Protokoll der Sitzung vom 28.03.2012

(Beifall bei der LINKEN)

Eines der großen Probleme dieser Debatte um Hapag-Lloyd ist die mangelnde Transparenz. Wir müssen im Parlament dafür sorgen, dass wir diese Dinge sehr transparent machen. Wir haben einen detaillierten Vorschlag dazu gemacht. Ich freue mich, dass wir das in den Ausschüssen genauer diskutieren können.

Als letzten Punkt – Frau Prien hat da völlig recht –, die regionalökonomischen Analysen des Senats waren dürftig. Wir haben einen Nachholbedarf, das gilt übrigens auch für den Hafenentwicklungsplan, der diesbezüglich eindeutige Schwächen hat. Wir sollten den Senat auffordern, diese Schwächen auszumerzen.

(Beifall bei der LINKEN)

Herr Senator Dr. Tschentscher hat das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Ausschussberatungen in der vergangenen Woche haben eines gezeigt: Die Ausgangslage bei Hapag-Lloyd ist ausgesprochen komplex und belastend. Am Ende steht das Risiko eines Mehrheitsverkaufs an einen strategischen Investor, der damit einen beherrschenden Einfluss auf die Reederei erhalten würde. Das ist keine Nebensache, denn es hätte schwerwiegende Folgen für Hapag-Lloyd, aber vor allem für den Containerumschlag im Hamburger Hafen und damit für Zehntausende Arbeitsplätze im sogenannten maritimen Cluster, dem Teil unserer Hamburger Wirtschaft, der mit 600 bis 800 Millionen Euro jährlich zu den Steuereinnahmen der Stadt beiträgt. Darüber, Herr Kerstan, sollten Sie sich Gedanken machen und nicht über Ihre Gleichsetzungen von laufenden Ausgaben und dem Kauf von Vermögenswerten,

(Jens Kerstan GAL: Das habe ich nicht ge- macht!)

für die wir Dividenden erwarten und die wir auch wieder verkaufen wollen.

(Beifall bei der SPD)

Das Mehrheitsverkaufsrecht wurde in der Sachverständigenanhörung zu Recht als Bedrohung für die Stadt bezeichnet, eine Bedrohung, die eben nicht durch eine satzungsrechtliche Vereinbarung zum Firmensitz abgewendet wird. Das bekannteste Beispiel dafür wurde im Ausschuss berichtet: Die Großreederei Maersk, früher mit einem hohen Umschlag im Hamburger Hafen, hat sich vor einigen

Jahren entschieden, ihre Frachtrouten nicht mehr über Hamburg zu lenken. Zahlreiche Dienste wurden aus Hamburg abgezogen und das gleiche internationale Geschäft wurde über andere Häfen abgewickelt, zum Beispiel Rotterdam. Die Container für Hamburg werden jetzt über die Straße hierhergebracht, was auch ökologisch ein großer Schaden ist. Das sind die Folgen, die man vor Augen haben muss, und nicht das Bild vom Taxifahrer. In der Linienreederei entscheidet eben nicht der Kunde über die Transportwege und den Hafenumschlag, sondern die Reederei. Und genau das hat uns der Vorsitzende des Verbandes Deutscher Reeder im Ausschuss eindrücklich geschildert.

Das war auch der Grund für das Engagement der Stadt vor drei Jahren. Ich darf an die Zahlen aus Ihrer Drucksache, Herr Kerstan, von September 2009 erinnern. Sie sind schon genannt worden, aber ich muss sie wiederholen: Auf Hapag-Lloyd und ihre Partnerreedereien entfallen 42 Prozent des Containerumschlags des Hamburger Hafens, ein Auftragsvolumen von 800 Millionen Euro pro Jahr ohne Charterprämien und 45 000 Beschäftigte in der Metropolregion mit einer Lohnsumme von 1,8 Milliarden Euro. Ihre Gutachter haben damals berichtet, dass ohne Hapag-Lloyd 60 Prozent des Frachtvolumens nicht auf Hamburg gelenkt, sondern in Rotterdam und Antwerpen umgeschlagen würden. Um diese volkswirtschaftliche Bedeutung geht es. Und dazu hat gerade heute der Industrieverband Hamburg eine Pressemitteilung veröffentlicht, aus der ich gern zitieren möchte:

"Beteiligung an Hapag-Lloyd stärkt den Industriestandort

Industrieverband unterstützt den geplanten Anteilskauf der Stadt an der Reederei, um Hafenumschlag und Arbeitsplätze in Hamburg zu sichern."

Genau das ist es und deshalb schlägt der Senat heute eine endgültige gute Lösung für HapagLloyd vor.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört, dass wir nicht alle angedienten Anteile von TUI kaufen, dass ein teures Darlehen aus der Welt kommt, für das die Reederei jedes Jahr 47 Millionen Euro Zinsen zahlt, und dass das Mehrheitsverkaufsrecht endgültig abgewendet wird, ohne weitere Termine und Verpflichtungen in der Zukunft. Das Ergebnis unserer Verhandlungen ist ein Vertrag, mit dem vor allem die Interessen der Stadt gesichert werden.

Wir haben Ihnen unaufgefordert alle Unterlagen zur Verfügung gestellt und alle Fragen beantwortet. Selten ist ein Parlament so sorgfältig und umfassend über die Grundlagen einer Senatsentscheidung informiert worden.

(Heiterkeit bei Jens Kerstan GAL)

(Norbert Hackbusch)

Es ist auch das erste Mal, dass dem Parlament im Zusammenhang mit einer Hapag-Lloyd-Entscheidung überhaupt Unterlagen zur Verfügung gestellt wurden. Man erkennt das daran, dass wir in den Ausschussberatungen auch die alten Verträge erklären mussten mit den Problemen, die jetzt zu lösen sind.

(Beifall bei der SPD)

Dass gerade Sie, Herr Kerstan, vor diesem Hintergrund zum Verfassungsgericht gehen und eine Eilentscheidung gegen die Beschlussfassung der Bürgerschaft beantragen, ist schon ein bemerkenswerter Vorgang und ich bin froh, dass das Verfassungsgericht Ihr Ansinnen zurückgewiesen hat. Ihr Ansinnen ist offensichtlich unzulässig, so hat es das Gericht einstimmig festgestellt.

(Beifall bei der SPD)

Ihr unangemessener Umgang mit dem Thema wird auch daran deutlich, dass Sie aus dem Verhandlungsergebnis einzelne Punkte herausgreifen und dann getrennt von allen anderen Fragen problematisieren. Dazu gehört zum Beispiel die Kritik an dem ausgehandelten Kaufpreis von 80 Prozent des Buchwerts, der deutlich unter den bisher gezahlten Preisen liegt. Das wird auch nicht dadurch besser, dass Sie falsche Darstellungen zur Lage der Reederei in die Welt setzen, wie zum Beispiel gestern bei "Hamburg 1", indem Sie nur einen der Bewertungsfaktoren der Ratingagenturen nennen und den zweiten, der dazugehört, weglassen. Das Gegenteil Ihrer Darstellung ist der Fall. Die EuroAnleihen des Unternehmens bringen 9 Prozent Zinsen und werden derzeit zu einem Kurs von 100 Prozent gehandelt. So beurteilt der Markt das Unternehmen und nicht so, wie Sie es zum Schaden der Reederei in der Öffentlichkeit behaupten.

(Beifall bei der SPD)

Dazu gehört auch die bedingungslose Forderung nach einem Wertgutachten. Wir hatten ausführlich berichtet, aus welchen Gründen ein solches Wertgutachten im Rahmen des Andienungsrechts nicht weiterhilft, weil es nämlich nach den von Ihnen abgeschlossenen Verträgen als Ertragswertgutachten auf Grundlage der Unternehmensplanung zu erstellen wäre, weil die gegenwärtige Niedrigzinsphase systematisch zu hohen Unternehmensbewertungen führt, weil ein aktueller Jahresabschluss die Wirtschaftsprüfer, die bestehenden Buchwerte und die Werthaltigkeit des Unternehmens gerade bestätigt hat und weil die Preis-Buchwert-Verhältnisse vergleichbarer börsennotierter Reedereien sogar einen höheren Wert anzeigen als den, den wir ausgehandelt haben.

Ein Wertgutachten wäre deshalb nicht nur nicht hilfreich, sondern es würde alle anderen Verhandlungsergebnisse blockieren und im Rahmen des Andienungsverfahrens mit hoher Wahrscheinlichkeit zur Zahlung eines höheren Kaufpreises ver

pflichten, und zwar für die gesamten angedienten Anteile der TUI.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das steht so in den Verträgen!)

Liebe GAL, Sie müssen das Verhandlungsergebnis und die Schlussfolgerungen daraus nicht gutheißen. Das ist Ihr gutes Recht. Aber Sie können nicht erwarten, dass der Senat Forderungen von Ihnen übernimmt, die nach unserer Überzeugung gegen die Interessen der Stadt und der Reederei gerichtet sind. Solche Forderungen werden wir nicht umsetzen.

(Beifall bei der SPD)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Entscheidung für eine höhere Beteiligung an HapagLloyd ist nicht ohne Risiko. Das muss uns allen bewusst sein. Aber das Risiko ist angesichts der Bedeutung von Hapag-Lloyd für die Stadt und den Wirtschaftsstandort Hamburg vertretbar. Unverantwortlich wäre es, sich zurückzulehnen, dem Andienungsrecht freien Lauf zu lassen und abzuwarten, was andere mit Hapag-Lloyd und unserem Hafen machen. Das aber genau ist auch heute wieder die Empfehlung von Herrn Kerstan, zu warten, bis der Käufer im Herbst oder zu einem beliebigen späteren Zeitpunkt vor der Tür steht, um dann im Nachhinein und unter Druck mit viel Geld das zu bezahlen, was jetzt versäumt werden würde. Das ist kein gutes Regieren. Es ist klüger und verantwortungsvoller, das Andienungsrecht und den Mehrheitsverkauf jetzt endgültig abzuwenden.

(Beifall bei der SPD)

Hapag-Lloyd muss befreit werden von den Fesseln einer Vertragslage, die gegen das Unternehmen und gegen die Stadt gerichtet ist. Das ist das Ziel des Senats und ehrbarer Hamburger Kaufleute, die sich nach eigenen wirtschaftlichen Überlegungen mit 180 Millionen Euro an dem Engagement beteiligen. Hapag-Lloyd braucht einen klaren Kurs und eine sichere Zukunft in Hamburg. Deshalb bittet der Senat um Ihre Zustimmung. – Vielen Dank.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Herr Dr. Dressel, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine sehr verehrten Damen und Herren! Ein paar Worte am Anfang an den geschätzten Kollegen Kerstan. Gerade nach der heutigen Entscheidung des Verfassungsgerichts finde ich es schon ein bisschen leichtsinnig, auch rechtlich damit zu argumentieren, nach welchen Gerichtsentscheidungen eine Due Diligence in diesem Fall erforderlich gewesen wäre. Das sollten Sie noch einmal nachschlagen, denn diese Maßstäbe sind hier absolut nicht erfüllt.

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

(Beifall bei der SPD – Jens Kerstan GAL: Das stimmt nicht!)

Ich finde das auch ein bisschen schwierig vom Parlamentsverständnis her. Ich bin auch sehr für Rechte von Abgeordneten und Rechte des Parlaments, aber hier meinte ein einzelner Abgeordneter, er könne aufgrund von Informationsansprüchen – die noch dazu an die falsche Adressatin gerichtet sind, weil nicht Frau Veit Ihnen die Unterlagen herausgeben kann, die Sie begehren, sondern nur der Senat – eine Entscheidung des Parlaments verhindern. Und wenn der Antrag Erfolg gehabt hätte, wäre es womöglich nicht nur um vier Wochen verschoben worden, sondern es hätte das Risiko bestanden, dass dieses Geschäft insgesamt vereitelt worden wäre.

(Jan Quast SPD: Darum geht es ihm doch!)

Das wäre unverantwortlich gewesen. Auch deshalb ist es richtig, dass das Verfassungsgericht heute so entschieden hat.

(Beifall bei der SPD)

Auch da empfehle ich noch ein bisschen Lektüre, weil Sie heute sehr voreilig gesagt haben, das sei nur eine formale Begründung und in der Sache hätte das Gericht gar nicht entschieden. Sie sollten noch einmal in die zwölfseitige Entscheidung hineinschauen – ich glaube, das kann man auch als Nichtjurist verstehen –, denn da steht auch etwas in der Sache: dass nämlich ein Anspruch auf dieses von Ihnen begehrte Recht, das Sie in Anspruch nehmen wollen, so nicht besteht und auch von Ihnen nicht dargelegt worden ist. Insofern war diese Entscheidung richtig, Ihr Begehren als offensichtlich unzulässig abzuweisen, aber auch in der Sache Hinweise zu geben. Insofern wünschen wir Ihnen viel Spaß bei Ihrer Feststellungsklage.

(Beifall bei der SPD)

Ich will jetzt aber nicht weiter juristisch argumentieren, sondern heute auch die Belegschaftsvertreter bei uns begrüßen. Denn von den Vertretern der Opposition, die dieser Vertragsgestaltung nicht zustimmen wollen, ist das Thema Arbeitsplätze und die vielen Tausend Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, um die es bei dieser Entscheidung geht, nicht mit einem Wort angesprochen worden. Und das muss heute auch erwähnt werden.

(Beifall bei der SPD)

Auch das hat mich bei Ihren Einlassungen in den letzten Tagen massiv gestört. Der Finanzsenator hat es eben in sehr vorsichtiger Form angesprochen, ich habe das aber heute Mittag bei der Demonstration der Belegschaft auf dem Ballindamm auch von den Kolleginnen und Kollegen mitbekommen, dass Ihre Erklärungen in den letzten Tagen, auch gestern bei "Schalthoff Live" und bei vielen anderen Anlässen, auch verstanden worden sind als massives Schlechtreden des Unternehmens.

Das ist nicht nur unanständig, sondern das ist auch unverantwortlich angesichts der öffentlichen Gelder in Höhe vieler Millionen Euro, die in diesem Unternehmen stecken.