "Hamburgs Energienetze in die Öffentliche Hand!" und dem Aufwerfen der Frage, ob die Stadt sich wieder an der Energieversorgung beteiligen sollte, einen Nerv bei erheblichen Teilen der Bevölkerung getroffen. Sicher gibt es in dieser Stadt etliche, die glauben, es könne alles wieder wie früher zu Zeiten von HEW und Hein Gas werden, aber das ist ein Trugschluss, weil man mit der Übernahme der Netze keinen Einfluss auf die Energieerzeugung gewinnt und weil die Kunden bei ihren alten Anbietern bleiben werden. Wer die Netze übernimmt, bekommt die Kunden nicht automatisch mitgeliefert.

(Jens Kerstan GAL: Das stimmt!)

Nichts wird wieder so, wie es einmal war. Im Nachhinein, da gebe ich Herrn Kerstan recht, war es ein Fehler, die HEW und Hein Gas zu verkaufen, aber die Uhr lässt sich an dieser Stelle nicht ohne weiteres zurückdrehen.

Wir Sozialdemokraten haben uns intensiv mit diesem Thema befasst und Gespräche mit allen Beteiligten geführt und sind zu folgendem Ergebnis gelangt: Wir wollen einen strategischen Einfluss der Stadt auf die Energienetze sichern, aber wir wollen auch, dass das finanzierbar bleibt. Die Stadt darf dadurch nicht in ein Finanzabenteuer gestürzt und der Haushalt nicht zusätzlich belastet werden. Vor allen Dingen darf nicht das Gegenteil dessen passieren, was die Initiative beabsichtigt, dass es nämlich aufgrund der Übernahme steigende Verbraucherpreise gibt. Es ist daher nicht so einfach zu sagen, wir übernehmen die Netze zu 100 Prozent. Niemand weiß genau, was das kosten würde, aber alle Experten schätzen einen Preis zwischen 1,5 und 3 Milliarden Euro.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Dann bauen wir lieber die Stadtbahn!)

Allein das zeigt, vor welch schwieriger Situation die Freie und Hansestadt Hamburg in dieser Frage steht. Deshalb gilt für uns: Wir wollen soviel Einfluss wie möglich, aber so günstig wie möglich. Anders geht es nicht angesichts der Haushaltslage. Halten Sie sich nicht an den 25,1 Prozent fest, Herr Kerstan, sondern gehen Sie davon aus, dass diejenigen, die das in Zukunft für die Stadt verhandeln werden, auf unternehmensrechtlicher Basis versuchen werden, das Optimale für die Stadt herauszuholen. Wir jedenfalls sind bereit dafür.

(Birgit Stöver)

(Beifall bei der SPD)

Allein durch den Erwerb der Netze erreicht man weder die Klimaziele noch eine Umsteuerung der Energiepolitik, aber beides wollen wir. Deshalb wird es entscheidend darauf ankommen, was die Stadt an Vereinbarungen trifft, was also im Konsortialvertrag stehen und was im Konzessionsvertrag vereinbart werden wird. Folgendes gehört unseres Erachtens klar dazu: Es müssen intelligente technologische Lösungen wie Smart Grid und die Vorsorge für künftige E-Mobilität geschaffen werden. Die Stadt muss auf die zukünftig zu bauenden Energieerzeugungsanlagen Einfluss nehmen können und die Einspeisung in die Fernwärmeleitung muss geregelt werden. Ohne Genehmigung der Stadt darf kein Verkauf anderer Gesellschaftsanteile möglich sein, zudem sollte die Stadt ein Vorkaufsrecht erhalten und selbstverständlich müssen die Rechte der Arbeitnehmer in den Unternehmen gewahrt bleiben.

Für uns – das sage ich in aller Deutlichkeit und da unterscheiden wir uns vielleicht von dem einen oder anderen in diesem Hause – kommt auch eine Zusammenarbeit mit den bisherigen Konzessionsnehmern Vattenfall und E.ON Hanse in Betracht, vorausgesetzt, diese akzeptieren die Bedingungen der Stadt. Aber da bin ich gar nicht so pessimistisch. Wer 82 und 85 Prozent Anteil an den Kundenstrukturen hat, der hat ein Interesse daran, an den Netzen beteiligt zu bleiben. Für uns spielt dabei durchaus auch eine Rolle, dass beide Unternehmen in dieser Stadt rund 5000 Arbeitnehmer beschäftigen. Wir sind dafür, auch mit diesen Unternehmen zu sprechen, und betreiben keine Ausgrenzungspolitik, denn das führt zu nichts. Die Ausgrenzungspolitik, wie sie der alte Senat und insbesondere die BSU gegenüber Vattenfall betrieben hat – Stichwort Moorburg –, ist auf ganzer Linie gescheitert. So jedenfalls funktioniert es nicht.

(Beifall bei der SPD – Jörn Frommann CDU: Das ist ja eigentlich eine gute Basis!)

Es stimmt, dass wir heute nichts beschließen können, was kurzfristig zu realisieren ist; wir sind erst am Anfang der Debatte. Trotzdem ist es wichtig, die unterschiedlichen Positionen deutlich zu machen. Wir Sozialdemokraten haben unsere Position klar und deutlich vorgelegt. Daran können Sie sich abarbeiten. Wir wollen für die Zukunft keine Energiepolitik, die durch Profitmaximierung bestimmt wird, sondern eine, die klimafreundlich, verbraucherfreundlich und gemeinwohlorientiert ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat Frau Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Egloff, ich hatte eben ein Déjà-vu. Mir ist wieder einmal klar geworden, warum ich aus der Sozialdemokratie ausgetreten bin.

(Ingo Egloff SPD: Dann hat die Debatte ja noch was Gutes bewirkt!)

Das Optimale für Hamburg waren HEW und Hein Gas im Besitz der Freien und Hansestadt und das haben Rot-Grün und CDU verscherbelt. Sich nun hinzustellen und erneut das Optimale zu fordern, finde ich ziemlich billig.

Worüber reden wir denn eigentlich? Wir reden über die Volksinitiative "Unser Hamburg -Unser Netz". Für folgenden Wortlaut sind die Unterschriften zusammengekommen:

"Senat und Bürgerschaft unternehmen unverzüglich alle notwendigen Schritte, um die Hamburger Strom-, Fernwärme- und Gasleitungsnetze wieder vollständig in die Öffentliche Hand zu übernehmen. Verbindliches Ziel ist eine sozial gerechte, klimaverträgliche und demokratisch kontrollierte Energieversorgung aus erneuerbaren Energien."

Herr Kerstan, Sie haben angeregt zu überdenken, ob man es heute nicht zu einem politischen Wunder kommen lassen und zu einem gemeinsamen Antrag finden könnte, der im Sinne der Initiative ist. Aber alles, was wir bisher gehört haben – wobei bei Ihnen die Diskrepanz da noch am geringsten ist –, wenn beispielsweise über eine strategische Mehrheit von 25,1 Prozent gesprochen wird, entspricht überhaupt nicht dem Willen der Initiative. Die Initiative will den vollständigen Besitz der Netze in öffentlicher Hand

(Ingo Egloff SPD: Aber sie sagen nicht, wie es bezahlt wird! – Frank Schira CDU: Wo haben Sie denn das Geld?)

und hat ausdrücklich betont, dass sie Vattenfall nicht einmal mit 0,1 Prozent dabei haben möchte.

Wenn Sie, Herr Egloff, sagen, das alles sei haushaltsrelevant und koste viel Geld – und nun kommen Sie wieder mit der Frage, wo wir das Geld dafür hernehmen wollen; das kennen wir schon –, dann erinnere ich an die zwei Anhörungen, die wir hatten.

Bei der Anhörung im Verfassungsausschuss war die Meinung sehr gespalten, nämlich fifty-fifty.

(Jörn Frommann CDU: Nein!)

Zwei Experten waren der Auffassung, dass es in keiner Weise verfassungswidrig sei, eine solche Initiative auf den Weg zu bringen, und die anderen beiden Experten meinten, dies sei der Fall.

Bei der Anhörung im Umweltausschuss haben alle Experten ohne Ausnahme deutlich gemacht, dass

(Ingo Egloff)

eine Übernahme der Netze in keiner Weise haushaltsrelevant ist, weil man diese nämlich über eine Gesellschaft aufkaufen und kreditär übernehmen kann.

(Barbara Ahrons CDU: Wie wollen Sie das alles zurückzahlen?)

Die Unternehmen, die die Netze zurzeit besitzen, verdienen mit ihnen,

(Ingo Egloff SPD: Die haben keine Kapital- kosten aufzubringen!)

also würde auch eine Gesellschaft am Besitz der Netze verdienen.

HAMBURG ENERGIE und HAMBURG WASSER sind ins Gespräch gebracht worden. HAMBURG WASSER verfügt über hohes Kapital und könnte das übernehmen; das würde mit 20 Prozent kreditär finanziert werden. Alle sechs Experten im Umweltausschuss haben gesagt, das sei finanziell kein Problem, belaste den Haushalt nicht

(Barbara Ahrons CDU: Das stimmt doch nicht!)

und sei machbar. Man muss es nur wollen. Wir haben deswegen im Umweltausschuss gesagt, dass wir diese Initiative unterstützen und haben heute einen entsprechenden Antrag vorgelegt. Wir stimmen mit den Inhalten der Initiative voll überein und können nicht sehen, wie wir hier einen Kompromiss erreichen könnten.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Dr. Steffen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst einmal zu der Frage, worum es eigentlich geht. Frau Föcking hat diese Frage angerissen.

(Zurufe von der CDU)

Entschuldigung; Frau Stöver. Ich übe noch.

Was ist der Vorteil einer Netzübernahme durch die Stadt und was der Nachteil der gegenwärtigen Konstruktion, bei der große Monopolisten nicht nur Energieerzeuger, sondern gleichzeitig Besitzer der Netze sind?

Es geht dabei um die Wettbewerbsneutralität und darum, sicherzustellen, dass wir einen echten Wettbewerb bekommen und kleinere Energieanbieter nicht benachteiligt werden. Das ist ein ganz zentraler Punkt bei der Frage der Übernahme der Netze. Das hat natürlich auch massive Auswirkungen auf den Energiemix. Je nachdem, wer die Netze besitzt, sind diese auf bestimmte Energieträger ausgelegt. Die jetzige Netzstruktur macht es ausgesprochen schwer, eine dezentrale Energieversorgung aufzulegen, und erneuerbare Energien

sind nun einmal dezentrale Energiequellen. Das ist der Hintergrund, den man sich vor Augen führen muss, wenn wir über die Frage der Netzübernahme sprechen. Das ist also nicht nur eine Frage des Rechnens, sondern die strategische Frage, welche Energieträger sich auf unserem Hamburger Markt sinnvoll durchsetzen können.

Es hat ausführliche Beratungen im Umweltausschuss gegeben und ich hatte das Vergnügen, der Sitzung vorzusitzen, die diese auswerten durfte. Tatsächlich lagen uns Anträge vor, aber seinerzeit hatte die CDU noch keine Position, während bei der SPD der Landesvorstand nach langen Beratungen eine Position gefunden, sich die Fraktion aber noch nicht beraten hatte und daher ebenfalls nicht beschlussfähig war. Es ist ja auch in Ordnung, wenn man sich dann vertagt. Wir haben deshalb im Ausschuss auch keine Empfehlung zustande bringen können, aber ich war nach den Diskussionen dort ganz optimistisch, dass wir heute eine vernünftige Richtung finden würden. Ich hatte eigentlich auch den Eindruck, dass der von uns vorgelegte Antrag, der nicht Grün pur formuliert ist, sondern die Tür für Kompromisslösungen öffnet, eine gute Grundlage für das ist, was wir heute zu beschließen haben.

Jetzt hat der SPD-Apparat gemahlen, und zwar gründlich. Ihr Antrag ist der längste, es stehen viele Eckpunkte in ihm. Angesichts dessen, dass wir uns einig darin sind, dass ein Konzept entwickelt werden sollte, das den Beweis erst noch liefern muss, dass eine haushaltsneutrale Lösung möglich ist – die Experten haben Hinweise darauf gegeben, aber es wäre Aufgabe des Senats, ein solches Konzept tatsächlich zu entwickeln –, halte ich es für verfrüht, bereits derartig viele Details festzulegen. Es scheint eher nach innen gerichtet zu sein, einen Antrag in dieser Detailliertheit vorzulegen.

Interessant ist aber, was in Ihrem Antrag steht und was nicht in ihm steht. Es steht nämlich eben nicht in Ihrem Antrag, dass Sie eine Übernahme wünschen, sondern dass Sie eine Beteiligung an den Verteilnetzen anstreben. Das ist die Position der SPD. Dabei wird klar in den Blick genommen, zunächst einmal mit Vattenfall das Gespräch suchen zu wollen. Im Hinblick auf die strategische Frage, auf die ich eingangs eingegangen bin, ist es höchst fragwürdig, ob es sinnvoll ist, gerade mit Vattenfall sein Glück zu versuchen.