Zwei interessante Aspekte dieses Antrags möchte ich hervorheben. DIE LINKE beziffert den zusätzlichen Finanzbedarf für die von ihr aufgezählten Maßnahmen auf 16 Millionen Euro, ohne Angabe eines Deckungsbeitrags oder auch nur einer Produktgruppe im Haushalt, wodurch dies erbracht werden kann. Wenn DIE LINKE selbst zu dem Schluss kommt, dass das in etwa 16 Millionen Euro kosten werde, dann müssen wir davon ausgehen, dass die Kosten vermutlich noch deutlich höher liegen werden.
Darüber hinaus gibt es einen weiteren wichtigen Punkt in diesem Antrag, auf den ich eingehen möchte, das ist der von Ihnen in den letzten vier Zeilen Ihres Begründungstextes angesprochene Vorschlag einer Enquete-Kommission. Er findet immerhin so viel Anklang, dass auch die GRÜNEN ihn sich inzwischen zu Eigen gemacht haben
und anregen, ihn in der nächsten Legislaturperiode aufzugreifen. Wir werden sehen, wie die nächste Bürgerschaft darüber befindet. Wir sollten es ihr überlassen, hierzu eine Entscheidung zu treffen.
Ich will doch noch eine Sache inhaltlich klarstellen, weil ich finde, dass sie nicht richtig dargestellt wurde. Wenn man einmal die Mittel, die für Sozialräumliche Hilfen und Angebote mehr ausgegeben werden, berücksichtigt und die zusätzlichen Steigerungsraten bei den Hilfen zur Erziehung einrechnet, dann stehen den Bezirken insgesamt mehr Mittel zur Verfügung, als dies bisher der Fall gewesen ist, und nicht weniger. Es hat allerdings eine inhaltliche Umsteuerung stattgefunden; ob sie nötig war oder nicht, darüber waren Sie anderer Meinung als wir. Das muss der Ehrlichkeit halber noch einmal gesagt werden.
Spannend bleibt die Frage, warum die CDU findet, dass wir diesen Antrag überweisen sollten, obwohl die angesprochenen Themen im Ausschuss schon umfänglich beraten werden; beim Thema ASD sind wir noch nicht zu einem Abschluss gekommen. Das werden Sie gleich noch erklären müssen. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Yildiz, Ihr Antrag enthält ohne Zweifel sehr viel berechtigte Kritik am SPD-Senat wegen seiner Kürzungspolitik im Jugend- und Familienbereich. Sie haben recht, Frau Leonhard, wir haben das schon häufig diskutiert, aber das hat bei Ihnen nicht zu einer Änderung geführt. Insofern ist es auch berechtigt, das noch einmal aufzugreifen.
Ich will nur zwei Punkte exemplarisch nennen. Das eine ist die Offene Kinder- und Jugendarbeit und die Förderung der Familienhilfen. Dort hat es massive Kürzungen bei den Rahmenzuweisungen gegeben. Wir sind der Auffassung, dass das eine ganz falsche Entscheidung ist, weil wir in Hamburg auch Angebote für ganz normale Jugendliche brauchen und nicht nur für Problemfälle. An dieser Stelle sind wir einer Meinung, Herr Yildiz.
Der zweite Punkt, auch exemplarisch, sind die Erziehungsberatungsstellen. Wir wissen, dass bundesweit jedes dritte Kind durch Erziehungsberatung unterstützt wird, und wir wissen auch, dass die Ausstattung in Hamburg nicht gut ist. Ratsuchende müssen teilweise wochenlang warten oder bekommen seltener Termine als früher. Ganz anschaulich wird das, wenn man einen Vergleich mit Berlin anstellt. Dort kommt auf 16 400 Einwohner eine Fachkraft, in Hamburg sind es 33 000 Einwohner. Das zeigt, dass wir hier durchaus Nachsteuerungsbedarf haben; da sind wir bei Ihnen. Wir haben das auch bei den Beratungen zum letzten Doppelhaushalt gefordert, sind damit aber nicht durchgedrungen.
Ich frage mich aber wirklich, Herr Yildiz, was dieser Antrag zu dieser Zeit soll. Wir befinden uns drei Wochen vor den Haushaltsberatungen. Damit kommt doch der Antrag absolut zur Unzeit. Sie fordern wieder alles und jedes nach dem Motto "Wünsch dir was und von allem gleich das Beste" und das in Höhe von 16 Millionen Euro. Dann schaut man sich den Antrag an – Finanzierungsvorschlag Fehlanzeige. Null Cent, die Sie hier nennen. Das ist kein seriöser Umgang mit berechtigten Forderungen. Warum hat Ihre Fraktion Ihnen nicht geraten, das drei Wochen später zu machen? Dann kann man anständig darüber diskutieren. Beim Lesen Ihres Antrags geht es einem ein bisschen so wie Franz Beckenbauer in der Werbung für E-Plus: "Ja, is' denn heut scho' Weihnachten?" Keine Prioritätensetzung, nirgendwo sagen Sie, wo Sie Abstriche machen wollen. Das ist keine seriöse Politik, der wir uns anschließen könnten oder wollten. Deswegen wäre meine Empfehlung: Ziehen Sie den Antrag zurück, überarbeiten Sie ihn, und dann können wir in drei Wochen bei den Haushaltsberatungen noch einmal ernsthaft darüber diskutieren. Wenn das nicht Ihr Wunsch ist, dann enthalten wir uns.
Frau Präsidentin, meine wenigen Damen und Herren! Ich kann mich den Empfehlungen des Kollegen de Vries anschließen, ich würde es auch sinnvoll finden, der Antrag würde zurückgezogen werden und wir diskutierten noch einmal während der Haushaltsberatungen darüber.
Der Antrag hat zwei Aspekte. Der eine ist die wirklich unsolide Finanzierung. 16 Millionen Euro einfach irgendwo aus dem Haushalt herauszunehmen, das geht nicht, und das wissen eigentlich auch die Haushaltspolitiker der Links-Fraktion. Und natürlich haben wir dafür die Haushaltsberatungen. Es ist also wirklich seltsam, dass dieser Antrag unbedingt heute eingebracht werden musste. Deswegen können wir diesem Antrag nicht zustimmen. Wir werden uns maximal enthalten; eigentlich müsste man bei so einer unsoliden Gegenfinanzierung dagegenstimmen.
Dass wir uns enthalten, ist dem zweiten Aspekt dieses Antrags geschuldet, seinem Inhalt. Der Antrag gibt uns die Gelegenheit, noch einmal alle jugendpolitischen Grausamkeiten der SPD anzuschauen. Deswegen finde ich es gar nicht schlecht, dass wir an dieser Stelle über Ihren Antrag reden.
Anfangen würde ich gerne mit einem Rückblick auf die Zeit, als die SPD an die Regierung kam. Das Erste, was wir in der Jugendpolitik erleben mussten, waren die Kürzungen in der Offenen Kinderund Jugendarbeit um 3,5 Millionen Euro. Argumentiert wurde damit, dass wir die Ganztagsschulen hätten und die Kinder nicht an mehreren Orten gleichzeitig sein könnten, und überhaupt, man investiere in Schule. Aber, verehrte Damen und Herren der SPD-Fraktion, Jugendpolitik ist mehr als Schulpolitik und auch mehr als Kita-Politik. Das ist bei der SPD-Fraktion leider nicht angekommen. Anders kann ich mir nicht erklären, dass es in der Folge zu genau den Kürzungen kam, die in dem Antrag aufgezählt sind.
Ich will mit dem Allgemeinen Sozialen Dienst weitermachen. Durch den Fall Chantal wussten wir von Anfang an, dass wir dort in verschiedenen Abteilungen eine Unterbesetzung haben. In vielen Bereichen des ASD haben wir eine höchst kritische Personalsituation. Die Fallzahlen – 70 bis 80 pro Mitarbeiter – sind viel zu hoch, und im Zuge des Falls Yagmur haben wir aufgearbeitet, dass diese personelle Situation zu Fehlern führen kann. Das ist dramatisch und für den Schutz der Kinder in dieser Stadt gefährlich. Aus diesem Grund haben wir von Anfang an gesagt, dass wir mehr Personal im ASD brauchen, aber der SPD-Senat hat viele
Jahre, bis zum Ende der Legislaturperiode, nicht gehandelt. Jetzt gibt es das Sofortprogramm. Wir haben zwar noch keine Stelle mehr, aber ich bin erst einmal optimistisch, dass die angekündigten 30 Stellen für die Fallarbeit auch kommen werden. Dass das natürlich nicht ausreicht, ist uns allen klar; auch an dieser Stelle ein schweres Versäumnis der SPD-Fraktion. Wer einmal eine Überlastungsanzeige gelesen hat, der weiß, es ist leichtsinnig, dass hier nicht gehandelt wurde. In so einer Überlastungsanzeige steht wortwörtlich, dass der Schutz der Kinder nicht mehr gewährleistet werden kann. Ich kann nicht nachvollziehen, dass der Senat die Zeit verschlafen hat, wo doch alle Möglichkeiten zum Handeln gewesen wären.
Die nächste jugendpolitische Grausamkeit hat die Straßensozialarbeit getroffen, da muss ich der Links-Fraktion inhaltlich zustimmen. Es gibt das neue Programm der Jugendberufsagentur. Dagegen ist nichts zu sagen, das ist inhaltlich eine gute Sache. Aber dass man sich dafür aus der Straßensozialarbeit bedient, verehrte Kollegen der SPD, finde ich doch etwas vermessen. Gerade von der Straßensozialarbeit, die wirklich dünn ausgestattet ist, sind Stellen für die Jugendberufsagentur abgezogen worden – übrigens auch aus den ASD-Abteilungen. Von daher benennt der Antrag der LINKEN auch hier inhaltlich ein richtiges Thema.
(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE – Christiane Schneider DIE LINKE: Nur ma- chen will man nichts!)
Ich komme zu den Erziehungsberatungsstellen. Eigentlich wollte der Senat, so hatte er es angekündigt, eine institutionelle Stärkung der Erziehungsberatungsstellen. Gleichzeitig hat er den Bezirken ein Sparprogramm auferlegt und so genau das Gegenteil bewirkt. In den kommunalen Beratungsstellen muss Personal eingespart werden. Das ist überhaupt nicht nachzuvollziehen, weil wir gerade diese Beratungsstellen brauchen, um präventiv tätig zu werden und so die Hilfen zur Erziehung reduzieren zu können. Abgesehen davon ist es der SPD-Fraktion nicht gelungen, in dem neuen Rahmenkonzept fachliche Standards quantifiziert festzuschreiben. Da werden sich die Bezirke durchgesetzt haben. Wenn Standards mit hineingekommen wären, hätte das Geld gefehlt, um diese Standards einzuhalten. Auch das ist in der Tat eine jugendpolitische Grausamkeit unter diesem SPD-Senat, die wir so nicht mittragen können. Es ist richtig, Frau Leonhard, dass es darüber diverse Beratungen im Ausschuss gab, aber es macht die Sache nicht besser, wenn wir von vielen Experten hören, wie schwierig die Situation in Hamburg ist und wie Hamburg hinterherhinkt. Was nützen uns die besten Beratungen im Ausschuss, wenn der Senat hinterher nicht handelt. Auch da wirklich Fehlanzeige.
Am Ende würde ich gerne noch auf die Steigerung im Bereich Hilfen zur Erziehung zu sprechen kommen. Eines finde ich seltsam: Die SPD ist an die Regierung gekommen mit massiver Kritik an Schwarz-Grün, weil wir einen Nachtraghaushalt brauchten, um die Steigerungen im Bereich Hilfen zur Erziehung auszugleichen. Und jetzt kommt Frau Leonhard und lobt sich dafür, dass aufgrund der Hilfen zur Erziehung Mehrausgaben benötigt wurden und man so am Ende feststellen kann, dass mehr Geld im System ist. Das passt erstens nicht zusammen und zweitens ist es logisch. Auf die Hilfen zur Erziehung besteht ein Rechtsanspruch, der erfüllt werden muss. Wir haben auch zunehmend Flüchtlinge in Hamburg, die Hilfen zur Erziehung bekommen. Da ist es klar, dass die Gelder ansteigen. Das heißt aber nicht, dass die SPDFraktion insgesamt mehr Geld in die Jugendhilfe gibt. Für die Hilfen zur Erziehung muss sie es zwangsweise tun, und wir sind sehr gespannt auf den Nachtragshaushalt. Aber dafür wird an anderen Stellen gekürzt, da bin ich inhaltlich beim Antrag der LINKEN, der das nach meiner Wahrnehmung richtig beschreibt. Man kann sich nicht wirklich allen Ernstes dafür rühmen, dass die Hilfen zur Erziehung ansteigen, während an anderer Ecke gestrichen wird.
Um das Ganze rund zu machen, Herr Kienscherf: Unserer Ansicht nach ist Schule und Kita nicht alles, was man im Jugendhilfebereich berücksichtigen muss. Zur Jugendhilfe gehört auch ein Ort für Kinder und Jugendliche außerhalb der Schule und des Elternhauses. Deswegen brauchen Sie den Jugendclub um die Ecke, Sie brauchen Angebote im Stadtteil. Und wenn Sie nicht im Stadtteil unterwegs sind, Herr Kienscherf, und nicht mitbekommen, dass Angebote gekürzt werden, dass umgesteuert wird …
Vielleicht ist es bei Ihnen im Stadtteil anders. Ich kenne Einrichtungen, wo Personal gestrichen wurde und das Angebot nicht mehr so zur Verfügung steht, wie es vorher zur Verfügung stand.
Was heißt, ich glaube das selber nicht? Ich rede nicht von meinem Wahlkreis, Herr Kienscherf, ich schaue auch über den Tellerrand hinaus.
Entschuldigen Sie bitte, Frau Abgeordnete. – Herr Kienscherf, melden Sie sich bitte zu Wort und stören Sie die Rednerin nicht permanent bei ihrem Vortrag.
Ich wäre sehr gespannt darauf, Herr Kienscherf, wo Sie mit Ihrem Fachwissen unterwegs sind. Kommen Sie ans Rednerpult und erklären Sie, wo Sie diese heile Welt finden, die Sie in Ihrem Kopf haben. In der Jugendpolitik ist sie nicht, das kann ich Ihnen sagen.
Es geht nicht darum, dass Einrichtungen geschlossen wurden – Herr Kollege Yildiz hat es gesagt, ich kenne auch einige –, es geht darum, dass Personalstellen in den Erziehungsberatungsstellen und den anderen Einrichtungen eingespart werden. Das bedeutet natürlich, dass das Angebot nicht mehr so breit gefächert sein kann, wie es vorher einmal war. Wenn Sie diese Realität nicht zur Kenntnis nehmen wollen, Herr Kienscherf, dann kann ich Ihnen auch nicht helfen. Aber Sie kommen ja auch aus einer anderen politischen Fachrichtung.
Es ist schade, dass wir diesen Antrag haushaltspolitisch so schlecht hinterlegt haben. Er benennt die richtigen Dinge. Wir haben sie immer wieder diskutiert, aber das macht die Situation nicht besser. Die SPD hat nicht gehandelt, wie wir am Ende der Legislaturperiode wissen. Ich denke, dieser Weg war ein falscher, und ich finde es schade, dass wir heute nicht mit Senator Scheele darüber diskutieren können. Das wäre abschließend noch einmal gut gewesen. Dafür ist Herr Rabe da. Vielleicht geht er noch einmal in die Bütt, um zu sagen, dass die Ganztagsschule ganz wichtig ist. Aber das allein hilft uns in Hamburg nicht. Wir brauchen Jugendpolitik vor Ort und wir brauchen vor allem einen gut ausgestatteten Allgemeinen Sozialen Dienst, da bin ich ganz bei der Links-Fraktion. Unter der SPD ist es zu einem Versäumnis nach dem anderen gekommen. Das hätte sich schon nach Chantal drastisch verbessern müssen. Jetzt gibt es einen richtigen Schritt, aber der kommt viel zu spät.