Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

das die wichtigen Fragen in unserer Stadt völlig aus dem Blick verliert. Was für ein Trauerspiel für einen Senat, der eigentlich die Umwelthauptstadt Europas sein will.

(Beifall bei der GAL und bei Robert Heine- mann CDU und Anna-Elisabeth von Treuen- fels FDP)

Und selbst im Bereich Wohnungsbau – ein großes soziales Problem, das wir überhaupt nicht bestreiten –, machen Sie einen künstlichen Widerspruch zwischen der sozialen und der ökonomischen und ökologischen Frage auf. Natürlich brauchen wir mehr Wohnungen; das ist ein wichtiges soziales Problem. Aber für viele Mieterinnen und Mieter in dieser Stadt ist die zweite Miete – die immer stärker steigenden Nebenkosten und Energiepreise – ebenfalls ein soziales Problem. Und was ist die Antwort dieses Senats darauf? Das können wir uns nicht leisten, darum kümmern wir uns nicht, wir gehen nicht mehr voran, wir machen nur noch das, was der Bund uns vorschreibt.

(Vizepräsidentin Kersten Artus)

(Dirk Kienscherf SPD: Alle haben sich über Ihre Forderungen beschwert!)

Das ist nicht nur ein Trauerspiel für die Umwelthauptstadt Europas, sondern eine verfehlte Sozialpolitik; das muss man hier noch einmal betonen.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Deshalb muss man eines feststellen: Dies ist der erste Senat seit 30 Jahren, seit Gründung der Umweltbehörde in dieser Stadt, der gesagt hat, jetzt wollen wir es mit dem Umweltschutz einmal nicht übertreiben, weniger ist mehr, jetzt gehen wir einmal ordentlich drei Schritte zurück. Und das in dem Jahr, in dem Hamburg Umwelthauptstadt Europas ist; das ist ein Trauerspiel.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Der Bürgermeister sieht das anders. Am Montag, auf der Abschlussveranstaltung der Umwelthauptstadt Europas, hat er gesagt, er sei ein großer Fan des Umweltschutzes und er sei ein großer Anhänger des ingenieurbetriebenen Umweltschutzes. Auch an dieser Aussage sieht man, dass dieser Senat vor 30 Jahren stehengeblieben ist. Denn als vor 30 Jahren die Umweltbehörde gegründet wurde, da war das ein moderner Ansatz. Da hat man gesagt, wir haben zwar Kraftwerke, aber die können wir reparieren und End-of-the-Pipe-Technologien einsetzen, also in ein Kraftwerk kommt eine Entschwefelungsanlage oder in Autos Katalysatoren. Aber die umweltfeindlichen Probleme und Strukturen bleiben bestehen.

Da sind wir in 30 Jahren viel weiter gekommen. Heutzutage reichen End-of-the-Pipe-Technologien einfach nicht mehr aus. Wir brauchen integrierte Konzepte, wir brauchen Konzepte, die Verkehr und Stadtentwicklung zusammendenken, die die postfossile Stadt erreichen wollen durch ein Zusammendenken von Stadtentwicklung, Verkehr, aber auch Umweltschutz. Und die Politik muss Umweltschutz als Gestaltungsaufgabe begreifen. Wir brauchen nicht ingenieurbetriebenen Umweltschutz, sondern Senats-betriebenen Umweltschutz, und davon war in diesem Jahr bei diesem Senat leider überhaupt nichts zu sehen.

(Beifall bei der GAL und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Das Einzige, was im Jahr der Umwelthauptstadt Europas sichtbar geworden ist und wo die Stadt ihren Anspruch auch wirklich eingelöst hat, ist der "Zug der Ideen". Der "Zug der Ideen" ist durch Europa gefahren, und in allen europäischen Großund Hauptstädten wurde wahrgenommen, da ist eine Millionenmetropole, die vorangeht und im Umweltbereich viel erreicht hat und an deren Konzepten sich andere Städte messen können, weil sie das als Best-Practrice-Beispiele vorgeführt bekom

men haben. Sie haben das als reines Marketing gegeißelt, das viel zu teuer ist, und wenn es nach Ihnen gegangen wäre, hätten Sie diesen Zug gestoppt. Das konnten Sie nur nicht, denn als Sie an die Regierung gekommen sind, war der Zug zum Glück schon längst abgefahren

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU])

und in Europa sind wir wahrgenommen worden als Umwelthauptstadt Europas.

Es ist nur traurig, dass in Hamburg von der Umwelthauptstadt nichts zu sehen war. Aber selbst Sie haben jetzt, als der "Zug der Ideen" zurückkam, anerkennen müssen, dass das ein großer Erfolg für Hamburg war. Darum ist dieser Zug auch noch wochenlang am Jungfernstieg stationiert worden, meine Damen und Herren von der SPD. Insofern war das doch nicht teures Marketing, sondern eine Maßnahme, die Hamburg im Bereich der Umweltbildung nach vorne gebracht hat und dort Standards gesetzt hat, und das war genauso, wie man das eigentlich machen muss.

Ich will das einmal mit der einzigen zusätzlichen Maßnahme, die Sie im Zusammenhang mit der Umwelthaupt eingeleitet haben, vergleichen. Denn ich will fair sein, es gibt eine Maßnahme, die von Ihnen zusätzlich gekommen ist, das ist Ihre Aktion "Mein Baum – meine Stadt". Da ist es Ihnen in der Tat gelungen, eine beeindruckende Spendenbereitschaft der Hamburger Bürgerinnen und Bürger für die Bäume unserer Stadt zu erreichen. Das ist eine gute Botschaft, denn die große Bereitschaft der Hamburgerinnen und Hamburger zeigt, dass sie sich im Umweltbereich engagieren wollen. Da ist zusätzliches Geld von den Bürgerinnen und Bürgern gekommen, von Ihnen gab es im Umweltbereich dafür kein zusätzliches Geld.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Richtig!)

Sie haben die 1 Million Euro genommen, um die Schwarz-Grün in dem Bereich die Mittel erhöht hatte, und dann im Umweltbereich an anderer Stelle, beim Klimaschutzprogramm, gekürzt und daraus die Gegenleistung der Stadt finanziert. Das einzige zusätzliche Geld, das gekommen ist, kam von den Bürgerinnen und Bürgern – ein bewundernswertes bürgerschaftliches Engagement. Und was haben Sie daraus gemacht? Eine große PRAktion auf dem Rathausmarkt.

(Dietrich Wersich CDU: Für den Staat!)

Da standen dann alle Senatorinnen und Senatoren und der Bürgermeister stolz wie Bolle mit einem Baum in der Hand.

(Dietrich Wersich CDU: Wir sind das Volk!)

Aber das einzig Neue, was diese Aktion beinhaltete, war dort nicht vertreten, denn da war keiner der

Bürger und Spender, die das überhaupt erst ermöglicht hatten.

Das zeigt sehr deutlich, wie Sie zum Umweltschutz stehen. Für Sie ist Umweltschutz gut als Vehikel zur Selbstdarstellung. Eigene Substanz haben Sie in dem Bereich nicht zu bieten. Es ist wirklich ein trauriges Bild, das Sie dort auf dem Rathausmarkt abgegeben haben.

(Beifall bei der GAL, der CDU und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Wenn Sie ehrlich wären, dann würden Sie diese Aktion umbenennen, Sie würden sie nicht mehr "Mein Baum – meine Stadt" nennen, sondern "Euer Geld – unsere Reklame".

(Heiterkeit und Beifall bei der GAL, der CDU und der FDP)

Aber das ist wirklich traurig, denn bei der Umwelt geht es um das Gemeinwohl, um Lebensqualität und um die Zukunftsfähigkeit unserer Stadt, und Sie als Senat haben die Bedeutung dieser Frage in keinster Weise begriffen.

Aber zum Glück haben das viele Hamburgerinnen und Hamburger begriffen, diejenigen, die für die Bäume gespendet haben, diejenigen, die sich bei der Initiative "UNSER HAMBURG – UNSER NETZ" engagiert haben und all die vielen Ehrenamtlichen, die das ganze Jahr über im Umweltschutz gearbeitet haben. Das ist die positive Bilanz der Umwelthauptstadt. Die Bürgerinnen und Bürger engagieren sich und der Senat zieht sich zurück. Aber Sie werden feststellen, dass Sie auf Dauer gegen das Engagement der Menschen in dieser Stadt nicht regieren und keine Politik machen können. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der GAL und vereinzelt bei der CDU)

Frau Dr. Schaal, Sie haben das Wort.

(Christiane Blömeke GAL: Guck' mal hier: Umwelt – die gesamte SPD ist nicht da!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kerstan, man merkt Ihrer Rede an, dass Sie offensichtlich immer noch damit hadern, dass Sie die Umwelthauptstadt nicht zu Ende führen konnten.

(Beifall bei der SPD – Zuruf von Jens Ker- stan GAL)

Genau, Sie geben es wenigstens zu, das ehrt Sie.

Seit mehreren Wochen verbreiten Sie in der Stadt die Nachrichten, die Umweltzone sei nicht gekommen, die City-Maut sei nicht gekommen und die

SPD habe die Straßenbahnen gekillt. Das ist für Sie der Beleg dafür, dass die Stadt den Preis zurückgeben soll. Das werden wir nicht tun. Hamburg wurde als europäische Umwelthauptstadt 2011 ausgezeichnet und hat diesen Preis am Ende des Jahres auch verdient, Herr Kerstan. Denn es wurde nicht nur das ausgezeichnet, was Sie sich in dem Konzept, das in einer Nacht- und Nebelaktion hier im Parlament verabschiedet wurde, ausgedacht hatten, sondern es wurde ausgezeichnet, was in der Stadt zum Thema Umwelt in den vergangenen Jahrzehnten geleistet wurde und was Sie an Ideen entwickelt haben; das ist richtig.

(Dietrich Wersich CDU: Ja, was denn nun?)

Ja, was denn nun? Natürlich ist es eine Gesamtleistung, das wissen Sie doch auch am besten.

Und wenn Sie von der schlechtesten Umweltpolitik seit 30 Jahren sprechen, so hat vor 30 Jahren die SPD eine Umweltbehörde gegründet, die dann von der CDU sozusagen geschreddert wurde. Sie haben auch nichts dafür getan, dass es wieder eine eigenständige Umweltbehörde gibt, Herr Kerstan. Also da muss man doch einmal die Geschichte als Ganzes sehen.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der CDU – Jens Kerstan GAL: Sie tun das gerade!)

Den Preis Umwelthauptstadt allein auf drei Maßnahmen zu reduzieren, die zum Teil noch nicht einmal Gegenstand der Auslobung waren, beschädigt die Auszeichnung, Herr Kerstan; davon sollten Sie Abstand nehmen.

(Beifall bei der SPD – Glocke)

Frau Dr. Schaal, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heinemann?

– Nein, danke.

Meine Damen und Herren! Es ist richtig, dass Hamburg, wie viele andere Städte auch, Probleme mit den EU-Grenzwerten für Stickoxide hat; ich sage das gleich vorweg. Aber bereits im Jahr 2002 war in den Haushaltsplänen verzeichnet, dass es Grenzwertüberschreitungen gibt. Es wurde ein Titel eingerichtet und kein Geld dafür vorgesehen. Die CDU hat das Problem jahrelang ausgesessen. Ich kann mich auch nicht daran erinnern, Herr Kerstan, dass Sie sich während der Zeit Ihrer Regierungsverantwortung vehement für die Umweltzone oder für die City-Maut eingesetzt hätten, geschweige denn, dass Sie das Thema Umweltzone und City-Maut zum zentralen Thema der Umwelthauptstadt gemacht hätten. Es hieß immer wieder, man begegne dem Thema Umweltzone gutachterlich, und dabei blieb es auch, trotz zahlreicher Nachfragen.

(Jens Kerstan)

Die Umweltzone, das haben wir dann nach der Wahl aus dem Gutachten erfahren, würde die Stickoxidbelastung gerade einmal um 3 Prozent mindern. Das hatte das Gutachten ergeben, das Sie offensichtlich unter Verschluss gehalten haben. Das ist kein Wunder, denn wir wissen, dass 40 Prozent der Stickoxide aus dem Hafen kommen. Was hätte uns also die Umweltzone genützt?