Protokoll der Sitzung vom 16.12.2010

Interessant ist aber, was in Ihrem Antrag steht und was nicht in ihm steht. Es steht nämlich eben nicht in Ihrem Antrag, dass Sie eine Übernahme wünschen, sondern dass Sie eine Beteiligung an den Verteilnetzen anstreben. Das ist die Position der SPD. Dabei wird klar in den Blick genommen, zunächst einmal mit Vattenfall das Gespräch suchen zu wollen. Im Hinblick auf die strategische Frage, auf die ich eingangs eingegangen bin, ist es höchst fragwürdig, ob es sinnvoll ist, gerade mit Vattenfall sein Glück zu versuchen.

(Zuruf von Barbara Ahrons CDU)

Die Anforderungen für eine Zusammenarbeit mit Vattenfall werden in Ihrem Antrag klar formuliert. So heißt es dort:

"Die Partner der Gemeinschaftsunternehmen…"

also Vattenfall –

(Dora Heyenn)

"[…] müssen das städtische Ziel, eine Energiewende herbeizuführen und den Klimaschutz zu verbessern, unterstützen."

Das ist zwar knallhart formuliert und schafft eine hohe Eintrittsschwelle für Vattenfall, wenn Sie sich aber an die Geschichte von Vattenfall erinnern, dann wissen Sie, dass seinen Vertretern so manches sehr leicht über die Lippen geht. Ich glaube deswegen, dass es nicht so schwer sein wird, Vattenfall über diese Hürde und mit ins Boot zu bekommen. Nur könnte es sein, dass auch Vattenfall eine Bedingung stellt, um diese den Klimaschutz verbessernde Kooperation eingehen zu können. Diese Bedingung könnte sein, dass die Hamburger SPD sich dafür einsetzen möge, dass Krümmel möglichst bald wieder ans Netz gehen kann, dadurch könne man doch den Klimaschutz am allerbesten verbessern.

Das wird nichts, wenn wir das gemeinsam mit Vattenfall und seinen Interessen als Energieerzeuger versuchen. Es sollte schon etwas bringen, wenn wir die Netze übernehmen, und das wird uns nur gelingen, wenn wir das auf eigene Hamburger Füße stellen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Frau Stöver hat jetzt das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich möchte zwei Anmerkungen machen. Zuerst möchte ich auf Frau Heyenn eingehen. Der "Rückkauf der Netze ist möglich", titelt die GAL. Der Betrieb der Netze hat eine gesicherte Rendite, das habe ich auch so verstanden. Trotzdem waren sich die Experten einig – auch ich war im Umweltausschuss zugegen –, dass die Investitionskosten nicht zu hoch sein dürfen. Wir haben von der SPD gehört, dass diese zwischen 1,5 und 5 Milliarden Euro liegen werden, obwohl wir bislang von 2 Milliarden Euro gesprochen haben.

(Ingo Egloff SPD: 1,5 bis 3 Milliarden!)

Entschuldigung.

Der Kaufpreis darf nicht zu hoch sein, da waren sich die Experten sehr einig, und das haben Sie sicherlich auch noch gut in Erinnerung.

Dann möchte ich noch einmal darauf hinweisen, dass wir tatsächlich nur über die Netze sprechen und nicht über eine Gesamtlösung. Ich bin sehr dafür, dass wir uns über eine Gesamtlösung unterhalten, also auch die Energieerzeugung und den Vertrieb mit einbeziehen. Das wären dann Stadtwerke. Der Einfluss der Netze alleine ist aber relativ gering, denn nach dem Energiewirtschaftsgesetz muss die Durchleitung von Strom und Gas diskriminierungsfrei erfolgen.

Herr Dr. Steffen, das haben Sie sicherlich auch mitbekommen oder im Wortprotokoll gelesen. Im Fernwärmebereich, das gebe ich zu, ist es anders, aber im Strom- und Gasbereich ist es definitiv die Durchleitung von Strom und Gas. Wenn ein Windmüller einspeisen möchte, dann ist es regenerativer Strom und wenn ein Kohlekraftwerk einspeisen möchte, wenn Vattenfall einspeisen möchte, dann wird es zunächst einmal Kohle- beziehungsweise sogar Atomstrom sein und darauf haben wir keinen Einfluss.

Meine Damen und Herren! Ich als Umweltpolitikerin bedauere sehr, dass wir keine Einigung zwischen diesen vier Anträgen hinbekommen haben. Frau Heyenn hat es auch probiert und Herr Kerstan und Frau Dr. Schaal werden es bestätigen können. Ich habe heute bis zur letzten Minute noch probiert, eine Einigung zu erzielen und vielleicht auf den kleinsten gemeinsamen Nenner zu kommen. Grundtenor ist, dass die Bürger es wollen, und wir werden uns an dem Bürgervotum auch abarbeiten.

Trotzdem haben wir nach wie vor Zweifel daran, dass alleine mit dem Rückkauf der Netze eine Preissenkung zu erzielen ist; das ist noch eine ganz wichtige Botschaft. Zu diesem Thema hat die Expertenrunde ganz klar gesagt, dass es auch mit kommunalen Stadtwerken wahrscheinlich keine Preissenkung geben wird. Dies ist eine Illusion, das wollte ich gerne noch einmal wiederholen.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Frau Dr. Schaal.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion unterstützt das Anliegen der Volksinitiative "Unser Hamburg – Unser Netz". Der Betrieb der Netze für Strom, Fernwärme und Gas muss Teil der Daseinsvorsorge sein und darf sich nicht ausschließlich an einer Gewinnmaximierung oder an Börsenkursen orientieren. Der Betrieb der Netze muss klimafreundlich und sicher sein und die Preisgestaltung soll transparent werden. Aus Sicht der SPD soll die Stadt sich einen strategischen Anteil an den Energienetzen sichern, denn es geht nicht darum, den Versorgern billiges Geld hinzuschieben, sondern wir wollen über eine maßgebliche Beteiligung strategischen Einfluss auf energie- und klimapolitische Entscheidungen zurückgewinnen. Darum müssen die Partner in einer möglichen Netzgesellschaft das Ziel der Stadt unterstützen, die Energiewende herbeizuführen und den Klimaschutz zu beschleunigen. Und vielleicht haben Sie es in der Zeitung gelesen, Herr Steffen, dass Vattenfall sich aus Krümmel zurückziehen will. Der zügige Ausbau der Netze für energiepolitische Zukunftsprojekte wie Smart Grid, Elektromobilität, virtuelle Kraftwerke

(Dr. Till Steffen)

und dezentrale Fern- und Nahwärmeversorgung muss ebenso fest vereinbart werden wie der Ausbau der erneuerbaren Energie im Wärmebereich. Um das zu erreichen, müssen die vorhandenen Versorgungsnetze für eine dezentrale, nachhaltige und klimaneutrale Energieversorgung umgebaut werden. Dieser Umbau kann nur mit einer maßgeblichen Beteiligung der Stadt und mit dem notwendigen Nachdruck vorangetrieben werden. Nur so kann die Stadt ihren Einfluss auf Planung der Erzeugungsanlagen und Brennstoffart sichern. Und zur Fernwärme, Frau Stöver, gehören nun einmal die Erzeugungsanlagen, das ist auch rechtlich so.

Den Einfluss auf die Netze kann die Stadt erst ab 2015 erlangen; bis dahin gelten die alten Verträge. Doch schon 2012 muss die Stadt sagen, wie sie mit den Verträgen verfahren will, und sie muss ihre Entscheidung vorbereiten. Noch fehlen dazu die Informationen über Wert, Zustand und auch Zubehör der jeweiligen Netze. Vattenfall verweigert jegliche Auskunft dazu, obwohl das Unternehmen laut geltendem Konzessionsvertrag unbedingt zur Information verpflichtet wäre, und auch die Gültigkeit des Vertrags wird bestritten. Das verzögert natürlich die Entscheidung.

Die Bewertung des Gasnetzes ist zwar im Gange, aber nicht abgeschlossen. Der CDU-Senat hat sich beim Neuabschluss der Konzession mit E.ON 2007 auf eine für die Stadt ungünstige Regelung eingelassen. Laut Bundesgerichtshof dürfen die Energieversorger eine Übernahme oder Beteiligung an den Netzen nicht durch prohibitive Preise verhindern, wie wir aus dem berühmten KauferingUrteil wissen.

Meine Damen und Herren! Die SPD-Fraktion hält eine überparteiliche Verständigung über die Zukunft der Netze für angebracht; das haben wir auch in den Antrag geschrieben. Insofern ist es natürlich positiv, dass alle vorliegenden Anträge trotz sehr unterschiedlicher Reichweite in die gleiche Richtung weisen. Selbst die CDU scheint ihre Fundamentalopposition aufgegeben zu haben. Aber, Frau Stöver, wenn Sie hier so reden, entspricht das nicht dem, was die Initiative will. Insofern finde ich es nicht fair und auch unaufrichtig, wenn Sie in Ihrem Antrag schreiben, Ihr Beschluss entspreche den Forderungen der Initiative. Das erinnert mich an die Art und Weise, wie die CDU in den Bezirken teilweise verfahren ist, dass sie zum Schein die Initiativen übernimmt, um dann hinterher die Sache von der Hacke zu haben. So geht es nicht, liebe Frau Stöver.

Wir werden hier, das hat Herr Kerstan auch gesagt, keinen gemeinsamen Beschluss hinbekommen, aber bis zur Wahl ist das auch nicht möglich. Das Thema Rekommunalisierung der Netze ist und bleibt aber über den Wahltag hinaus eine wichtige Zukunftsfrage für die Stadt und die Volksinitiative

wird ohnehin nicht lockerlassen, da bin ich ganz sicher. Für die SPD – und auch für die GAL, wie ich gesehen habe – ist es wichtig, dass eine maßgebliche Netzbeteiligung den Haushalt nicht belastet, und es gibt Beispiele dafür, dass das möglich ist. Es ist auch ein Unterschied, ob die Stadt ein Sondervermögen sich hoch verschulden lässt, ohne dass in diesem Sondervermögen etwas erwirtschaftet wird, oder ob die Stadt ein Unternehmen gründet, das Erträge erzielt, aus dem dann Zins, Tilgung, Betriebskosten und auch die Investition bestritten werden können.

(Barbara Ahrons CDU: Haben Sie das mit Herrn Dr. Tschentscher abgesprochen?)

So arbeitet jedes Unternehmen, Frau Ahrons.

So wundert es nicht, dass der Bund der Steuerzahler die Initiative unterstützt und auch kritisch angemerkt hat, dass die Finanzierungsfrage vor allem von den Energieversorgern regelmäßig als Abwehrargument benutzt werde. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Zu diesem Thema der Aktuellen Stunde liegen mir keine weiteren Wortmeldungen vor.

Wir kommen deshalb zum zweiten, von der Fraktion DIE LINKE angemeldeten Thema:

Hartz-IV: Unrecht verhindern – verfassungswidrige Regelsätze stoppen

Wird dazu das Wort gewünscht? – Das ist der Fall. Herr Joithe hat das Wort.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Am 9. Februar 2010 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass das Grundrecht auf Gewährleistung eines menschenwürdigen Existenzminimums aus Artikel 1 Absatz 1 des Grundgesetzes in seiner Verbindung mit dem Sozialstaatsprinzip des Artikels 20 Absatz 1 des Grundgesetzes mit den gegenwärtig geltenden Hartz-IV-Regelsätzen nicht vereinbar und verletzt ist. Dem Gesetzgeber war eine Frist zur Neufestlegung der Regelsätze bis spätestens zum 31. Dezember 2010 aufgegeben worden. Die Zeit ist knapp und die Nervosität ist groß. Am 3. Dezember hatte der Deutsche Bundestag mit der Mehrheit von Union und FDP den Gesetzesentwurf der Bundesministerin von der Leyen zur Festlegung der neuen Hartz-IV-Regelleistungen beschlossen und schon morgen, am 17. Dezember, soll der Bundesrat über dieses zustimmungspflichtige Gesetz abstimmen. Damit weiteres Unrecht verhindert wird und nicht erneut verfassungswidrige Regelsätze Gesetzeskraft erhalten, hat meine Fraktion einen Antrag eingereicht, in dem der Senat aufge

(Dr. Monika Schaal)

fordert wird, dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zur Ermittlung von Regelbedarfen im Bundesrat nicht zuzustimmen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Michael Neumann und Dr. Dorothee Stapelfeldt, bei- de SPD)

Buchstäblich in letzter Minute kann Hamburg der Fortschreibung einer drastischen Unterversorgung von Empfängern sozialer Mindestsicherung in die Speichen fahren. Das ist eine Verantwortung für circa 7,8 Millionen Bezieher von Transferleistungen der sozialen Mindestsicherungssysteme, der sich der Senat bewusst sein muss und der er, darauf kommt es insbesondere an, auch gerecht werden muss. Die Bundesregierung wird mit der von ihr vorgelegten Neuermittlung der Regelsätze den Vorgaben des Bundesverfassungsgerichts in keiner Weise gerecht. Die Berechnungsgrundlage ist manipulativ, die Abschläge erfolgen weiterhin willkürlich und dies offensichtlich mit dem einen Ziel, eine Punktlandung auf die wohlgemerkt bereits 2008 im Existenzminimumbericht der Bundesregierung genannten 364 Euro für den Eckregelsatz hinzulegen.

Allein durch die manipulative Verkleinerung der Grundgesamtheit von 20 auf die untersten 15 Prozent der Einkommenshierarchie bei Einpersonenhaushalten werden den Leistungsberechtigten durch die Bundesregierung 18 regelsatzrelevante Euro pro Monat unterschlagen. Bei den derzeitigen 359 Euro, das kann noch einmal jemand nachrechnen, sind 18 Euro eine ganze Menge Geld. Weitere 28 Euro behält die Bundesministerin von der Leyen dadurch ein, dass die vom Bundesverfassungsgericht geforderte Herausrechnung der verdeckt Armen aus dem untersten Einkommensanteil nicht erfolgt ist, obwohl es vorgegeben wurde. Nicht minder willkürlich sind die Abschläge, mit denen rund ein Drittel der Ausgaben des untersten Einkommenanteils handstreichartig als nicht regelsatzrelevant erklärt wurde. Ich möchte Ihnen einmal anschaulich machen, was nicht regelsatzrelevant eigentlich bedeutet, und zwar so, dass es in die Jahreszeit passt. Ein Glühwein auf dem Weihnachtsmarkt ist den Empfängern von Mindestsicherungsleistungen ebenso wenig vergönnt wie der Weihnachtsbaum im eigenen Heim, jedenfalls dann nicht, wenn es nach dem Willen der Bundesregierung geht. Mit dem durchaus gegebenen und vom Bundesverfassungsgericht eingeräumten Gestaltungsspielraum des Gesetzgebers bei der Regelsatzbemessung sowie mit der durch unsere Verfassung gebotenen Verantwortung umzugehen, hat die Bundesministerin von der Leyen nicht verstanden. Sie ist dem Karlsruher Richterspruch keinesfalls gerecht geworden.

Ich möchte aber noch auf einen weiteren Aspekt hinweisen. Sie, sehr geehrte Kollegen von der CDU, haben es in der Hand, Ihrer Parteikollegin,

der Bundesministerin von der Leyen, eine weitere sichere Niederlage vor dem Bundesverfassungsgericht zu ersparen. Wenn Ihnen schon das Los der beinahe acht Millionen Empfänger von Mindestsicherungsleistungen politisch nicht in erster Linie wichtig ist, meine Damen und Herren von der CDU, dann denken Sie doch zumindest einmal an Ihr Ansehen als Volkspartei. Ein Gesetzesentwurf, der mit der Verfassung nicht vereinbar ist, ist für politisch verantwortliche Parteien einfach nur beschämend.

(Beifall bei der LINKEN)

Nehmen Sie Ihre Verantwortung ernst und stimmen Sie dem Gesetzesentwurf der Bundesregierung zu den neuen Hartz-IV-Regelleistungen nicht zu. – Ich danke Ihnen für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat Herr von Frankenberg.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich das Grundsätzliche noch einmal ausdrücklich betonen: Leistungen nach Hartz IV sind als Hilfe in einer Notsituation gedacht. Ziel muss es sein, Chancen und Perspektiven zu entwickeln, das sei einmal vorweg gesagt. Voraussetzung dafür ist eine solide Wirtschaftspolitik und deswegen bin ich froh, dass wir eine positive Entwicklung auf dem Arbeitsmarkt haben, denn jeder Arbeitsplatz bietet eine Perspektive.

(Beifall bei der CDU)