Protokoll der Sitzung vom 22.11.2011

(Andy Grote SPD: Haben Sie dazu noch ein Rapper-Zitat?)

noch erheblich erhöhen. Hoffentlich ist nach der nächsten Wahl auch weiterhin keine SPD-Beteiligung an der Regierung im Bund.

(Beifall bei der FDP)

Ein weiterer Punkt ist die HSH Nordbank. Wir haben nun gesehen, dass das Rating dort etwas ungünstiger ausgefallen ist. Die daraus resultierenden Risiken sind bisher im Haushalt noch gar nicht berücksichtigt worden. Das kann man aber nicht so einfach unter den Teppich kehren. Wir fordern Sie daher in einem Antrag auf, entsprechend darzulegen, welche Risiken das beinhaltet. Wir haben

auch zusätzlich noch eine Schriftliche Kleine Anfrage dazu gestellt.

(Jan Quast SPD: Na dann!)

Wir sind sehr gespannt, was Sie darauf antworten werden. Den Antrag werden Sie wohl leider nicht unterstützen, wie ich mitbekommen habe.

Generell fällt nach acht Monaten unter einer SPD-Regierung in diesem Hohen Hause auf, dass sehr weitgehend versucht wird, das Hohe Haus mit Bundesratsinitiativen zu einer Art von Ablenkungsdebatten zu führen.

(Barbara Duden SPD: Das ist Ihnen fremd? – Zuruf von Dirk Kienscherf SPD)

Das zeigt sich beispielsweise auch beim Thema Vermögensteuer. Da komme ich zu Ihnen, Herr Rose. Ich habe heute mit Interesse in "Der Welt" gelesen, dass anscheinend noch einmal unterstrichen werden musste, dass Sie mit Ihrer Fraktion auf einer Linie sind. Das scheint jedoch mittlerweile nicht mehr so.

(Andy Grote SPD: Das ist ja kaum auszuhal- ten, Herr Kollege! – Dirk Kienscherf SPD: Das ist ja schon wieder ein Bundesthema!)

Sie haben doch vorhin damit angefangen.

Die "Bild"-Zeitung hat sehr gut dargelegt, wer in Hamburg wie viel Steuern zahlt. Da ist klar geworden, dass ein Viertel der Steuereinnahmen gerade einmal von 0,8 Prozent der Bevölkerung erbracht werden; soviel zur Vermögensteuer. Kein Mensch braucht sie, das zielt in die falsche Richtung.

(Beifall bei der FDP und bei Dietrich Wersich CDU)

Zum Thema Europahaushalt: Ich würde mir als europapolitischer Sprecher der FDP-Fraktion natürlich immer ein bisschen mehr wünschen. Allerdings ist dort nicht so viel drin und das müssen wir an der Stelle auch konzedieren.

Wir haben Ihnen ein großes Paket an Einnahmevorschlägen und natürlich auch Ausgabenbegrenzungsvorschlägen gemacht. Herr Bürgermeister, kommen Sie aus dem Muspott heraus. Jetzt haben Sie das Zeitfenster, um die Haushaltskonsolidierung voranzubringen. Herr Finanzsenator, kommen auch Sie endlich in die Puschen und zeigen Sie, dass Sie dies ambitionierter können. Wer glaubt, im Schlafwagen bis 2020,

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

bis zum Greifen der Schuldenbremse, unterwegs sein zu können, wird noch ein böses Erwachen haben.

(Beifall bei der FDP)

Vielen Dank. – Das Wort hat Frau Heyenn.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Bürgermeister, Sie haben ein Bild von Hamburg als einer Stadt gezeichnet, in der immer und überall Chancengleichheit herrscht. Wissen Sie nicht, dass nach der letzten Schülerbefragung nur 16 Prozent der Hauptschüler und 36 Prozent der Realschüler einen Ausbildungsplatz bekommen? Sie selbst haben von explodierenden Kosten bei den Sozialleistungen gesprochen. Kürzlich war in der Zeitung zu lesen, dass im sozialen Dienst in Hamburg 10 Prozent mehr Einsätze gefahren werden mussten.

Für uns stellt es sich so dar, dass Hamburg eine gespaltene Stadt ist. Jeder, der mit offenen Augen durch Hamburg fährt, stellt das in jedem Stadtteil fest. In dieser Stadt hat nicht, wie Sie gesagt haben, jeder die Chance zu einem guten, selbstbestimmten Leben, sondern es werden sehr viele ausgegrenzt. Für Optimismus, Herr Bürgermeister, müssen die Menschen einen Grund haben, aber den haben viele nicht. Daran müssen wir arbeiten und deshalb müssen wir in dieser Stadt soziale Gerechtigkeit herstellen.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Wahlkampf war Ihre Zauberformel "pay as you go". Sie haben sich damit auf den amerikanischen Präsidenten Roosevelt berufen. Nun haben wir noch andere Vorbilder aus den USA. Mein Vorredner hat seine Rede gerade mit dem Wort "Schuldenbremse" beendet, ein Begriff, der diese Debatte die ganze Zeit über begleitet hat. Die Schuldenbremse ist keine neue Erfindung und entstand auch nicht im Zusammenhang mit der finanziellen Situation in Europa. Es gibt die Schuldenbremse seit dem Jahr 1917 in den USA. Der Kongress legt die Schuldenobergrenze regelmäßig fest. Das Ergebnis ist, dass diese Schuldenobergrenze seit 1917 beständig angestiegen ist und jetzt einen Höchststand erreicht hat.

Im Sommer dieses Jahres wurde – das wissen Sie alle – im Kongress darüber debattiert, dass die Schuldenobergrenze nicht mehr eingehalten werden konnte; die USA waren praktisch zahlungsunfähig. Die Regierung durfte wegen des Erreichens der Schuldengrenze keine neuen Kredite aufnehmen. Dann hat man sich geeinigt und am 1. August wurde ein Kompromiss ausgehandelt: Neue Kredite von bis zu 2,4 Billionen Dollar sind genehmigt, und jetzt sollen zehn Jahre lang die Staatsausgaben gekürzt werden. Ob das gelingt, ist fraglich, denn die Geschichte der USA zeigt, dass die Schuldengrenze nur zu einem führt, nämlich zu einer Erhöhung der Staatsausgaben, insbesondere dann, wenn sie mit Kürzungen von Staatsausgaben verbunden ist. Was bedeutet denn die Kürzung von Staatsausgaben? Es wird an den Gehäl

tern gespart. Das haben wir auch in Hamburg gerade hinter uns; wir haben den Beamten das Weihnachtsgeld gekürzt. Das ist alles nicht die richtige Methode.

Auch in Europa haben wir eine Schuldengrenze. Die EU-Mitgliedstaaten haben sich 1992 auf den Vertrag von Maastricht geeinigt und die sogenannten Konvergenzkriterien beschlossen. Für die Haushaltsstabilität – und darüber reden wir – bedeuten sie, dass der staatliche Schuldenstand nicht höher sein darf als 60 Prozent des Bruttoinlandsprodukts und die Nettoneuverschuldung nicht höher sein darf als 3 Prozent des BIP. Das war gut gemeint, aber zurzeit erfüllen von den 27 EU-Staaten lediglich zwei das Kriterium, dass die Gesamtverschuldung unter 60 Prozent ihres BIP liegt. Diese beiden Staaten sind Großbritannien und Schweden, die beide nicht den Euro eingeführt haben. Das heißt, 25 EU-Staaten konnten die geforderte Schuldenbremse nicht einhalten. Angesichts dieser Faktenlage stellt der Direktor am Institut für Recht und Ökonomik der Universität Hamburg, Professor Dr. Stefan Voigt, die Frage:

"Aber zeigt das Beispiel der EU nicht sehr deutlich, dass Schuldenbremsen das Papier nicht wert sind, auf dem sie geschrieben sind?"

Und er fügt an anderer Stelle hinzu:

"Die Ergebnisse sind auch überraschend, weil Länder, die den sogenannten Maastricht-Kriterien […] unterliegen, nicht geringere Schulden haben als Länder, die diesen Kriterien nicht unterliegen."

Im August dieses Jahres ist man auf europäischer Ebene trotzdem übereingekommen, für alle EuroLänder Schuldenbremsen nach deutschem Vorbild festzuschreiben; das ist heute schon mehrfach erwähnt worden und einige können die Zeit gar nicht abwarten. Dieses sehr ehrgeizige Ziel, ab 2020 keine neuen Schulden mehr aufzunehmen, soll mit einer strikten Sparpolitik erreicht werden, und zwar ausschließlich damit. Diese Politik impliziert, so der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister – ich zitiere –:

"[…] dass der Schuldner Schuld sei und es selbst in der Hand habe, durch strenge Diät zu gesunden."

Er selbst sieht es, wie viele andere auch, eher umgekehrt. Die katastrophale Lage in Griechenland schätzt er zum Beispiel so ein, dass sie die Folge einer Sparpolitik ist und nicht umgekehrt. Immer wieder wird angeführt, dass der Sozialstaat die Ursache für die ständig größer werdende Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben der öffentlichen Haushalte ist. Vergessen ist die Finanzkrise von 2008 bis 2010. Alle redeten damals davon, dass so etwas nie wieder vorkommen dürfe. Ich kann mich noch daran erinnern, dass hier ein Finanzse

nator gesagt hat, in jeder Krise ist ein Anfang und in jeder Krise ist eine Chance. Was ist aber seither passiert? Es sind keine Regeln eingeführt worden und es ist praktisch nichts passiert außer, dass die Risikospiele auf den Finanzmärkten ausgeweitet wurden. Und jetzt stehen Spekulationen gegen souveräne Staaten auf dem Spielplan. Was das bewirkt, sehen wir gerade in Europa.

Was macht nun die Politik? Und dafür war gerade Herr Wersich ein leuchtendes Beispiel. Er hat ständig davon gesprochen, dass wir eine Staatsschuldenkrise haben, von Finanzmarktkrise ist bei ihm überhaupt nicht mehr die Rede. Die Verschuldung zu senken, eine Neuverschuldung zu vermeiden und zu ausgeglichenen Haushalten im Bund und in den Bundesländern zu kommen, finden auch wir von der LINKEN eine gute und längst überfällige Idee. Auch wir von der LINKEN sehen die Staatsverschuldung als besorgniserregend an. Deshalb schlagen wir auch vor, in Hamburg die Hälfte der Steuermehreinnahmen zur Schuldentilgung einzusetzen. Auf der anderen Seite halten wir in Zeiten wirtschaftlicher Instabilität, verbunden mit einer drohenden Rezession, eine strikte Sparpolitik für einen völlig falschen Weg. So war auch das Echo auf den eingangs erwähnten amerikanischen Kompromiss. In den führenden Zeitungen war zu lesen, der erzielte Schuldenkompromiss sei kein Grund zum Aufatmen, er werde die Überschuldung und die ihr zugrundeliegenden Probleme eher verschlimmern als verbessern. Und genau das befürchten wir auch.

Es gibt in der Tat kein einziges Beispiel dafür, dass Sparpolitik in konjunkturellen Abschwungphasen, und schon gar nicht in Krisenzeiten, einen Ausweg bietet, ganz im Gegenteil. Und so ist es auch nicht von ungefähr, wenn der Wirtschaftsforscher Stephan Schulmeister eine historische Parallele zieht, und zwar zu der Sparpolitik von Reichskanzler Brüning im Jahr 1931. Auch die damalige Weltwirtschaftskrise basierte auf diesem, wie er es nennt, Sparparadox. Was damals geschah und was danach passierte, wissen wir alle.

Bei der Neuverschuldung trotz Schuldenbremse spielt noch ein anderer Aspekt eine Rolle, den wir für ganz wichtig halten. In den Überschriften und auf den Transparenten von Demonstranten stand in großen Buchstaben: Der Staat muss kräftig sparen, die Reichen bleiben ungeschoren, die Zeche zahlen die Ärmsten. Wir befinden uns hier in Hamburg zurzeit in einem Sparüberbietungswettbewerb von SPD, CDU, GAL und FDP. Dem ist aber ein Steuersenkungswettbewerb in den Achtzigerjahren vorausgegangen, und zwar von genau den gleichen Parteien. Genau das haben Sie vergessen, Herr Bürgermeister. Sie haben davon gesprochen, dass wir durch Ausgabenpolitik gesündigt hätten. Aber wir haben auch gesündigt durch Steuersenkungspolitik.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Bischoff hat schon darauf hingewiesen, dass der öffentlichen Hand dadurch pro Jahr bundesweit ungefähr 50 Milliarden Euro entgehen; für Hamburg wird geschätzt, dass es pro Jahr mindestens 1 Milliarde Euro sind. Wir sind der Auffassung, dass die Schuldenbremse nur einzuhalten ist mit Mehreinnahmen durch ein gerechtes Steuersystem. Wir stehen für Korrekturen auf Bundesebene und freuen uns, dass auch die SPD sich jetzt wieder für eine Vermögensteuer einsetzen will. Und wir haben in die Haushaltsdebatte einen Antrag auf Einstellung von 85 neuen Steuerprüfern eingebracht. Wir freuen uns, dass die SPD – soweit wir gehört haben – diesen Antrag unterstützen will, zumindest an den Ausschuss überweisen will.

DIE LINKE steht in Hamburg dafür, dass die regionale Wirtschaft gefördert werden muss, dass der Arbeitsmarkt gestärkt werden muss und dass die Aufgaben des Staates nicht zurückgenommen werden dürfen und der soziale Auftrag gerecht erfüllt werden muss. Deshalb schlagen wir vor, die Hälfte der Steuereinnahmen in die Strukturmaßnahmen zu stecken und die andere Hälfte in die Schuldensenkung.

(Beifall bei der LINKEN)

Vielen Dank, Frau Heyenn. – Das Wort hat Herr Senator Dr. Tschentscher.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Bei all den Berechnungen der Opposition darf ich Ihre Aufmerksamkeit noch einmal auf die amtlichen Zahlen lenken, die doch ein etwas anderes Licht auf die Vorwürfe der Opposition werfen. Als der Senat im März seine Arbeit aufgenommen hat, lagen uns Haushaltsunterlagen vor, mit denen der Vorgängersenat für die Jahre 2011 und 2012 insgesamt 2,9 Milliarden Euro Defizit geplant hatte. Ein vorläufiger Überblick über die offenen Rechnungen außerhalb des Kernhaushalts ergab nur für die Positionen Wohnungsbauschulden, Versorgungsfonds und Sondervermögen Stadt und Hafen ein Haushaltsloch von weiteren 1,2 Milliarden Euro. Wir sind in der Gesamtschau also schon bei offenen Rechnungen von über 4 Milliarden Euro.

(Dietrich Wersich CDU: Das ist doch Un- sinn!)

Ich sage Ihnen ehrlich, wir können das alles nicht auf einen Schlag und über Nacht lösen. Aber das, was möglich ist, liegt heute vor Ihnen.

Erstens haben wir die Finanzierung der sogenannten Wahlversprechen, Kita-Sofortprogramm und anderes, in die Haushaltspläne eingearbeitet und durch entsprechende Streichungen an anderer Stelle ausgeglichen.

(Dora Heyenn)

(Glocke)

Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg (unter- brechend): Gestatten Sie eine Frage des Abgeordneten Wersich?

– Nein, Herr Präsident, ich würde jetzt gerne im Zusammenhang zu den vielen Vorwürfen der Opposition Stellung nehmen. Und dann, Herr Wersich, können wir weiterreden

(Dietrich Wersich CDU: Dann bleiben Sie bei der Wahrheit, was die Steuereinnahmen an- geht!)