Protokoll der Sitzung vom 19.01.2011

(Beifall bei der SPD)

Im Jahr 2003 erklärte Senator Uldall, CDU, schriftlich gegenüber Kunden des Hamburger Hafens, die Fahrrinnenanpassung werde 2006 kommen. Er wollte vor dem Hintergrund der Bemühungen der SPD um die letzte Vertiefung beweisen, wie schnell die CDU solche Projekte erledigt. Senator Gedaschko erklärte nach Amtsantritt im Jahr 2008, die Fahrrinnenanpassung werde nunmehr 2009 realisiert. Ohne Abstimmung mit dem Bund ließ Senator Gedaschko dann an die Teilnehmer des internationalen Reederessens Ende 2009 eine Erklärung verteilen mit dem Inhalt, spätestens bis Herbst 2010 werde der Planfeststellungsbeschluss

(Senatorin Dr. Herlind Gundelach)

vorliegen. Danach würde mit der Maßnahme begonnen. Noch im Juni 2010 wiederholte Senator Gedaschko diese Erklärung in Asien vor Kunden des Hamburger Hafens, während Bundeskanzlerin Merkel wenige Wochen später, ebenfalls in Asien, internationalen Kunden des Hafens unter Verweis der Beteiligung der Grünen an der Hamburger Regierung wenig Hoffnung auf eine baldige Fahrrinnenanpassung machte und stattdessen empfahl, den Tiefwasserhafen Wilhelmshaven als Alternative zu prüfen.

(Arno Münster SPD: Das darf nicht wahr sein!)

Wenige Monate später, Anfang November 2010, musste die Wirtschaftsbehörde öffentlich einräumen, dass der Planfeststellungsbeschluss nicht, wie der internationalen Hafenwirtschaft versprochen, im Herbst 2010, sondern nunmehr erst im Frühjahr 2011 vorliegen werde.

(Wolfgang Rose SPD: Hört, hört!)

Nunmehr erklärt Bürgermeister Ahlhaus das Projekt zur Chefsache und erhält vom Bundesverkehrsminister inhaltlich keine neue Zusicherung zum Projektverlauf. Vielmehr beklagt er sich, dass er in Berlin erst einmal die Wichtigkeit des Hafens erklären müsse.

(Arno Münster SPD: Er ist Heidelberger!)

Letztlich telefonierte CDU-Staatsrat Wenzel mit seinem Parteikollegen, dem parlamentarischen Staatssekretär Ferlemann, und hielt in einem Vermerk folgenden Inhalt fest: Parlamentarischer Staatssekretär Ferlemann erläutert, dass aus politischen Gründen eine Einvernehmenserteilung vor der Kommunalwahl – übrigens, für Kenner der Szene, in Niedersachsen im September 2011 – nicht möglich sein werde. Dies ist für mich ein unmöglicher Vorgang.

(Beifall bei der SPD)

Offenkundig sind die Hamburger CDU-Regierungsmitglieder nicht in der Lage, dieses Projekt im Interesse Hamburgs und Deutschlands fachlich versiert voranzutreiben.

(Viviane Spethmann CDU: Wie kann die SPD da helfen!)

Obwohl seit zwei Jahren bekannt ist, dass die EU-Kommission beteiligt werden muss, besteht bis heute keine Übereinstimmung zwischen den Verfahrensbeteiligten, in welchem Verfahren und in welcher Reihenfolge die wesentlichen Verfahrensschritte zu realisieren sind. Zudem hat die CDU mit der Koalitionsvereinbarung von 2008 die GAL nicht an das Projekt gebunden.

(Jens Kerstan GAL: Was?)

Im Übrigen haben wir Sozialdemokraten mit der Realisierung der letzten Fahrrinnenanpassung, üb

rigens zusammen mit den Grünen, 1999 bewiesen, dass wir solche Projekte können.

(Beifall bei der SPD)

Ich komme zur Hafenfinanzierung. Schwarz-Grün hat dem Hamburger Hafen seit 2008 die Finanzierungs- und damit Lebensgrundlagen entzogen. Mit dem unsäglichen Slogan "Hafen finanziert Hafen" sollte kaschiert werden, dass dem Hafen für Unterhaltung und Ausbau der öffentlichen Infrastruktur die Haushaltsmittel entzogen und in von CDU und GAL als wichtiger empfundene Leuchtturmprojekte umgeschichtet werden. Die Hafenunternehmen sollen nach Vorstellungen von CDU und GAL auch die Lasten der allgemeinen Infrastruktur tragen. Das ist so, als würde die SAGA die Mieten erhöhen, damit die Straßen, Bushaltestellen und Ähnliches unterhalten und ausgebaut werden können.

(Beifall bei der SPD)

In der tiefsten maritimen Krise der Nachkriegszeit erhöht dann die HPA die Kosten, Gebühren und Mieten für den Hamburger Hafen, während unsere Konkurrenten in Rotterdam, Zeebrügge und Antwerpen die Kosten für die Kunden senken. Kein Wunder, dass der Hamburger Hafen im letzten Jahr erstmalig seit über 30 Jahren in Europa vom zweiten auf den dritten Platz hinter Antwerpen zurückgefallen ist.

(Zurufe von der SPD und der CDU: Oh, oh!)

Diesen Irrweg von Schwarz-Grün hat mittlerweile auch Senator Karan erkannt, doch anstatt das Steuer sofort herumzureißen, verweist der Senat die HPA immer noch auf die sogenannte HHLA-Milliarde. Die HPA soll diese zunächst aufbrauchen, bevor es wieder eine Grundfinanzierung aus dem Haushalt geben soll.

(Wolfgang Rose SPD: Wortbruch!)

Wir Sozialdemokraten halten dies für falsch und gefährlich.

(Beifall bei der SPD)

Schlimmer noch, mit dieser Politik verletzt der Senat das von ihm selbst gegebene Versprechen im Rahmen des Börsengangs der HHLA. Der Senat hatte gegenüber der Bürgerschaft und durch Zustimmung zum Börsenprospekt der HHLA gegenüber den internationalen Investoren zugesichert, dass der Erlös aus dem Börsengang ausschließlich für zusätzliche Hafeninvestitionen verwendet werde, das heißt, neben der Grundfinanzierung aus dem Haushalt. Selbst der Rechnungshof stellt fest, dass der Senat seine entsprechenden Zusagen im Rahmen der HHLA und des HHLA-Börsengangs nicht einhält und damit gegen haushaltspolitische Grundsätze verstößt.

(Arno Münster SPD: Und den Mitarbeitern haben Sie auch die Unwahrheit gesagt! Das war damals der Deal!)

Sie können es einfach nicht.

Ich komme zur Hafenentwicklungsplanung. Zum ersten Mal in der Geschichte der Hafenentwicklung ist es diesem Senat gelungen, eine Entwicklungsplanung ohne Beteiligung der Partner und Wissensträger aus Wirtschaft, Arbeitnehmerschaft und den übrigen Vertretern des maritimen Clusters zu erstellen. Das unterstreicht, wie fern dieser Senat von der Realität entfernt ist.

(Beifall bei der SPD)

Statt der Wirtschaft verlässliche Perspektiven zu geben, werden hinter verschlossenen Türen Fakten geschaffen. Was soll die Hafenwirtschaft von schwammigen Begriffen wie nutzerspezifische Infrastruktur halten, bei denen der HPA jeden Tag neu einfällt, was darunter zu verstehen ist. Liegewannen vor den Kaimauern? Zufahrten zu den Liegeplätzen? Nebenstraßen zu den Terminals? Parkplätze für Lkws?

Und was soll nun in Steinwerder werden? Die HPA hat einen enormen Betrag aufgewandt, um Freiheit auf diesem Gebiet zu erhalten. Wird die Bürgerschaft im Hafenentwicklungsplan einbezogen, wofür zur Zukunftssicherung des Hafens mit öffentlichen Mitteln investiert werden soll? Wie lauten die Konzepte, nachdem in einem Verfahren erkundet wurde, was man alles Schönes bauen könnte, wenn man nur spendable Investoren hätte? Welche Perspektiven werden der Hafenwirtschaft eröffnet?

Ich komme jetzt zur HPA. Mit welcher Begeisterung hat der Senat die Gründung der HPA gefeiert – und wie war der Start in der Realität? Ein bürokratisches Monstrum, das genauso holprig und stümperhaft wie die schwarz-gelbe Koalition in Berlin in Gang kam. Eines hat diese Organisation allerdings bis heute geschafft, nämlich dass sich die Hafenwirtschaft von ihr nicht sachgerecht wahrgenommen sieht. Die HPA ist das Instrument des Senats und der Bürgerschaft zur Durchsetzung hafenpolitischer Ziele. Heute hat die Wirtschaft den Eindruck, dass die HPA vorrangig damit beschäftigt ist, dem utopischen Ziel "Hafen finanziert Hafen" nachzulaufen, wobei sich in der schwierigen Wirtschaftskrise gezeigt hat, dass es selbst für sie schwierig geworden ist. Fachleute haben im Übrigen bereits 2000 darauf hingewiesen, dass die Unterbringungskapazitäten für Baggergut aus der Elbe begrenzt sind. Und jetzt wird die Lösung, der Bau einer neuen Deponie im Hafen von Moorburg, präsentiert, dort, wo die Zukunft des Hafens liegen soll.

Was ist in diesen letzten Jahren eigentlich geschehen? Hat man nur Träumen von ganzheitlichen Konzepten nachgehangen und dabei konkretes Handeln vergessen? Der Widerstand der Nachbarländer gegen Verklappung war schon lange signalisiert.

Ich komme zum letzten Punkt, zur Verkehrsinfrastruktur. In den über neun Jahren, in denen die CDU diese Stadt regiert, sind wesentliche Infrastrukturprojekte nicht vorangekommen; das gilt nicht nur für die Fahrrinnenanpassung. Die Hafenquerspange und die mit viel Begeisterung betriebene Verlegung der Wilhelmsburger Reichsstraße dümpeln vor sich hin,

(Jörn Frommann CDU: Warum ist die CDU denn dagegen?)

sodass auch die Finanzierung im Bundesverkehrswegeplan gefährdet ist. Dass wir uns diesen Stillstand nicht leisten können, hat die Anhörung zum Thema Hafen-Hinterlandverkehre im Wirtschaftsausschuss am 12. November letzten Jahres gezeigt. Die Lösung der Verkehrsprobleme ist entscheidend für die Wettbewerbsfähigkeit Hamburgs, auch als europäische Metropole.

Um es noch einmal deutlich zu sagen: Wir Sozialdemokraten wollen keine Hafenpolitik zulasten anderer Wirtschaftszweige betreiben. Die jüngste Wirtschaftskrise hat gezeigt, dass für eine gesunde Wirtschaftsstruktur Industriearbeitsplätze unverzichtbar sind. Die Branchenvielfalt, die unseren Wirtschaftsstandort auszeichnet, muss erhalten und ausgebaut werden. Die Verbindung von Ökonomie und Ökologie ist heute kein Widerspruch mehr, sondern die Leitlinien moderner Wirtschaftspolitik. Dafür steht auch die SPD.

(Beifall bei der SPD)

Wir brauchen eine verlässliche und zukunftsorientierte Hafenpolitik, damit auch morgen Arbeit und Wohlstand in unserer Stadt gesichert sind. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Vizepräsident Wolfgang Joithe–von Krosigk: Das Wort hat Herr Ohlsen.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Lieber Herr Schwinke, das war wirklich eine Anreihung von Negativbeispielen,

(Michael Neumann SPD: Realität!)

ohne dass Sie selbst einmal inhaltliche Stellung beziehen und sich positionieren. Ich gehe davon aus, dass das nicht im Sinne der Hafenwirtschaft, der Betriebe und der dort tätigen Menschen ist. So kann die Politik der SPD nicht funktionieren. Ich möchte deutlich machen, dass wir durch diesen Redebeitrag, lieber Herr Schwinke, ganz genau wissen, dass die Hafenwirtschaft sich in CDU-Hand am besten befindet.

(Beifall bei der CDU – Heiterkeit bei der SPD – Ingo Egloff SPD: Das sehen wir aber ganz anders! – Zuruf von Michael Neumann SPD)

(Karl Schwinke)

Warum sind Sie denn so aufgeregt, Herr Neumann, Sie haben doch keine Ahnung vom Hafen, also lassen Sie das lieber.

Bei der Fahrrinnenanpassung, lieber Herr Schwinke, wissen Sie ganz genau, dass der Bund der Vorhabenträger ist und Hamburg seine Mittel bereitgestellt hat. Sie wissen auch, dass wir den Vorlauf hier wirklich nicht im Detail, so wie Sie es gemacht haben, noch einmal wiederholen möchten. Ich weiß um die Schwierigkeiten, die insbesondere aus Brüssel kommen.

(Ingo Egloff SPD: Das merken Sie jetzt erst!)