Protokoll der Sitzung vom 28.09.2011

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Anjes Tjarks GAL)

Das Wort bekommt Frau Prien.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich kann erfreut feststellen, dass wir uns offensichtlich über die Notwendigkeit einer Verbesserung der Mittelstandsförderung in Hamburg einig sind. Das jedenfalls deuten die Anträge der verschiedenen Fraktionen an. Mit den Mittelstandsvereinbarungen I und II haben die CDU-geführten Vorgängersenate gemeinsam mit den Kammern wesentliche Voraussetzungen für eine höhere Standortattraktivität geschaffen. Aus der grundsätzlichen Überzeugung, dass staatliche Wirtschaftsförderung immer nur subsidiär im Sinne einer Hilfe zur Selbsthilfe und nicht als bloße Subventionsgewährung organisiert sein sollte, haben sich die Kammern und der Senat seinerzeit auf ein Drei-Säulen-Modell der Wirtschaftsförderung verständigt. Zu Recht ist dieses Modell aber immer wieder Gegenstand einer kritischen Überprüfung gewesen. In der Mittelstandsvereinbarung von 2008 wurde entsprechend nachjustiert. Insbesondere mit dem räumlichen Zusammenrücken der verschiedenen Förderinstitutionen im Hamburger Wirtschaftszentrum in der Habichtstraße unter Einsetzen eines Förderlotsen als Front-Office gab es weitere Schritte zur Integration und zur Verbesserung der Vermarktung der Hamburger Wirtschaftsförderung. Ich muss aber auch sagen, dass bereits der CDU-geführte Senat 2009 der Auffassung war, dass diese Maßnahmen mittel- und langfristig nicht ausreichen. Erste, vom Senat damals in Auftrag gegebene Einschätzungen und auch der Bericht des Landesrechnungshofes aus dem Frühjahr dieses Jahres empfehlen tatsächlich eine Überprüfung der Förderinstrumente und der Fördereinrichtungen.

Die große Anzahl sich teilweise überschneidender Förderprogramme ist unübersichtlich, die Bündelung der Angebote und insbesondere die Abstimmung des Marketings der verschiedenen Fördereinrichtungen sind nicht zufriedenstellend und be

dürfen dringend einer Verbesserung. Dies gilt umso mehr in Zeiten knapper Kassen. Allerdings fehlt es bisher an einer professionellen Analyse der zukünftigen Bedarfe und der Notwendigkeit einer eigenständigen Investitionsbank. Kosten und Risiken sind bisher nicht abgeschätzt. Darüber hinaus sieht die CDU-Fraktion die Gefahr einer Flucht in Nebenhaushalte. Die gerade von der SPD so nachdrücklich geforderte stärkere Transparenz in der Haushaltspolitik könnte hierdurch gefährdet sein.

(Beifall bei der CDU)

Es fehlt aber auch an einer Aufgabendefinition für die neue Investitionsbank. Auch ist die Frage ungeklärt, wie die bisherigen Förderinstitutionen und ihr Personal in das neue Konzept integriert werden sollen. Unglücklich ist auch die Tatsache, dass anders, als in den vergangenen elf Jahren, keine Expertengespräche zu diesem Thema mit den betroffenen Akteuren – den Kammern, den Wirtschaftsfördereinrichtungen, den Banken und den Unternehmensverbänden – geführt wurden. Die CDUFraktion fordert den Senat ausdrücklich auf, diese Debatte nun aufzunehmen, und zwar bevor die Vorbereitungen für die Investitionsbank getroffen werden und auf Grundlage einer professionellen Bedarfsanalyse, die ergebnisoffen sein sollte. Wir brauchen diesen Prozess, um eine Entscheidungsgrundlage zu haben, um dann tatsächlich ein effizienteres und besseres Wirtschaftsförderinstrument für unsere Stadt zu finden. Voreiliger Aktionismus war noch nie ein guter Berater.

Von großer Bedeutung ist aus unserer Sicht auch die Prüfung der Möglichkeit einer Zusammenarbeit mit den Investitionsbanken in den anderen norddeutschen Bundesländern, insbesondere in Schleswig-Holstein. Sie haben gestern, wie wir der Presse entnehmen konnten, mit Ihren Kollegen aus Schleswig-Holstein getagt und über praktische Möglichkeiten einer Zusammenarbeit gesprochen. Das wäre doch ein Punkt, bei dem man zeigen kann, dass man es auch wirklich will. Hier scheint es mehr darum zu gehen, Parolen zu schwingen und nicht, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Soweit es Ihnen also wirklich ernst ist mit der norddeutschen Zusammenarbeit, sollte man diese Prüfung vornehmen, bevor man in die Vorbereitung für die Gründung dieser neuen Bank einsteigt.

Meine Damen und Herren! Lassen Sie uns diese Debatte gemeinsam führen, und zwar mit allen beteiligten Akteuren am Wirtschafts- und Finanzplatz Hamburg. Wir fordern Sie daher auf, unserem Antrag auf Überweisung An den Wirtschaftsausschuss federführend und den Ausschuss für Öffentliche Unternehmen zuzustimmen und bitten auch um Zustimmung für unseren Zusatzantrag. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU – Vizepräsidentin Dr. Eva Gümbel übernimmt den Vorsitz.)

(Thomas Völsch)

Das Wort bekommt Herr Tjarks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Völsch, als ich den Antrag gelesen habe, dachte ich zuerst, es käme wieder so ein Antrag zu Dingen, die schon im Arbeitsprogramm des Senats stehen. Das hat ja eine etwas längere Historie hier im Haus. Sie sind mit vielen Anträgen hier gescheitert und jetzt wollen sie einen haben, bei dem Sie Zustimmung bekommen. Es hat mich aber gefreut, dass Sie eine gewisse Offenheit gezeigt haben, das Thema in parlamentarischen Beratungen zu vertiefen. Wir stehen den Überlegungen zur Gründung einer Investitionsbank nicht grundsätzlich ablehnend gegenüber, aber ich finde, 38 Wirtschaftsförderungsprogramme sprechen für sich. Hier Klarheit zu bekommen, kann Ihr Antrag nicht leisten. Deswegen würde es mich freuen, wenn wir die Anträge aller Fraktionen an den Wirtschaftsausschuss überweisen könnten, um dann konstruktiv zu beraten.

Mir ist klar, dass eine Investitionsbank etwas anderes ist, als eine internationale Landesbank.

(Thomas Völsch SPD: Geschäftsbank!)

Aber auch eine Investitionsbank hat natürlich gewisse Schwächen. Ich erinnere nur an RheinlandPfalz und das Problem Nürburgring. Dort hat eine Investitionsbank durchaus ein paar Millionen Euro versenkt. Mit einer Investitionsbank, heißt es, macht man Strukturförderung, und unter den schönen Begriff Strukturförderung fasst man in der Regel Programme zusammen, die nicht marktgängig, also anders nicht refinanzierbar sind. Damit gehen natürlich gewisse Risiken einher. Darauf sollten wir in dieser Situation ein Auge haben. Deswegen auch unser Antrag, diese Risiken genau zu prüfen. Wenn der Bericht dazu vorliegt, können wir weiter beraten.

Der zweite Punkt ist die Zusammenarbeit mit Schleswig-Holstein und das kann durchaus ein guter Ansatzpunkt sein.

Ich traue mir vom jetzigen Standpunkt aus kein Urteil zu, aber aus einer Zusammenarbeit wird auch schnell eine Fusion und die Landesbank Schleswig-Holstein ist auch für den Häusermarkt in Schleswig-Holstein zuständig, einem Bundesland, das bis 2050 700 000 Menschen weniger haben wird. Bei Krisen auf Immobilienmärkten ist es meistens so, dass Immobilien als sehr sicher gelten und dann kommt über Nacht der große Crash und keiner weiß, was eigentlich passiert ist. Das war in den USA, in Spanien und in Großbritannien so. Deswegen ist es mir wichtig, das genau zu prüfen und abzuwägen und auch vom Senat vernünftig dargelegt zu bekommen, weil wir Zweifel haben, was neben diesen 41 Wirtschaftsförderungsprogrammen, die unseres Erachtens gut in diese Bank

integriert werden können, eine WK effizienter machen kann als eine Innovationsstiftung. Sie wollen die volle Palette prüfen, also alles, was die EUKommission ermöglicht, und da gibt es eben noch ein paar mehr Sachen als nur Wirtschaftsförderung. Da sollte man sehr genau im Detail gucken, was möglich ist.

Ich würde mich freuen, wenn Sie alle Anträge überweisen würden und Sie trotzdem die Risiken genau prüfen. Wir werden das prüfen und wenn diese Prüfung vorliegt, wird man sehen, wie man damit umgeht. Ich hoffe, dass diese Ergebnisoffenheit, die Sie im Verfahren skizziert haben, am Ende auch so da sein wird. – Danke schön.

(Beifall bei der GAL)

Der Abgeordnete Kluth hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Völsch hat in seiner Einbringungsrede schon gesagt, dass von 16 Bundesländern 15 Bundesländer eine Investitionsbank oder ein Landesförderinstitut haben. Warum? Weil es absolut Sinn macht, gerade im Bereich der Existenzgründung und der Ansiedlung neuer Unternehmen, aber auch bei Erweiterungen oder Verlagerungen von Betrieben die Wirtschaftsförderung zu bündeln. Die Unternehmen brauchen keine zersplitterten Zuständigkeiten, sondern einen Ansprechpartner in der Verwaltung, eine Institution. Die FDP-Fraktion unterstützt ausdrücklich im Bereich der Wirtschaftsförderung das Konzept des One-Stop-Shops. Der Antrag der SPD-Fraktion geht daher in die richtige Richtung. Die FDP begrüßt eine Optimierung und Straffung der Förderstrukturen in Hamburg. Wir unterstützen die Schaffung einer zentralen Fördereinrichtung, genauso wie wir dies übrigens auch in BadenWürttemberg, Bayern, Niedersachsen, SachsenAnhalt oder im Saarland unter liberaler Regierungsbeteiligung getan haben.

Meine Damen und Herren! Eigentlich ist der Gedanke einer solchen Bündelung und Konzentration der Wirtschaftsförderung so naheliegend, dass man sich die Frage stellt, warum er jetzt erst kommt.

(Thomas Völsch SPD: Das ist richtig!)

Diese Frage muss man aber ehrlicherweise, Herr Völsch, nicht der SPD stellen, sondern der CDU. Frau Prien, Herr Stemmann und Herr Ohlsen, ich habe Ihren Änderungsantrag gelesen. Da drängt sich die Frage auf, warum die CDU die vergangenen Jahre nicht genutzt hat, genau das zu tun, was Sie jetzt fordern, nämlich eine Optimierung und Straffung der Institutionen im Bereich der Fördermittelvergabe und auch im Bereich der Fördermittelprogramme. Eine Formulierung in Ihrem Antrag

muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Sie schreiben da – Zitat –:

"Die Vielzahl der Förderinstitutionen und -programme und ein nicht ausreichendes Marketingkonzept des 'Wirtschaftszentrums Hamburg' erschweren die umfassende und verbindliche Beratung und wecken auch Zweifel am optimalen Einsatz der für die Wirtschaftsförderung zur Verfügung stehenden Mittel."

Herzlichen Glückwunsch, dies ist eine zutreffende Analyse, aber wenn diese Analyse nun gerade von der CDU kommt, die hierzu zehn Jahre Zeit hatte,

(Thilo Kleibauer CDU: Vor zehn Jahren wa- ren Sie aber auch dabei!)

dann erahnt man, was in der Systemtheorie selbstreferenziell bedeutet oder bei Wirtschaftsprüfern eine ziemlich miese Bilanz.

In welchen Punkten halten wir den Antrag der SPD noch für verbesserungsbedürftig? Ich will auf die Kürze drei Punkte nennen.

Erster Punkt: Durch das Wahlprogramm der SPD – Herr Völsch hat es auch schon erwähnt – über die Regierungserklärung bis hin zum Arbeitsprogramm des Senats zieht sich wie ein roter Faden die Forderung nach Schaffung einer Investitionsbank, aber nirgendwo findet man auch nur ein Argument, warum es gerade die Hamburgische Wohnungsbaukreditanstalt sein muss, der die komplexen Aufgaben einer Investitionsbank übertragen werden sollen.

Ganz ohne Zweifel verfügen die WK und ihre Mitarbeiter über Erfahrungen und eine hervorragende Expertise im Bereich der Wohnungsbauförderung. In den Bereichen Existenzgründungsberatung und Ansiedlung von Investoren, in den Bereichen Umwelt und Klimaschutz oder auch im Bereich der Unternehmensnachfolge, einem zunehmend wichtiger werdenden Bereich, verfügt die WK über diese Erfahrung jedoch nicht. Learning by doing ist nach unserer Auffassung für den Wirtschaftsstandort Hamburg nicht die richtige Strategie. Wir halten daher eine Festlegung bereits zum jetzigen Zeitpunkt, die WK zu einer Hamburger Investitionsbank umzuwandeln – Herr Völsch, da war Ihre Auslegung eben schon sehr filigran, das muss man so Ihrem Antrag entnehmen –, für verfrüht. Wir schlagen Ihnen daher in einem Änderungsantrag zu Ziffer 1 vor, zunächst zu prüfen, ob eine Umwandlung der WK der beste und zielführendste Weg zur Schaffung einer Hamburger Investitionsbank ist oder nicht. Und das Ergebnis einer solchen Prüfung muss am Ende stehen und unserer Auffassung nach nicht am Anfang.

(Beifall bei der FDP)

Die Umwandlung der WK in eine Hamburger Investitionsbank kann sich daher als der beste Weg erweisen, muss es aber nicht.

Zweiter Punkt: Der Antrag der SPD-Kollegen steht unter dem Motto "Neue Finanzierungswege für Handwerk und Mittelstand". Der Inhalt des Antrags wird diesem Motto aber nicht gerecht, denn der Antrag beschäftigt sich nur mit der Hardware der Wirtschaftsförderung und nicht auch mit der Software. Er beschäftigt sich nämlich nur mit dem institutionellen Rahmen, aber nicht mit dem vorhandenen Wirtschaftsförderungsprogramm. Das ist vor dem Hintergrund sozialdemokratischer Staats- und Institutionengläubigkeit natürlich nicht sonderlich überraschend, aber richtig ist es dennoch nicht, sondern ungenügend. Warum ist es ungenügend? Ich habe im Juli im Rahmen einer Schriftlichen Kleinen Anfrage, das ist die Drucksache 20/1062, nach den in Hamburg bestehenden Wirtschaftsförderungsprogrammen gefragt. Ergebnis: Insgesamt gibt es gegenwärtig 48 verschiedene Wirtschaftsförderungsprogramme, die von der Stadt finanziert, kofinanziert oder unterstützt werden. Mit anderen Worten: für Existenzgründer und Unternehmer ein Dickicht, für Anwälte und Unternehmensberater ein Segen.

Ich habe dann gefragt:

"Wie beurteilt der Senat die Gesamtheit der Wirtschaftsförderkulisse (…])?"

"Der Senat hat sich mit dieser Frage im Einzelnen nicht befasst."

Weitere Frage:

"Wurden die von der Freien und Hansestadt Hamburg unterstützten beziehungsweise selbst durchgeführten [Wirtschafts-]Förderprogramme bereits evaluiert?"

Die Antwort des Senats darauf war Nein.

Da stellt sich natürlich die Folgefrage, auf welcher gesicherten sachlichen Grundlage der Senat dann halbwegs seriös eine Investitionsbank auf die Beine stellen will, wenn er sich erklärtermaßen bislang nicht einmal mit der eigenen Wirtschaftsförderungskulisse, die wir zurzeit im Bestand haben, befasst hat oder die Effizienz der bestehenden Programme evaluiert hat. Wir schlagen daher in einem zweiten Änderungsantrag vor, den Senat zu beauftragen, eine Evaluation der zurzeit in Hamburg bestehenden Wirtschaftsförderungsprogramme in Bezug auf Wirksamkeit, Effektivität und auch Inanspruchnahme durchzuführen.

(Beifall bei der FDP)

Dritter und letzter Punkt: Für die FDP gilt auch bei der Wirtschaftsförderung der Grundsatz der Subsidiarität. Was Private genauso gut oder vielleicht besser können, muss nicht auch noch die Stadt

tun, erst recht nicht im Wettbewerb. So leisten etwa die Hamburger Sparkasse, die Hamburger Volksbank und auch andere Institute gerade im Bereich der Finanzierung von Existenzgründern oder mittelständischen Unternehmen eine hervorragende Arbeit. Mit anderen Worten: Es reicht nicht, die Institution Investitionsbank zu schaffen, sondern wir müssen darüber hinaus auch die politischen Bedingungen definieren, unter denen eine Investitionsbank tätig wird, und das ist eine politische Frage, die uns allen spätestens seit dem HSH-Nordbank-Desaster bewusst sein sollte.

(Beifall bei der FDP)

Für die FDP-Fraktion lauten diese Bedingungen, dass erstens die Investitionsbank primär beratend tätig werden sollte und das unmittelbare Kreditgeschäft denjenigen überlassen sollte, die davon auch etwas verstehen, nämlich den Hausbanken der Fördermittelnehmer.