Protokoll der Sitzung vom 15.12.2011

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir haben etwas länger gebraucht, aber das ist manchmal auch wichtig. Wir haben uns einvernehmlich darauf verständigt zu sagen, dass auf unseren Vorschlag hin alle drei Anträge an den Wirtschaftsausschuss überwiesen werden.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Uns geht es – das möchte ich ganz klar festhalten und das habe ich eben im Ältestenrat auch gesagt – um Wohnraum für Auszubildende. Wenn hier eine Diskussion beginnt, bei der man versucht, mit irgendwelchen halbseidenen Vorwürfen so eine Idee kaputtzumachen, ist damit den Auszubildenden nicht gedient. Deshalb sind wir für volle Transparenz, gewährleisten sie auch und wollen im Wirtschaftsausschuss die Fakten auf den Tisch legen.

(Beifall bei der SPD, der FDP, der LINKEN und bei Antje Möller GAL)

Ich habe auch zugesichert, dass Ihre Anträge mit überwiesen werden, damit man noch Hinweise mit aufnehmen kann. Das ist kein Problem, deswegen überweisen wir sie mit. Aber, das war auch die Ansage der anderen Fraktionen, es kann dann keine derartige Diskussion mehr geben, die eine gute Idee aus der Mitte unserer Stadt in Misskredit bringt mit falschen Vorwürfen. Wir sollten uns stattdessen gemeinsam auf den Weg machen für ein Auszubildendenwerk für Hamburg. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann können wir zur Abstimmung kommen.

Wer einer Überweisung der Drucksachen 20/2394, 20/2577 und 20/2618 an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien zustimmt, den bitte ich um das Handzeichen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist einstimmig angenommen.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU und bei Kersten Artus DIE LINKE)

Dann sind wir Ihnen noch die Ergebnisse der Wahlen zu TOP 4 a schuldig. Der Kandidat war Tim Golke.

Es gab 75 Ja-Stimmen, 25 Nein-Stimmen und sieben Enthaltungen.

Herzlichen Glückwunsch zur Wahl, Herr Golke.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir kommen nun zum Tagesordnungspunkt 72, Drucksache 20/2395, Antrag der SPD-Fraktion aus: Den Bund bei der Städte- und Wohnungsbauförderung in die Verantwortung nehmen.

[Antrag der SPD-Fraktion: Den Bund bei der Städte- und Wohnungsbauförderung in die Verantwortung nehmen – Drs 20/2395 (Neufassung) –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Grote, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Große gesellschaftliche Aufgaben bedeuten immer auch große Herausforderungen für unsere Städte und damit auch für Hamburg.

(Vizepräsident Dr. Wieland Schinnenburg übernimmt den Vorsitz.)

Gerade die großen Metropolen müssen sich in ihrer städtebaulichen Struktur, ihrem baulichen Bestand und gerade im Wohnungsbestand immer wieder anpassen und sich für die Zukunft richtig aufstellen. Daher geht es uns heute in unserem Antrag insbesondere um drei große wichtige Aufgabenfelder.

Das erste ist die Unterstützung für strukturell und sozial benachteiligte Quartiere für den sozialen Zusammenhalt in der Stadt. Die zweite Aufgabe ist die Bewältigung des demografischen Wandels mit all seinen Anforderungen an den Wohnungsbestand, insbesondere den altersgerechten und barrierefreien Umbau von Wohnungen. Und die dritte Aufgabe ist das große Thema Klimaschutz und die Frage, wie wir den Energieverbrauch und den C02-Ausstoß der Wohnungen verringern und wie wir es vor allem schaffen, die erforderlichen Sanierungen sozialverträglich zu erreichen.

Das sind drei große Aufgaben, die gewaltige Anstrengungen und außerordentlich hohe Investitionen über viele Jahre erfordern. Wir werden das nicht schaffen ohne leistungsfähige und funktionierende öffentliche Förderinstrumente in den Bereichen Städtebau, Wohnungsbau und Sanierungsförderung. Weil diese Herausforderungen solche sind, die uns als Gesellschaft insgesamt und bundesweit betreffen, ist es auch richtig, dass Bund, Länder und Gemeinden das von jeher als gemeinsame Verantwortung begreifen und die Kosten für diese Förderprogramme auch gemeinsam tragen. Gerade in der Städtebauförderung ist die gemeinsame Finanzierung ein Erfolgsmodell seit über 40 Jahren. Hamburg war immer in der Vorreiterrolle, deswegen ist das bisher auch von niemandem infrage gestellt worden – bis jetzt.

(Vizepräsidentin Barbara Duden)

Denn was macht jetzt die Bundesregierung? Ausgerechnet in Zeiten, in denen wir in allen genannten Feldern wachsende Aufgaben und Bedarfe haben, erleben wir massive Streichungen im Bundeshaushalt. Gegenüber 2009 sind es inzwischen jährlich über 1 Milliarde Euro. Das ist eine absurde und katastrophal falsche Weichenstellung der Bundesregierung.

(Beifall bei der SPD)

Die Auswirkungen dieser Kürzungen werden Hamburg spürbar treffen. Bei der Städtebauförderung sind die Mittel gegenüber 2009 von 569 auf 455 Millionen Euro, also um 114 Millionen Euro beziehungsweise 20 Prozent gesunken. Das für Hamburg ganz besonders wichtige und stark in Anspruch genommene Bundesprogramm "Soziale Stadt" wurde von 95 auf 40 Millionen Euro mehr als halbiert. Das sind Mittel, mit denen wir in Hamburg unter dem Dach der integrierten Stadtteilentwicklung zahllose soziale Projekte beziehungsweise Projekte in benachteiligten, besonders belasteten Stadtteilen unterstützen. Es geht dabei um Häuser für Familien und um Bürgerhäuser wie aktuell das Stadtteilhaus in Horn. Es geht um Stadtteilbildungseinrichtungen wie das Bildungs- und Gemeinschaftszentrum in Harburg, es geht um Wohnumfeldverbesserung, aber auch um die Sanierung des Wohnungsbestands und vieles andere mehr. Es geht letzten Endes darum, dass wir keine abgehängten Quartiere und keine Verlierermilieus akzeptieren, sondern dass wir gleiche Zukunftschancen in allen unseren Stadtteilen wollen. Dafür kämpfen wir, und deswegen sind diese massiven Kürzungen in diesem Bereich politisch dumm und kurzsichtig.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Es ist übrigens auch wirtschaftlich außerordentlich unsinnig, dort zu kürzen, weil jeder Euro in der Städtebauförderung 8 Euro an weiteren Investitionen nach sich zieht. Wenn Hamburg hier also 2 Millionen Euro verliert an Bundesförderung, verliert es tatsächlich 18 Millionen Euro an Investitionsvolumen.

Weil dies so offenkundig falsch ist, hat sich ein breites Bündnis in Deutschland formiert und sich im "Bündnis für eine Soziale Stadt" zusammengeschlossen. Darunter sind im Übrigen auch viele CDU-Bürgermeister. Von einem der größten Kämpfer in diesem Bündnis stammt das Zitat:

"Die Städtebauförderung sukzessive zurückzufahren, hat weder etwas mit ökonomischer Vernunft noch mit sozialer Nachhaltigkeit zu tun. Ohne eine starke Städtebauförderung drohen intakte Stadtteilzentren zu Geisterstädten und lebenswerte Gebäude zu Ruinen zu werden."

Hat jemand einen Tipp, wer das war? Ich habe den Namen hier schon gehört, es war Axel Gedaschko, ehemaliger CDU-Stadtentwicklungssenator, heute Präsident eines großen Wohnungswirtschaftsverbandes. Er war ohnehin einer der besseren Ihrer Senatoren, und er hat an dieser Stelle recht gehabt.

(Beifall bei der SPD)

Auch der Hamburger Senat hat sich in der Vergangenheit massiv gegen diese Kürzungen eingesetzt, übrigens auch schon der alte Senat. Der Widerstand hat erste Erfolge gezeigt, denn die Kürzungen in 2012 sind nicht ganz so katastrophal ausgefallen wie befürchtet. Aber es reicht nicht, wir müssen das Niveau erreichen, das wir 2009 hatten. Wir wollen deshalb, dass Hamburg dem Bündnis für eine soziale Stadt beitritt, wir wollen weiter in den sozialen Zusammenhalt in unserer Stadt investieren können, und wir wollen, dass der Bund seine Verantwortung auch wahrnimmt.

(Beifall bei der SPD)

Das zweite Thema ist der altersgerechte Umbau von Wohnungen. In den Jahren 2009 bis 2011 hat der Bund 211 Millionen Euro an Haushaltsmitteln zur Verfügung gestellt. Davon sind allein in Hamburg über 1000 Wohnungen seniorengerecht umgebaut worden. Für 2012 werden diese Mittel vollständig gestrichen, es gibt 0 Euro vom Bund und das, obwohl der Bedarf ständig wächst. Das kann Hamburg nicht kompensieren. Hamburg hat zwar eigene Programme, aber das können wir nicht ausgleichen.

Wir haben eine wachsende Zahl von älteren Menschen. Sie wollen so lange wie möglich ein eigenständiges Leben im eigenen Wohnraum führen. Wir wollen, dass sie das können, und deswegen brauchen wir jeden Cent Bundesförderung in diesem Bereich. Die Sparentscheidung der Bundesregierung ist eine Ohrfeige für die älteren Menschen in unserer Gesellschaft.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Das dritte Thema ist der Klimaschutz und die Sanierungsförderung. Wir alle wissen, welche gewaltigen Anstrengungen wir alle gemeinsam an den Tag legen müssen zur Senkung des Energieverbrauchs und um den Wohnungsbestand unter sozial verträglichen Bedingungen energetisch zu sanieren.

Wir haben gestern die Loblieder gehört auf die Bundesregierung und die Energiewende und was dort alles erreicht wurde. Dies werde jetzt mit Schwung von Schwarz-Gelb betrieben. Ich denke, allen ist klar, dass ohne die C02-Gebäudesanierung die Ziele beim Klimaschutz überhaupt nicht erreichbar sind. 2009 hatte Rot-Grün 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Was macht

Schwarz-Gelb als Konsequenz der großen Energiewende der Bundesregierung? Man senkt die Fördermittel um 700 Millionen Euro auf nur noch 1,5 Milliarden Euro. Das reicht vorn und hinten nicht, so lässt sich keine Energiewende gestalten, das ist kontraproduktiv und funktioniert nicht.

(Beifall bei der SPD – Birgit Stöver CDU: Was tut der Senat?)

In allen drei Themenbereichen gibt es falsche Weichenstellungen, die wir in Hamburg stark spüren. Deswegen haben wir das zum Gegenstand dieses Antrags gemacht. Unser Ziel ist es, in der Hamburgischen Bürgerschaft parteiübergreifend ein starkes Signal gegen diese Kürzungen in Richtung Bund zu senden. Wir wollen dem "Bündnis für eine Soziale Stadt" und den anderen Zusammenschlüssen, die sich in diesem Bereich gebildet haben, beitreten, denn die Kürzungen sind schlecht für Hamburg. Das ist keine Frage von parteilicher Zuordnung, es ist eine Frage von Vernunft und Verantwortung. Wir hoffen, dass wir die heute auch mit großer Mehrheit aufbringen können. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD und bei Heike Sudmann DIE LINKE)

Vielen Dank, Herr Grote. – Das Wort hat Herr Roock.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Grote, Sie starten mit Ihrem Antrag ein durchsichtiges Manöver und einen untauglichen Versuch, von Ihrem eigenen Versagen abzulenken.

(Beifall bei der CDU)

Mit eigenem Versagen meine ich die Haltung des Senats zu dem von der Bundesregierung im Bundesrat eingebrachten Gesetz zur energetischen Gebäudesanierung.

(Andy Grote SPD: Das hab' ich mir ge- dacht!)

Sie beklagen einerseits eine nicht ausreichende Förderung und einen Rückgang der Sanierungsquote. Andererseits verhindern Sie die Gesetzesvorlage zur Gebäudesanierung.

(Beifall bei der CDU)

Das versteht kein Mensch. Und zudem benutzen Sie noch unsere Argumente, die vor Kurzem bei Ihnen noch nicht galten, nämlich dass jeder investierte Euro aus Fördermitteln 8 Euro an öffentlichen, privaten und baulichen Investitionen auslöst. Ich füge hinzu, dass dadurch mittel- und langfristig erhebliche Steuereinnahmen generiert werden. Wirrer kann man eigentlich eine Argumentationslinie nicht aufbauen, Herr Grote.

(Beifall bei der CDU – Andy Grote SPD: Dann müssen Sie das doch unterstützen!)