Protokoll der Sitzung vom 14.09.2011

(Christiane Schneider DIE LINKE: Sie wis- sen genau, dass sie nicht mehr dran kommt!)

Dass die Zahl der betreuten Kinder in der Tagespflege etwas zurückgeht, hat also ein wenig damit zu tun. Trotzdem bleibt die Tagespflege für Eltern mit besonderen Ansprüchen – Herr Ritter, das haben Sie richtig festgestellt – hinsichtlich der Betreuungszeiten und des Umfelds eine wichtige Alternative. Nicht umsonst haben Eltern hier die Wahlfreiheit; das finden auch wir wichtig, und deswegen bleibt diese auch erhalten.

Dass die Zahl der Tagesmütter und -väter an sich zurückgeht, liegt unter anderem auch an den Anforderungen in den Bereichen Lebensmittelhygiene und Bauordnungsrecht. Hier bestehen ohne Zweifel einige Regelungen, die erfüllt werden müssen, davon können wir uns nicht trennen. Um den Pflegestellen deren Erfüllung aber zu erleichtern, gibt es auch finanzielle Zuschüsse. Gerade deshalb ist es für uns nicht akzeptabel, dass die Rahmenbedingungen für diejenigen, die diese Arbeit leisten wollen – in einigen Bezirken gibt es viele davon –, zurzeit ungenügend sind. Bearbeitungszeiten für Anträge auf Nutzungsänderungen et cetera – wir haben das alle lesen können – von mehr als drei Monaten sind nicht akzeptabel. Das kann niemanden, auch uns nicht, zufriedenstellen. Außerdem kommt hinzu, dass die Arbeit einiger Tagespflegebörsen nicht so gut ist, wie man sich das wünscht. Das erschwert den Tagesmüttern und -vätern ihre Arbeit zusätzlich.

Die Behörde wird daher – das hat unsere Unterstützung – mit den betroffenen Bezirken nach Lösungen suchen, damit diese Schwierigkeiten im Sinne der Familienfreundlichkeit Hamburgs behoben werden können. Denn zu einem familienfreundlichen Hamburg gehören für uns gute Betreuungsmöglichkeiten insgesamt. Dazu zählt auch

ausdrücklich die Kindertagespflege. Davon, dass Eltern hier im Regen stehen bleiben, kann also keine Rede sein, im Gegenteil.

(Beifall bei der SPD)

Das zeigen übrigens auch die Maßnahmen ganz deutlich, die wir in den letzten sechs Monaten getroffen haben. Hier geht es um die Rücknahme von Gebührenerhöhungen, um die Wiederherstellung des Rechtsanspruchs auf einen Kita-Platz bis 14 Jahre und nicht zuletzt um die Abschaffung des Mittagessengeldes. Hier sind ganz wesentliche Beiträge zur Verbesserung von Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Hamburg geleistet worden.

(Beifall bei der SPD)

Diese Verbesserungen sind bereits seit dem 1. August dieses Jahres für die Eltern wirksam geworden. Wie Sie festgestellt haben, gibt es ab August nächsten Jahres eine Erweiterung des Rechtsanspruchs. Hiervon werden, wenn es nach uns geht, auch die Tagesmütter und Tagesväter profitieren.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort erhält Herr de Vries.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Berichterstattung über den gravierenden Rückgang von Tagespflegemüttern in Hamburg in der letzten Woche hat die Stadt aufgeschreckt. Es war sogar ein Titelthema in der Presse. Wenn innerhalb von nur drei Monaten rund 350 Tagesmütter ihre Arbeit aufgeben, ist das in Sachen Familienfreundlichkeit mehr als ein Alarmsignal in Hamburg.

Die Kindertagespflege ist seit Langem eine wichtige Säule der Betreuung von Kindern in Hamburg, Herr Ritter hat die Vorzüge kurz genannt. Sie bietet mehr Flexibilität im Umgang für die Eltern, vor allen Dingen mehr zeitliche Flexibilität. Sie wissen alle, dass es Eltern gibt, die im Schichtdienst arbeiten. Sie brauchen beispielsweise um 6 Uhr eine Betreuung, das wäre in den regulären Kitas gar nicht möglich, man müsste Anschlussbetreuung organisieren. All das entfällt in der Kindertagespflege, und somit ist die Berücksichtigung der Interessen der Eltern und der Bedürfnisse der Eltern und Kinder besser möglich.

Es gibt aber auch noch einen weiteren Aspekt, der nicht genannt wurde. Viele Eltern tun sich schwer, ihre Kinder sehr frühzeitig in die Kinderbetreuung zu schicken, wenn sie erst ein Jahr alt sind. Deswegen schätzen sie es sehr, wenn ihre Kinder in kleinen Gruppen familiennah betreut werden, denn es sind maximal fünf Kinder. Sie sind häufig zusammen mit den Kindern der Tagesmütter und Tagesväter, die dann auch unterschiedlichen Alters sind, sodass dort das Familienleben, das zu Hause

(Dr. Melanie Leonhard)

nicht den ganzen Tag stattfinden kann, ein wenig nachempfunden wird.

Der alte schwarz-grüne Senat hatte dies auch erkannt und deswegen nicht nur vom Ausbau der Kindertagespflege gesprochen, sondern das auch mit zahlreichen Maßnahmen unterlegt. Ich will sie kurz nennen. Die Mindeststandards für die Qualifikationen der Tagespflegepersonen wurden erhöht. Es wurde eine dritte Qualifikationsstufe eingeführt, die eine besondere pädagogische Berufsausbildung voraussetzt. Aber es war nicht nur eine zusätzliche Schwelle für die Ausbildung, sondern es ging auch einher damit, dass man sagte, hiermit könnte die Tagespflege als regulärer Beruf ausgeübt werden. Das ist dann auch verbunden mit einer höheren Bezahlung.

Die Tagespflegesätze wurden zudem im letzten Jahr erhöht, auch hinsichtlich der Tatsache, dass der Bund 2009 die Besteuerung der Kindertagespflege beschlossen hatte.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Herr de Vries, gestatten Sie eine Zwischenfrage von Frau Schneider?

Die Zeit ist sehr knapp bemessen, deswegen lieber beim nächsten Mal, Frau Schneider.

(Christiane Schneider DIE LINKE: Das wird aber nicht abgezogen!)

Wenn man hier von familienfreundlicher Politik redet, dann entspricht das nicht der gegenwärtigen Situation, das wurde schon gesagt. Die Tagespflegebörsen in den Bezirksämtern sind unterbesetzt. Es gibt hohe Krankheitsraten bei den Mitarbeitern. Und es gibt einen Antragsstau bei der Zulassung von Tagespflegekräften von zum Teil bis zu vier Monaten. Das bedeutet, dass Tagespflegekräfte arbeiten, ohne dass sie eine Erlaubnis haben, die nur provisorisch erteilt worden ist.

Meine Damen und Herren! Diese Zustände sind weder für die Eltern noch für die tätigen Kräfte in der Tagespflege in irgendeiner Form haltbar.

(Beifall bei der CDU)

Frau Blömeke hat mich zu Recht darauf hingewiesen: Wenn das im neuen Senat Priorität sein soll, dann schauen Sie sich einmal den Haushaltsplan-Entwurf an. Die Ansätze für die Kindertagespflege sind allein in diesem Jahr um mehr als 2,3 Millionen Euro abgesenkt und keineswegs erhöht worden. Das ist das Gegenteil von Priorität

(Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

und das, obwohl der Kinderbetreuungsbedarf weiterhin steigt, wie die Behörde selbst auch sagt. Es ist absolut notwendig, Herr Senator Scheele, dass

die Maßnahmen nun umgesetzt werden und da nachgesteuert wird, wo nachzusteuern ist. Es kann nicht sein, dass Tagespflegekräfte monatelang auf ihre Bescheide aus den Ämtern warten.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank. – Damit ist die Aktuelle Stunde beendet.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 2, Drucksache 20/1412: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration.

[Unterrichtung durch die Präsidentin der Bürgerschaft: Wahl einer oder eines Deputierten der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration – Drs 20/1412 –]

Der Stimmzettel liegt Ihnen vor, er enthält Felder für Zustimmung, Ablehnung und Enthaltung. Ich bitte, den Stimmzettel jeweils nur mit einem Kreuz zu versehen. Stimmzettel, die den Willen des Mitglieds nicht zweifelsfrei erkennen lassen oder Zusätze enthalten, sind ungültig. Auch unausgefüllte Stimmzettel gelten als ungültig. Bitte nehmen Sie jetzt Ihre Wahlentscheidung vor.

(Die Wahlhandlung wird vorgenommen.)

Ich darf die Schriftführer bitten, mit dem Einsammeln der Stimmzettel zu beginnen.

Sind alle Stimmzettel abgegeben? – Dies ist der Fall. Dann schließe ich die Wahlhandlung.

Das Wahlergebnis wird nunmehr ermittelt und im Laufe der Sitzung bekannt gegeben.

Wir kommen zu Tagesordnungspunkt 8, Drucksache 20/1059, Große Anfrage der CDU-Fraktion: Konzept Fachkräftesicherung.

[Große Anfrage der CDU-Fraktion: Konzept Fachkräftesicherung – Drs 20/1059 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen. Die CDU-Fraktion möchte die Drucksache federführend an den Wirtschaftsausschuss und mitberatend an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration überweisen. Die FDP-Fraktion beantragt eine Überweisung dieser Drucksache federführend an den Wirtschaftsausschuss und mitberatend an den Sozialausschuss. – Das Wort hat Frau Prien.

(Christoph de Vries)

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Die Deckung des Fachkräftebedarfs am Wirtschaftsstandort Hamburg ist eines der entscheidenden Zukunftsthemen für unsere Stadt. Fachkräftesicherung ist wahrscheinlich der entscheidende oder ein mitentscheidender Schlüssel zur Sicherung von Wohlstand und Wachstum. Fachkräfte sind, volkswirtschaftlich ausgedrückt, nichts anderes als die Fertigkeiten und das Wissen von Menschen, und für Deutschland als wissensbasierte und innovationsstarke Wirtschaft ist dieses der entscheidende Produktionsfaktor. Fachkräfteknappheit könnte, anders ausgedrückt, die Wachstumschancen unseres Wirtschaftsstandorts beeinträchtigen und die Unternehmensentwicklung gefährden.

(Beifall bei der CDU)

Wie wir uns wahrscheinlich alle einig sind, ist die Fachkräftesicherung jedoch bedroht durch verschiedene Faktoren. Die Bevölkerungsvorausberechnungen des Statistischen Bundesamts zeigen, dass wir mit einer deutlichen Schrumpfung und gleichzeitig einer gravierenden Alterung der Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter rechnen müssen. Nun stehen wir in Hamburg, wie wir auch alle wissen, hinsichtlich des Bevölkerungswachstums als wachsende Stadt ein bisschen besser da, aber auch in Hamburg werden wir ab 2020 mit einem signifikanten Rückgang unserer Bevölkerung im erwerbsfähigen Alter rechnen müssen. Gleichzeitig ist von Bedeutung, dass wir aufgrund des wirtschaftlichen Strukturwandels eine ständig wachsende Nachfrage an höher qualifizierten und hoch qualifizierten Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmern haben werden.

Der Schrumpfungs- und Alterungsprozess geht im Übrigen auch nicht an den Unternehmern vorbei. Auch im Bereich der Unternehmensnachfolge droht ein erheblicher Ersatzbedarf. Hamburg und seine Unternehmen stehen in einem zunehmenden nationalen und internationalen Wettbewerb. In diesem müssen wir uns jetzt positionieren, zum einen schon heute für die bereits jetzt notleidenden Branchen, um zu einem der attraktivsten Arbeitsund Lebensstandorte in Deutschland zu werden, zum anderen aber, um bis zum Ende des Jahrzehnts Deutschlands erste Adresse für kluge Köpfe zu werden.

(Beifall bei der CDU)

Der Senat hat in seiner Antwort auf die Große Anfrage, die Ihnen vorliegt, viele wichtige Einzelmaßnahmen beschrieben, die im Wesentlichen von den Vorgängersenaten auf den Weg gebracht worden sind. Nur beispielhaft seien genannt die Mobilisierung der Reserven und Ressourcen im Hamburger Bildungssystem zur weiteren Reduzierung der Schulabbrecher und zur qualitativen Verbesserung des Bildungsniveaus, nicht zuletzt für die Kinder mit Migrationshintergrund. Wir unterstützen hierbei

ausdrücklich den flächendeckenden Ausbau der Ganztagsschulen in Hamburg. Wir würden uns jedoch wünschen, dass hier nicht nur die Stadtteilschulen, sondern auch die Gymnasien stärker in den Fokus des Senats geraten würden. Die Einführung der Stadtteilschule durch die CDU-geführten Vorgängersenate ist ein wesentlicher Baustein für die qualitative Verbesserung des Hamburger Schulsystems. Andere wichtige Fragen sind aufgegriffen worden. Ich nenne die offensichtliche Tatsache, dass wir uns einig sind, dass die Vereinbarkeit von Familie und Beruf in Hamburg noch besser ausgebaut werden muss. Es geht hier allerdings nicht nur um die Quantität von Arbeitsplätzen für Frauen, sondern es geht hier auch vor allem um die Qualität. Hamburg braucht mehr Frauen in Führungspositionen und mehr qualitativ anspruchsvolle Arbeitsplätze für Frauen.

(Beifall bei der CDU und bei Karin Timmer- mann SPD)

Ich will aber drei Bereiche nennen, in denen meiner Meinung nach noch ein erheblicher Handlungsbedarf besteht.