Protokoll der Sitzung vom 29.02.2012

aber Kampagnen gegen den Ladenschluss führt Ihre Partei ja in jedem Bundesland. Zu offensichtlich ist Ihr durchsichtiger Versuch, die Bedürfnisse der Gesellschaft weiter als reine Warenbeziehungen zu definieren und das Freizeitverhalten durch Angebot und Nachfrage beziehungsweise Kaufen und Geldausgeben zu prägen.

Das machen wir nicht mit. Mit Ihrem Marktradikalismus treiben Sie kleine Ladengeschäfte in die Pleite, Beschäftigte im Einzelhandel weiter in die Armut und zerstören die familiäre Kultur.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Die Abgeordneten Frau Martin und Herr Heinemann haben mir mitgeteilt, dass sie an der Abstimmung nicht teilnehmen werden.

Wer stimmt nun einer Überweisung der Drucksache 20/3257 an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien zu? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir stimmen in der Sache ab.

Wer möchte den FDP-Antrag aus Drucksache 20/3257 annehmen? – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist auch das mit großer Mehrheit abgelehnt.

Wir kommen zu den Punkten 55 und 43 unserer Tagesordnung, den Drucksachen 20/3238 und 20/3068, Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hamburger Weg zu einer sozialgerechten Bodennutzung und Abschöpfung planungsbedingter Bodenwertzuwächse mit: Antrag der GAL-Fraktion: Globalrichtlinie "Kostenbeteiligung in der Bauleitplanung" unverzüglich verlängern und zu einem Konzept "Sozialgerechte Bodenordnung" ausbauen!

[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Hamburger Weg zu einer sozialgerechten Bodennutzung und Abschöpfung planungsbedingter Bodenwertzuwächse

(Kersten Artus)

Drs 20/3238 –]

[Antrag der GAL-Fraktion: Globalrichtlinie "Kostenbeteiligung in der Bauleitplanung" unverzüglich verlängern und zu einem Konzept "Sozialgerechte Bodenordnung" ausbauen! – Drs 20/3068 –]

Die Drucksache 20/3238 möchten die Fraktionen der SPD und der LINKEN an den Stadtentwicklungsausschuss überweisen, für die Drucksache 20/3068 liegt ein Antrag der SPD-Fraktion ebenfalls auf Überweisung an den Stadtentwicklungsausschuss vor.

Frau Sudmann wünscht das Wort und sie hat es.

Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Ich fange mit einem kleinen Beitrag für die Fußballfans unter Ihnen an, weil einige wahrscheinlich überlegen, wie schön es jetzt wäre, das Länderspiel zu sehen, obwohl unsere Debatte viel spannender ist.

(Dietrich Wersich CDU: Welches denn?)

Deutschland gegen Frankreich, in Bremen. Doch kein Fußballfan, Herr Wersich?

Ich glaube, alle HSV- und St.-Pauli-Fans haben als kleinen gemeinsamen Nenner, dass sie immer neidisch auf die Bayern schauen. Die Bayern haben viel mehr Geld und dummerweise spielen sie meistens auch noch besser; das ist echt ärgerlich.

Aber schauen wir nicht auf Bayern, sondern auf die Stadt München. München schafft es auch, besser zu spielen, und zwar mit dem Instrumentarium, das das Baugesetzbuch ihnen durch städtebauliche Verträge ermöglicht. Die Münchner haben schon seit vielen Jahren eine Regelung, die es ermöglicht, zwei Drittel des Wertzuwachsens, der für die Grundeigentümerinnen und Grundeigentümer dadurch entsteht, dass die Stadt durch ihre Planung Baurechte schafft – zum Beispiel neue Wohnbaugebiete oder neue Gewerbegebiete –, abzuschöpfen, um daraus städtische Infrastrukturkosten zu finanzieren. Diese Regelung bringt viel Geld, da müssten die Haushälterinnen und Haushälter unter Ihnen gleich leuchtende Augen bekommen. Seit 1994 sind 490 Millionen Euro, also fast eine halbe Milliarde Euro, an Kosten von den Planungsbegünstigten übernommen worden.

(Andy Grote SPD: Das kommt alles durch hohe Mieten wieder rein!)

Im selben Zeitraum sind über 9000 geförderte Wohnungen geschaffen worden, Herr Grote, das sind fast 30 Prozent des gesamten Wohnungsbaus.

(Robert Bläsing FDP: Da vergleichen Sie Äpfel mit Birnen!)

Nein, das wäre höchstens Weißwurst mit Ihrer Currywurst.

München hat dadurch hohe Einnahmen. Es stimmt, Herr Grote, dass München eine teure Stadt ist, aber wollen Sie deshalb auf diese Einnahmen verzichten? Sie als Sozialdemokraten wollen doch zusammen mit uns dafür sorgen, dass die Situation für die Mieterinnen und Mieter besser wird. Aber 490 Millionen Euro müssten auch Sie überzeugen.

Was hat Hamburg gemacht? 1996, also vor knapp 16 Jahren, habe ich das erste Mal in der Bürgerschaft gestanden und für die sozial gerechte Bodennutzung geworben. Im Jahr 2000 hat der rotgrüne Senat dann immerhin eine abgeschwächte Form eingeführt, begleitet von einer sogenannten Globalrichtlinie, in der geregelt wurde, wer was wann bezahlen muss. 2005 wurde diese Richtlinie von der CDU-Alleinregierung noch einmal verlängert, aber im Sommer 2010, als die nächste Verlängerung anstand, ist das unter Schwarz-Grün nicht passiert. Auch nicht passiert ist das, was großmundig versprochen wurde: eine laufende Übersicht über die Einnahmen und Zuwächse. Da gibt es gar nichts. Im September habe ich den jetzigen Senat gefragt, ob er die Globalrichtlinie verlängern wolle, und bekomme als Antwort, das sei nicht notwendig, man könne das auch ohne sie machen.

(Andy Grote SPD: So haben Sie das nicht gefragt, Frau Sudmann!)

Gestern habe ich die Antwort bekommen, dass der Senat nun doch eine Globalrichtlinie einführen wolle. Wunderbar; Hautsache, Sie fangen endlich damit an und reden nicht nur davon.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen noch einmal deutlich machen, warum unser Antrag so wichtig ist. Sie können mit ihm mehrere Fliegen mit einer Klappe schlagen. Sie schaffen es, mehr Geld für sozialen Wohnungsbau zu bekommen, und vor allem auch mehr sozialen Wohnungsbau zu realisieren, weil Sie dann die Eigentümer und Eigentümerinnen, Investoren und Investorinnen dazu verpflichten können. Sie schaffen es auch, den notwendigen Raum für kleine Gewerbebetriebe zu bekommen. Alles das wollen wir gemeinsam.

Ich hoffe sehr, dass wir uns auch einig darin sind, überhaupt nicht einzusehen, dass es möglich ist, in dieser Stadt weiterhin unverschämte Spekulationsgewinne zu machen. Ich nehme als Beispiel die Neue Mitte Altona. Es gibt unterschiedliche Zahlen – Herr Grote zieht schon die Stirn kraus –, nach denen der Steigerungswert des Bodens ungefähr 180 Millionen Euro beträgt. Das sind 180 Millionen

(Präsidentin Carola Veit)

Euro, die die Eigentümerinnen und Eigentümer einfach so bekommen. Daran ist der rote Senat relativ unschuldig; der schwarz-grüne Senat hat schon vor knapp zwei Jahren mit den Investoren vereinbart, dass maximal 30 Millionen Euro gezahlt werden müssen. Dabei wussten weder der damalige noch der heutige Senat nicht einmal, wie hoch die Infrastrukturkosten sein werden. Es ist eine Unverschämtheit, dass das Geld so aus dem Fenster geworfen beziehungsweise gar nicht erst hereingeholt wird.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir bieten Ihnen die Möglichkeit, nicht noch mehr Geld zu verschenken, wenn Sie schnell handeln. Und wir gehen noch weiter. Wir haben eine Bodenwertzuwachsabgabe gefordert. Ich habe das extra so formuliert, weil es viele juristische Gutachten gibt, die sich mit dieser Abgabe befassen. In den Fünfziger- und Sechzigerjahren wurde darüber in fast allen Parteien debattiert.

Leider sind die Genossen Scholz und Scheele nicht da. Beide haben damals gemeinsam mit Herrn Schröder bei der Hartz-IV-Gesetzgebung gesagt: Wir wollen fördern und fordern, wir fordern Leistung. Hier fordern Sie aber keine Leistung, die Leute bekommen das Geld durch die Wertsteigerung ohne Gegenleistung ins Portemonnaie geschossen. Warum diese Geschenke?

Schon die Weimarer Reichsverfassung hat gesagt – ich zitiere Artikel 155 Absatz 3 Satz 3 –:

"Die Wertsteigerung des Bodens, die ohne eine Arbeits- oder Kapitalaufwendung auf das Grundstück entsteht, ist für die Gesamtheit nutzbar zu machen."

In der Bayerischen Verfassung steht das heute noch.

An diesem Punkt können wir soziale Gerechtigkeit noch einmal ganz neu beleuchten. Hier geht es um Verteilungsgerechtigkeit, und dafür ist die SPD doch eigentlich auch. Ich hoffe, dass wir in zwei, drei Monaten sagen können: Wir zeigen es den Bayerinnen und Bayern, wir können es auch und wir machen es sogar noch besser.

(Beifall bei der LINKEN)

Das Wort hat Herr Grote.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Kollegin Sudmann, das Phänomen, über das wir heute diskutieren, ist nicht neu. Durch Planungsprozesse erfahren Grundstücke regelmäßig Wertsteigerungen, ohne dass dem von Grundeigentümerseite entsprechende Investitionen oder Risiken wirtschaftlicher Art gegenüberstehen. Solange wie es diesen Effekt gibt, gibt es auch Modelle, Grundeigentümer im Gegenzug zur Finanzierung von Gemeinwohlaufgaben heranzu

ziehen. Das ist auch völlig richtig, denn es geht – Sie haben es angedeutet – um die Sozialpflichtigkeit des Eigentums, um schlichte Gerechtigkeitsfragen und darum, dass wir unsere stadtentwicklungspolitischen Ziele auch auf Privatgrundstücken wirkungsvoll durchsetzen und umsetzen müssen. Wenn Grundeigentümer planungsbedingt – und dazu steht auch unsere Fraktion, das kann gar nicht anders sein – von erheblichen Wertsteigerungen profitieren, dann müssen sie auch verpflichtet werden können, erforderliche städtebauliche Maßnahmen bei der Erschließung von Freiflächen, der Herstellung öffentlicher Wege und öffentlicher Infrastruktur und natürlich auch der Schaffung preisgünstigen und geförderten Wohnraums angemessen mitzufinanzieren. Das unterstützen wir, und insofern sind wir uns über das Ziel einig.

Nun gibt es aber verschiedene Modelle. Entscheidend ist erst einmal die gesetzliche Grundlage. Die Paragrafen 11 und 12 Baugesetzbuch ermöglichen, immer bezogen auf das einzelne Grundstück, eine Kostenbeteiligung der Grundeigentümer an planungsbedingten Wertsteigerungen der Grundstücke. Das wird in Hamburg an vielen Stellen schon umgesetzt, aber noch nicht oft genug. Es gibt dazu außerdem – Sie haben es gesagt – seit dem Jahr 2000 eine Globalrichtlinie, die in 2010 ausgelaufen ist.

Damit kommen wir zu der konkreten Forderung der GAL – es ist auch Ihre Forderung, wenn ich das richtig verstanden habe –, die Globalrichtlinie zu verlängern. Das kann man machen. Man kann sich darüber streiten, ob es notwendig ist, denn die gesetzliche Grundlage für die Kostenbeteiligung nach dem Baugesetzbuch besteht weiter. Der ehemalige GAL-Staatsrat der Stadtentwicklungsbehörde hat 2010 die Position vertreten, dass keine Verlängerung gebraucht werde. Er hat an alle Bezirksämter geschrieben und gesagt: Macht in der Praxis weiter wie bisher, ihr seid durch das Bundesgesetz gedeckt, wir brauchen keine Verlängerung der Globalrichtlinie. Aber ich kann Sie beruhigen, wir machen das. Ihre Schriftliche Kleine Anfrage wurde deshalb anders beantwortet, weil Sie in die Vergangenheit gefragt haben, nach dem alten Senat. Wenn Sie in die Zukunft fragen, bekommen Sie die Antwort: Die Globalrichtlinie wird nicht nur verlängert, sie wird überarbeitet und neu in Kraft gesetzt. Das wird dann auch dem entsprechen, was die GAL sich vorstellt.

Wir gehen noch weiter. Die GAL bemängelt in ihrem Antrag durchaus selbstkritisch, dass im Wege städtebaulicher Verträge die Verpflichtung, sozialen Wohnungsbau auf den wertgesteigerten Flächen zu schaffen, nicht ausreichend durchgesetzt worden ist. Die CDU hat es 2005 aus der Globalrichtlinie herausgestrichen, die GAL hat es drei Jahre lang nicht wieder hineingenommen. Wir nehmen es jetzt wieder auf, das wird wieder in der Globalrichtlinie verankert. Um bestimmte Forderun

(Heike Sudmann)

gen der GAL durchzusetzen zu können, ist es manchmal besser, wenn sie gar nicht an der Regierung beteiligt ist.

(Beifall bei Frank Wiesner SPD)