Die bestehenden Verträge legen fest, wie das Wertgutachten erstellt wird. Herr Wersich, sie kennen ja die Verträge. Es geht nicht um den aktuellen Marktwert, sondern um den Ertragswert in der Zukunft auf Grundlage der aktuellen Unternehmensplanung. Zusammen mit einem derzeit äußerst niedrigen Zinssatz, der in die Bewertung eingerechnet wird, käme ein solches Gutachten voraussichtlich zu erstaunlich hohen Ergebnissen, die wahrscheinlich einen Kurs für den Aktienwert von mehr als 80 Prozent ergeben hätten,
Auch die aktuellen Kurse vergleichbarer börsennotierter Unternehmen liegen derzeit deutlich über diesem Wert. Deshalb ist der Preis zwar ein Verhandlungsergebnis, aber er ist sehr angemessen und liegt unter dem Kurs von 100, der bisher für die Reedereianteile immer gezahlt wurde.
Jetzt möchte ich noch einen Satz zur Beteiligung der Bürgerschaft sagen, weil das die inhaltliche Diskussion sehr stark überlagert. Wir haben in den Verhandlungen durchgesetzt, den Gremienvorbehalt bis Ende März zu vereinbaren, um eine Beratung in der Bürgerschaft zu ermöglichen.
Ich wundere mich ein bisschen über das, was die früheren Bürgerschaftsbeteiligungen angeblich im Verfahren ergeben haben. Ich habe eine andere Erinnerung. Die früheren Anteilskäufe hat der Vorgängersenat vorgenommen, ohne die Bürgerschaft überhaupt um Zustimmung zu bitten.
Die Abgeordneten wurden seinerzeit nachträglich informiert und konnten die Sache zur Kenntnis nehmen.
Sie haben einmal das Parlament um Zustimmung gebeten, als wir eine Bürgschaft von mehr als 500 Millionen Euro übernehmen sollten. Damals lagen zwischen Senatsbeschluss und Bürgerschaftsbeschluss keine drei Wochen.
Ich sage nur, wie das ist in solchen Verhandlungssituationen und wenn man einen Terminplan von allen Seiten einhalten muss. Wir wollen das Parlament so gut wie möglich beteiligen. Damit haben die Abgeordneten Gelegenheit, durch ihre Abstimmung zu belegen, wie sie zur Hamburger Traditionsreederei und zur aktiven Hamburger Wirtschaftspolitik stehen.
Die Zeitabläufe sind durch die bestehenden Verträge, die wir gar nicht kritisieren, aber die Sie unterschrieben haben, sehr eng.
Mit den Verhandlungen konnten wir bestehende Termine auch nicht aufheben, sondern nur bestimmte Verfahrensschritte aussetzen. Diese müssten aber bei einer Ablehnung der Bürgerschaft nachgeholt werden, und daraus ergibt sich der Zeitdruck für alle Beteiligten. Sie haben, Herr Wersich, das finde ich sehr bemerkenswert, gesagt, eine Lösung ohne ein Problem sei keine Lösung. Dass Sie das Problem in Abrede stellen, ist schon sehr bemerkenswert, und damit stehen Sie sehr, sehr allein in weiter Welt,
denn das Problem liegt in der Vertragslage, die Sie hergestellt haben, die nämlich nicht nur ein Andienungsrecht beinhaltet, sondern auch ein Mehrheitsverkaufsrecht, und zwar genau in sieben Monaten ab 1. Oktober 2012. Nun sagen Sie, 2008 gab es eine reale Gefahr und heute nicht, Sie wollen erst einmal den Käufer sehen. Damit sagen Sie, wir sollten uns bis auf Weiteres zurücklehnen und abwarten, was andere mit Hapag-Lloyd vorhaben. Das genau ist kein gutes Regieren.
(Beifall bei der SPD – Dietrich Wersich CDU: Sie brauchen es auch nicht falsch zu inter- pretieren!)
Nichts zu tun, bis einen die Probleme einholen, bis Gefahren real sind, um dann mit großer Rhetorik und viel Geld das zu bezahlen, was man vorher versäumt hat, das ist nicht der Stil dieses Senats, und deshalb können Sie das nicht von uns verlangen.
Wir waren nach den Verträgen verpflichtet zu verhandeln. Das haben wir getan, und wir haben hart verhandelt, gemeinsam mit guten Hamburger Kaufleuten. Wir haben die Interessen Hamburgs und Hapag-Lloyds gut vertreten und ein sehr gutes Ergebnis erzielt, das die Probleme und Gefahren für Hapag-Lloyd und die Stadt Hamburg endgültig abwendet. – Vielen Dank.
Herr Präsident, meine Damen und Herren! Herr Dr. Tschentscher, gestatten Sie mir eine Frage vorab, die Sie nicht beantwortet haben. Gibt es auf der Grundlage des jetzigen Kaufs ein neues Wertgutachten, ja oder nein, und haben Sie sich die Mühe gemacht, dieses einzufordern? Da reicht ein klares Ja oder Nein von der Senatsbank.
Ich sage Ihnen auch gern, warum Sie sich die Mühe nicht gemacht haben, weil Sie sich gerade die Fakten zurechtlegen. Ich habe einmal auf das Jahr 2009 geblickt und mir die parlamentarischen Abläufe von damals angeschaut. Hapag-Lloyd war 2009 in einer existenzbedrohenden Lage. Es ging um Liquiditätsfragen und um das Überleben des Unternehmens. Hier musste in wenigen Wochen gehandelt werden. Wenn Sie jetzt behaupten, wir wären heute an dem gleichen Punkt, dann sind Sie uns dafür, und zwar Sie und auch der Bürgermeister, Fakten schuldig geblieben. Sie inszenieren hier eine Bedrohungssituation wie 2009, die real so nicht existiert. Das ist kein fairer Umgang mit den damals handelnden Akteuren.
Unabhängig davon lagen zwischen Bürgerschaftsentscheid zur Bürgschaft und der Kaufentscheidung des Senats acht oder neun Monate, in denen sich das Parlament auf die Situation einstellen konnte, in denen verschiedene Drucksachen beraten wurden.
Wenn Sie das im Detail interessiert, ich habe die Aufstellung da, ich habe auch alle Drucksachennummern. Verzerren Sie nicht die Realität, wie es Ihnen gefällt.
Es gibt aber nicht nur Realitätsverzerrung, es gibt auch Realitätsausblendung. Dafür hat der Bürgermeister ein gutes Beispiel im negativen Sinn geliefert. Sie haben in Ihrer Rede komplett jede Form von Risiko ausgeblendet. Ich muss nicht nur die "BILD" lesen, um zu hören, dass selbst Genosse Teichert, der richtig Ahnung von dem Thema hat, inzwischen dieses Engagement der Stadt deutlich kritischer sieht, als Sie uns glauben machen wollen, wie es die Wirtschaft sieht. Das ist Ausblenden.
Sie blenden das Thema Zeitdruck aus – kein Wort dazu. Sie wollen im Parforceritt eine halbe Milliarde Euro Steuergelder, kreditfinanziert, für ein Geschäft ausgeben, bei dem Sie die Risiken nicht beherrschen. Das dürfen Sie als Bürgermeister in einer Regierungserklärung nicht ausblenden.
(Beifall bei der CDU und der GAL – Andy Grote SPD: Das haben Sie doch auch ge- macht, Herr Heintze!)
Ein weiteres Beispiel für Ausblenden ist das Bilden von Fiktionen, das Ausblenden von Realität. Weder heute noch in der Pressekonferenz noch in der Information vom Senator irgendein Wort, irgendeine Verifizierung zu Ihrem vermeintlich fiktiven Investor. Sie blenden massiv wichtige Punkte aus, um Ihr Geschäft durchzubringen, und das ist sicher kein gutes Regieren.
Anstrengend wird es, wenn das die Linie der SPDFraktion ist. Herr Dressel hat uns heute, allerdings nur auf Nachfrage, erklärt, dass das Verfahren vielleicht ein bisschen kritisch sein könnte. Ich glaube, wir waren bei der Präsidentin auf unterschiedlichen Veranstaltungen. Die Fraktionen haben sich darauf geeinigt, dass dieses Verfahren, wie es der Senat in diesem Fall vorsieht, für das Parlament nicht akzeptabel ist. Herr Dr. Dressel, wenn Sie das heute ausblenden, machen Sie das Gleiche wie der Bürgermeister, um eine Fiktion für diesen HapagLloyd-Deal zu schaffen. Es gibt vermutlich inzwischen sogar schon ein Schreiben der Präsidentin.
Ein Punkt ist uns als Fraktion sehr wichtig. Sie bauen eine Fiktion und eine Rückkopplung auf. Damit müssen wir jetzt einmal Schluss machen. Nur weil wir keine Zustimmung für Ihr verantwortungsloses Vorgehen geben, bedeutet das nicht, dass Hapag-Lloyd nicht unseren Rückhalt hat. Wenn Sie das weiter als Fiktion aufbauen wollen, dann hören Sie jetzt bitte damit auf.
Hapag-Lloyd hat unseren Rückhalt, es hat aber keinen Rückhalt für das Vorgehen, das dieser Senat derzeit an den Tag legt.