Noch einmal: 80 Prozent des Buchwertes für die Aktien eines Unternehmens, das zum 31. Dezember 2011 einen Verlust von 29 Millionen Euro eingefahren hat,
dessen Rating-Ausblick wegen der konjunkturellen Rahmenbedingen von beiden großen internationalen Ratingagenturen auf negativ gesetzt wurde und dessen Geschäftsbericht auch weiterhin erhebliche konjunkturelle und operative Risiken benennt, 80 Prozent des Buchwerts an ein Unternehmen, das dringend Liquidität braucht und sich aus einem risikobehafteten Engagement verabschieden will, eine Verkäuferin, die der Stadt bei den Bedingungen des Kaufvertrags, also Verzicht auf das Andienungsrecht, nur teilweise Veräußerung und auch
im Preis angeblich weit entgegengekommen ist. Und nach dem Deal steigt der Aktienkurs von TUI, was ebenfalls ein deutliches Zeichen dafür ist, dass dieser Deal nicht für, sondern ausdrücklich gegen einen schlechten Abschluss mit der TUI spricht. Da beschleichen mich als Abgeordneten in der Tat Zweifel, ob der Preis gerechtfertigt ist oder ob hier nicht unternehmerische Risiken eines oder mehrerer Gesellschafter auf Kosten der Stadt und damit der Steuerzahler sozialisiert werden.
Ohne einen triftigen Grund stimmen sie einem Senatskonzept zu, durch das der Haushalt mit weiteren Schulden und Zinsen belastet wird, Geld, das nicht vorhanden ist und das für andere Dinge benötigt würde, auch für soziale Projekte. Die Stadt übernimmt ein Risiko, aus dem sich die TUI verabschieden will. Das ist genau das, liebe Kolleginnen und Kollegen von der LINKEN, was sie bei staatlichen Schutzschirmen für Banken in der Vergangenheit nicht unbegründet kritisiert haben.
Wolfgang Peiner hat in seinen Erinnerungen über den ersten Hapag-Lloyd-Deal Folgendes geschrieben – Zitat –:
"Hamburg hat sich an dem Unternehmen letztlich höher beteiligt, als die Stadt es ursprünglich wollte, nämlich mit etwa 25 Prozent. Auch diese Beteiligung ist nicht auf Dauer angelegt, sondern auch hier ist die klare Linie der Stadt, die Anteile in den nächsten Jahren wieder abzugeben."
Recht hat er, was die Zielsetzung betrifft, die bereits vorhandene städtische Beteiligung so schnell wie möglich wieder aufzugeben und nicht die aus unserer Sicht bereits im Jahr 2008 beschlossene Fehlentscheidung noch zu verlängern. Die FDPFraktion legt Ihnen daher heute einen Änderungsantrag vor, den Senat zu beauftragen, umgehend ein Konzept für einen schnellstmöglichen Ausstieg der Stadt bei Hapag-Lloyd zu entwickeln und hierüber bis zum 30. September der Bürgerschaft zu berichten. Den Senatsantrag werden wir ablehnen, beim Zusatzantrag der CDU werden wir eine ziffernweise Abstimmung beantragen. Der CDU-Antrag ist für die Fraktion einer Oppositionspartei aus unserer Sicht indessen schon bemerkenswert,
weil er sowohl in der Begründung als auch im Petitum offen lässt, ob Sie letztlich für oder gegen die Beteiligung an Hapag-Lloyd sind. Eine Oppositionspartei, die sich darauf beschränkt, einen Senatsantrag nur zur Kenntnis nehmen zu wollen, ohne zu sagen, ob man in der Sache inhaltlich dafür oder dagegen ist – das ist schon ziemlich bizarr.
Noch ein letztes Wort zum Verfahrensablauf. Dem Parlament, uns allen als Abgeordneten wird binnen kürzester Frist eine Entscheidung über einen komplexen Sachverhalt von erheblicher haushaltspolitischer Tragweite abgenötigt. Im Verlaufe der Beratungen zur Senatsdrucksache ist in den Anhörungen deutlich geworden, dass es bis heute keinen überzeugenden Grund für diesen Zeitdruck gibt, sondern dass es sich um einen, insbesondere von der Geschäftsführung der HGV selbst produzierten Zeitdruck handelt. Die parlamentarische Erfahrung lehrt, dass man besonders dann kritisch sein sollte, wenn komplexe Sachverhalte von großer haushaltspolitischer Tragweite unter künstlichem Zeitdruck verhandelt werden sollen. Die FDP wird angesichts dieser besonderen Umstände einer sofortigen zweiten Lesung widersprechen und sich dafür einsetzen, dass nach dem Regelfall verfahren wird, den Artikel 49, Absatz 2, Satz 1 der Hamburgischen Verfassung vorsieht, nämlich, dass zwischen erster und zweiter Lesung mindestens sechs Tage liegen. Wir fordern die anderen Fraktionen auf, unseren Vorschlag zu unterstützen. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Alle in diesem Parlament kennen mich als jemand, der sich kräftig dafür einsetzt, uns Parlamentariern mehr Möglichkeiten einzuräumen, verschiedenste Vorgänge zu kontrollieren und kritisch zu betrachten. Ich habe auch die kurze Zeit kritisiert, die wir zur Verfügung hatten, um die Beteiligung zu überprüfen. Ich finde auch, dass wir als Parlamentarier in diesem Zusammenhang häufig überfordert werden. Diese Kritik am Senat unterstütze ich völlig, und ich gehe davon aus, dass die Kritik so stark war, dass wir in einer vergleichbaren Situation das nächste Mal mehr Zeit bekommen, um solche Fragen vernünftig klären zu können,
(Finn-Ole Ritter FDP: Geht ja nur um 420 Millionen Euro! – Robert Bläsing FDP: Wir sehen uns im PUA!)
denn sonst wird die Kritik vielleicht noch heftiger ausfallen. Aber was mir nicht gefällt, Herr Kerstan, das will ich deutlich sagen, ist die Selbstgerechtigkeit, mit der Sie hier agieren.
Ich war bei den Verhandlungen im Jahr 2008 nicht konkret dabei, weil ich damals noch nicht haushaltspolitischer Sprecher war. Aber die Möglichkeiten, kritisch nachzufragen und zu beurteilen, was die schwarz-grüne Regierung gemacht hat, waren damals noch geringer. Wir hatten noch weniger Möglichkeiten, uns irgendetwas anzusehen, noch weniger Möglichkeiten, politisch Einfluss zu nehmen, weil es sich lediglich um eine Kenntnisnahme gehandelt hat. Was Sie hier kritisieren, ist völlig richtig, aber ein paar selbstkritische Worte zu dem damaligen Geschehen wären meiner Meinung nach absolut notwendig, um glaubwürdig zu sein.
Das Zweite – da geht es um eine der Kernfragen unserer Diskussion –, was ich anmahnen möchte, besonders in Richtung der anderen damaligen Regierungspartei, ist etwas Selbstkritik bezüglich des Vertrags, den sie damals gemacht hat. Dieser Vertrag hat uns die Situation eingebracht, dass eine Mehrheit an Hapag-Lloyd in diesem Jahr verkauft werden kann. Das ist eine Entscheidung von 2008, das ist eine Entscheidung, die Sie mit getroffen haben. Ich würde gern ein paar selbstkritische Worte zu den Entscheidungen von damals hören, denn die bringen uns dieses Dilemma jetzt wieder auf den Tisch.
Es war noch in einem weiteren Punkt ein schlechter Vertrag, der damals gemacht wurde. Die Grundlage, das Wertgutachten, das ich durchaus schätze, ist damals nach vertraglich festgelegten Parametern entstanden. Dieses Wertgutachten, das sich so schön sicher anhört, beruht auf den vergangenen zwei, drei Jahren, also einem Gewinn- und einem Verlustjahr von Hapag-Lloyd und einer vom Unternehmen selbst gestellten Prognose für die nächsten zehn Jahre. Das zeigt die Schwäche dieses Wertgutachtens, es ist nicht so dramatisch toll, wie Sie es darstellen.
Die entscheidende Frage, die wir jetzt inhaltlich diskutieren müssen, ist: Bedeutet ein potenzieller Mehrheitsverkauf im Jahr 2012 ein Problem für die Stadt, muss die Stadt agieren oder nicht? Herr Kluth hat versucht, sehr genau darzulegen, was die Experten dazu gesagt haben. Aber das Bild, Herr Kluth, ist noch differenzierter. Die Experten haben deutlich und einvernehmlich dargelegt, dass
selbstverständlich jemand, der 50,1 Prozent eines Unternehmens besitzt, das Unternehmen führen und bestimmen kann, was mit diesem Unternehmen geschieht. Die schöne Klausel, die Herr Kerstan uns vorgestellt hat, ist nichts als eine leere Hülle. Sie verschafft uns keine kräftige Position. Das ist dumm, aber so ist es.
Was bedeuten diese 50,1 Prozent für Hamburg? Das ist doch die entscheidende Frage. In dem Augenblick, wo ein anderes Unternehmen in diese machtvolle Position kommt, wäre es in der Lage, viel zu verändern – auch im Zusammenhang mit den Arbeitsplätzen in dieser Stadt. Ärgerlicherweise ist es so, dass Reeder, selbst wenn ein Hafen sehr günstig ist, anhand ihrer eigenen Kostenbetrachtungen Ladekapazität zu verlagern. Ein Beispiel dafür ist der weltweit führende Containerschiffer Maersk, der, ohne dass die Kunden sich darüber beschwert haben, wesentliche Lademengen von Hamburg abgezogen und nach Bremerhaven und Rotterdam verlegt hat, weil ihm dort die Container gehören. Aber für den Hamburger Hafen ist dadurch auf jeden Fall ein Problem vorhanden, das muss klar sein.
Es ist richtig, dies in Betracht zu ziehen, denn es geht um das Herz der Hamburger Wirtschaft. Ich bin mir ziemlich sicher, dass die 60 Prozent, die im Senatsantrag genannt worden sind, falsch sind. Herr Kerstan, Herr Kluth, Frau Prien, der Bund der Steuerzahler hat vorgestern eine Studie dazu veröffentlicht. Der Bund der Steuerzahler ist kein Freund staatlichen Eingreifens, er hofft darauf, dass der Markt alles regelt, aber der Bund der Steuerzahler hat gesagt, dass bei einem Verkauf an Dritte 25 Prozent der Waren, die über den Hamburger Hafen insgesamt transportiert werden, in Gefahr seien. Was bedeutet das denn für den Hamburger Hafen? Das ist doch eine Gefährdung. Das ist doch eine krisenhafte Situation, wo wir als Staat beruhigend einwirken und etwas machen müssen. Ich weiß nicht, wie es sonst gehen soll.
Wir haben leider nicht die Möglichkeit zu sagen, das wird sich schon zurechtbiegen, weil die Seeschifffahrt gegenwärtig sehr krisenanfällig ist. Das haben Sie, Herr Kluth, in Bezug auf das Unternehmen richtig dargelegt, und es gilt für die Seeschifffahrt insgesamt. Dort haben wir riesige Überkapazitäten, was dazu geführt hat, dass große Unternehmen zum Teil völlig irrational agieren und einen ruinösen Preiskampf hervorbringen. Eine ähnlich irrationale Möglichkeit, um einer Krise zu begegnen, könnte sein, dass man sich ein gewisses Unternehmen einverleibt und es abbaut. Diese riesigen Überkapazitäten im Hafenbereich und die Krisenanfälligkeit in der Seeschifffahrt sind gegenwärtig vorhanden. Wenn Rotterdam mit "Maasvlakte 2" an die Reede geht, Wilhelmshaven dazukommt
Meine Damen und Herren! In Krisenzeiten ist es absolut notwendig, dass wir mit staatlichen beruhigenden Interventionen agieren, denn sonst erleben wir die Turbulenzen, die es vor einigen Jahren gab, in diesen Bereichen auch. Staatliche Aktivitäten sind dort wichtig.
Das ist die Art und Weise, wie wir insgesamt versuchen zu intervenieren. Darum verstehe ich auch den Mangel an Erinnerung – Herrn Kluth nehme ich aus – von etlichen hier im Parlament nicht. Was haben wir in den Krisenjahren 2009/2010 gemacht? Wir haben ein Konjunkturprogramm aufgelegt. Teils haben wir skurrilste Geschichten gemacht, unter anderem so etwas wie die Abwrackprämie. Niemand kann mir erklären, was vernünftig daran gewesen ist. Es war aber ökonomisch absolut notwendig, dass der Staat bestimmte Aktivitäten startet, um Krisenerscheinungen zu beschränken. Die Kraft des Staates ist unerlässlich, er muss in der Lage sein, Krisen aufzufangen.
Das ist der wesentliche inhaltliche Kern, von dem ich ausgehe und den ich wichtig finde. Wir als LINKE werden deshalb diesen Antrag unterstützen, auch wenn wir an verschiedenen Punkten Kritik am Regierungshandeln haben. Diese Punkte haben wir in den Zusatzanträgen genannt. Ich will sie noch einmal einzeln aufführen. Erstens darf es nicht sein, aufgrund dieser Intervention im Bereich der Jugendhilfe – Herr Kerstan hat dafür eben noch eine Begründung extra geliefert – Kürzungen vorzunehmen. Das geht nicht.
Es ist nicht möglich, die sozialen Infrastrukturen gegen ökonomische Infrastrukturen auszuspielen, Herr Kerstan.
Ich verlange von diesem Parlament und von jedem Parlamentarier, einigermaßen zu definieren, was notwendig für diese Stadt ist und dann dafür zu kämpfen und dafür zu sorgen, dass die Einnahmeseite so strukturiert ist, dass wir diese wichtigen Aufgaben auch erfüllen können. Wenn Sie in den vergangenen Jahren unter Rot-Grün oder Schwarz-Gelb oder sonstigen Bundesregierungen diese riesigen Steuergeschenke gemacht haben, dann will ich das nicht auf Hamburger Ebene ausbaden und für den Mist an Politik, den Sie gemacht haben, bezahlen.
Zweitens stellen wir bei allen Diskussionen fest, dass wir diese öffentlichen Gelder praktisch in den Hafen investieren. Ich bin eindeutig der Meinung, dass wir bei den Finanzen des Hafens mehr Transparenz benötigen.