Protokoll der Sitzung vom 09.11.2011

Als Objekt von Parteiengezänk eignet das Thema sich ebenfalls nicht. Ich könnte mir gut vorstellen, einen so zentralen Platz wie den Rathausmarkt zum Platz der Deutschen Einheit zu machen, aber erschrecken Sie nicht, ich bin Realist genug, um die Aussichtslosigkeit dieser Idee richtig einzuschätzen. Daher fordern wir den Senat auf, zukünftig eine Fläche in der "Neuen Mitte Altona" so zu benennen; dies sollte nun aber wirklich möglich sein. Alles andere würde vom mangelnden politischen Willen zeugen. Wir haben einen konkreten Vorschlag gemacht, verschließen uns aber ausdrücklich nicht, einen anderen Platz oder eine andere Straße umzubenennen, der oder die der Bedeutung dieses geschichtlichen Ereignisses gerecht wird, und insofern sind wir bereit, die Änderungen des Petitums aus dem FDP-Antrag zu übernehmen.

Meine Damen und Herren! Je weiter die Ereignisse zurückliegen, die das Leben in einem vereinten demokratischen und freiheitlichen Europa ermöglichten, desto mehr geraten sie in Vergessenheit. Dem, liebe Kolleginnen und Kollegen, müssen wir auf vielfältige Weise entgegenwirken.

(Beifall bei der CDU und bei Robert Bläsing und Dr. Kurt Duwe, beide FDP)

Hierbei sind entsprechende Namensgebungen von Straßen nicht nur ein symbolischer Akt, sondern schaffen dauerhafte öffentliche Aufmerksamkeit und halten Erinnerungen wach. Es darf einfach nicht in Vergessenheit geraten, welch ein menschenverachtender Unterdrückungsstaat die DDR war, wie couragierte Männer und Frauen in einer friedlichen Revolution sich auf das Selbstbestimmungsrecht der Völker beriefen und so den demokratischen Wandel zur Vereinigung herbeiführten. Wir würdigen mit dem symbolischen Akt nicht zuletzt den Mut und die Demokratieleistung der vielen Namenlosen, die nie einzeln geehrt wurden, deren Namen in den Geschichtsbüchern keine Erwähnung finden. Deshalb stünde es Hamburg gut zu Gesicht, diesen Schritt endlich zu vollziehen.

(Präsidentin Carola Veit)

Ich bitte daher um breite Zustimmung für diesen Antrag.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Kurt Duwe FDP Präsidentin Carola Veit: Das Wort hat nun der Abgeordnete Lein. Gerhard Lein SPD: Sehr geehrte Frau Präsiden- tin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Es ist in der Tat ein Jahr her, dass die Bürgerschaft der 19. Le- gislaturperiode einstimmig den Antrag beschlossen hatte, einen herausragenden Ort der Stadt zur Er- innerung an die friedliche Revolution in der DDR und die deutsche Wiedervereinigung zu benennen. Die damalige Regierung ist jedoch offensichtlich nicht tätig geworden. Nebenbei, sie hätte über vie- le Jahre hinweg tätig sein können bei den vielen Benennungen in der HafenCity – ich will nur daran erinnern. Wohl aber wurde die neue Regierung gleich im April tätig. Eine Abfrage der Bezirke brachte das Ergebnis, dass dem Erinnerungswert angemesse- ne Flächen derzeit nicht zur Benennung anstün- den. Man wolle aber am Ball bleiben. Das ergab Ihre Schriftliche Kleine Anfrage. Es ist gut Herr Roock, ausdrücklich will ich das sagen, dass Sie erinnern und mahnen. Heute soll mit diesem An- trag an den seinerzeit einmütigen Beschluss der Bürgerschaft erinnert werden. Wir stimmen im Ziel mit Ihnen überein und wollen auch die Debatte im Kulturausschuss vertiefen. Hoffentlich geht es dann nicht mehr, wie vor einem Jahr, um gegen- seitige Belehrungen über richtige Geschichtsauf- fassungen, sondern schlicht um die Frage, welcher Ort geeignet ist, an eine friedliche Revolution, die Wiedervereinigung und das Zusammenwachsen nach vierzig Jahren Trennung zu erinnern. (Beifall bei der SPD)

Seinerzeit gab es eine an Zwischenrufen und Präsidentenermahnungen reiche Debatte, in der von verschiedenen Seiten die jeweiligen Redner der Fraktionen aufgefordert wurden, beim Thema des Antrags zu bleiben. Aber das war nicht so einfach und ist es heute übrigens auch nicht. Denn immer, wenn es um in Symbole gegossene Erinnerungskultur geht, wie Straßennamen zum Beispiel, dann kommen auch problematische Erinnerungen hervor, und die wollen bewältigt werden. Herr Roock, der auch heute für die die CDU zu dem Benennungsgrund spricht, hielt eine zugegebenermaßen recht umfangreiche Vorlesung über die Geschichte der DDR, die Geschichte der Revolution, die Geschichte der Wiedervereinigung und über den Unrechtsstaat DDR, was Frau Schneider von der LINKEN dann missfiel. "Kommen Sie doch mal zur Sache" wandte sie verärgert ein.

(Robert Bläsing FDP: Zitieren Sie doch nicht alte Debatten!)

Frau Dr. Oldenburg begründete die Zustimmung der SPD, machte in ihrer Rede auf die vielfältigen Hamburger Bemühungen aufmerksam – unter anderem die Städtepartnerschaft Hamburg/Dresden –, die deutsche Teilung zu überwinden und nach erfolgreicher Grenzöffnung auch praktisch etwas für die Besucher und Umsiedler zu tun, was dann Frau Möller mit dem Zwischenruf kritisierte, was das mit dem Antrag zu tun habe. Herr Gwosdz äußerte nach einem ausdrücklichen Bekenntnis zum Antrag den Wunsch, in diesem Zusammenhang auch für die Änderung von Hamburger Straßennamen mit fragwürdiger Tradition allgemein nachzudenken, was Frau Schneider zum Anlass nahm, sich vorwiegend mit hiesigen Straßennamen kolonialistischer Tradition zu befassen, die geändert werden müssten, dazu an Ereignisse, die tunlichst mit Straßennamen erinnert werden sollten, Morde der jüngeren Vergangenheit und solche Dinge. Dabei hat sie sich um eine Bewertung des Antrags selbst gedrückt, in dem es ausschließlich darum ging, an die Deutsche Einheit zu erinnern. So musste von ihr auch kein Wort mehr über das vergangene Unrechtsregime der DDR geäußert werden, nur zur Erinnerung.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei der Neubenennung von Straßen und Plätzen will vieles bedacht sein, nicht zuletzt,

(Antje Möller GAL: Nicht zuletzt alte Proto- kolle noch einmal vorzulesen!)

ob der Ort die Größe und Ehre des Namens würdig vertreten kann, noch mehr bei der eventuellen Umbenennung von Straßen und Plätzen mit zum Teil erheblichen Folgekosten. Die Antragsteller haben offensichtlich gelernt und einen konkreten Vorschlag gemacht, nämlich die Suche nach einem repräsentativen Ort in der noch nicht existierenden "Neuen Mitte Altona". Wann wird die übrigens zur Namensnennung aufgerufen sein? Haben Sie mal überlegt, wie viel Jahre das noch dauern könnte? Die FDP ist da zumindest angenehmer, indem sie am alten Beschluss festhalten will, einen repräsentativen Ort zu finden. Das ist genau die Aufgabe des Senats und ich glaube, die wird er auch annehmen. Es gibt viel zu bedenken, deshalb ist die Überweisung sinnvoll und vielleicht ist es sogar sinnvoll – so meine persönliche Meinung –, mit zielstrebiger Geduld auf den 25. Jahrestag 2014 zu warten und bis dahin einen wirklich repräsentativen Ort zu finden. – Schönen Dank für die Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Frau Goetsch.

(Hans-Detlef Roock)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Lieber Herr Roock, es ist sicherlich ein ehrenvolles Anliegen, gerade angesichts der Zäsur in der Geschichte, einen würdigen Platz zu finden. Ich möchte betonen, dass in Wohngebieten oder auch noch zu bauenden Wohngebieten Straßenbenennungen sowieso im Bezirk stattfinden sollten. Das ist Bezirksebene und eine Benennung sollte, um eine hohe Akzeptanz zu haben, möglichst auch mit den entsprechenden Beteiligungsverfahren vorgenommen werden. Deshalb ist mir der FDP-Antrag wesentlich sympathischer, weil er dafür Raum lässt. Stellen Sie sich einmal vor, wir würden einen Antrag stellen, dass in der HafenCity eine Straße nach Störtebeker benannt wird. Dort werden weitere Wohngebiete entstehen, und es steht uns in der Bürgerschaft nicht zu, sie zu benennen, das sollen der Bezirk und die Leute vor Ort machen.

Ich will zum Schluss einen Vorschlag einbringen, den wir im Ausschuss diskutieren können. Es gibt eine Brücke, die in unsere Stadt führt…

(Zurufe von Andy Grote SPD und Robert Bläsing FDP)

Das scheint selbst abends um halb acht ein aufregendes Thema zu sein. Das Ganze geht an den Kulturausschuss, da sind wir uns einig.

Die Brücke, die nach Hamburg führt, heißt Neue Elbbrücke und könnte die Brücke der Deutschen Einheit sein. Das wäre zum Beispiel ein Ort, wie wir ihn diskutieren. Wir überweisen den Antrag.

(Beifall bei der GAL)

Herr Bläsing, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Das war eben eine grandiose Idee.

Ich habe selbst ostdeutschen Migrationshintergrund …

(Andy Grote SPD: Das war aber nach der Wiedervereinigung!)

Ich wäre fast noch Jungpionier geworden. Am Wochenende war ich zu Hause, falls Sie ein kleiner Exkurs interessiert.

(Glocke)

Nun lassen Sie ihn doch erst einmal aussprechen. Sie haben alle noch jede Menge Redezeit.

Da wurde mir einmal mehr bewusst, wie der real existierende Sozialismus so war. Mein kleiner Neffe war da, und wir haben auf dem Boden gestöbert und dort einen

alten Karton gefunden. Es war der Karton für meinen alten Spielzeugpanzer, ein T62, der in keinem Kinderzimmer in der DDR fehlen durfte. Soviel zum Pazifismus der SED und ihrer Nachfolgeparteien.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Das wurde mir sehr plastisch vergegenwärtigt. Wir hatten ja nichts anderes zum Spielen.

(Heiterkeit im Plenum)

Den Panzer haben wir natürlich zeitnah nach der Wende aus guten Gründen vernichtet.

Aber zurück zum Thema. In der vorigen Legislaturperiode hat dieses Hohe Haus schon einmal beschlossen, dass es zur Erinnerung an die Wiedervereinigung eine Straßenbenennung oder eine Platzbenennung geben soll. Die Unterrichtung der Präsidentin und die Schriftliche Kleine Anfrage des Kollegen Roock haben ergeben, dass zwar alle Behörden stets bemüht waren, allerdings bisher zu keinem zufriedenstellenden Ergebnis gekommen sind. Das ist sicher nachvollziehbar.

Ich habe mir auch so meine Gedanken gemacht, welche Verkehrsflächen für dieses Vorhaben eventuell geeignet sind, und mir ist der Platz Hohe Bleichen, Große Bleichen, Heuberg in den Sinn gekommen. Er ist zentral gelegen, sehr repräsentativ und man könnte es so gestalten, dass keine Anlieger von der Platzbenennung betroffen wären. Das hätte sicher viele Vorteile.

(Dirk Kienscherf SPD: Sie haben aber kein Gespräch mit der Presse geführt!)

Ich habe mich natürlich nicht damit zufrieden gegeben, das einfach nur in der Zeitung stehen zu haben, sondern habe einen Antrag geschrieben, den an die Kolleginnen und Kollegen in der Bezirksversammlung Hamburg-Mitte gegeben, und die sind damit zur SPD gegangen. Die SPD war nicht so richtig begeistert und hat wieder einmal gesagt, wir könnten doch in der HafenCity eine Straße oder einen Platz so benennen. Das ist ja der übliche Schnack, das irgendwie in der HafenCity zu machen. Mich überzeugt das, ehrlich gesagt, nicht, solche Plätze sollten zentral gelegen sein.

Wir sind in einer Stadt mit hoher Flächenverdichtung, weshalb es nicht einfach ist, geeignete Flächen zu finden und man vielleicht wirklich einmal kreativ denken muss. Eine ähnliche Situation gab es in Hamburg-Nord, als der Blinden- und Sehbehindertenverein die Umbenennung des Holsteinischen Kamps zu Ehren von Louis Braille, dem Erfinder der Blindenschrift, wollte. Das fanden wir als FDP-Fraktion in Hamburg-Nord seinerzeit nicht so toll, weil der Holsteinische Kamp eine der ältesten Straßen von Barmbek-Süd ist. Wir haben angeregt, die Fläche vor der U-Bahn-Station Hamburger Straße entsprechend umzubenennen.

(Glocke)

Verzeihen Sie, Herr Abgeordneter. Ich weiß gar nicht, warum Ihr Beitrag so viele Nebengespräche auslöst.

(Zuruf von Dr. Till Steffen GAL)

Damit Sie auch alle unterhaltsamen Pointen mitbekommen, wäre es ratsam, dass Sie alle aufmerksam zuhören. Das Herumstehen in den Ecken können wir vielleicht auch ein bisschen auflösen.

(Andy Grote SPD: Der Redner muss ja auch ein Feedback kriegen!)

Herr Abgeordneter, fahren Sie bitte fort.

Die Idee, den Platz vor der U-Bahn-Station Hamburger Straße umzubenennen, ist auf ein positives Echo gestoßen und wurde vor mehr als zwei Jahren umgesetzt. Man muss kreativ nach Bestandsflächen Ausschau halten, die sich zur Umbenennung eignen und deren Lage dem Gedenken angemessen ist. Es gibt auch das Beispiel Heidi-Kabel-Platz. Es ist offensichtlich – wo ein Wille ist, ist auch ein Weg. In diesem Fall funktionierte es über die Teilumwandlung einer Bestandsfläche in den HeidiKabel-Platz. Das ging sehr schnell, man musste nicht bis 2014 oder 2015 warten. Daran sollte man sich ein Beispiel nehmen.

Nach der Wiedervereinigung sind viele Menschen aus den neuen, oder wie es jetzt heißt jüngeren Bundesländern nach Hamburg gezogen, und das sollte man anerkennen. Wir reden immer viel über Integration, diese Integration hat sich fast lautlos vollzogen. Aus meiner Sicht ist es wichtig, dass wir zeitnah einen Platz finden und benennen. Ich habe einen Vorschlag gemacht und vielleicht sollte man darüber noch einmal nachdenken.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat Herr Hackbusch.