Protokoll der Sitzung vom 29.03.2012

Sie will auch auf die Stimmen der Bürgerinnen und Bürger hören, liebe Frau Kollegin. Mit einem großartigen Wahlergebnis hat sie von dieser Stadt einen Auftrag bekommen. Wir würden das nicht tun, wenn es zur Folge hätte, dass dieses Wahlergebnis in drei Jahren nicht wiederholt würde. Wir fühlen uns auf einem richtigen Weg.

(Beifall bei der SPD – Zurufe von der GAL und der CDU – Jens Kerstan GAL: Da ist der Papst ja bescheidener als Sie, meine Güte!)

Ach, Gott oh Gott, Herr Kerstan, so fromm wie Sie bin ich gar nicht.

(Jens Kerstan GAL: Das glaube ich! – Vize- präsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Kinder sollen an unseren Schulen eine ausgewogene Mittagsverköstigung bekommen, und sie soll bezahlbar sein, das will ich hinzufügen. Weniger einig sind wir uns natürlich darüber, ob an möglichst allen Schulen frisch gekocht und zubereitet werden sollte. Die GAL fordert frisch und frei und unabhängig von jeder ernsthaften Kostenkalkulation, an möglichst allen Schulen Produktionsküchen einzurichten. Huckepack fällt dann noch die Forderung nach einem gesunden Frühstück vor Schulbeginn an, ohne zu sagen, wer es bezahlt. Machen wir uns klar, dass der Maßstab für die Hamburger Schulverpflegung die Qualitätsstandards der DGE,

der Deutschen Gesellschaft für Ernährung, sind. Sie sind die Grundlage der Angebote, bei denen die Schulen Verträge eingehen dürfen. Solche Mittagessen sollen von Firmen hergestellt werden, die Schulverpflegung zu ihrem Kerngeschäft zählen, entweder vor Ort oder im sogenannten Cook-and-Chill-Verfahren.

Herr Lein, gestatten Sie eine Anmerkung des Abgeordneten Dr. Scheuerl?

– Nein, denn den ersten Teil der Debatte hat er gar nicht zur Kenntnis genommen.

(Zuruf von der SPD: Er hat sie geschwänzt!)

Das will ich so nicht formulieren, aber wahr ist es.

Ein über viele Stunden warm gehaltenes und vitaminlos gewordenes Essen wird es in Hamburg nicht geben. Leider suggeriert der vielfach genutzte Begriff "Aufwärmküche" negative Assoziationen von lauem Essen ohne Mehrwert.

Machen wir uns klar, dass die Anbieter für Schulverpflegung sich verpflichten müssen – wie es auch die GAL in ihrem Antrag fordert –, ihre Mitglieder mit einem bestimmten Mindestverdienst auszustatten. Nun haben wir uns allerdings am Tarif der DEHOGA orientiert und nicht an einer Zahl, die die Kosten zusätzlich hochtreibt. Der Essenspreis von 3,50 Euro soll in der GBS nicht überschritten werden und sozial gestaffelt sein. Die GAL fordert diese soziale Staffelung auch ab Klasse 5 außerhalb des ambitionierten GBS-Programms dieser Regierung. In der letzten Legislaturperiode unter schwarz-grüner Federführung hätte man dies vermutlich mit kreativer Haushaltsführung über Schulden, 1-Euro-Jobs oder als Schulversuch, bei dem unklar bleibt, wie die Finanzierung nach dessen Auslaufen gesichert wird, finanziert.

(Anja Hajduk GAL: Das ist doch Unsinn, was Sie da erzählen!)

Das wollen und können wir nicht, und deshalb werden wir derzeit weder eine Produktionsküche an jeder Schule einrichten noch eine verpflichtende Sozialstaffelung des Mittagessens in der Sekundarstufe einführen.

Im Begründungsteil findet sich Interessantes und Lehrreiches, und manches wird von dieser Regierung längst umgesetzt. Außerdem wird populistisch über Kantinenessen dahergeredet, wie wir es auch bei Kantinen für Erwachsene kennen.

Liebe Frau von Berg, wir werden den Antrag und auch die Überweisung an den Ausschuss ablehnen, denn das würde die Sache nur verzögern. Unsere Position ist klar. Aber, liebe GAL, vielleicht

(Dr. Stefanie von Berg)

finden Sie im Rahmen der Haushaltsberatungen im Herbst noch einen Weg der Mittelbeschaffung, ich wünsche Ihnen nur Mut. – Schönen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Heinemann, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Liebe Frau von Berg, ich danke Ihnen sehr herzlich für diesen Antrag, weil er uns zu einer Kernfrage in der Diskussion um die Ganztagsbetreuung führt: Will man eine qualitativ hochwertige Ganztagsbetreuung oder setzt man bewusst Quantität vor Qualität, wie es Herr Senator Rabe leider als Marschroute vorgegeben hat?

(Beifall bei der CDU)

Es ist eben doch ein gewaltiger Unterschied, ob man Kindern nur aufgewärmtes Essen vorsetzt oder dieses frisch kocht. Wir befinden uns in einer Großstadt und Kinder denken, dass Milch aus Packungen kommt, und jetzt denken sie auch noch, dass Essen aus Styroporverpackungen kommt. Wenn Kinder die Möglichkeit hätten, für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler zu kochen, an der Essenszubereitung mitzuwirken und festzustellen, wie gesundes Essen zubereitet werden kann, hätte das eine ganz andere Qualität.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Wenn man sich den aktuellen Stand der Evaluation der GBS-Pilotstandorte anschaut, dann steht dort ausdrücklich, dass es keinen einheitlichen, gelebten Standard für die Essensversorgung gibt. Es bestehe außerdem keinerlei Verknüpfung mit schulischen Inhalten, also den Fragen, wie ich mich richtig ernähre, was gesunde Ernährung ist, woher das Essen kommt und welche Auswirkungen das hat. Versuche, die Essensversorgung mit Lernen zu verknüpfen, gibt es noch viel zu selten. Und allzu oft nehmen die Lehrkräfte nicht am Essen teil, weil sie dann selber bezahlen müssten beziehungsweise nicht entsprechend eingebunden sind.

Die Evaluation empfiehlt dem Senat eindeutig, auf Qualitätsentwicklung gerade im Bereich der Essensversorgung zu setzen, und mahnt Standards an. In den Elternbefragungen heißt es, dass es gerade in diesem Punkt einen erheblichen Verbesserungsbedarf gäbe.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Man sieht, welche Priorität Herr Rabe diesem Thema einräumt, indem er sich die Debatte heute schenkt. Vonseiten des Senats erfolgen keinerlei Konsequenzen. Im Gegenteil, ohne die Schulleitungen vorher zu informieren, macht man diese im

Rahmenvertrag für die Essensversorgung und die gesamte Organisation verantwortlich, stellt aber keinerlei Ressourcen bereit. Man kann sich vorstellen, dass dann der erstbeste Caterer genommen wird, da man sich als Schulleiter nicht auch noch Gedanken um Ernährungsthemen machen kann.

Gleichzeitig wird eine Planung für die Kantinen erstellt, die den Erfordernissen nicht entspricht und alles andere als genau ist. Man nimmt einfach an, dass 50 Prozent der Kinder an der Ganztagsbetreuung teilnehmen werden, plant mit drei Durchgängen und geht davon aus, dass das schon hinkommen wird. Auf unsere Nachfrage im Ausschuss musste der Senator einräumen, dass er nicht genau weiß, ob das passen wird. Wenn man sich die Pilotstandorte anschaut, dann werden bei drei von sechs die 50 Prozent ungefähr erreicht und an einem Standort überschritten. Das sind noch nicht die Standorte, bei denen man nachher die höchsten Betreuungsquoten erwarten kann. Wir müssen also davon ausgehen, dass es an einigen Standorten vier Durchgänge geben wird und die Kinder erst nach einer Stunde oder einer Stunde und 20 Minuten essen dürfen. Meine Tochter hat aber Hunger, wenn sie aus der Schule kommt, und nicht erst anderthalb Stunden später. Herr Rabe, das wird Ihnen noch ganz gewaltig um die Ohren fliegen.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der GAL)

Was das Thema Geld anbelangt, bin ich dem Senat und der SPD-Fraktion sehr dankbar, dass Sie mich finanziell von den Gebühren entlastet haben, das ist wunderbar, aber ich hätte das Geld lieber in die Qualität des Essens gesteckt. Das sagen auch viele Eltern in der Studie. Herr Rabe ist nicht da, aber vielleicht kann das jemand vom Senat ausrichten, die Zweite Bürgermeisterin hört ja zu. Der Senat wäre sehr gut beraten, sich das noch einmal ganz genau anzuschauen. In der Vergangenheit musste Herr Rabe oft genug auf Druck reagieren, so bei den Themen Geschwisterregelung und Flexibilität der Ganztagsbetreuung. Es ging immer erst dann, wenn Facebook, die Opposition und alle anderen aktiv wurden.

(Andy Grote SPD: Glauben Sie, dass Face- book mehr Druck macht als die Opposition?)

Facebook und die Opposition ergänzen sich sehr gut.

(Beifall bei der CDU)

Hier werden ebenfalls alle aktiv werden. Das Thema GBS ist bei Weitem noch nicht durch, da kommt noch sehr viel, wenn im Sommer die Ganztagsbetreuung in die Fläche geht. Wir werden im Herbst eine öffentliche Anhörung haben, und ich prophezeie dem Schulsenator einen heißen Herbst. Wenn er mehr Druck haben möchte, dann kann er ihn gerne bekommen. Wir werden es uns

(Gerhard Lein)

nicht nehmen lassen, im Rahmen der Ausschussberatungen zur GBS einfach über das Thema Kantine und Produktionsküchen zu sprechen, das gehört nämlich dazu. Auch wenn Sie das nicht wollen, wir werden es tun. Sie haben noch die Gelegenheit, den Antrag heute zu überweisen. Damit würden Sie wenigstens zeigen, dass Ihnen das Thema wichtig ist. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Stefanie von Berg, Anja Hajduk und Jens Kerstan, alle GAL)

Frau von Treuenfels, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die Essensversorgung an Hamburger Schulen ist zweifellos nach wie vor ein Problem, und wie wir sehen, ein großes. Es wimmelt nur so vor Provisorien. Klassenzimmer, Aulen und Pausenhallen werden zu Kantinen umfunktioniert. Die Schüler essen, wie wir heute schon oft gehört haben, leider in verschiedenen Schichten, manchmal in drei bis vier. Dazu kommt das von Senator Rabe zu verantwortende Organisationswirrwarr bei der Einführung neuer GBS-Standorte. Unklar ist vielerorts noch immer, wer für die Auswahl des Caterers, die Organisation der Mittagspause und die Betreuung verantwortlich ist. Dass das Thema Mittagessen in Schulen ein Reizthema ist, hat nicht zuletzt die Evaluation der GBS-Pilotstandorte deutlich gemacht.

Meine Damen und Herren! Diese Situation kann nur verbessert werden, wenn sinnvolle Lösungen auf Akzeptanz bei Kindern und Eltern stoßen und auf Dauer bezahlbar sind. Deshalb finden wir den Antrag der GAL-Fraktion im Grundsatz sehr diskussionswürdig.

Ihr Antrag, liebe GAL, lässt aus unserer Sicht aber einige Fragen offen, die wir gern mit Ihnen im Schulausschuss diskutieren würden. Sie schätzen die Kosten für eine Produktionsküche auf circa 600 000 Euro, aber mit einer Küche allein ist es nicht getan, denn es braucht auch Kantinenräumlichkeiten. Diese Kosten haben wir in der Berechnung nicht gefunden.

Die Deutsche Gesellschaft für Ernährung kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Einrichtung einer Produktionsküche ab 200 Mittagessen rechnet. Diese Zahl an Essen kann nicht an jeder Schule erreicht werden. Die GAL schlägt regionale Verbünde vor, das heißt, Schulen mit Produktionsküche beliefern Nachbarschulen ohne eine solche Küche. Aber wenn nur ein Teil für den eigenen Bedarf produziert wird und der andere ausgeliefert wird, dann stimmt die Kalkulation unserer Auffassung nach nicht. Um Schulen in der Nähe zu beliefern, braucht man eine bezahlbare Logistik: Trans

porter, Fahrer, Warmhaltevorrichtungen und dergleichen mehr. Und wer soll die Küchen betreiben, die Schulen oder ein externer Caterer? In jedem Fall entstehen Mietkosten, die an "Schulbau Hamburg" zu zahlen oder von Caterern in Form einer Pacht zu entrichten sind. Auch diese Kosten haben wir in der Kalkulation nicht gefunden.

Wenn ich darüber hinaus die Begründung lese, liebe Kollegen von der GAL, dann habe ich den Eindruck, mit den Schulküchen können wir die Probleme dieser Welt oder zumindest die sozialen Probleme dieser Stadt lösen. In den Augen der GAL sind Schulkantinen die Lösung von Essstörungen und Übergewicht, ein Auffangbecken für Schüler, die keinen Praktikums- oder Ausbildungsplatz haben, und ein Garant für Mindestlöhne. Gleichzeitig sollen sie Stadtteilrestaurant und Begegnungsraum sein, wenn die Mittagspause der Schule vorbei ist. Sie überfrachten eine im Grunde sehr gute Idee wieder einmal mit zu hohen Ansprüchen. Die Schulen allein können nicht die sozialen Probleme dieser Stadt lösen, auch wenn die GAL sich das noch so wünscht. Schulpolitik ersetzt keine Sozialpolitik.

Meine Damen und Herren! Nehmen wir alle diese Aspekte zusammen, dann sehen wir Liberale noch erheblichen Diskussionsbedarf. Hier wie bei manchem anderen Antrag der GAL gilt: Gut gemeint ist noch lange nicht gut gemacht.

(Beifall bei der FDP)

Deshalb möchten wir den Antrag im Schulausschuss diskutieren und würden uns freuen, wenn sich die SPD dazu hinreißen lassen könnte, ihre Meinung zu ändern, denn über diesen Antrag muss man diskutieren.

(Beifall bei der FDP)

Frau Heyenn, Sie haben das Wort.