Protokoll der Sitzung vom 18.06.2008

Das Wort bekommt Frau Güclü.

Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Heute ist eine ganze Menge zu dem Thema gesagt worden und ich werde jetzt nicht alles wiederholen, was meine Vorrednerinnen

(Dr. Andreas Dressel)

und Vorredner und vor allem Senator Wersich sehr eindrucksvoll geschildert hat.

(Michael Neumann SPD: Und rührend ein- drucksvoll!)

Aber ich möchte noch einmal auf den Antrag der SPD zurückkommen, der unter anderem die Grundlage für die heutige Debatte war.

Frau Veit, ich muss mich wundern, Sie haben vorhin gesagt, Ihr Antrag wäre weitergehender. Eine Zusammenfassung der Maßnahmen, die der Senat schon mehrfach vorgestellt hat, über die schon seit Wochen in der Stadt diskutiert wird, kann doch nicht die Antwort der SPD auf dieses ganze Getöse seit Wochen in den Ausschüssen und in den Medien sein. Hier betreiben Sie selbsterfüllende Prophezeiung, die allerdings nicht eintrifft.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Wenn wir uns Ihren Antrag anschauen, dann ist er eigentlich ganz typisch für die SPD: pauschal, schwammig, nette Lyrik, eine Absichtserklärung, aber keine konkreten Maßnahmen.

(Michael Neumann SPD: Können Sie ja rich- tig froh sein, dass wir keine Koalition einge- gangen sind, weil wir schwammig sind!)

Wo sind Ihre einzelnen Maßnahmen, wenn Sie meinen, Lücken und Fehler gesehen zu haben? Sie hätten mit Ihrem Antrag die Möglichkeit gehabt, genau da den Finger in die Wunde zu legen und zu sagen, die und die Maßnahme leiten wir als SPD daraus ab, das muss umgesetzt werden, um das abzustellen. Solange das nicht passiert, Frau Veit, bleibt wirklich nur Rhetorik.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Und dass die SPD hier immer noch planlos, orientierungslos und ziellos ist, zeigt auch die Tatsache, wie sehr Sie sich in verschiedene Richtungen vergaloppieren. Herr Ciftlik spricht in den Medien; ganz zu Anfang hat er eine neue Abschiebedebatte ins Spiel gebracht, dann war es eine Einbürgerung auf Zeit, dann haben wir die rechtspolitische Diskussion gehabt.

(Ingo Egloff SPD: Können Sie mal sehen, wie viele Facetten das Thema hat!)

Es ging darum, ob man die junge Frau nicht in irgendeiner Form hätte geschlossen unterbringen sollen. Wer mit diesen jungen Frauen gearbeitet hat – auch das hat Senator Wersich sehr deutlich gemacht und das habe ich mehrere Jahrzehnte, Frau Veit –, der weiß, dass das die schlimmste Strafe ist, die man ihnen zukommen lassen kann. Das ist keine Hilfe, das ist eine zusätzliche Bestrafung.

Ich bin traurig, dass die SPD scheinbar auch in der Frauenpolitik einen neuen Kurs fährt, denn einerseits haben die ASF-Frauen vernünftige Positions

papiere dazu entwickelt, die ich Ihnen nur wärmstens ans Herz legen kann. Lesen Sie sich einmal das Papier der ASF-Frauen dazu durch, die kommen zu einem ganz anderen Schluss, Frau Dobusch, als manche Rednerin und mancher Redner der SPD, denn da geht es um sachliche Aufklärung und eine konstruktive Diskussion, um Maßnahmen zu entwickeln, um den Frauen und den Betroffenen beziehungsweise Bedrohten noch besser helfen zu können. Ich finde es sehr schade – wir haben mit der SPD gerade in den letzten zehn Jahren in der Frauenarbeit viel gemeinsam bewegt –, dass sich die SPD jetzt von diesem Konsens bei der Bekämpfung von häuslicher Gewalt auf diese Art und Weise verabschiedet. Aber es überrascht mich nicht, denn Sie sind in dieser Debatte nicht wirklich an einer Verbesserung interessiert, sondern drehen sich im Kreis und instrumentalisieren die ganze Debatte.

Machen Sie sich einmal die Mühe – das habe ich auch bei Ihnen herausgehört, Frau Veit – und lesen sich den Antrag noch einmal in Ruhe durch. Es sind viel mehr Punkte als das, was im Koalitionsvertrag festgelegt ist. Auch diese Punkte sind natürlich wichtig, die müssen umgesetzt werden, aber für einen Punkt möchte ich noch einmal bei Ihnen werben. Natürlich sind das Probleme in interkulturellen Zusammenhängen, aber was kann denn da die richtige Lösung sein. Ich werbe bei Ihnen darum, dass gerade die SPD gemeinsam mit uns bei den Migrantencommunitys darum wirbt, Kooperationspartner zu gewinnen. Wir müssen doch gerade diese Communitys stärken, damit sie gemeinsam mit uns in der Präventionsarbeit agieren; dafür werbe ich bei Ihnen. Aber von vornherein zu sagen, hier werde Aufklärung verweigert, die Ausschusssitzungen zu ignorieren, die Ausführungen zu ignorieren, ist ein Stil, wo sich die SPD wirklich mal etwas Neues, Kreatives einfallen lassen sollte. – Danke.

(Beifall bei der GAL und der CDU)

Frau Veit, bitte.

(Barbara Ahrons CDU: Kommt jetzt die Ent- schuldigung?)

Ich bin angesprochen worden und gehe gerne noch einmal auf die Geschichte mit dem angeblichen Zitat von Dr. Hammer ein. Ich war auch überrascht, als ich das am nächsten Tag in der "tageszeitung" so las. Mir war sofort klar, dass das so nicht gefallen sein konnte. Hinterher hat sich herausgestellt, dass man das im Umkehrschluss ein bisschen herauslesen kann, aber auch das wird dem nicht gerecht. Und weil das so war, habe ich sofort am Morgen bei der Bürgerschaftskanzlei angerufen und gebeten, aus den Bändern, die noch gar nicht abgeschrieben waren, diese Stelle herauszusuchen, um das richtigstellen

(Nebahat Güclü)

zu können und es ist dann in der "tageszeitung" am nächsten Tag auch richtiggestellt worden. Ich habe das richtige Zitat – Sie haben sich wahrscheinlich auch darum bemüht – heraussuchen lassen. Wir haben das nicht instrumentalisiert und Herr Dr. Hammer, wie Sie zutreffend sagen, genießt überparteilichen Respekt auch an der Stelle und er hat das so nicht gesagt.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Es gibt also keinen Grund, sich für irgendetwas zu entschuldigen. Ich bin meiner Rolle als Ausschussvorsitzende durchaus gerecht geworden und dass Sie das hier so herausstellen, mutet eher etwas merkwürdig an; über solche Fragen reden wir hier sonst eher nicht.

Hier ist immer wieder gesagt worden, wir würden zu wenig konkrete Forderungen aufstellen und zu wenig analysiert haben. Wir sind noch bei der Analyse, wir haben die Ausschusssitzung nach vier Stunden abgebrochen, weil wir nicht einmal die Hälfte unserer Fragen stellen konnten.

(Zurufe von der CDU – Frank Schira CDU: Ach so, auf einmal!)

Wir wollen, dass der Senat dabei mitmacht, dazu ist unser Antrag da, und am Ende werden wir sicher Vorschläge machen, aber alles zu seiner Zeit. Sie wollen aufklären und sprechen uns das gleichzeitig ab. Ich will noch einmal darauf hinweisen, dass es in der vierstündigen Ausschusssitzung vor einer Woche viele Fragen von Abgeordneten der SPD gab, einige von der GAL, einige von den LINKEN. Von der CDU-Fraktion gab es einen einzigen inhaltlichen Beitrag von Herrn Hesse und noch zwei weitere Beiträge, die die Geschäftsordnung betrafen. Sonstige CDU-Größen inklusive der übrigen heutigen Rednerinnen und Redner haben an dem Thema im Ausschuss kein Interesse gezeigt.

(Ingo Egloff SPD: Das ist doch nichts Neu- es!)

Frau Blömeke, noch einmal: Die Schuldfrage wird auch irgendwann am Ende stehen,

(Christiane Blömeke GAL: Aber die haben Sie jetzt schon gestellt! – Frank Schira CDU: Ja!)

aber es ist doch eine zutreffende Beschreibung zu sagen, das Mädchen stand unter der Obhut des Staates. Damit verbunden ist dann auch eine Schuldfrage, aber wir werden unserer Arbeit nicht gerecht, wenn wir uns die nicht gemeinsam stellen.

Ich will noch einmal, Frau Güclü, auf den gemeinsamen Antrag eingehen. Frau Blömeke hat vorhin gesagt, es sei normales Politikhandeln, dass die Regierungsfraktion den Senat noch einmal auffordere, das umzusetzen, was im Koalitionsvertrag aufgeschrieben steht. Das mag so sein, aber dann erwarten wir ein bisschen mehr, als nur die Formu

lierung aus dem Koalitionsvertrag herauszukopieren. Sind Ihnen da nicht einmal vier Spiegelstriche mehr eingefallen? Ich finde das ein bisschen wenig.

(Beifall bei der SPD)

Sie führen hier an, dass es weitere Punkte gäbe, Frau Güclü.

(Nebahat Güclü GAL: Ja, lesen Sie!)

Aber ohne Substanz, Frau Güclü. Da steht, Sie wollen eine anonyme Notaufnahme für junge Frauen gründen. Der Senat solle einmal prüfen, heißt es bei Ihnen, ob eine anonyme Notaufnahme sinnvoll ist. Eigentlich könnten Sie wissen, dass es solche Plätze schon lange gibt. Ich möchte an dieser Stelle noch einmal Dr. Hammer korrekt aus dem Ausschuss zitieren:

"Ebenso sind wir mit dem Träger von Basis Woge im Gespräch, ob wir den Teil an Plätzen noch erhöhen, der zurzeit im Bereich der anonymen Unterbringung für Mädchen Schutz und Sicherheit bietet."

Das hätten Sie wissen können, Frau Güclü.

(Beifall bei der SPD)

Dann hat Frau Blömeke noch gesagt, wenn es Lücken gäbe, müssten die aufgearbeitet werden. Lücken, Frau Blömeke, gibt es in Ihrer Kenntnis vom Jugendhilferecht, der Eindruck verstärkt sich immer mehr. In Paragraf 42, über den wir hier reden, der die Inobhutnahme und Herausnahme aus der Familie regelt, geht es in Wirklichkeit nicht um Jugendhilfe, sondern um Gefahrenabwehr. Diese Norm dient der Gefahrenabwehr und ich bin in diesem Zusammenhang Herrn Senator Wersich für den Hinweis auf die Experten wirklich dankbar – das haben Sie mehrfach betont – und Frau Güclü hat es vorhin auch noch einmal gesagt. Wenn wir vereinbaren, noch einmal zu einer Expertenanhörung zu diesen Fragen zu kommen, dann hilft uns das vielleicht weiter; dafür bin ich jetzt schon dankbar.

Ich will mit einem weiteren Zitat schließen.

(Frank Schira CDU: Aber bitte richtig!)

Gern, Herr Schira.

Im aktuellen, gerade zwei Wochen alten Jahresbericht der bezirklichen Jugendämter zum Kinderschutz ziehen die Dezernenten der Jugendämter unter anderem folgende Schlussfolgerung:

"Viele Einzelmaßnahmen ergeben noch kein schlüssiges Gesamtkonzept. Ziel sollte sein, ein gemeinsames Leitbild für Hamburg zu entwickeln."

Es spricht für sich, wenn die Jugendämter das so feststellen. Letztlich wurden die tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten in diesem Fall nicht ge

nutzt. Sie haben jetzt genau zwei Möglichkeiten: Sie können unserem Antrag zustimmen, dann hat der Senat Zeit bis September, seine offensichtlichen Defizite aufzuarbeiten und einen anständigen Bericht abzugeben, Sie können den Antrag natürlich auch ablehnen, dann werden wir umso genauer weiter untersuchen, warum das Mädchen sterben musste, obwohl es sich immer und immer wieder hilfesuchend an die verschiedenen Dienststellen gewandt hat. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)