Protokoll der Sitzung vom 24.11.2011

Gestern hatten wir im Zuge der Schuldebatte auch das Thema Inklusion. Da hatte ich den Eindruck, dass Herr Rabe ein bisschen im Windschatten der Haushaltsberatungen schnell ein Konzept vorstellt. Gleichzeitig stellt Frau Bekeris vor, dass Sie, liebe Genossinnen und Genossen von der SPD, einen Landesaktionsplan zur Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention haben. Warum machen wir da so ein Stückwerk,

(Dirk Kienscherf SPD: Es wollten doch alle, dass das Schulgesetz geändert wird!)

warum sind es jetzt die Schulen? In einem halben oder in einem Jahr beziehen wir auch andere Menschen mit Behinderungen, welcher Art auch immer, ein. Ich finde, dass das dem politischen Anspruch nicht gerecht wird, jetzt etwas zu beginnen und dann etwas anderes hinterherzuschieben. Es stünde uns besser zu Gesicht, die gesamte Debatte zu führen. Es ist eine große gesellschaftliche Aufgabe, Inklusion und gleichberechtigte Teilhabe von Menschen mit Behinderungen einzuführen.

(Beifall bei der GAL – Dirk Kienscherf SPD: Ihre grüne Senatorin hat doch das Schulge- setz geändert!)

Herr Kienscherf, es ist auch schön, dass Sie in einigen Teilen aktiv geworden sind.

(Lars Holster SPD: In einigen Teilen?)

Ich hätte mir gewünscht, dass wir die Debatte insgesamt führen und vielleicht jetzt schon der eine oder andere Vorschlag für die Einbindung in den Arbeitsmarkt, für seniorengerechtes Wohnen und für Menschen mit eingeschränkter Mobilität gemacht wird; das ist bisher Fehlanzeige.

Auf eines will ich noch hinweisen, da geht es wieder um Kompass, um Glaubwürdigkeit und um das, was in die Stadt hineingetragen wird. Frau Wolff hat es schon angesprochen. In diesem Haus ist viel diskutiert worden, aber wenn ich mir die Bilanz in der Öffentlichkeit anschaue und noch einmal Revue passieren lasse, dann sind mir drei Themen sozialpolitisch in Erinnerung geblieben.

Thema eins: Das Bildungs- und Teilhabepaket ist schleppend angelaufen. Inzwischen ist es gut, ein Vorbild, in Ordnung – da sind wir dabei.

Thema zwei – auch ich muss es leider noch einmal ansprechen – ist die unfassbare Debatte um den Zaun als Zeichen und Symbol der Ausgrenzung. Das ist über Hamburgs Grenzen hinaus eine Debatte gewesen, die Hamburg sozialpolitisch in den Keller katapultiert hat, und das war ein Armutszeugnis.

(Beifall bei der GAL)

Das dritte Thema haben wir eben diskutiert, es ist die Debatte um den Arbeitsmarkt.

(Dirk Kienscherf SPD: Das war aber die De- batte davor!)

Herr Scheele, ich habe Sie angesprochen, vielleicht können Sie gleich noch einmal darauf reagieren. Wir erwarten einfach eine Antwort. Wenn Sie sagen, der Berliner Kurs wird auch in Hamburg fortgesetzt, wir wollen keinen kommunalen Arbeitsmarkt, wir nehmen in Kauf, dass die Strukturen vor Ort zerschlagen werden

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, dann bringen Sie mal 50 Millionen Euro hier auf den Tisch!)

und der Stadtteilbezug in der Arbeitsmarktpolitik verloren geht, dann setzen wir uns damit auseinander. Ansonsten bitte ich Sie einfach um eine Stellungnahme genau zu diesem Punkt.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, wir bitten Sie mal um Geld!)

Alles in allem: Die GAL ist willig und bereit,

(Dirk Kienscherf SPD: Billig, ja genau!)

viele der Ideen, Forderungen und Vorschläge mitzutragen und auch konstruktiv mitzugestalten. Ich würde mir nur wünschen, vor dem Hintergrund einer größeren Debatte in der Stadt, wofür wir sozialpolitisch stehen, eine Diskussion mit Ihnen auch in diesem Hause zu führen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Vielen Dank, Frau Fegebank. – Das Wort hat Frau Kaesbach.

Sehr geehrter Herr Präsident, sehr geehrte Damen und Herren! Über 2 Milliarden Euro umfasst der Haushalt der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration; darauf ging Frau Fegebank vorhin schon ein. 90 Prozent davon geben wir für gesetzliche Leistungen aus, und diese Ausgaben steigen weiter. Da bleibt nur wenig Spielraum für Steuerungsmöglichkeiten bei den Sozialhilfen und Maßnahmen der Stadt Hamburg. Darum wissen wir auch, dass dies kein Wunschkonzert ist, sondern dass Schwerpunkte gesetzt werden müssen.

Aber wenn man einen Blick auf den Haushaltsplan-Entwurf wirft, dann fällt vor allem eines auf: die zum Teil vorhandene Ideen- und Konzeptlosigkeit im Kernbereich Soziales.

(Beifall bei der FDP)

Lassen Sie mich ein Beispiel nennen, Frau Wolff und Frau Fegebank erwähnten es schon. Frau Bekeris, ein Konzept, von dem Sie vorhin sprachen, kann ich nicht erkennen. Sozialsenator Scheele kündigte schon vor Monaten vollmundig ein Gesamtkonzept für den ganzjährigen Umgang mit Obdachlosen und der Wohnungslosigkeit in Hamburg an.

(Ksenija Bekeris SPD: Sie waren in der letz- ten Legislaturperiode aber noch gar nicht hier!)

Was hat er präsentiert? 240 Winterschlafplätze und eine Anlaufstelle für Obdachlose aus Osteuropa.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, das ist doch schon mal gut!)

Genau, das sind richtige und notwendige Schritte.

Aber angesichts der Tatsache – das wiederhole ich gern noch einmal –, dass der Abriss des Bürogebäudes in der Spaldingstraße im nächsten Jahr geplant ist, stellen wir fest, dass nicht einmal für das Winternotprogramm ein nachhaltiges Konzept zur Verfügung steht.

(Beifall bei der FDP)

Zudem ist das Winternotprogramm nach einem Bericht des "Hamburg Journals" vom Dienstag bereits jetzt schon vollständig ausgelastet. Senator Scheele muss sich schon wieder etwas Neues einfallen lassen, denn der Winter hat noch nicht einmal begonnen. Wahrscheinlich wird Senator Scheele gleich präsentieren, was seine Arbeitsgruppe "Wege aus der Obdachlosigkeit" heute Vormittag ausgetüftelt hat. Darauf bin ich gespannt.

Zum Thema Auslastung des Winternotprogramms haben wir zumindest eine Schriftliche Kleine Anfrage gestellt.

(Dirk Kienscherf SPD: Ja, immerhin!)

Der Antrag der SPD-Fraktion zum Thema Hilfsangebote für pflegebedürftige Obdachlose ist zwar gar nicht verkehrt, der große Wurf bleibt aber aus. Den versuchen die LINKEN mit einem Forderungskatalog,

(Ksenija Bekeris SPD: Zum Glück haben Sie einen Antrag eingebracht!)

der tatsächlich einer Wunschliste für den Weihnachtsmann gleicht und der darum in keiner Weise realistisch ist.

Auf Initiative von uns Liberalen hat der Sozialausschuss erfreulicherweise beschlossen, eine Expertenanhörung durchzuführen.

(Beifall bei der FDP)

Wenn der Senat schon keine eigenen Ideen hat, so wird die Auswertung der Expertenanhörung dem Sozialausschuss hoffentlich den nötigen Input für die Aufstellung eines Konzepts im Obdachlosenbereich einbringen. Aus unserer Sicht macht es deshalb keinen Sinn, diesbezüglich über weitergehende Haushaltsanträge schon jetzt, wie die GAL es tut, zu beschließen, weil noch kein Gesamtkonzept steht.

(Beifall bei der FDP)

Zudem gehört zu solch tragfähigen Ergebnissen auch eine Abstimmung mit den Bezirken. Dort rumort es zurzeit gewaltig, da der Senat offenbar seine Vorstellungen zur Erweiterung der öffentlichen Unterkünfte par ordre du mufti durchsetzen will.

(Katharina Fegebank)

Meine Damen und Herren! Das Thema Obdachlosigkeit hat die öffentliche sozialpolitische Debatte in den vergangenen Monaten dominiert. Es gibt aber auch noch andere wichtige Themen beziehungsweise Gruppen von Menschen im Sozialbereich, die unserer Meinung nach in letzter Zeit zu kurz gekommen sind, zum Beispiel die Menschen mit Behinderungen.

Auch hier stehen wir vor großen Herausforderungen, wenn wir die Umsetzung der Ambulantisierung und des persönlichen Budgets weiter vorantreiben wollen. Das sind nämlich Entwicklungen, deren Grundlagen vor einigen Jahren geschaffen worden sind, deren Überprüfung es aber immer wieder bedarf. Es muss nach Jahren der Umsetzung hinterfragt werden, wo Optimierungen eintreten müssen, damit die Betroffenen mit den Instrumenten des SGB IX und XII die bestmögliche und vor allem selbstständige Situation für sich schaffen können.

(Beifall bei der FDP)

Unsere Fraktion hat zur Situation der Menschen mit Behinderungen gerade eine Große Anfrage eingebracht. Wir Liberale sind der Auffassung, dass diejenigen Menschen, die sich nicht selbst helfen können, Hilfe erhalten sollen. Und diejenigen, die sich selbst helfen können, sollen die Möglichkeit erhalten, ihre eigene Situation in die Hand zu nehmen.

(Beifall bei Dr. Thomas-Sönke Kluth FDP)

Liberalismus will die größtmögliche Freiheit des Einzelnen.

(Beifall bei der FDP)