Damit haben wir überhaupt kein Problem. Ich denke, es ist auch kein Geheimnis: Auch wir sind natürlich nicht davon begeistert, wenn aus dem Arbeitgeberverband ausgetreten wird und man sich nicht mehr nach tarifgebundenen Löhnen richtet. Nur, wenn hier das Thema Pflege angemeldet wird, dann darf es nicht nur an der Bezahlung der Pflegenden – was natürlich ein wichtiger Punkt ist – aufgehängt werden. Später werden wir dann noch eine Niedriglohndebatte führen. Da können Sie sich noch einmal einschalten. Ansonsten, denke ich, heißt das Thema Pflege. Darüber sollten wir auch sprechen, dazu ist auch sehr viel gesagt worden. Ich glaube, eins dürfen wir nicht machen: Wir können natürlich ganz viel loben, was passiert ist, das wurde schon ausreichend getan, die Opposition kann es auch kritisieren, aber versuchen wir es doch einmal zusammenzuführen. Denn es ist wirklich viel Positives geschehen. Aber wir haben auch noch etwas zu verbessern. Daran müssen wir gemeinsam ansetzen und weiter arbeiten. Dazu hat Senator Wersich schon einiges gesagt, wir haben einiges gesagt, die SPD hat nichts dazu gesagt, die hat mehr gemeckert, was alles schlecht läuft. Was wir brauchen, ist wirklich ein genaues Hinsehen. Denn ich kann noch einmal wiederholen – das, finde ich, ist das Interessante an dem Thema Pflege: Wir werden alle irgendwann in diesen Zustand kommen. Es muss unser eigenes originäres Interesse sein, diesen Bereich mitzugestalten.
Da kann es auch nicht in unserem Interesse sein, wenn wir zum Beispiel diese kurzen Pflegezeiten nehmen, die ich eben genannt habe, 15 Minuten für die kleine Morgentoilette oder 3 Minuten zum Windelwechseln: Das ist etwas, wie ich mir die Betreuung der älteren Menschen nicht vorstelle, aber das setzt eine Zusammenarbeit auch mit der Bundesregierung voraus. Pflege heißt kreativ werden, und zwar kreativ werden und den Menschen in den Mittelpunkt stellen. Wir brauchen in den Pflegeeinrichtungen einen Personalmix. Dann kann es gelingen. Und wir müssen uns möglicherweise auch auf die Situation einstellen, dass die Freiwilligendien
ste im Bereich der Zivildienstleistenden zurückgehen und wir dann auch in diesem Bereich völlig neu denken müssen, zum Beispiel die sozialen Jahre vermehrt auch in die Pflegeeinrichtungen hineinzuholen, um diesen Personalmix dort hinzubekommen. Denn alle sind bei der Pflege von älteren Menschen wichtig.
Bei den Professionellen, da möchte ich auch – Frau Artus hat, glaube ich, gesprochen – widersprechen: Natürlich sind die Professionellen wichtig. Aber ich möchte noch einmal darauf zurückkommen: Aufgaben wie Einkaufsdienste, Wäschewaschen oder Vorlesen sind genauso wichtig in der Pflege, die will ich überhaupt nicht degradieren, müssen aber nicht von Professionellen gemacht werden. Das heißt, wir müssen neue Wege denken, um die Menschen wirklich umfassend zu pflegen und es nicht nur auf rein mechanische Tätigkeiten zu konzentrieren. Wir brauchen alle im Alter – und unsere älteren Mitmenschen schon jetzt – Zuspruch, vor allen Dingen Ansprache und Zeit. Zeit ist das Wichtigste. Ich glaube, darüber müssen wir alle nachdenken. Das führt auch zu einer Qualifizierung dieses Pflegeberufs, wenn wir endlich anerkennen, dass auch die Zeit, die dort investiert wird, etwas ganz Wichtiges ist. In der Hinsicht lassen Sie uns die Debatte weiter führen.
Nach Paragraf 22 Absatz 3, nämlich nach der Rede des Senators, hat natürlich jede Fraktion noch einmal die Möglichkeit einer Erwiderung. Deshalb bekommt jetzt Frau Baum das Wort.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Damen und Herren! Das ist ein sehr komplexes Thema und nach allem Gesagten fällt es auch gar nicht leicht, jetzt noch einmal wieder den Einstieg zu finden. Aber ich möchte noch einmal darauf hinweisen, dass das Leben in vertrauter Umgebung für die meisten Menschen eine elementare Voraussetzung für einen selbstbestimmten Alltag ist. Gesundheitliche Einschränkungen und Behinderungen erschweren das selbstständige Leben in den eigenen Wänden. Gute Pflege ist nicht nur die Hilfe beim Anziehen und bei der Körperpflege, sondern auch hohes Verantwortungsbewusstsein bei der Medikamentengabe und bei sonstiger medizinischer Versorgung. Dazu kommt auch noch die hohe Anforderung an die soziale Kompetenz der Pflegenden. Wir haben Respekt und Hochachtung vor den Menschen, die nicht nur Angehörige, sondern auch fremde Menschen mit Aufopferung pflegen. Die Missstände in den Pflegeberufen sind anzuprangern. Es geht immer nur um Kosten und um die Pflegepauschalen und nicht um die Menschen – nicht um die Menschen, die gepflegt werden, und nicht um die Menschen, die pflegen.
Das Pflegepersonal ist überlastet und unterbezahlt. Darüber scheint Einigkeit zu herrschen. Es ist ein Frauenberuf, der schon von der Ausbildung her geringere Standards hat. Die Ausbildung findet zurzeit nur vollschulisch statt, obwohl die duale Ausbildung europaweit Anerkennung gefunden hat, aber hier für die öffentliche Hand wohl zu teuer ist. Hier findet auch nur eine Teilqualifizierung statt, die natürlich nicht vergleichbar ist mit der Qualifikation einer examinierten Krankenschwester. Diese wäre bei den steigenden Anforderungen in den Pflegeberufen aber notwendig. Qualitativ sind diese Heil- und Pflegeberufe höher zu bewerten und besser zu bezahlen.
Hier sollte überlegt werden, ob diese Ausbildung auch in die duale Form mit kontrollierbaren Standards gebracht werden kann. Ich begrüße das Vorhaben der angekündigten Berufsordnung, aber der richtige Weg wäre eine Rekommunalisierung im Gesundheitsbereich.
Der Mensch hat das Recht, kompetente Pflege zu erhalten, wenn er sie braucht. Der Mensch ist kein Kostenfaktor.
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 15 Deputierten der Justizbehörde – Drs 19/480 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 15 Deputierten der Behörde für Schule und Berufsbildung – Drs 19/481 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 15 Deputierten der Behörde für Wissenschaft und Forschung – Drs 19/482 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 15 Deputierten der Behörde für Kultur, Sport und Medien – Drs 19/483 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 15 Deputierten der Behörde für Soziales, Familie, Gesundheit und Verbraucherschutz – Drs 19/484 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 15 Deputierten der Behörde für Stadtentwicklung und Umwelt – Drs 19/485 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 15 Deputierten der Behörde für Wirtschaft und Arbeit – Drs 19/486 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 15 Deputierten der Behörde für Inneres – Drs 19/487 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl von 15 Deputierten der Finanzbehörde – Drs 19/488 –]
[Unterrichtung durch den Präsidenten der Bürgerschaft: Wahl eines Mitglieds des Datenschutzgremiums nach § 14 der Datenschutzordnung der Hamburgischen Bürgerschaft – Drs 19/493 –]
Die Fraktionen haben vereinbart, dass die Wahlen in einem Wahlgang durchgeführt werden können. Die Stimmzettel liegen Ihnen vor. Sie enthalten bei den Namen jeweils Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Sie dürfen auf jeden Stimmzettel und bei jedem Namen nur ein Kreuz machen, aber bitte wirklich nur eins. Eintragungen oder Bemerkungen würden zur Ungültigkeit führen, auch unausgefüllte Zettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie nun Ihre Wahlentscheidungen vor. Mit dem Einsammeln werden wir etwas warten.
Ich sehe, es ist schon gut vorgearbeitet worden. Von daher bitte ich schon einmal den Schriftführer, nun mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen. Sie haben gesehen, Herr Hakverdi ist heute alleine. Deshalb werden Mitarbeiter der Bürgerschaftskanzlei ihn beim Einsammeln der Stimmzettel unterstützen.
Dann frage ich noch einmal zur besseren Übersichtlichkeit: Gibt es irgendwo Stimmzettel, die noch nicht eingesammelt worden sind? – Das ist der Fall. Diese werden gleich noch eingesammelt.
Dann frage ich noch einmal: Sind alle Stimmzettel abgegeben worden? – Nein, noch nicht. Dann bitte ich, sie so hochzuhalten, dass sie gut gesehen werden.
Ich sehe, dass jetzt auch die letzten Stimmzettel eingesammelt worden sind. Dann schließe ich die Wahlhandlung. Die Wahlergebnisse werden nun ermittelt und vereinbarungsgemäß zu Protokoll nachgereicht.
Wir kommen zum Punkt 38 der Tagesordnung, dem Antrag der SPD-Fraktion: Für ein vernetztes und effektives Handeln der Behörden zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt in der Familie.
[Antrag der Fraktion der SPD: Für ein vernetztes und effektives Handeln der Behörden zum Schutz von Kindern und Jugendlichen vor Gewalt in der Familie – Drs 19/494 –]
Hierzu liegt Ihnen als Drucksache 19/566 ein gemeinsamer Antrag der GAL-Fraktion und der CDU-Fraktion vor.
[Antrag der Fraktionen der GAL und der CDU: Interkulturelle Familienkonflikte entschärfen – Schutz und Prävention ausbauen – Drs 19/566 –]
Diesen Antrag möchte die GAL-Fraktion an den Familien-, Kinder und Jugendausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Veit, bitte.
Vielleicht ein fast obligatorischer Hinweis: Es wäre ganz nett für die Rednerin, wenn es im Plenum etwas leiser würde.
Vielen Dank, Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Nachdem wir in der vergangenen Legislatur gemeinsam und mehrfach darüber diskutiert haben, dass allen Beteuerungen des bisher allein regierenden CDUSenats zum Trotz Kinder und Jugendliche in Hamburg nicht hinreichend gegen Gewalt und Vernachlässigung geschützt werden, beschäftigen wir uns hier und heute nach dem schrecklichen Mord an Morsal O. und der schrecklichen Vorgeschichte dieses Mordes zum zweiten Mal im Plenum mit der Tatsache, dass dieser Kinder- und Jugendschutz in Hamburg offenbar immer noch nicht ausreichend ist.
teiligten Stellen eben nicht verlässlich und regelhaft zu einer realistischen Gefährdungseinschätzung zusammengeführt werden und die vorhandenen Möglichkeiten zum Schutz von Morsal O. auch in rechtlicher Hinsicht nicht konsequent genutzt wurden. In der öffentlichen Sitzung des Jugendausschusses vor einer Woche haben die Behördenvertreter dieses auch zugegeben. Deswegen ist es auch vorsätzlich falsch – das möchte ich gleich zu Beginn sagen –, wenn hier und an anderer Stelle Vertreter des Senats und der ihn tragenden Parteien so tun, als wäre alles richtig gelaufen. Nein, meine Damen und Herren, hier ist eindeutig nicht alles richtig gelaufen.
Wenn in diesem Fall alles richtig gelaufen wäre in der Schule, in der Jugendhilfe und in der Justiz, dann hätte die sechzehnjährige Morsal O. Hilfe bekommen und wir müssten heute nicht zum zweiten Mal über ihren Tod und den Mord unter den Augen der beteiligten Behörden reden.
Ich will Ihnen gerne ein paar Beispiele nennen. Zu zwei Anklagen aus dem Winter und dem Frühjahr 2007, bei denen Morsal O. das Opfer war, und die dann von der Justiz im Juni 2008 zur Verhandlung terminiert wurden, also mehr als ein Jahr später, sagte der Vertreter der Justizbehörde im Ausschuss wörtlich:
"Das war natürlich zu spät. Das ist durchaus ein Schwachpunkt. Das muss man aus Sicht der Justiz einräumen."
Der Vertreter der Schulbehörde sagte an anderer Stelle zur Begründung dafür, dass die Schule nicht geholfen hat:
Frau Spethmann, die stellvertretende Fraktionsvorsitzende der CDU, kommentierte die gleichen Vorgänge vor drei Wochen im Parlament mit der Bemerkung, sie könne feststellen, dass in außergewöhnlicher Weise Schule, Polizei, Jugendhilfe und Justiz zusammengewirkt hätten. Außergewöhnlich schlecht hat Frau Spethmann da wohl gemeint.
Ein anderes Beispiel. Frau Senatorin Goetsch, die erst seit kurzem Schulsenatorin ist, hat unmittelbar nach Morsals Tod – zwei Wochen danach – in der Landespressekonferenz, bei der der Senat seine Schlussfolgerungen zum Thema Morsal schon gezogen und verkündet hat, gesagt, die Papierlage