Protokoll der Sitzung vom 20.01.2011

Green IT ist ein großes Thema, insbesondere aus ökologischer Sicht und aus Kosteneffizienz-Gründen. Das ist in der Senatsantwort angerissen,

(Dr. Martin Schäfer)

kommt aber viel zu kurz. Wir sollten uns mit Dataport noch einmal sehr genau anschauen, was da zurzeit eigentlich gemacht wird. Es ist in unserem Interesse, als Umwelthauptstadt Europas auch Flagge zu zeigen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Das Wort bekommt Frau Schneider.

Meine Damen und Herren, Frau Präsidentin! Von Begeisterung kann ich nicht so richtig etwas erkennen; der Raum ist doch ganz schön leer.

(Antje Möller GAL: Stille Freude!)

Trotzdem wünschten wir uns, der Senat würde ein einziges Mal auch nur halb so ausführlich auf kritische Fragen antworten wie auf diese Große Anfrage, die sich wie ein Auftragswerk liest. Weit interessanter als das, was der Senat ausführt, ist das, was er nicht ausführt und was er deshalb auch erst gar nicht gefragt wird.

Grundsätzlich hält die LINKE ein barrierefreies E-Government für einen sinnvollen Weg zur bürgerorientierten Dienstleistungsverwaltung. Sinn und Zweck ist es, Behördenabläufe effizienter und wirtschaftlicher zu gestalten und eine zeitgemäße Kommunikation zwischen Bürgerinnen und Bürgern auf der einen und Politik und Verwaltung auf der anderen Seite zu ermöglichen. Ein weiterer für uns wichtiger Punkt ist, dass sie die Teilnahme breiter Bevölkerungskreise an politischen Diskussions- und Entscheidungsprozessen öffentlicher Angelegenheiten fördert. Grundsätzlich spricht deshalb nichts dagegen, die E-Government-Infrastruktur auszubauen und vor allem auch auf eine kundenfreundliche Weise auszubauen. Hier kommt es dann allerdings maßgeblich darauf an, dass niemand ausgeschlossen wird.

Tatsächlich können nicht alle an dieser neuen Kommunikation teilnehmen. Ende 2009 verfügten bundesweit circa 73 Prozent der Haushalte über einen Internetzugang; in der Metropole Hamburg dürfte der Ausstattungsgrad sicher höher liegen. Trotzdem sind viele Menschen noch ausgeschlossen, vor allem Ärmere und Ältere. Als einen Schritt, dieses Problem, das immer mehr auch ein Demokratieproblem wird, zu lösen, halten wir ein breites Netz öffentlich zugänglicher, kostenloser Internetanschlüsse für notwendig. Interessiert hätte im Zusammenhang mit E-Government ebenfalls – und das gehört zu den Dingen, die leider gar nicht gefragt werden –, inwieweit die Angebote für Menschen mit Einschränkungen barrierefrei sind. Inwiefern genügen die Angebote den Anforderungen der Einwanderungsgesellschaft und der Notwendigkeit der interkulturellen Öffnung der Verwaltung, wieweit tragen sie diesen Rechnung? Werden die

Verständnis- und Verständigungsbarrieren abgebaut? Gibt es mehrsprachige Angebote wie zum Beispiel bei den Online-Eingaben?

Ein ganz zentraler Punkt, nach dem bemerkenswerterweise ebenfalls nicht gefragt wird, ist der Datenschutz – was der Senat dankbar aufgreift, indem er auch nichts dazu sagt. Das halten wir für sehr bedenklich, weil jede Art von Missbrauch durch fortgeschrittene Technik eventuell sehr massiv Persönlichkeitsrechte verletzt. Im 21. Tätigkeitsbericht hatte der Hamburgische Datenschutzbeauftragte unter anderem angemahnt, dass die Technik dem Recht folgen müsse und nicht umgekehrt. Die konkret dort benannten Probleme wurden zwar bearbeitet und im Wesentlichen auch behoben, doch ist die Umsetzung dieses Grundsatzes "Die Technik folgt dem Recht" kein abschließbarer Prozess.

Im 22. Tätigkeitsbericht, also dem letzten, weist der Hamburgische Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit darauf hin, dass das inzwischen gestartete Projekt "Hamburger Informationsmanagement" noch nicht abschließend datenschutzrechtlich abgestimmt sei. Der Datenschutzbeauftragte regte eine grundsätzliche Regelung durch ein E-Government-Gesetz an; aber auch hier verkneifen sich die Fragesteller jede Frage und der Senat jede Aussage. Auf die konkreten datenschutzrechtlichen Probleme möchte ich an dieser Stelle im Einzelnen nicht weiter eingehen. Diese werden wir in der nächsten Legislaturperiode im Unterausschuss Datenschutz ausführlich und kritisch erörtern.

Über einen Punkt gehen die Große Anfrage und die Antwort großzügig hinweg. Die Datenschutzbeauftragten des Bundes und der Länder hatten im Oktober 2009 gefordert, dass auch Landesdatenschutzbeauftragte in den IT-Planungsrat einbezogen werden, der auf der Grundlage eines Staatsvertrags als neues Steuerungsgremium der Bund-Länder-Zusammenarbeit im April 2010 seine Arbeit aufgenommen hat. Diese informationstechnische Kooperation von Bundes- und Landesbehörden betrifft zunehmend die Verarbeitung personenbezogener Daten, die durch technische und organisatorische Maßnahmen vor Missbrauch zu schützen sind. Der Planungsrat muss die Persönlichkeitsrechte, insbesondere das Recht auf informationelle Selbstbestimmung, strengstens beachten. Für Entscheidungen in grundrechtssensiblen Fragestellungen muss auch der IT-Planungsrat die Zuständigkeit der Parlamente in Bund und Ländern berücksichtigen. Die im Staatsvertrag vorgesehene vorrangige Verwendung bestehender Marktstandards darf, so sagen es die Datenschützer, nicht dazu führen, dass Verfahren ohne angemessenen Datenschutz beschlossen werden. Deshalb fordern sie die Einbeziehung nicht nur des Datenschutzbeauftragten des Bundes, sondern auch der Länder. Der Unterausschuss Datenschutz der Bürgerschaft

(Farid Müller)

hat sich diese Forderung zu eigen gemacht, leider ohne Ergebnis. Es ist mehr als ärgerlich und in gewisser Weise auch ziemlich bezeichnend, dass CDU-Fragesteller und CDU-Senat die sensible Problematik des Datenschutzes einfach übergehen. – Schönen Dank.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Martin Schäfer SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, stelle ich fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage aus Drucksache 19/7999 Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zu Punkt 28, Drucksache 19/8135, Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 1. Juni 2010 "Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen".

[Senatsmitteilung: Stellungnahme des Senats zu dem Ersuchen der Bürgerschaft vom 1. Juni 2010 "Landesaktionsplan zur Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen" (Drucksache 19/6356) – Drs 19/8135 –]

Frau Koop, Sie bekommen das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Welch ein gefülltes Auditorium, aber wir haben ja auch ein Frauenthema.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das war es beim letzten auch schon!)

Ja, wir kennen das eigentlich schon.

Der neue Opferschutzbericht, den wir vorgelegt bekommen haben, trägt zwar den Titel "Gewalt gegen Frauen", aber er beschäftigt sich im Grunde genommen mit dem Phänomen Gewalt in seiner ganzen Bandbreite, wie wir es in unserer Gesellschaft antreffen, und das ist auch richtig so. Gewalt ist ein aufregendes Thema, aufregend auf der einen Seite, weil es uns immer wieder aufregt, dass den Möglichkeiten, andere Menschen zu beherrschen und sie zu drangsalieren, immer noch genügend Raum in unserer Gesellschaft gegeben wird. Es begleitet uns nicht nur durch diese Legislaturperiode, sondern ist ein immerwährendes Thema, das wir sicherlich auch in den nächsten Legislaturperioden noch nicht loswerden.

Die Bekämpfung der Gewalt hat für uns einen hohen Stellenwert. Das zeigt sich auch darin, dass wir diese Bereiche immer sehr ernsthaft diskutieren. Unsere Regierung hat eine Fülle an Maßnahmen auf den Weg gebracht und wir haben, wenn wir hier gestritten haben, weniger um die Wichtigkeit des Themas gestritten als um den Weg oder die Gewichtung, die wir einzelnen Bereichen ge

ben. Wir haben aber als Parlament nicht nur betroffen zu reagieren, sondern die Verpflichtung, ein Grundrecht umzusetzen. Dieses Grundrecht ist in unserer Verfassung in Artikel 2 festgelegt und garantiert die Unverletzlichkeit der Person. Dies ist jenseits aller Betroffenheitslarmoyanz, die manchmal an den Tag gelegt wird, ein Grundrecht. Und wer gegen dieses Grundrecht verstößt, der macht sich strafbar. Er begeht Verfassungsbruch und – das ist etwas, was nicht deutlich genug herausgestellt werden kann – es ist ein Verbrechen, jemand anderem Gewalt anzutun.

(Beifall bei der CDU, der GAL und der LIN- KEN)

Kein kulturelles Umfeld, kein Elternrecht und schon gar nicht das fehlgeleitete Selbstverständnis mancher Partner kann dieses Recht abschwächen oder gar relativieren. Wer ein anderes Rechtsverständnis hat und es höher einschätzt, wer auf anderen Rechtsvorschriften beharrt und seien sie auch religiös vorgeschrieben, der begeht Verfassungsbruch und damit ein Verbrechen. Gewaltausübung ist kein Kavaliersdelikt, keine Begleiterscheinung unter Alkoholeinfluss. Das ist etwas, was ich nie begriffen habe. Ich darf nicht in das richterliche Ermessen eingreifen, aber warum Alkoholeinsatz strafmildernd anstatt strafverschärfend wirken kann – denn jeder von uns weiß, dass Alkohol enthemmt –, ist mir unerfindlich. Aber die Rechtssprechung ist frei.

(Zuruf von Arno Münster SPD)

Ich begreife es nicht und ich verstehe auch nicht, warum wir nicht dazu kommen, dort endlich einmal, vielleicht auch über die Gesetzgebung, Einfluss zu nehmen.

Auch die Begeisterung, die bei der Gewaltausübung im Zusammenhang mit Sportveranstaltungen an den Tag gelegt wird, ist keineswegs entschuldigend oder verständlich. Und schon gar nicht ist Gewaltanwendung bei manchen Mannbarkeitsriten ein notwendiges Übel. Diese waren in meiner Jugend noch mit ganz bestimmten Regeln verbunden, heute wird einfach aufeinander eingeschlagen. Das Schlimmste, was ich einmal erlebt habe, war jemand, der einen Button "Keine Gewalt" mit einem Strich durch trug und gerade auf einen seiner Klassenkameraden einprügelte. Das sind gedankliche Bereiche, in denen wir noch eine ganze Menge zu tun haben.

Eine sehr treffende Formulierung zur Gewalt lautet: Gewalt ist immer dann im Spiel, wenn jemand einem anderen mit Absicht etwas antut, was dieser andere nicht will. Das ist eine ganz schlichte Formulierung und die ist in allen Bereichen anzuwenden: Familie, Schule, Beruf, Sport, Parlament, wo immer wir das finden wollen. Unsere Aufgabe ist es aber nicht nur, Gewaltausbrüche mit gesetzgeberischem Handeln zu verhindern, sondern wir

(Christiane Schneider)

müssen gemeinsam als Gesellschaft die Taten und die Täter ächten und das geschieht noch viel zu wenig. Es reicht nicht, immer nur das Opfer im Blick zu haben, ihm zu helfen und dann zu Präventivmaßnahmen zu kommen.

Ich habe anfangs gesagt, dass Gewalt ein aufregendes Thema sei und es regt mich – und Sie sicherlich auch – immer noch auf, dass man mit diesem Verhalten eingeschüchtert werden kann, dass unterdrückt wird, dass gedemütigt wird. Wir müssen uns alle fragen, warum wir Gewalt eigentlich erst zur Kenntnis nehmen, wenn sie extrem wird, wenn sie im Fernsehen erscheint, wenn sie in den Zeitungen steht. Ein Polizeibeamter hat mir einmal gesagt, dass es ihm bei dieser stillen alltäglichen, strukturellen Gewalt vorkäme, als würde er in einem völlig abgedunkelten Raum unbestimmter Größe mit einer Taschenlampe einmal eben ein bisschen leuchten. Das würde das Ausmaß der bekannt gewordenen Gewalt etwa charakterisieren. Dieses Dunkelfeld ist unendlich groß und wir können nur über eine systematische Ächtung dieses Verhaltens das ein bisschen abbauen.

Gewalt ist ein aufregendes Thema, auch aufregend im Sinne von anregend, denn offensichtlich geht immer noch eine ungeheure Faszination von der Anwendung der Gewalt aus, von Regelbrechern, von Kraftmeiern, von Leuten, die sich mit Schlägermaßnahmen gebärden. Unsere Medien sind voller Schauergeschichten. Der tägliche Mord und Totschlag findet bei uns im Fernsehen statt und lässt bei vielen den Schluss zu, dass es eigentlich alltäglich sei, zwar nicht so unbedingt bei ihnen persönlich, aber um die Ecke, und deswegen ist es an sich tolerierbar.

(Vizepräsident Wolfhard Ploog übernimmt den Vorsitz.)

Mir sagte jemand, Krimis wären die Märchen der Neuzeit. Wenn man in die Märchen der Altzeit schaut, dann sollten sie helfen, in bedränglichen Situationen an das Gute und an die Lösung zu glauben.

(Antje Möller GAL: Aber brutal waren die auch!)

Brutal waren die Märchen auch, das stimmt, Frau Möller.

Es gibt Krimis – ich bin selbst ein Fan von bestimmten Krimisorten –, aber wenn ich mir anschaue, mit welcher Brutalität heute im Fernsehen diese Fälle gezeigt und aufgearbeitet werden, dann kann man eigentlich nur noch abschalten. Indem wir das nicht tun, indem wir fasziniert davor sitzen, leisten wir dem Vorschub, was wir eigentlich bekämpfen wollen. Nun bin ich kein Psychologe, sondern Historikerin und kann natürlich nur sagen, dass es kein Phänomen unserer Zeit ist. Jede Zeit hatte ihr Gewaltphänomen. Das beginnt in der Höhlenmalerei, gucken Sie einmal hin, was da für

Szenen abgebildet sind. Es geht über die Gladiatorenbewegung im alten Rom bis zur Kriegerromantik im Mittelalter und letztendlich zur überzeichneten Heldenverehrung der letzten Weltkriege bis in unsere heutige Zeit.

Wenn Sie sich diese abartigen Berichterstattungen über Verehrer und Fans von Vergewaltigern und Mördern anschauen, dann weiß ich nicht, was wir in der Beziehung noch tun können. Gewalt fasziniert und wer Gewalt ausübt, beherrscht andere, und das nicht nur physisch. Gestatten Sie mir eine persönliche Bemerkung: Ich kann nicht begreifen, was so faszinierend daran sein soll, wenn zwei Leute aufeinander einschlagen, auch wenn sie gepolsterte Handschuhe tragen, und sich gegenseitig bis zur Bewusstlosigkeit die Lippe oder das Gesicht blutig schlagen. Es mag sein, dass manche Leute das für einen Sport halten. Für mich ist es nur ein fehlgeleitetes Beispiel für eine ganze Gruppierung testosterongebeutelter junger Leute, die meinen, dass sie sich auf diese Art und Weise Nachdruck verschaffen können.

(Karl-Heinz Warnholz CDU: Frauenboxen!)

Das ist auch blödsinnig, ich will das gar nicht eingrenzen.

Wer einmal Erfolg mit Schlagen gehabt hat, der wird es wiederholen. Darum sollten wir grundsätzlich einmal darüber nachdenken, statt Frauenhäusern Schlägerhäuser zu betreiben, in die die Schläger und die Täter abgesondert werden, damit die Familien in ihrem Umfeld bleiben können.

Wir haben uns in der Vergangenheit häufiger mit Teilbereichen des ganzen Gewaltspektrums beschäftigt, mit Gewalt gegen Frauen, Gewalt im sozialen Nahraum, Gewalt in der Öffentlichkeit, unter Jugendgruppen und so weiter. Aber erst in der ganzheitlichen Betrachtung, die dieser Opferbericht uns gibt, findet hier eine wirklich umfassende Zusammenstellung von Gewaltschutzmaßnahmen statt. Der Senat hat mit diesem Opferschutzbericht ein konzentriertes und konzertiertes Programm aufgelegt, das alle Kräfte bündelt. Die jeweilige Struktur, die wir vorfinden, geht immer nach demselben Schema vor. Es gibt einheitliche Standards, die im Umgang formuliert werden. Es gibt zielgruppenspezifische Handlungsfelder, Aufklärung und Sensibilisierungsmaßnahmen. Es gibt eine verbindliche Selbstverpflichtung zum Handeln und ein Schwerpunkt liegt auf der Prävention und der frühzeitigen Intervention. Es sind die Kritikpunkte aus den Anhörungen im Sozialausschuss eingeflossen und die oft geforderte Datenlage wird sich hoffentlich entscheidend verbessern, wenn standardisierte Dokumentationssysteme eingeführt werden und die Kommunikation unter den Behörden und auch mit den Nichtregierungsorganisationen verbessert wird. Last, not least werden die vereinbarten Zielvorgaben natürlich evaluiert und so ständig alle Strukturen und Prozesse im Ergebnis überprüft

und angepasst. So wird in Zukunft hoffentlich wirkungsvoll stereotypen Handlungsweisen vorgebeugt und die Aufmerksamkeit für Veränderungsmöglichkeiten geschärft. Alles in allem ist es ein gelungenes Konzept, das die viele Arbeit, die in ihm steckt, wert ist. – Danke.

(Beifall bei der CDU und bei Christiane Blö- meke und Michael Gwosdz, beide GAL)

Das Wort bekommt Frau Dobusch.