E.ON und Vattenfall klatschen in die Hände. Scholz hat für sie die Bedrohung einer 100-Prozent-Beteiligung, wie sie die Initiative "UNSER HAMBURG – UNSER NETZ" will, weitgehend abgemildert. Außerdem haben die beiden Energieversorger nun die Stadt als Partner mit im Boot, wenn es um die reibungslose Genehmigung der Infrastrukturprojekte geht. Wirklichen Einfluss auf die Geschäftspolitik mussten sie dafür auch nicht abgeben. Fazit: Aus Sicht von E.ON Hanse und Vattenfall ist es ein guter Deal, aus Sicht der Freien und Hansestadt ist es ein denkbar schlechter Deal. – Vielen Dank.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Dressel, ich möchte nicht wissen, was für Märchen Ihnen als Kind vorgelesen worden sind.
Hier eine ganze Erzählform so zu diskreditieren, finde ich wirklich nicht in Ordnung. Was Sie hier geleistet haben, war eher Demagogie, da ist mir so manches Märchen wirklich lieber.
Fangen wir einmal mit Gut und Böse an. Wer war es denn, der die ganze Zeit in der Stadt verbreitet hat, 25,1-Prozent-Übernahme der Netze heiße Senkung der Energiepreise, 100-Prozent-Übernahme bedeute Steigerung. Wenn das nicht Gut und Böse ist und Demagogie, dann weiß ich nicht mehr, wovon ich rede.
Zweitens haben Sie davon gesprochen, dass DIE LINKE und GAL die Energiekonzerne immer verdammen und dass die gar nicht so böse seien. Ich möchte Sie daran erinnern, was der Bundesvorstand der SPD beschlossen hat; Herr Scholz ist immerhin stellvertretender Bundesvorsitzender. Da ist in einem Papier zu lesen, die Energiewende könne nur von unten her funktionieren, und die Monopole der vier großen Energieversorgungsunternehmen müssten gebrochen werden.
Es wird noch viel heftiger. Die SPD sagt, die Monopole hätten nur zu überhöhten Preisen, zu Wettbewerbsverhinderung und zu einer Blockade der Energiewende geführt. Da stimmen wir voll zu, Sie haben das offenkundig vergessen. Weiter steht in dem Beschluss, eine neue dezentrale Energieversorgung bringe Wertschöpfung und Arbeitsplätze in Städte und Regionen. Das sollten Sie sich noch einmal durchlesen und noch einmal mit Ihrem Bundesvorstand reden, dann kommen wir vielleicht tatsächlich zu einem Konsens, was die Einschätzung der Energieversorgungsunternehmen anbetrifft.
Jetzt zu Ihrer Aussage, dass Sie so hart und toll verhandelt haben, dass Sie so ein tolles Mitspracherecht bei Vattenfall haben. Ich will Ihnen einmal die Schlussbestimmungen der Anlage 1 vorlesen, Überschrift: Zusammenarbeit.
"Die Vertragspartner werden diese Vereinbarung loyal erfüllen und sind sich darüber einig, dass alle Meinungsverschiedenheiten und Einigungsnotwendigkeiten, die sich aus oder im Zusammenhang mit dieser Vereinbarung ergeben sollten, in freundschaftlichem und gegenseitigem Einverständnis zu
regeln sind. Falls sich im Laufe der Zeit verschiedene Projekte grundsätzlich oder teilweise nicht realisieren lassen, hat jeder Vertragspartner das Recht, hierzu Gespräche zu verlangen."
Herr Bürgermeister, Sie haben selbst gesagt, das vorgelegte Energiekonzept gehe weit über die Netze für Strom, Gas und Fernwärme hinaus. Das ist richtig, das sehen wir auch so. Bei diesem Vertragswerk mit den Energiekonzernen Vattenfall und E.ON geht es um weit mehr. Und wenn man es sich genau ansieht, dann geht es um die Ausdehnung der Geschäftsfelder der Energiekonzerne in Hamburg. So soll laut Kooperationsvereinbarung Vattenfall alle stadteigenen und städtischen Gebäude, die sich in wirtschaftlicher Nähe des Fernwärmenetzes befinden, an die Fernwärme anschließen können. Das ist bei der Stromversorgung schon geglückt. Mit einer trickreichen Ausschreibung ist es geschehen, das HAMBURG ENERGIE im Grunde durch einen Ausschlusspassus daran gehindert wurde, die öffentlichen Gebäude mit Strom zu versorgen. Dieser Passus war in einem europaweiten Ausschreiben formuliert und besagte, dass nur Unternehmen, die für drei Jahre eine erfolgreiche Bilanz vorlegen können, berücksichtigt werden. Alle wussten, dass HAMBURG ENERGIE zum Zeitpunkt der Ausschreibung erst zwei Jahre bestand. Trotzdem wurde HAMBURG ENERGIE ins Feld geschickt, das war ganz klar nur pro forma. Das war auch schon eine Ausdehnung des Geschäftsfeldes für Vattenfall, und das finden wir voll daneben.
Es geht weiter. Im Zuge der Umweltpartnerschaften, die im Vertragswerk Energiepartnerschaften genannt werden, können die Energiekonzerne mit Rückendeckung der Hansestadt Hamburg rechnen, weiter Kundenpflege betreiben und den Ausbau ihres Kundenstammes voranbringen – auch wieder zulasten von anderen, wie zum Beispiel von Greenpeace Energy, von LichtBlick oder von HAMBURG ENERGIE. E.ON Hanse wird ausdrücklich mit dem Ausbau dezentraler Kraft-Wärme-Kopplung beauftragt. Und um den Ausbau der Elektromobilität in Hamburg voranzubringen, will die Stadt – so im Vertragswerk zu sehen – mit einer gemeinsamen Bewerbung für das "Schaufenster E-Mobilität" von Vattenfall geeignete Rahmenbedingungen schaffen. Und E.ON wird sich beim Ausbau der dezentralen Wärmeversorgung von rund 62 000 Haushalten auf rund 74 000 in 2025 von der Freien und Hansestadt Hamburg in – wie es heißt – ge
eigneter Weise unterstützen lassen. Das bezeichnet Bürgermeister Scholz als harte Verhandlungen. Wir haben den Eindruck, Herr Bürgermeister, Sie liefern die Stadt an die Energiekonzerne aus.
Insbesondere ohne Vattenfall wird in Zukunft kaum noch etwas geschehen. Unsere Frage ist natürlich: Wo bleibt HAMBURG ENERGIE? Welche Aufgaben soll dieses Unternehmen in Zukunft übernehmen, wird es vom Hamburger Senat überflüssig gemacht, wird auf diese Art und Weise ein weiterer Konkurrent von Vattenfall ausgeschaltet? Bezeichnenderweise haben Sie in Ihrer Regierungserklärung den Begriff HAMBURG ENERGIE nur einmal in einem Nebensatz erwähnt. Es geht in diesem Vertragswerk eindeutig auch um den Weiterbestand von HAMBURG ENERGIE. Vattenfall hält sich jede Hintertür offen, und die Stadt, vertreten durch den SPD-Senat, serviert den Energiekonzernen alles auf dem silbernen Tablett. So hat der Senat die Feststellungsklage im Zusammenhang mit der Endschaftsregelung, die wichtig wäre, den tatsächlichen Wert der Netze festzustellen, zurückgezogen. Der Grund war laut Staatsrat Lange im Ausschuss, dass das eine Bedingung war, die Vattenfall in die Verhandlungen eingebracht hat. Wäre diese Feststellungsklage nicht von der Freien und Hansestadt Hamburg zurückgezogen worden, wäre es überhaupt nicht zu Verhandlungen gekommen – das sind harte Verhandlungen.
Wie wäre es denn, wenn die Stadt auch einmal Bedingungen stellen würde, zum Beispiel die, dass E.ON seine Klagen gegen den Atomausstieg zurückzieht
und auch Vattenfall seine Drohung, im fernen New York den Klageweg zu beschreiten, nicht wahrmacht. Das wäre doch mal eine Bedingung gewesen, dass das vom Tisch kommt.
„Die Hamburgische Bürgerschaft unterstützt das Anliegen einer vorrangig dem Gemeinwohl verpflichteten Energieversorgung. Der Betrieb der Verteilnetze für Strom, Gas und Fernwärme muss daher Teil der Daseinsvorsorge sein und darf sich nicht ausschließlich an Gewinnmaximierungsinteressen und steigenden Börsenkursen orientieren."
So die SPD in der letzten Legislaturperiode. Jetzt konnten wir vor Kurzem in der Zeitung lesen, dass E.ON seine Klage ganz anders begründet. E.ON sagt nämlich:
Das ist ein starker Widerspruch zu Ihrem politischen Anspruch. Ich finde, die Bundespartei hat recht: Man muss die Energiekonzerne zerschlagen.
Die SPD-Abgeordnete Frau Dr. Schaal erklärte in der Bürgerschaftsdebatte am 22. Juni 2011 – ich zitiere –:
"Für mich kommt kein Partner für eine Hamburger Netzgesellschaft infrage, der eine durch einen breiten gesellschaftlichen Konsens getragene Energiewende nicht akzeptiert und den Atomausstieg samt Abschaltung der Altmeiler wie Brunsbüttel und dem Pannenreaktor Krümmel vor deutschen Gerichten oder etwa vor dem internationalen Schiedsgericht der Weltbank aushebelt und zu Fall bringt."
Laut Protokoll gab es dafür nicht nur Beifall bei der LINKEN und der GAL, sondern auch bei der SPD. Mich würde interessieren, Frau Dr. Schaal, was Sie von dem Vorgehen des Bürgermeisters halten, jetzt genau mit den Energiekonzernen, die gegen die Energiewende klagen, Verträge zu machen. Was die SPD vorlegt, ist genau das Gegenteil von glaubwürdiger Politik und auch von gutem Regieren.
"Ausgehend von den Beschlüssen des Bundes und dem dahinter stehenden gesamtgesellschaftlichen Willen zur Beendigung der Nutzung der Kernenergie stellt die dadurch beschleunigte Energiewende die zentrale Herausforderung […] dar."
Sie haben in Ihrer Rede gesagt, Herr Bürgermeister, dass der Grundsatzstreit mit der Atomkraft vorbei sei, die vier Atomkraftwerke in unserer Region vom Netz seien und auch nie wieder ans Netz gehen würden. Da sind Sie leider nicht richtig informiert. Fakt ist, dass die acht Atommeiler, die stillgelegt werden sollen, immer noch auf Reserve gehalten werden. Sie sind lediglich abgeschaltet; sie können jederzeit wieder angeschaltet werden. Laut Atomgesetz, Paragraf 7, müssen die Betreiber bei den zuständigen Landesregierungen einen Antrag auf Stilllegung stellen, der sehr detailliert sein muss. Unsere Bundestagsfraktion von der LINKEN hat nachgefragt, und es liegt bislang kein einziger Antrag auf Stilllegung vor, auch nicht von Vattenfall – weder für Krümmel noch für Brunsbüttel. Das ist ein politischer Skandal.
Das ist eine Unterlaufung des politischen Willens des Bundestags und das Gegenteil von dem, was die Menschen in diesem Land und in dieser Stadt mehrheitlich wollen. Und mit solchen Unternehmen schließen Sie Verträge, Herr Bürgermeister. Einfluss auf die Energiewende werden Sie mit diesen Verträgen nicht nehmen können. Die Energiekonzerne blockieren die Energiewende, wo immer sie können, und sei es durch Nichttätigkeit. Unabhängig davon fordern wir Sie auf, von Vattenfall unverzüglich Schritte einzufordern, die die Energiewende im Sinne von Ausstieg aus der Atomenergie garantieren und nicht weiter die Energiewende gefährden.
In der Diskussion um die Vereinbarungen mit E.ON und Vattenfall versicherte der Senat im Haushaltsausschuss, dass es, wenn der Volksentscheid erfolgreich ausgehe, für die Stadt außer Anwaltsund Notarkosten keine weiteren Kosten gebe; es sei quasi kostenneutral. Trotzdem gibt es von unserer Seite berechtigte Zweifel an dieser Aussage, weil bisher nur zwei von neun Verträgen öffentlich sind. Auf die Frage, ob es Nebenabsprachen mit E.ON Hanse gebe in der Form, dass die Freie und Hansestadt Hamburg auf ihr Sonderkündigungsrecht des Gas-Konzessionsvertrags bis Ende 2014 verzichtet, wurde wie folgt vom Senat geantwortet – ich zitiere –:
"Wir haben aktuell ein Sonderkündigungsrecht vereinbart, was mit Wirkung per 31.12.2014 ausgeübt werden kann."
Wenn im September 2013 eine Volksabstimmung stattfinden würde und wir dieses Kündigungsrecht ausüben würden, dann hätte ein hamburgisches Gasunternehmen praktisch keine Chance, sich noch auf eine Ausschreibung vorzubereiten. Deshalb ist es sinnvoll, ein Sonderkündigungsrecht für 2016 zu vereinbaren, um diesen Unternehmen für den Fall, dass die Volksinitiative erfolgreich ist, auch eine reelle Chance zur Teilhabe an einer Ausschreibung des Gasnetzes zu ermöglichen. Und das ist beabsichtigt, dass dieses Sonderkündigungsrecht zwischengeschoben wird.
Ich habe nachgefragt, ob das beabsichtigt ist oder ob dann ein Sonderkündigungsrecht vereinbart ist. Der Senatsvertreter hat geantwortet:
Weicher und ungenauer geht es nicht. Dieser Dialog im Haushaltsausschuss macht deutlich, dass die Verträge und die Vereinbarungen offengelegt werden müssen.