Protokoll der Sitzung vom 09.02.2012

Ein Beispiel zum Stichwort Haushaltswirklichkeit, wir haben es schon mehrfach angeführt. Sie reden von der 1-Prozent-Regel. In Wahrheit sind es 2011 5 Prozent, weil dies auf höheren Zahlen aus dem Jahr 2010 basiert; auch das betont der Rechnungshof. Das führt zu einer zusätzlichen Verschuldung von bis zu 3 Milliarden Euro. Das ist nicht zeitgemäß, das ist planlos.

Meine Damen und Herren! Lieber Senat, liebe Kollegen von der SPD, hören Sie auf die Opposition,

(Arno Münster SPD: Bitte nicht!)

hören Sie auf den Rechnungshof. Beginnen Sie mit einer Finanzpolitik, die nicht auf Symbolik setzt, sondern solide ist und die die Haushaltswirklichkeit berücksichtigt. Machen Sie ernst mit der Schuldenbremse. Wenn Sie hier nicht ernst machen, wenn Sie diesen Punkt aus der Landeshaushaltsordnung streichen, die Verfassung nicht ändern und an 2020 festhalten, dann ist das ein schwaches Signal und eine ganz riskante Strategie.

(Norbert Hackbusch DIE LINKE: So ein Quatsch!)

Hamburg hat gute Chancen, im vorderen Mittelfeld der Bundesländer dabei zu sein. Diese Chance verspielen Sie, das geht zulasten der Stadt.

(Beifall bei der CDU)

Frau Hajduk, Sie haben das Wort.

(Erck Rickmers SPD: Schicke Jacke!)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bürgermeister Olaf Scholz hat die solide Haushaltspolitik ins Zentrum seiner Regierungspolitik gestellt. Gemessen an dieser Herausforderung sind die Feststellungen im Rechnungshofbericht sehr ernüchternd. Da hilft auch keine laute Stimme, Herr Quast, da hilft nur, dass auch der haushaltspolitische Sprecher der Regierungsfraktion sich mit den Rosinen auseinandersetzt, die für Sie vielleicht etwas schwerer zu picken sind. Das hätte der Rechnungshof mit seiner Arbeit verdient. Sie machen es sich definitiv viel zu einfach.

(Beifall bei der GAL, der CDU, vereinzelt bei der FDP und bei Dora Heyenn DIE LINKE)

Es ist richtig, dass die mittelfristige Konsolidierungsstrategie des Senats gelobt wird. Wir unterstützen diese Strategie. Es ist richtig, dass die Konjunkturbereinigung bei den Einnahmen durch diesen Senat konservativ geschätzt wird, das scheuen wir uns nicht zu sagen. Auch das unterstützen wir. Aber ein Hauptvorwurf in Bezug auf den Haushalt 2011/2012, auch des Rechnungshofs und nicht nur der Oppositionsmehrheit, lautet, dass Sie einmalige Ablösungen von Bundesdarle

(Thilo Kleibauer)

hen und andere Sondereffekte nutzen, um die Ausgabengrenze anzuheben. Und der Rechnungshof sagt ebenso wie wir, das darf dauerhaft nicht geschehen, das belastet den Haushalt und vergrößert das strukturelle Defizit. Das müssen Sie schlicht und einfach einmal verarbeiten und vielleicht auch anerkennen.

(Beifall bei der GAL, der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Ein wichtiger Hinweis ist, gerade auch vor dem Hintergrund der Debatte, die wir gestern geführt haben – ich zitiere aus dem Bericht zum Thema Schonbereiche –:

"Damit sind gerade solche Handlungsfelder zu Schonbereichen erklärt worden, die in der Aufgabenhoheit von Land und Gemeinden liegen, sodass von Bundesgesetzen geprägte Bereiche wie Jugend und Soziales den Konsolidierungsdruck auffangen müssten, obwohl Hamburg hier nur sehr begrenzte Handlungsmöglichkeiten hat."

Dieser Hinweis zeigt, dass man Schonbereiche und Wahlversprechen nicht so weit ausdehnen darf, dass alle anderen Bereiche durch den Konsolidierungsdruck, der sich dann in voller Höhe auf sie konzentriert, an die Wand gedrückt werden.

(Beifall bei der GAL)

Aber das Wichtigste ist der Blick nach vorne. Der Haushalt 2013/2014 wird für den SPD-Senat zum Haushalt der Wahrheit. Er wird zeigen, ob Sie es wirklich ernst meinen mit der Konsolidierung. Ich komme auf den Bericht des Rechnungshofs zurück. Zur neu vorgelegten Finanzplanung stellt der Rechnungshof fest, dass die Ausgabenlinie im Jahr 2014 nach seiner Berechnung um 300 Millionen Euro zu hoch ist. Ich erinnere gerne daran, dass die GAL-Fraktion für den Haushalt 2012 300 Millionen Euro weniger im Haushaltsvolumen beantragt hat – mit Deckung. Sie haben das zurückgewiesen. Ihre Finanzplanung wird dazu führen – das sind nicht meine Zahlen, sondern Angaben des Rechnungshofs –, dass das strukturelle Defizit im Jahr 2014 bei 977 Millionen Euro und damit auf derselben Höhe wie im Jahr 2011 liegen wird. Die SPD wird den Menschen in Hamburg erklären müssen, welche Konsolidierungsleistung sie in den Jahren 2011, 2012, 2013 und 2014 denn erbringen will,

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, warten Sie mal die Haushaltsberatungen ab!)

wenn sie diese Legislaturperiode mit demselben strukturellen Defizit abschließen will, wie sie sie angetreten hat.

Sie haben noch eine ganze Menge Arbeit vor sich, Herr Tschentscher. Wir werden das im Blick behalten und nicht akzeptieren, dass Sie alle schwierigen Aufgaben zur Einhaltung der Schuldenbremse

in die nächste Legislaturperiode verschieben und die absolute Mehrheit der SPD keinen Cent dazu beiträgt. Das kann nicht sein. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL, der CDU und bei Katja Suding FDP)

Nun hat Herr Hackbusch das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich bin sehr erfreut über den Rechnungshofbericht. Er hat die Situation der Stadt und die Aufgaben, die vor ihr liegen, eindringlich dargelegt. Eine Zahl zeigt die Dramatik der Situation besonders deutlich: Schon in seinem Vorbericht hat der Rechnungshof im Zusammenhang mit den Stelleneinsparungen nachgewiesen, dass nach den Vorgaben des Senats nicht 250 Stellen im Jahr abgebaut werden müssten, sondern 950 Stellen.

Ich könnte es mir jetzt so einfach wie einige meiner Vorrednerinnen und Vorredner machen, die gesagt haben, ihre Partei habe niemals und in keiner Art und Weise das strukturelle Defizit mit zu verantworten gehabt, und sich als diejenigen darstellen, die alles glorreich und richtig machen. Aber ich glaube, die Situation ist schwierig und um einiges komplizierter, als es gegenwärtig diskutiert wird.

Ich finde es gut, dass der Rechnungshof uns klarmacht, welche Schwierigkeiten wir in dieser Stadt haben und wie unsere finanzielle Situation aussieht; das ist besonders wichtig im Zusammenhang mit der Infrastruktur. Ich finde aber, dass der Bericht ein Defizit im Hinblick darauf hat, was ich soziale und kulturelle Infrastruktur nennen würde. Es ist leicht, klar zu machen, dass es umso teurer wird, eine Straße zu reparieren, je stärker sie kaputtgegangen ist. Wenn soziale und kulturelle Infrastruktur in die Brüche geht, sind wir nicht in der Lage, den Schaden in Euro zu beziffern, und trotzdem ist es dramatisch.

Ich teile die Meinung von Herrn Scheele aus der gestrigen Debatte nicht, dass das Problem in Wilhelmsburg nicht auch ein Problem der materiellen Ausstattung der Jugendhilfe ist. Ich habe den Eindruck, dass dort zu wenig Geld ausgegeben worden ist.

(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Das ist doch Blödsinn!)

Und wenn das der Fall ist, dann muss man sich darüber Gedanken machen, wie man in die Lage kommt, die Jugendhilfe finanziell ausreichend auszustatten. Das muss man diskutieren, Herr Kienscherf,

(Dirk Kienscherf SPD: Es lag nicht am Geld, das wissen Sie ganz genau!)

(Anja Hajduk)

und solche dummen Zwischensprüche sind Ihnen nicht erlaubt.

(Beifall bei der LINKEN, der CDU, der GAL und der FDP)

Gestern haben Sie versprochen, das aufzuarbeiten.

(Dirk Kienscherf SPD: Da waren fünf Leute in der Familie! Das wissen Sie auch! – Glocke)

Ihnen, Herr Hackbusch, ist das Wort "dumm" nicht erlaubt.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Aber er hat "Blöd- sinn" gesagt!)

Dann bitte ich auch Herrn Kienscherf, entsprechend zum parlamentarischen Sprachgebrauch zurückzukehren.

Norbert Hackbusch DIE LINKE (fortfahrend) : Wenn wir das aufarbeiten und feststellen, dass es Defizite in unserer sozialen Infrastruktur gibt, dann müssen wir diese beseitigen und können uns nicht auf Zahlen nach dem Motto, dass wir Ausgaben reduzieren müssen, zurückziehen. Das ist die eine Seite.

(Andy Grote SPD: Und das kann man alles mit mehr Geld lösen!)

Nein, aber Sie haben Scheuklappen auf und sagen, am Geld könne es auf keinen Fall liegen. Das hat gestern Herr Scheele gesagt, und das ist falsch.

Die andere Seite – und das hat der Rechnungshof zu wenig berücksichtigt – ist die Frage der Einnahmesituation. Hamburg ist keine Insel. Morgen wird im Bundesrat eine Entscheidung über 480 Milliarden Euro gefällt, die die Bundesrepublik als neue Sicherheit für die Banken aufbringen soll. Das heißt, allein Hamburg muss 12 Milliarden Euro tragen. Morgen beschließt also der Bundesrat, dass jeder Hamburger Bürger 8000 Euro Sicherheiten und Bürgschaften für die Banken aufnimmt. Und wir diskutieren diese Frage nicht, sondern tun so, als ob wir Unterabteilungsleiter in einem kleinen Unternehmen wären nach dem Motto: Wir haben diese Marge auferlegt bekommen und müssen sie erfüllen. So ist es aber nicht, sondern Sie alle haben die Verantwortung für die soziale und kulturelle Infrastruktur in dieser Stadt.

(Beifall bei der LINKEN)

Sie tragen die Verantwortung dafür, dass man hier noch gut leben kann. Und da kann man nicht sagen, dass man eben nur so und so viel Geld zur Verfügung habe, sondern man muss dafür streiten, dass sich das ändert. Das ist die Aufgabe der Sozialdemokratie. Sie haben versprochen, gemeinsam

mit uns dafür zu streiten, dass sich die Einnahmen verbessern, dass wir weniger ausgeben für die Bankenrettungen in dieser Welt und mehr für die soziale und kulturelle Infrastruktur in dieser Stadt. Das ist für mich die Schlussfolgerung aus unserer Situation. Die Diskussion wird uns dieses Jahr noch begleiten, ich freue mich darauf.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat nun Herr Senator Dr. Tschentscher.

(Olaf Ohlsen CDU: Alles wird gut!)