Grüne und CDU noch lassen. Ich gebe zu, das ist nicht leicht, eine solche Nische zu finden. Aber ich möchte Ihnen noch etwas mit auf den Weg geben im Sinne von Weiterdenken: Haben Sie sich eigentlich klar gemacht, wenn wir das ein einziges Mal tun, wenn wir ein einziges Mal ein solches Mädchen quasi gegen ihren Willen geschlossen unterbringen, dass sich dann zukünftig in dieser Stadt kein einziges von Gewalt bedrohtes Mädchen mehr an die staatlichen Hilfsinstitutionen wenden wird?
(Michael Neumann SPD: Also konnte man nichts machen? Dann ist das eben so, dann stirbt das Mädchen eben oder was?)
zwischen der Verantwortung der Eltern und dem Wächteramt, zwischen der Selbstbestimmung und Mitentscheidung der Jugendlichen und staatlicher Bevormundung. Sie haben vielleicht mitbekommen, dass der Kinderschutzbund schon kritisiert, dass der Staat mittlerweile zu viel tut, zu viel in Obhut nimmt. Ich glaube, eine eher am Wahlkampf orientierte öffentliche Diskussion mit Vorurteilen und Unkenntnis ist nicht ungefährlich für unser Hilfesystem. 300 Mitarbeiter im ASD, im Kinder- und Jugendnotdienst haben für ihre schwierige Arbeit Respekt und Anerkennung, aber auch einen fairen Umgang in der Aufklärung verdient. Eine derartige Tat am Ende nicht verhindern zu können ist das eine, den Helfern aber dann die Schuld an dem Verbrechen zu geben, kann ich nicht akzeptieren.
Lassen Sie mich zum Schluss feststellen: Morsal ist Opfer des massiven familiären Konflikts in ihrem stark patriarchal geprägten Elternhaus geworden. Der Täter ist geständig. Motiv und die familiären Hintergründe müssen im weiteren Strafverfahren aufgeklärt werden. Ich glaube, wir alle müssen hinschauen und mitwirken und mit unserem vielschichtigen Hilfesystem und Know-how für Mädchen und Frauen die Gewaltspirale in derartigen traditionell patriarchal geprägten und teilweise auch religiös geprägten Familien stoppen. Auch die Migrantenorganisationen – das will ich an dieser Stelle auch noch einmal sagen – haben hier eine immense Verantwortung, sich daran aktiv zu beteiligen. Daran sollten wir gemeinsam und sachorientiert arbeiten.
Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Es gibt in der Tat einiges, was man dazu sagen kann. Fangen wir einmal mit dieser Entgleisung an, die vorhin gesagt worden ist, dass wir Helfern zu Tätern machen würden. Das ist nicht der Punkt. Es geht darum, dass wir aufarbeiten müssen, wo auch politische Verantwortlichkeiten, wo strukturelle Mängel sind, die sich in diesem konkreten Fall gezeigt haben und die aufgearbeitet werden müssen. Deswegen geht es nicht darum, die Helfer zu diffamieren, sondern es geht konkret darum, politische Verantwortlichkeiten aufzudecken, sie zu hinterfragen und genau davor laufen Sie davon, meine Damen und Herren.
Zu dem Punkt, wir würden das Bezirksamt Mitte oder den Bezirksamtsleiter Schreiber aussparen. Wir haben die Fragen, wo das Bezirksamt Mitte, nämlich das Jugendamt den Antrag beim Familiengericht hätten stellen können und müssen, überhaupt nicht ausgespart, sondern wir waren diejenigen, die das angesprochen haben.
Wenn es dort Versäumnisse gegeben haben sollte, dann werden wir die auch offen ansprechen. Allein das, dass wir da keinen Unterschied machen oder irgendetwas zurückhalten, zeigt, dass es uns nicht um eine parteipolitische Aufarbeitung geht, sondern um eine rückhaltlose Aufarbeitung dieses Falles, und zwar ganzheitlich, meine Damen und Herren.
Gehen wir einmal zum Thema Sozialdatenschutz. Ich finde es immer so interessant, wenn die CDU den Datenschutz entdeckt. Die GAL hat ihn schon länger für sich entdeckt, das ist okay, aber dass Sie jetzt auf einmal sagen, der Datenschutz sei an der Stelle die heilige Kuh, ist schon sehr interessant. Aber wenn man sich einmal genau anguckt, wie das im Einzelnen bei Anfragen und so weiter gelaufen ist – darauf komme ich gleich –, dann stellt man fest, dass Sie den Sozialdatenschutz immer dann ins Feld führen, wenn es Ihnen politisch in den Kram passt und das ist schäbig, meine Damen und Herren.
Kommen wir einmal zu der Kleinen Anfrage, wo wir vor der letzten Bürgerschaftssitzung die Möglichkeit hatten, dieses auch öffentlich zur Kenntnis zu
nehmen, weil wichtige Medien in dieser Stadt darüber berichtet haben, und zwar nicht über das Ergebnis, nach dem im Senat noch einmal daran herumgedoktert wurde, sondern davor, das heißt, der Entwurf, den die federführende Justizbehörde erarbeitet hatte und wo man nachher sehr genau feststellt, dass da doch etwas ein wenig gestrichen wurde. Da kommen wir dann zu der Frage, wo man sehr genau sehen kann, Herr von Frankenberg und Frau Blömeke, wie das mit Ihrem Aufklärungswillen so bestellt ist.
Kommen wir konkret zu den Einzelheiten und nehmen einen Punkt aus der Antwort des Senats, in der steht:
Das war das, was öffentlich zur Kenntnis gegeben wurde. Im Entwurf der Justizbehörde steht dann aber etwas mit "Haare ausgerissen" – das nur einmal als Gesichtspunkt, wie Sachverhalte entstellt, verkürzt und verdreht werden. Ist das Ihre Aufklärung in diesem Fall, den Sachverhalt so zu verfälschen? Wo ist da der Sozialdatenschutz, wenn es um wirkliche Tatsachen geht, die hier gefragt werden?
Man kann natürlich sagen, das mit den Haaren sei nicht der alles entscheidende Punkt, aber ich komme zu weiteren Punkten, zum Beispiel zur Zeugenvorladung, die an die Eltern als Erziehungsberechtigte – in diesem Fall an die Mutter, die die mutmaßliche Täterin war – gegangen ist. Das ist schwierig und muss vielleicht für die Zukunft einmal aufgearbeitet werden. Das hätten wir in diesem Fall gar nicht erfahren, wenn die nachher beschlossene Senatsantwort das Einzige gewesen wäre, was das Parlament erhalten hätte, denn dass eine Ladung zur Zeugenvernehmung an die Beschuldigten gerichtet war, wird verschwiegen. Wir haben also an dieser Stelle auch einen Mangel an Aufklärung dem Parlament gegenüber. Sie verkürzen Sachverhalte und machen damit die öffentliche Aufarbeitung sehr viel schwieriger.
Das, finde ich, ist der schwerwiegendste Punkt, da wir hier auch über das Thema Zwangsverheiratung in diesem Gesamtkontext sprechen, und da heißt es dann in der endgültigen Senatsantwort, zum Afghanistan-Aufenthalt von Morsal liegen keine gesicherten Erkenntnisse vor. Das hat der Senat uns offiziell mitgeteilt und die ursprüngliche Version, die auch in der Presse berichtet worden ist, lautete:
Das war offensichtlich die ursprüngliche Kenntnis der Polizei, so steht es jedenfalls im ursprünglichen Entwurf.
Dass Sie so eine Kerninformation für das Gesamtverständnis dieses Sachverhalts, wo man auch schauen muss, welche Maßnahmen, Konsequenzen und Analysen man daraus zieht, dem Parlament vorenthalten mit dem Argument des Sozialdatenschutzes, ist wirklich ein Hammer. So kann dieser Fall nicht ordentlich aufgearbeitet werden.
Es lassen sich viele Beispiele finden. Wenn Frau Blömeke die Aufklärungsarbeit als ganz besonders vorbildlich gefeiert hat, dann schauen Sie sich einmal den Vorher-nachher-Vergleich dieser Senatsantwort an, vor und nach der Senatsbefassung. Dann sieht man, dass von dieser tollen Aufklärungsarbeit, die Sie hier so gelobt haben, wirklich nicht viel übrig bleibt.
Ein weiterer Punkt ist der Sorgerechtsentzug und die Inobhutnahme gegen den Willen. Heute fiel wieder dieses schreckliche Wort von der Schutzhaft. Dass Sie, obwohl wir letztes Mal schon darüber gesprochen und gesagt haben, dieses Wort habe in diesem Zusammenhang wirklich nichts zu suchen,
nichts daraus gelernt haben, sondern wieder diesen unerträglichen Begriff in die Debatte werfen – Sie haben auch in den ganzen Wochen, in denen wir darüber diskutiert haben, nichts gelernt – finde ich sehr enttäuschend.
Es geht darum, welche Möglichkeiten gegeben sind, und der Senator hat an dieser Stelle eben den konkreten Vorwurf an uns gerichtet, das Mädchen in diesem Fall von ihrem Freiheitsdrang abhalten zu wollen. Ich sage Ihnen ganz konkret: Sie haben bestimmte Verpflichtungen aus dem Kinderund Jugendhilfegesetz – ich habe es bei der letzten Sitzung schon angesprochen – und da steht in Paragraf 42:
"Das Jugendamt ist berechtigt und verpflichtet, ein Kind oder einen Jugendlichen in seine Obhut zu nehmen,…"
das steht in Absatz 1 und später, dass auch freiheitsentziehende Maßnahmen bei dieser Inobhutnahme zulässig sind –,
"… wenn und soweit sie erforderlich sind, um eine Gefahr für Leib oder Leben des Kindes … abzuwenden."
Das ist die Rechtslage, an die der Senat als Fachaufsichtsbehörde gebunden ist, an die das Jugendamt gebunden ist und, und, und. Natürlich sollte man den Paragrafen immer zu Ende lesen, das ist völlig richtig. Man muss dann an der Stelle eine Entscheidung des Familiengerichts einholen; überhaupt keine Frage. Die Frage ist, warum Sie diesen wirklich eindeutigen Festlegungen im Gesetz ausweichen zu sagen, in so einem Fall muss die Ultima Ratio zum Einsatz kommen. Die Gefährdungslage war offenkundig, was die letzten 48 Stunden angeht. Spätestens seitdem die Ergebnisse der rechtsmedizinischen Untersuchungsstelle vorliegen und die ganze Fallsituation klar ist, sagen wir, es geht darum – Sie haben unsere Forderungen vorhin als Geisterfahrt bezeichnet –, in einer solchen unmittelbaren Gefährdungssituation für Leib und Leben Leib und Leben zu retten. Das ist unser Standpunkt und wir beharren an diesem Punkt auch darauf.
Sie haben gestern in der Presseerklärung von ehrlicher, substantieller Aufarbeitung gesprochen. Frau Veit hat so viele Punkte genannt – Herr Ciftlik wird das auch noch einmal ergänzen –, bei denen Sie sich einer ehrlichen und substantiellen Aufarbeitung dieses konkreten Falls richtig verweigert haben. Sie machen damit den ersten entscheidenden Schritt nicht.
Wir können über langfristige, strukturelle Maßnahmen gerne diskutieren, da werden wir vielleicht in ganz vielen Punkten einer Meinung sein, aber an erster Stelle muss stehen, diesen Fall mit all seinen Facetten, mit seinen Verantwortlichkeiten wirklich rückhaltlos aufzuklären. Und da haben Sie so viele Nebelkerzen geworfen, sich an so vielen Stellen verweigert, dass man wirklich sagen muss, da sind Sie Ihrer Verantwortung als neue Regierungsfraktion nicht gerecht geworden, Sie sind dem Fall nicht gerecht geworden.
Kehren Sie deshalb zu einer ordentlichen Aufklärungsarbeit zurück, Sie haben in der nächsten Sitzung des Jugendausschusses noch einmal Gelegenheit dazu. Das sollten Sie tun, um solche Fälle für die Zukunft zu vermeiden. – Vielen Dank.