Protokoll der Sitzung vom 17.12.2014

Zum Datenschutz, der auch noch angehängt ist in dieser Behörde; abgehängt wäre wahrscheinlich das treffendere Wort. Der Datenschutzbeauftragte musste erst an die Öffentlichkeit gehen und sagen, er sei praktisch nicht mehr richtig arbeitsfähig,

Hunderte von Eingaben gegen Google lägen brach, verdachtsunabhängige Kontrollen bei Unternehmen seien nicht mehr zu schaffen, bevor die Senatorin reagierte. Erst dann fand sie auf einmal Reste, die man dem Datenschutzbeauftragten vielleicht für Personalverstärkungen überlassen könnte. Aber nicht einmal da hat sie den Mumm zu sagen, dass das so gemacht wird, sondern es muss erst die SPD-Fraktion einen Antrag stellen, damit das möglich ist. Das ist völliger Quatsch, sie hätte das mit der Finanzbehörde regeln können. Das hat sie nicht gemacht. Auch hier braucht sie offenbar einen Anstoß aus ihrer Fraktion. Im Ergebnis ist das ein erster Schritt, aber er reicht bei Weitem nicht aus, um den Datenschutzbeauftragten arbeitsfähig zu machen.

Die Liste ist noch lang.

(Urs Tabbert SPD: Wo nehmen Sie denn das Geld her?)

Ich will es erst einmal dabei belassen. Die vergangenen vier Jahre waren verlorene Jahre für die Justiz, und das hat die Justiz in dieser Stadt nicht verdient. – Danke.

(Beifall bei den GRÜNEN und bei André Tre- poll CDU)

Das Wort bekommt nun Frau von Treuenfels von der FDP.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich schließe mich, das möchte ich vorweg sagen, in weiten Teilen der Kritik der anderen fachpolitischen Sprecher an, werde mich aber auf den Haushalt beschränken, denn auch da gibt es einige Dinge, die sehr zu bemängeln sind. Was wir über Hahnöfersand denken, darüber haben wir lange gesprochen. Ich glaube nicht, Herr Tabbert, dass das schon gegessen ist und wir damit nichts mehr zu tun haben werden.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie werden damit nichts mehr zu tun haben, Sie nicht!)

Das werden wir noch sehen.

Diese Rechnung ist noch nicht bezahlt. Ich möchte mich aber trotzdem auf den Haushalt beschränken.

Justizpolitik ist unmittelbare Rechtspolitik, direkt am Bürger, und zwar im unmittelbarsten Sinne. Bei Opfern, die auf eine zeitnahe Verurteilung der Täter warten, wird der Glaube an den Rechtsstaat erschüttert, rechtsuchende Bürger, deren Anliegen nicht nachvollziehbar und zeitnah bearbeitet werden, zweifeln zu Recht an der Umsetzung von Recht und Gesetz, und Täter, die nicht durch geeignete Resozialisierungsmaßnahmen unterstützt werden, finden häufig nicht den Weg zurück in ein geregeltes Leben. Gute oder schlechte Justizpolitik hat also nicht nur Auswirkungen auf das Lebens

schicksal vieler Menschen, sie stärkt oder schwächt auch die Akzeptanz vieler Bürger für unsere Demokratie. Genau diese Akzeptanz gefährden Sie in Hamburg durch Ihre völlig defizitäre Justizpolitik, und das können Sie auch nicht schönreden, Frau Schiedek.

(Beifall bei der FDP)

Ein zügiger und effektiver Rechtsschutz ist in Hamburg nicht nur ernsthaft gefährdet, er kann teilweise nicht mehr gewährt werden.

(Urs Tabbert SPD: An welchen Gerichten denn?)

Das liegt an einem extrem auf Kante genähten Justizhaushalt, der nirgendwo Sicherheiten einbaut: nicht für zunehmende Verfahrenszahlen, die nach allen Prognosen kommen werden, nicht für die zunehmende Komplexität einzelner Klageverfahren, etwa im Wirtschaftsbereich, die Zeit und Ressourcen bindet, und auch nicht für die steigende Anzahl von Sammelklagen. Sie lassen das einfach so laufen und schauen tatenlos zu, wie Gerichte und Staatsanwaltschaft auf eine Überlastungskatastrophe zusteuern. Das geht so nicht.

(Beifall bei der FDP)

Sie nutzen mögliche Synergieeffekte nicht, die sich etwa aus der Erweiterung der Zuständigkeiten des gemeinsamen Senats von Schleswig-Holstein, Niedersachsen und Hamburg am Finanzgericht ergeben würden. Alles, was Sie machen, ist, die Zahlen der Verfahrenseingänge und die Dauer der Verfahren schönzuschreiben; wir haben es gerade wieder gehört. Das reicht aber nicht. Wir haben schon jetzt bei manchen Gerichtsbarkeiten deutlich längere Verfahren als im Bundesdurchschnitt. Das ist Fakt, das können Sie nicht einfach schönreden.

(Beifall bei der FDP – Urs Tabbert SPD: Die Zahlen kommen aus den Gerichten!)

Dagegen unternehmen Sie rein gar nichts, Frau Schiedek.

Auch die Anträge von CDU und GRÜNEN helfen uns nicht wirklich weiter. Den Anträgen der CDU hätten wir gern zugestimmt, nur leider stimmt die Gegenfinanzierung nicht. Ein bisschen aus den Mitteln für die öffentliche Unterbringung zu nehmen, finden wir nicht solide. In Zeiten steigender Flüchtlingszahlen können wir das nicht akzeptieren, Herr Trepoll.

(André Trepoll CDU: Also macht die SPD das auch!)

Ob die SPD das auch macht, ist egal, wir machen es jedenfalls nicht.

Wir machen konkrete Vorschläge für die nahezu 1 Million Euro, mit der wir die Justiz stärken wollen. Wir wollen, dass Gespräche mit den benachbarten Bundesländern geführt werden, um die Zuständig

(Farid Müller)

keiten des gemeinsamen Senats im Finanzgericht zu erweitern.

(Urs Tabbert SPD: Und das geht dann in drei Jahren!)

So kann ein zügiger und effektiver Rechtsschutz erreicht und damit die Einhaltung des Rechtsstaatsprinzips gewährleistet werden, was wir doch hoffentlich alle wollen.

Darum geht es auch beim Datenschutz. Der Datenschutzbeauftragte – er wird endlich gut ausgestattet, wir alle warten schon sehr lange darauf, er wahrscheinlich auch – überwacht die Rechtmäßigkeit von Verwaltungshandeln und die Einhaltung von Datenschutzbestimmungen durch die Hamburger Unternehmen. Das ist, wie wir wissen, kein Pappenstiel, dennoch haben Sie, Frau Schiedek, wieder Monate gebraucht, um eine ausreichende Ausstattung des Datenschutzbeauftragten sicherzustellen.

Dass der Datenschutz Ihnen als Justizsenatorin nicht viel wert ist, haben wir zuletzt während der Ausschussberatungen über das Jugendarrestvollzugsgesetz gesehen. Ich werde nur ein Beispiel nennen; ich könnte sehr lange dazu sprechen, weil mich das wirklich sehr geärgert hat und das Gesetz, das wir heute verabschieden sollen, große Lücken aufweist. Sie wollen die Gespräche der Besucher mit den Arrestanten ohne Hinweis pauschal überwachen und die so gewonnenen Aufzeichnungen anlasslos speichern – Big Brother im Jugendarrest für Arrestanten und Besucher ebenso. Persönlichkeits- und Datenschutzrechte sollen pauschal verletzt werden. Das ist völlig inakzeptabel.

(Beifall bei der FDP)

Frau Schiedek, das, was Sie mit dem heute zur Abstimmung stehenden Gesetz vorhaben, sind keine vertrauensbildenden Maßnahmen für unseren Rechtsstaat.

Ich komme zu meinem Lieblingsthema. Genauso wenig Sensibilität bringt die SPD für das Prinzip der Resozialisierung auf. Ich weiß nicht, wie Sie sich da noch loben können. Im Haushalt steht bei Ihnen rein gar nichts dazu. Wo ist der soziale Aufbruch der Achtzigerjahre bei Ihnen geblieben, liebe Sozialdemokraten? Sie nennen sich immer sozial, darauf legen Sie viel Wert, aber zur Resozialisierung – da steckt das Wort auch drin – tragen Sie mit Ihrem Haushalt überhaupt nichts bei. Wie kann das sein?

(Beifall bei der FDP)

Das vermisse ich schmerzlich, schließlich geht es nicht nur um die Reintegration von Straftätern, sondern auch um Prävention. Es geht um das Verhindern von Gewalt und Straftaten, um Opferschutz und ein Stück weit auch um aktive Sozialpolitik. Es reicht nicht, dass Sie sagen, der Opferschutz werde gewährleistet, Sie müssen das auch in Ihrem

Haushalt abbilden. Sonst können Sie reden so viel Sie wollen, es wird nichts passieren. Das finde ich wirklich schwierig.

(Beifall bei der FDP)

Ehrlich gesagt vermisse ich dazu auch einen Antrag von den GRÜNEN. Zumindest haben Sie etwas zugunsten des Verwaltungsgerichts vorgelegt, wir haben uns aber sehr darüber gewundert, dass zur Resozialisierung bei Ihnen nichts zu finden ist. Eigentlich war das unser großes gemeinsames Thema. Wir besuchen zusammen Hahnöfersand, wir gehen in den Vollzug und schauen uns das an, die Presse ist dabei, alles wunderbar, aber im Haushalt finde ich dazu nichts. Das ist sehr, sehr schade. Wie man sieht, braucht es also auch uns.

(Beifall bei der FDP – Urs Tabbert SPD: Von welchem Haushalt reden Sie?)

Für mich ist das sozusagen eine rot-grüne Ignoranz gegenüber der Resozialisierung. Die FDP jedenfalls sieht in der Bewährungshilfe einen großen Baustein für eine erfolgreiche Resozialisierung. Wir wollen die Resozialisierung in Hamburg solide aufstellen, die Bewährungshilfe wieder unter das Dach der Justizbehörde holen, Wartezeiten für einen Termin beim Bewährungshelfer verkürzen

(Urs Tabbert SPD: Das hat die FDP damals abgeschafft!)

gleich, Herr Tabbert –, die Bewährungshelfer ausreichend ausstatten und ihre Arbeit in einer Fachanweisung verbindlich regeln und evaluieren. Damit können wir die Erfolge der Bewährungshilfe messbar machen. Haushaltsmittel werden so effektiv eingesetzt, die Rückfälligkeit von Straftätern gesenkt und aktiver Opferschutz betrieben. Das ist liberale Rechtsstaatspolitik, mit der wir Vertrauen und Akzeptanz des Rechtsstaats stärken. Genau das, liebe Kollegen, ist in Hamburg dringend notwendig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt nun Frau Schneider von der Fraktion DIE LINKE.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es ist in den letzten Tagen von den Medien verschiedentlich kritisiert worden, dass die Haushaltsdebatte langweilig sei. Ehrlich gesagt trifft das auch teilweise zu. Aber in der Debatte über den Justizhaushalt finde ich, dass Polemik und eine Zuspitzung, die nicht an der Sache orientiert sind, wirklich problematisch ist, und deshalb freue ich mich, dass diese Debatte ein bisschen langweilig, das heißt, sachlich ist. Im Großen und Ganzen ist das eine sachliche Debatte, und darüber bin ich froh. Denn hier geht es vor allem um eine der schwierigsten gesellschaftlichen Problematiken, nämlich um die Aufarbeitung und

(Anna-Elisabeth von Treuenfels)

Bewältigung von Konflikten und Schuld, um den schwerwiegendsten Grundrechtseingriff, nämlich Freiheitsentzug, der nur akzeptabel ist, wenn gleichwohl die Menschenwürde gewahrt bleibt und die Betroffenen eine Perspektive auf bestmögliche Wiedereingliederung in die Gesellschaft haben.

Ich möchte mich zu drei Komplexen äußern; ich muss meine Zeit mit Frau Artus teilen und kann deshalb nicht zu allem sprechen, zu dem ich gerne sprechen würde.

(André Trepoll CDU: Da hören wir Ihnen aber lieber zu!)

Mein erster Punkt ist die Situation der Gerichte. Dazu ist schon einiges gesagt worden. Die Situation an den Gerichten mag im Einzelnen unterschiedlich sein, die Tendenz insgesamt ist jedoch eindeutig: Die Belastung hat gegenüber dem letzten Doppelhaushalt zugenommen. Teilweise nimmt die Zahl der Verfahren zu, auf jeden Fall aber nimmt die Komplexität der Verfahren zu, eigentlich in fast allen Bereichen. Dem wird der Haushaltsansatz nicht gerecht. Die außerordentlich hohe und weiter steigende Belastung der Richterinnen und Richter und, nicht zu vergessen, der vielen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter an den Gerichten ist in der Debatte um den Justizhaushalt sehr deutlich geworden. Das birgt – jetzt überspitze ich ein bisschen, aber es zeigt doch die gefährliche Tendenz – eine große Gefahr. Das Vertrauen in die Regeln einer demokratischen Gesellschaft lebt davon, dass diese Regeln für alle gleich gelten, unabhängig vom Einkommen und vom gesellschaftlichen Status. Wenn Straftaten aus dem Bereich der Wirtschaftskriminalität, die der Gesellschaft meist riesigen Schaden zufügen, wegen unzureichender Ausstattung der Gerichte und der Staatsanwaltschaften oder auch, wie wir gestern gehört haben, der Kriminalpolizei häufig nicht ausreichend aufgeklärt werden können, wenn andererseits die Sozialgerichte, die mit einem seit Jahren andauernden Anstieg von Klagen die Folgen rechts- und sozialpolitischer Fehlentscheidungen zu tragen haben, Klagen nicht mehr zeitnah abarbeiten können und die Betroffenen mit überlangen Verfahrensdauern und oft damit verbundenen großen Notlagen zahlen, dann gelten diese Regeln de facto eben nicht für alle gleich.