Protocol of the Session on December 15, 2014

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Wir wollen nicht den Teufel an die Wand malen, aber wir müssen nun einmal auch mit dem Schlechtesten im Leben rechnen und nicht immer nur mit den besten Aussichten. Wenn man also das Worst-Case-Szenario anwendet und unterstellt, dass wir in ein konjunkturell schwieriges Fahrwasser geraten, dann haben wir ein wirkliches Problem. Dass so etwas passieren kann, haben wir alle schon erlebt. Die Weltwirtschaftskrise im Jahr 2009 hatte sich auch nicht langfristig angekündigt. Wenn man nur einmal die Steigerungsrate beim Tarifabschluss und die Steigerungsrate bei der Inanspruchnahme der gesetzlichen Leistungen aus dem Jahr 2009 zugrunde legt, dann haben wir im Jahr 2018 Mehrausgaben von 450 Millionen Euro zu bewältigen. Die Schuldenbremse ist dann im Jahr 2020 definitiv nicht mehr zu halten. Das ist die reale Gefahr, meine sehr geehrten Damen und Herren.

(Beifall bei der FDP)

Wer wie Sie keine Vorsorge in guten Zeiten betreibt, die Ausgaben um mehr als eine halbe Milliarde Euro ausweitet und auch noch dazu neigt, wenn es mal hart auf hart kommt oder schwierig wird, das Scheckbuch zu zücken, wie zum Beispiel bei der Elbphilharmonie oder jüngst auch beim Rote-Flora-Rückkauf, der riskiert nicht nur einen Verfassungsbruch im Jahr 2020, sondern vergeht sich

an der Zukunft unserer Stadt. Eine solch kurzsichtige Haushaltspolitik ist mit uns Liberalen jedenfalls nicht zu machen.

(Beifall bei der FDP)

Wer nun aber glaubt, dass die Kollegen von der CDU eine solidere Haushaltspolitik machen – ich muss es einmal sagen, Herr Heintze –, der hat sich geirrt. Sie sprechen von Haushaltskonsolidierung und meinen Mehrausgaben in Millionenhöhe, indem Sie die spärlich verbliebenen Sicherheitspuffer im Haushalt verfrühstücken. Sie kritisieren seit Jahren aufs Schärfste, dass die SPD beim Personalabbau nicht vorankommt, aber in Ihren Anträgen zum Haushalt fordern Sie gleichzeitig Hunderte von zusätzlichen Stellen. Das, meine sehr geehrten Damen und Herren, hat mit seriöser Politik nichts zu tun. Sie haben Ihren inhaltlichen Kompass während Ihrer Zeit in der Regierung verloren und auch auf den Bänken der Opposition bis heute nicht wiedergefunden.

(Beifall bei der FDP)

Stattdessen haben Sie wieder Ihr Herz für die Bimmelbahn entdeckt. Das Geldverprassen in anderen Bereichen ist auch eine schwarz-grüne Tradition, die Sie bis heute nicht überwunden haben. Das ist wirklich Politik von Ersatzsozis, sonst nichts.

(Beifall bei der FDP)

Herr Kerstan, Sie rühmen sich dafür, dass Sie nicht mehr ausgeben. Das ist doch schon das Problem: Sparen müsste man. Man müsste schauen, wie man den Haushalt im Griff behalten und eindämmen kann. Sie aber rühmen sich, dass Sie nicht mehr ausgeben wollen. Na, Donnerwetter, Herr Kerstan, herzlichen Glückwunsch.

(Beifall bei der FDP)

Daraus folgt: Es sind nur die Liberalen, die der Garant für eine solide Haushaltspolitik zugunsten künftiger Generationen sind. Daher appellieren wir auch an Sie, unsere Anträge zu unterstützen.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt nun Herr Hackbusch von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich will nicht noch einmal die gleiche Rede, wie nun schon etliche geführt worden sind, halten.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Aber die gegenteilige!)

Ich freue mich, den Bürgermeister gehört zu haben, und werde mich dementsprechend etwas darauf konzentrieren, was die SPD eigentlich vorgeschlagen hat. Die Überschrift der Hamburger SPD

zu diesem Hamburger Haushalt lautet: "Wir sanieren die Stadt". Das hört sich ganz gut an.

(Dirk Kienscherf SPD: Das ist auch gut!)

Und man muss auch sagen – hier bin ich, im Gegensatz zu einigen anderen, die hier etwas gesagt haben, mit Ihnen durchaus einer Meinung –, dass Sie einige Anstrengungen mehr als viele Ihrer Vorgängersenate gemacht haben.

(Beifall bei der SPD)

Nun kommt ein klares Aber. Wir stellen fest – das haben wir in den vergangenen Wochen auch schon diskutiert –, dass sich die Infrastruktur dieser Stadt weiterhin verschlechtert. Der Sanierungsstau nimmt zu, das sagt auch der Haushalt, den Sie uns vorgelegt haben. Das heißt, die Stadt ist nicht in besserer Ordnung. Sie können höchstens für sich beanspruchen, dass Sie die Verschlechterung der Situation, die in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten geschehen ist, etwas aufgehalten haben. Ich will Ihnen das an einigen Beispielen einmal aufzeigen, weil das nicht ganz unwichtig für diese Stadt ist. Diese Überschrift von Ihnen ist nämlich einfach nicht richtig, sie ist falsch.

Sie sind vor vier Jahren angetreten und haben ein Sanierungsprogramm für diese Stadt angekündigt. Sie wollten auflisten, was alles notwendig saniert werden müsste, und uns nach vier Jahren berichten, wie weit Sie gekommen sind. Nun stellen wir nach vier Jahren fest, dass dieses Sanierungsprogramm nicht stattgefunden hat. Es wurde noch nicht einmal aufgeschrieben.

(Beifall bei der LINKEN)

Das, was Sie aufgeschrieben haben und in den Haushalten festhalten, auch in diesem, sind lediglich Auflistungen – durchaus viele, auch ehrenvolle und gute Sachen –, aber es ist keine Bilanz der Situation in dieser Stadt und zeigt nicht, was aufzubauen ist. Besonders peinlich wurde es in der letzten Bürgerschaftssitzung, als Sie in Bezug auf die Brücken den gleichen Vorschlag machten wie schon vor vier Jahren, nämlich endlich zu untersuchen, wie es um die Hamburger Brücken steht und ein Programm dazu aufzustellen. Das haben Sie vor vier Jahren geschrieben, das schreiben Sie jetzt wieder, und dann sagen Sie, Sie würden die Stadt sanieren; das stimmt nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Gleiche gilt leider auch für die beiden Punkte, die Sie aufgezählt haben. Es gilt für die Straßen. Sie sagen selber, dass sich Zustand der Hamburger Straßen insgesamt in den nächsten Jahren noch verschlechtern anstatt verbessern werde. Sie müssen auch zugeben, dass die erforderlichen Investitionen in die Sanierung der Schulen – das wurde vor zwei oder drei Jahren ermittelt – nicht erreicht werden, und zwar seit Jahren nicht.

(Robert Bläsing)

(Dirk Kienscherf SPD: Wir bauen doch über- all neue Schulen! Das ist doch Blödsinn!)

Herr Kienscherf, Sie sollten einfach einmal zuhören.

Bei den bestehenden alten Schulen sind Sanierungsinvestitionen in einer bestimmten Höhe notwendig. Wenn Sie diese Summe nicht investieren, wird der Zustand der Schulen schlechter; gegenwärtig wird er schlechter. Auch die Kulturbehörde bräuchte dringend 17,1 Millionen Euro für notwendige Sanierungen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die kriegen das doch alles von uns! Ab 2018 geht es wieder aufwärts!)

Ohne diese Mittel wird nichts in dieser Richtung geschehen. In den Haushalt eingestellt sind dafür 2,1 Millionen Euro.

Ziehen wir Bilanz, so stellen wir fest, dass die Infrastruktur in dieser Stadt sich weiterhin verschlechtern wird, auch mit der SPD. Diese Bilanz müssen Sie durchaus einmal ziehen. Auch wenn Sie sagen können, dass Sie besser sind als die Katastrophen vor Ihnen, reicht das nicht aus für gute Politik.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein zweiter wichtiger Punkt, auf den Sie sich als sozialdemokratische Politiker immer gern beziehen, ist das Kriterium, wie die soziale Situation in dieser Stadt ist. Wie sieht es da eigentlich aus in dieser Stadt? Der Bürgermeister hat am Ende seiner Rede gesagt, es sei eine der wichtigen Aufgaben, den sozialen Zusammenhalt in der Stadt herzustellen und demensprechend etwas zu tun. In Erinnerung an so manche Debatte in der Bürgerschaft fürchte ich, dass viele hier sitzen, die gar nicht mehr wissen, was draußen vor Ort los ist.

(Dirk Kienscherf SPD: Nur DIE LINKE, oder?)

Das will ich gar nicht sagen, ich will einfach nur versuchen, Fakten aufzuzählen.

Es gibt eine einzige Art und Weise, um diese Frage beantworten zu können. Das Statistische Bundesamt berechnet jedes Jahr eine Kennzahl dafür, wie die soziale Situation in den Bundesländern und in einzelnen Städten ist. Das ist eine normale Kennzahl, man nennt sie Armutsgefährdungsquote. Im November dieses Jahres sind neue Zahlen für die Jahre 2011, 2012 und 2013 veröffentlicht worden. Das sind die wichtigsten Kennzahlen für die soziale Politik in dieser Stadt, ich glaube sogar, für die gesamte Politik in dieser Stadt. Was also wird dort festgestellt, wohlgemerkt vom Statistischen Bundesamt, nicht von der LINKEN? Das Wachstum im Hinblick auf die Armutsgefährdung ist in Hamburg am stärksten von allen Bundesländern in dieser Republik, und zwar mit Abstand am

stärksten. 40 000 Menschen mehr waren in Hamburg armutsgefährdet als im Jahr 2012. Das ist doch ureigene sozialdemokratische Verantwortung in diesem Bereich. Nun gab es beim letzten Mal den Hinweis auf andere Großstädte und die Frage, wie es denn dort aussehe. Gehen Sie zum Statistischen Bundesamt und schauen es sich an. Die Situation in Hamburg ist dramatisch schlechter als in vielen anderen Großstädten. Es gibt durchaus Großstädte, die eine hohe Armutsgefährdungsquote haben, auch höhere als Hamburg, aber der Zuwachs ist in Hamburg am stärksten. Das heißt, die soziale Spaltung ist bei uns besonders dramatisch. Wenn die SPD diese wichtige Frage während der Haushaltsberatungen noch nicht einmal anspricht, wenn sie noch nicht einmal sagt, dagegen müsse etwas getan werden, dann ist das hochnotpeinlich.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann haben Sie etwas Entscheidendes versäumt. Sie verschweigen diese Fragestellung und gehen darüber hinweg. Sie nennen unheimlich viele Beispiele, wo Sie etwas – vielleicht auch gut – gemacht haben,

(Dirk Kienscherf SPD: Wir investieren in Bil- dung!)

aber Sie müssen sich auch einmal mit diesen Fragen auseinandersetzen.

(Zurufe von der SPD)

Wir machen etwas. Wir erinnern Sie zumindest daran, was Sie zu tun haben. Das ist unsere Aufgabe als Opposition.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Andreas Dressel SPD)

Wir werden uns von Ihnen nicht damit einlullen lassen, was Sie alles an Schönem gemacht haben; damit müssen Sie sich auseinandersetzen.

(Dirk Kienscherf SPD: Das sind Fakten, das ist kein Einlullen!)

Ein wesentlicher Punkt ist nämlich auch – darüber braucht man gar nicht lange zu reden, das wissen wir alle –, dass der Reichtum in dieser Stadt kräftig angewachsen ist, und zwar peinlich kräftig. Auch das hätten Sie ruhig sagen können. Die soziale Spaltung hat sich demensprechend dramatisch entwickelt, denn in der Armutsgefährdungsquote taucht das Einkommen der ganz Reichen nicht einmal auf, wie Sie selber wissen. Das ist auch eine Schwierigkeit; ich will darauf gar nicht weiter eingehen.