Und so ganz nebenbei werden die Energienetze auch noch vor der hundertprozentigen Verstaatlichung bewahrt. Gleichzeitig will der Bürgermeister die Hamburgerinnen und Hamburger glauben machen, dass der Prozess der Energiewende mit dem heutigen Tag abgeschlossen sei.
Damit, Herr Scholz, überschätzen Sie sich maßlos. Ich kann nur hoffen, dass Ihnen der Erfolg der absoluten Mehrheit nicht ein wenig zu Kopf gestiegen ist.
Eines noch am Rande, sehr geehrte Frau Senatorin Blankau. Wenn ich mir Ihre Rolle bei dieser Scholz-Show anschaue, dann bekomme ich doch etwas Angst um Sie. Ich hätte mir gewünscht, dass auch Sie als zuständige und verantwortliche Senatorin einmal erläutern, wie die Energiewende konkret, und zwar ohne die vollmundigen Phrasen und die blumigen Ankündigungen des Bürgermeisters, geschafft werden soll.
Schauen wir uns den Deal doch einmal in Ruhe an. 543 Millionen Euro investiert der Senat in eine Beteiligung von 25,1 Prozent am Versorgungsnetz der Freien und Hansestadt Hamburg, davon 138 Millionen Euro für 25,1 Prozent des Vattenfall Stromnetzes, für 80 Millionen Euro bekommt die Stadt etwas mehr als ein Viertel der E.ON Gasnetze. Den größten Teil aber, nämlich 325 Millionen Euro, will die Stadt für 25,1 Prozent des Vattenfall Fernwärmegeschäfts ausgeben, also nicht nur für die Leitungen, wie das bei Strom und Gas der Fall ist, sondern bei der Fernwärme für das gesamte Geschäft, also auch für die Erzeugungsanlagen und die Kundenbeziehungen. Richtig, meint der Senat, richtig findet es die Mehrheitsfraktion, und die Beteiligung sei viel zu gering sagen auch einige hier im Haus. Bevor wir aber über eine 25-prozentige oder auch eine vollständige Übernahme der Netze sprechen, müssen wir doch zuerst einmal eine grundsätzliche Frage klären. Ist es nötig,
dass die Stadt überhaupt eine Beteiligung an den Versorgungsnetzen und am Fernwärmegeschäft hält? Dazu haben Sie, Herr Scholz, gar nichts gesagt, und das habe ich wirklich vermisst.
Es wird Sie nicht überraschen, die FDP-Fraktion hat diese Frage bisher mit Nein beantwortet und sie tut dies auch nach der heutigen Regierungserklärung, Herr Bürgermeister. Die FDP-Fraktion in der Hamburgischen Bürgerschaft lehnt die Beteiligung ab. Wir halten sie für ordnungspolitisch falsch, finanziell enorm risikobehaftet und ökologisch nicht überzeugend.
In dieser Frage scheint der Senat die eigene Landeshaushaltsordnung zu verdrängen. Kein Problem, wir Liberale helfen da gern einmal weiter. In Paragraf 7, Absatz 1 der LHO heißt es – ich zitiere –:
"Bei Aufstellung und Ausführung des Haushaltsplans sind die Grundsätze der Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit zu beachten. Diese Grundsätze verpflichten zur Prüfung, inwieweit staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten durch Ausgliederung und Entstaatlichung oder Privatisierung erfüllt werden können."
"In geeigneten Fällen ist privaten Anbietern die Möglichkeit zu geben darzulegen, ob und inwieweit sie staatliche Aufgaben oder öffentlichen Zwecken dienende wirtschaftliche Tätigkeiten nicht ebenso gut oder besser erbringen können."
Was aber macht der Senat? Er geht einen völlig entgegengesetzten Weg. Hier werden Unternehmen teilverstaatlicht und das ganz ohne Not.
Schon die Ablehnung unseres Prüfauftrags an den Senat, die Veräußerung der städtischen Beteiligung an HAMBURG ENERGIE zu prüfen, übrigens eine Prüfung, die sich aus unserer Sicht aus der LHO zwingend ableitet, hat gezeigt, auf welchem ordnungspolitischen Irrweg sich die SPD und auch andere Fraktionen in diesem Haus befinden.
Viel zu wenig wurde in der bisher geführten Debatte – sei es hier im Plenum oder in den langen und intensiven Ausschusssitzungen – auf die enormen Risiken der Beteiligung für die Freie und Hansestadt Hamburg hingewiesen. Hamburg will bei einer Verschuldung von 28 Milliarden Euro nun weitere 543 Millionen Euro ausgeben, 218 Millionen
für eine Minderheitsbeteiligung an den Strom- und Gasnetzen dieser Stadt, eine Beteiligung an einem Markt, der in hohem Maße durch die Bundesgesetzgebung reguliert und in dem die Stadt durch eine Beteiligung nichts, aber auch gar nichts für die Umsetzung der Energiewende erreichen kann. Weder lassen sich die klimapolitischen Ziele mit einer Netzbeteiligung erreichen, noch kann ein nennenswerter Einfluss auf die Energiepreise ausgeübt werden. Mit anderen Worten, diese Beteiligung ist vollkommen sinnlos.
Sie investieren diese 218 Millionen Euro in eine Unternehmung, die erstens tadellos ohne staatliche Beteiligung funktioniert und die zweitens auch nach dem Kauf mehrheitlich vom Konzern gesteuert. Dass der Bürgermeister die Besetzung der Hälfte der Aufsichtsratsmandate als Erfolg verkündet, ist reine Schönfärberei. Die wesentlichen Entscheidungen des Aufsichtsrats werden künftig einstimmig getroffen werden, es ist also ganz egal, wie viele Senatsvertreter entsandt werden. Ein Erfolg ist dieses Verhandlungsergebnis nur für die Damen und Herren Staatsräte und Senatoren, die diese Mandate künftig besetzen werden. Und drittens ist sie mit einem Kaufpreis von vielen, vielen Millionen Euro alles andere als risikolos, wie Sie, Herr Bürgermeister, und auch Sie, Herr Tschentscher, es uns immer wieder weismachen wollen.
Noch viel mehr Geld, nämlich 325 Millionen Euro, soll in die Beteiligung am Fernwärmegeschäft von Vattenfall gesteckt werden. Hier haben wir eine ganz andere Situation als bei Strom und Gas. Der Markt ist nicht durch die Bundesnetzagentur reguliert. Hier ist die Stadt vielmehr echter Unternehmer und das natürlich auch mit vollem unternehmerischem Risiko.
Auch auf der Pressekonferenz vor wenigen Tagen sprach der Erste Bürgermeister von einem völlig risikofreien Geschäft und streute den Hamburgerinnen und Hamburgern damit bewusst Sand in die Augen. Was das mit gutem Regieren, mit Vernunft, Klarheit und Verantwortung zu tun haben soll, kann ich nicht nachvollziehen.
Ich wiederhole es noch einmal: 543 Millionen Euro will die Stadt für eine völlig unsinnige – im Fall der Strom- und Gasnetze – beziehungsweise für eine hochrisikoreiche Unternehmensbeteiligung – im Falle des Fernwärmegeschäfts – ausgeben, 543 Millionen Euro wohlgemerkt, die die Stadt nicht hat und die etwa ein Zwanzigstel des jährlichen Gesamthaushalts der Freien und Hansestadt ausmachen. Daneben sehen die Wahlgeschenke, die die SPD-Mehrheit vor zwei Wochen hier in der Bürgerschaft beschlossen hat, wie billiger Ramsch vom Wühltisch aus.
Es sind 543 Millionen Euro, die der Senat sich am Kapitalmarkt besorgen muss. In der aktuellen Situation mit zu erwartenden Achterbahnfahrten des Zinsniveaus wird heute niemand valide sagen können, wie teuer dieses Geschäft für die Hamburgerinnen und Hamburger wirklich werden wird. Olaf Scholz sollte das doch am besten wissen. Ich denke da an den SPD-Bundesparteitag vor wenigen Wochen. Die SPD hat sich noch einmal deutlich für die Einführung von Eurobonds ausgesprochen. Ein Widerspruch des stellvertretenden Parteivorsitzenden Olaf Scholz war leider nicht zu vernehmen. Nun gehe ich nicht davon aus, dass die SPD im Bund in naher Zukunft etwas zu sagen haben wird,
Was die Eurobonds für Hamburg aber bedeuten können, hat uns der Senat auf meine Anfrage hin bereits vorgerechnet. Die Mehrbelastungen würden Milliardenhöhe erreichen, die Stadt wäre handlungsunfähig, an die Schuldenbremse bräuchten wir gar nicht mehr zu denken. Selbst Befürworter der Eurobonds sind sich darüber im Klaren, dass das Zinsniveau massiv steigen würde. Aber auch ganz ohne Eurobonds müssen sich die öffentlichen Haushalte auf stark steigende Finanzierungskosten einstellen. Die bedrohlichen Ankündigungen der Ratingagenturen muss man sehr ernst nehmen. Wir müssen also in jedem Fall mit steigenden Zinsen rechnen. Und Herr Bürgermeister, das gilt auch für die Zinsen auf die 543 Millionen Euro, die Sie am Kapitalmarkt für die Finanzierung der geplanten 25,1 Prozent Beteiligung aufnehmen müssten.
Sie sagen, Herr Scholz, die Garantiedividende übertrage die Finanzierungskosten. Das können Sie für die Zukunft aber überhaupt nicht sagen, ich frage mich, wo Sie diese Aussage hernehmen. Angesichts dieser Fakten muss man tatsächlich von einem Harakirikurs des Ersten Bürgermeisters sprechen. Er bringt sich ohne Not in die Situation, sehr viel Geld auf dem Kapitalmarkt besorgen zu müssen und gleichzeitig kämpft er dafür, dass durch Eurobonds das Zinsniveau deutlich steigt. Da kann ich wirklich nur noch mit dem Kopf schütteln.
Sehr geehrte Damen und Herren! Unter Risikofreiheit versteht die FDP etwas anderes. Ich sage ganz deutlich, dieses Geschäft schafft ein weiteres unkalkulierbares Risiko für die ohnehin arg gebeutelte Stadt. Die jährliche Garantiedividende mag den Senat beruhigen, vorerst, denn klar ist, dass in sechs oder zehn Jahren – so genau weiß man das nicht – neu verhandelt werden muss. Vor diesem
Hintergrund muss man auch die Aussage des Bürgermeisters neu interpretieren. Das Geschäft für die Stadt ist sehr risikoreich – für Sie, Herr Scholz, allerdings ist es risikofrei, denn die Verhandlungen über eine nachfolgende Garantiedividende werden von einem anderen Senat zu führen sein.
Der Senat verkennt die Realität oder, noch schlimmer, er versucht bewusst, die Bürger zu täuschen, er versucht glaubhaft zu machen, es bestünde kein finanzielles Risiko. Natürlich merken die Bürger das und deshalb legt der Bürgermeister sehr viel Wert darauf, uns zu erzählen, für das Risiko, dass er der Stadt aufbürdet, bekäme er eine ganze Menge von den ehemaligen Feinden E.ON Hanse und Vattenfall zurück. Wir haben heute bereits mehrfach gehört, die Beteiligung sichere zahlreiche Arbeitsplätze und garantiere Investitionen in der Höhe von 1,6 Milliarden Euro in den Ausbau der Netze. Soweit, so beeindruckend.
Weniger beeindruckt war ich allerdings, als ich diese Zahlen hinterfragt habe und die Senatsvertreter im Haushaltsausschuss gebeten habe, diese Zahl doch einmal zu untermauern. Ich wollte wissen, welche der in den Kooperationsvereinbarungen mit E.ON und Vattenfall aufgeführten Investitionen denn tatsächlich das Ergebnis der sicher knallhart geführten Verhandlungen zwischen Stadt und Energieversorgern sind. Das ist eigentlich eine einfache Frage, die die Stadt als Verhandlungspartner beantworten können müsste, sollte man jedenfalls meinen. Während der gemeinsamen Sitzung des Haushalts- und Umweltausschusses in der vorigen Woche sah sich jedoch kein Vertreter der anwesenden Behörden, auch nicht Umweltsenatorin Blankau oder Finanzsenator Tschentscher, in der Lage zu erklären, welche zusätzlichen Investitionen vom Senat denn ausverhandelt wurden. Herr Dressel, wenn Sie uns jetzt sagen, dass ein Drittel der Investitionen zusätzliche sind, dann erschreckt mich das mehr, als dass es mich beruhigt, und das sollte Ihnen wohl auch klar sein.
Schon zu Beginn des Jahres war nämlich die Rede von jährlich 200 Millionen Euro, die die Netzbetreiber in ihre Netze investieren wollten, und nun hören wir, der Senat habe dem Konzern 1,6 Milliarden Euro abgetrotzt, gestreckt auf zehn Jahre allerdings. Das sind dann also jährlich 40 Millionen Euro weniger als angekündigt. Ich muss schon sagen, nach einem tollen Verhandlungsergebnis klingt das nicht.
Meine Damen und Herren! Investitionen in die Netze sind unausweichlich, mit oder ohne Beteiligung der Stadt. Es darf und muss bezweifelt werden, dass die Investitionen der Energieunternehmen in
ihre Netze deutlich geringer oder deutlich höher ausfallen, würde die Stadt nicht mit 25,1 Prozent einsteigen. Gerade um die Energieeffizienz und damit auch die Gewinnmargen langfristig zu sichern, liegt es doch im direkten Interesse der Netzbetreiber, zukunftsfähige Strukturen vorzuhalten. Das wissen die Hamburger Energieversorger und sie haben sich in den vergangenen Jahren entsprechend verhalten und werden es weiter tun, mit oder ohne die Stadt im Boot. Hier versucht der Senat, ohnehin geplante Investitionen als Verhandlungserfolg zu verkaufen und so das immense Risiko, das Herr Scholz der Stadt für viele Jahrzehnte auferlegen will, zu rechtfertigen. Nein, Herr Scholz, so einfach machen wir es Ihnen nicht.
Leider war der Senat nicht in der Lage, im Vorfeld dieser Debatte eine vollständige Übersicht der bereits geplanten und der neuverhandelten Investitionen zur Verfügung zu stellen. Wir werden den Senat aber nicht aus der Verantwortung lassen und auf die Vorlage dieser Investitionsübersicht drängen, denn nur auf dieser Grundlage können sich die Bürger der Stadt ein Bild davon machen, welchen Gegenwert sie für das hohe Risiko der Netzbeteiligung bekommen.
Ich fasse zusammen. Der Deal, den Sie uns heute als Energiewende verkaufen wollen, ist ordnungspolitischer Murks. Das weiß der Bürgermeister auch, er hat schließlich gute Berater. Deshalb musste der Deal dem Steuerzahler durch ein angeblich tolles Verhandlungsergebnis schmackhaft gemacht werden. Nun sieht es aber so aus, als wenn sich der Senat bei den Verhandlungen über den Tisch hat ziehen lassen.