Die Ausgangslage ist eindeutig. In den vergangenen drei Jahren wurde der Personalbestand in der Hamburger Verwaltung um 3 000 Beschäftigte erhöht, aber niemand kann genau sagen, wo das Personal eingesetzt wurde. Fest steht nur, dass es sich überwiegend nicht um Lehrerinnen und Lehrer, Hochschuldozenten, ASD-Beschäftigte oder Polizeivollzugskräfte gehandelt hat. Der neue Senat hat deshalb im Mai letzten Jahres alle weiteren zusätzlichen Stellenplananträge aus den Haushaltsunterlagen des Vorgängersenats gestrichen, mit Ausnahme der Stellen für Lehrerinnen und Lehrer und einige Steuerfahnder. Das Ziel des Senats zur Personalreduzierung in einer Größenordnung von 250 Beschäftigten pro Jahr wurde in der Haushaltsdrucksache ausdrücklich verbunden mit der Aussage:
So haben wir es auch im Haushaltsausschuss vorgetragen. Dies entspricht den sogenannten Wahlversprechen, dem Arbeitsprogramm des Senats und auch den Beschlüssen aller Parteien im sogenannten Schulfrieden. Die Personalkosten für zusätzliche Lehrkräfte, die sich aus dem Anstieg der Schülerzahlen und den beschlossenen Klassengrößen errechnen, waren im Haushaltsplan des jetzigen Senats und des Vorgängersenats enthalten. Ebenfalls veranschlagt sind zusätzliche Sozialarbeiter in Schulen, die aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung finanziert werden. Außerdem hat der Senat den Hochschulen
autonome Entscheidungen über ihr Personal eingeräumt, das sie aus ihrem Budget und zum Teil aus Drittmitteln finanzieren. Nicht gekürzt wird also bei den zusätzlich Beschäftigten in den Universitäten, den Sozialarbeitern und den Lehrkräften in Schulen. Das als Aufblähung der Verwaltung zu bezeichnen wie in einigen Pressemitteilungen der Opposition ist eine Haltung, die der Senat nicht teilt.
Es geht bei den Lehrerinnen und Lehrern um Entscheidungen von Senat und Bürgerschaft, die zum Teil schon in der letzten Legislaturperiode getroffen wurden,
die jetzt vollzogen werden und in den Haushaltsplänen berücksichtigt waren. Bezogen auf diesen Stand hat der neue Senat im Mai beschlossen, die Haushaltskonsolidierung dadurch zu unterstützen, dass wir in der Verwaltung die Zahl der Beschäftigten um 250 pro Jahr verringern. Dieses Vorhaben ist konsequent von den Behörden verfolgt und bereits im ersten Jahr erreicht worden. Trotz der Übernahme von 350 Nachwuchskräften für Polizei, Justiz, Feuerwehr und Finanzämter, trotz einer Verstärkung der sozialen Dienste und Amtsvormundschaften der Bezirke sowie der Übernahme von City-BKK-Rückkehrern haben wir die Zahl der Beschäftigten im öffentlichen Dienst, außer in Schulen und Hochschulen, um genau 269 Vollzeitkräfte reduziert. Wir reden nicht über Stellen, sondern über Vollzeitkräfte; das haben wir im Haushaltsausschuss sorgfältig besprochen.
Deswegen haben wir 2011 auch nicht mehr, sondern weniger Personalausgaben gehabt als geplant, genau 86,6 Millionen Euro, ein Betrag, der sich aus verschiedenen Teilbeträgen zusammensetzt, aber eben auch ein Teilbetrag aus Personaleinsparungen von rund 250 Beschäftigten, die wir mit 12,5 Millionen Euro angegeben haben. Diesen Weg werden wir fortsetzen und mit einer entsprechenden Aufgabenkritik begleiten, weil es richtig ist und weil wir dazu gezwungen sind durch eine Haushaltslage, für die einige hier im Hause verantwortlich sind.
Wir werden das Personal, das die Stadt hat und das sie für ihre Aufgaben braucht, in den richtigen Bereichen einsetzen. – Vielen Dank.
Herr Senator, das war eine noch größere Melange von Dingen, die da sein könnten und eventuell vielleicht passieren, weil man sie sich vorgenommen hat, als ich vermutet hatte. Sie haben es gerade geschafft, uns drei bis vier Minuten lang
zu beruhigen und zu sagen, das sei alles konsequent, man mache eine Aufgabenkritik und sei mit einer Punktlandung herausgekommen. Wenn Sie sich aber die Zahlen in der Großen Anfrage anschauen, wenn Sie sich die Aussagen Ihrer Fachbehörden in den Ausschüssen anhören und sich die Realitäten im Haushaltsplan vergegenwärtigen, dann hat das überhaupt nichts mit Steuerung zu tun, sondern ist eine Mischung von Zufällen, die Sie hinterher schönreden.
Ich möchte Sie auffordern, das zu lassen. Je nebulöser Sie werden – und Sie waren gerade extrem nebulös –, desto schwieriger wird es für jeden Betroffenen, sich Gedanken zu machen, wo und wie Ihre Aufgabenkritik stattfinden könnte und wo Sie ansetzen wollen mit Ihrem angeblich so strukturierten, vorbereiteten und geplanten Vorgehen. Sie versuchen, das Parlament konsequent auch im Ton zu beruhigen, aber Sie sagen nicht konkret, was Sie vorhaben.
Die Überweisung der Großen Anfrage ist die einmalige Chance, im Ausschuss Farbe zu bekennen. Das haben Sie bisher nicht getan, das ist eine Falschaussage, die Sie getroffen haben. Daher kann ich die SPD-Fraktion nur dazu animieren, der Überweisung dieser Großen Anfrage zuzustimmen, denn dann erfahren Sie, was Ihr Senat in concretum vorhat und nicht nebulös, was er vielleicht vorhaben könnte.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Sehr geehrter Herr Senator Dr. Tschentscher, auf einen Punkt hätten Sie eingehen sollen in Ihrem Beitrag. Dass Sie noch einmal dargestellt haben, dass Sie ganz bewusst als Senat entschieden haben, bestimmte Bereiche von den Personaleinsparungen auszunehmen und damit auch Beschlüsse aus der vorherigen Legislaturperiode ausdrücklich weiterzutragen und zu stützen, ist richtig. Das bezieht sich auf den Bereich Hochschule und Schule, wie Sie gesagt haben.
sonalhaushalt wirklich ein Defizitabbau und Einsparungen für den Haushalt zu erreichen sind. Das sind Ihre Erwartungen, die Sie in die Welt gesetzt haben, Ihre 12,5 Millionen Euro pro Jahr, die dann zur Gegenfinanzierung für zusätzliche Ausgaben zur Verfügung stünden.
Sie sagen, Sie haben den Abbau von 269 Vollzeitäquivalenten, um dieses wunderbare Wort zu verwenden, erreicht. Faktisch ist damit aber der Personalhaushalt um einen hohen zweistelligen Millionenbetrag angewachsen, nämlich um über 60 Millionen Euro. Sie hätten ein Wort dazu sagen müssen, wie Sie den Personalhaushalt in den nächsten zehn Jahren überhaupt steuern wollen und dass Sie sich im Grunde gar nicht zutrauen, dort Einsparungen zu vollziehen. Das wäre dann vielleicht eine Übersetzung der Realität gewesen. Dem sind Sie in einer Weise ausgewichen, die für einen Finanzsenator nicht gut und würdig ist.
Wer stimmt einer Überweisung an den Haushaltsausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.
Ich stelle fest, dass die Bürgerschaft von der Großen Anfrage aus der Drucksache 20/3008 Kenntnis genommen hat.
Wir kommen zu Punkt 39, Drucksache 20/3749, Antrag der GAL-Fraktion: Kinderschutz: Fallzahlbegrenzung für Fachkräfte in den Jugendämtern.
[Antrag der GAL-Fraktion: Kinderschutz: Fallzahlbegrenzung für Fachkräfte in den Jugendämtern – Drs 20/3749 –]
[Antrag der Fraktion DIE LINKE: Kinderschutz: Fallzahlbegrenzung für Fachkräfte in den Jugendämtern – Drs 20/3873 –]
Die SPD-Fraktion möchte den GAL-Antrag an den Familien-, Kinder- und Jugendausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Frau Blömeke, Sie haben es.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Bei unserem Antrag handelt es sich um das genaue Gegenteil dessen, was
wir eben diskutiert haben. Eben ging es um Personaleinsparungen, hier wird es um eine bessere Stellenausstattung gehen. Ich bin etwas erstaunt – aber ich komme auch nicht ganz aus diesem Bereich –, dass Senator Tschentscher Hochschule und Schule als Ausnahmebereiche aufführte. Meiner Erinnerung nach gehörte in dem Bereich, der nicht bespart wird, der Allgemeine Soziale Dienst dazu.
Meine Damen und Herren! In den Hamburger Jugendämtern herrscht Notstand. Ich möchte Ihnen das am Beispiel der Jugendämter in Wandsbek erläutern, nicht zuletzt deshalb, weil sich in Wandsbek der Fall des vermeintlichen Kindesmissbrauchs ereignet hat, der durch die Presse ging. 14 von 80 Fachkraftstellen sind dort unbesetzt, von den verbliebenen 66 Mitarbeitern sind nur 37 Prozent erfahrene Fachkräfte, und nur 50 Prozent der in Leitungsfunktionen arbeitenden Mitarbeiter sind erfahren. 19 Mitarbeiter haben im Jahr 2011 gekündigt oder ihren Aufgabenbereich gewechselt. Mit rund 70 gleichzeitig pro Mitarbeiter zu bearbeitenden Fällen besteht die höchste Fallbelastung von ganz Hamburg. Bis zu 100 Meldungen liegen auf dem Tisch des Eingangsmanagements, 100 Fälle, die als Meldungen eingehen und um die sich ein Mitarbeiter kümmern muss. Allein im Jahr 2011 gab es sechs kollektive Überlastungsanzeigen aus den Abteilungen sowie diverse individuelle.
Meine Damen und Herren! Das ist die alarmierende Bilanz der Wandsbeker Jugendämter, auch Allgemeine Soziale Dienste, in Wandsbek. Zu den Wandsbeker Jugendämtern, ich erwähnte das eben schon, gehört auch das Jugendamt Steilshoop, das aktuell durch den Missbrauchsfall eines jetzt neunjährigen Mädchens in die Kritik geraten ist. Den Mitarbeiterinnen wird vorgeworfen, Meldungen mit Hinweis auf Kindesmissbrauch oder Kindeswohlgefährdung nicht nachgegangen zu sein. Ich kann den Einzelfall nicht beurteilen, aber in den Hamburger Jugendämtern herrscht Notstand. Wenn ein Mitarbeiter dort 50 bis 70 Fälle gleichzeitig bearbeiten muss oder bei 100 Meldungen entscheiden muss, welchem Fall er sofort nachgeht und welchem später, dann können Sie sich ausmalen, was passiert. Der Mitarbeiter wird entweder krank oder es fehlt an Sorgfalt und Zeit zur Bearbeitung der eingehenden Fälle oder auch an Zeit zur Hilfe in den Familien und bei den Kindern.
Die vorzeitige Schuldzuweisung, dass Mitarbeiter ihre Sorgfaltspflicht nicht wahrgenommen hätten, ist unserer Meinung nach daher zu einseitig und trifft die Sachlage nicht. Es zeigt sich, dass alle Maßnahmen zur Verbesserung der Situation bislang nur ein Tropfen auf den heißen Stein waren. Wie Sie wissen, hat Schwarz-Grün 30 Stellen mehr in den ASD investiert. Heute müssen wir feststellen, dass sich die Situation weiter zugespitzt hat
und dass das nicht reicht. Zwar hat der SPD-Senat die Bezahlung der Hamburger ASD-Mitarbeiter auf den Bundestarif angeglichen, aber die politische Entscheidung, die Stellen im ASD aufzustocken, ist nicht gefallen. Im Gegenteil, anstatt für mehr Mitarbeiter im ASD zu sorgen, setzt die SPD jetzt auf Kinderschutz und Jugendhilfe per Mausklick, das konnten wir neulich in der Presse lesen. Eine neue Software in den Jugendämtern soll die Mitarbeiter kontrollieren und die Arbeitsbelastung senken. Verehrte Kollegen der SPD-Fraktion, ich kann nicht glauben, dass Sie die Meinung des Senators teilen. Ist das noch dieselbe SPD, die vor gut einem Jahr massiv gegen die Einführung der neuen Software JUS-IT gewettert hat?
Ist das noch dieselbe SPD, die in der Opposition nicht müde wurde, mit Ihren Abgeordneten Veit und Kienscherf die Unterbesetzung der ASDs anzuprangern und den Kinderschutz mit oberster Priorität immer wieder zu diskutieren? Hat sich diese SPD jetzt so gewandelt, dass sie einer Software das Schicksal unserer Kinder anvertraut? Wir Grüne meinen, dass es, um den Schutz der Kinder zu verbessern, mehr Menschen braucht, die in die Familien gehen, und vor allem mehr Zeit,
um diesen Familien mit ihren, wie wir doch alle wissen, sehr komplexen Problemlagen zu helfen. Eine Computersoftware kann diesen Prozess nur begleiten, aber doch nicht ersetzen. Machen Sie sich bitte klar – und ich merke an Ihrem Schweigen, dass die Situation Sie betroffen macht –, dass wir auf einem familienpolitischen Pulverfass sitzen. Der Notstand in den Jugendämtern bleibt, auch mit der Einführung der neuen Software. Wir waren alle betroffen durch den Tod von Kindern bei uns, zuletzt von Chantal, und wir sind jetzt genauso betroffen durch den Missbrauchsfall in Steilshoop. Aber wir dürfen bei der Betroffenheit nicht stehen bleiben. Wenn wir es mit dem Kinderschutz ernst meinen, dann muss eine grundlegende Änderung her. Und weil das Problem nicht nur eine Hamburgensie ist, setzen wir uns bundesweit für eine einheitliche Obergrenze von maximal 35 Fällen pro Vollzeitstelle ein. Sollte sich im Bundesrat keine Mehrheit finden, dann muss Hamburg alleine vorangehen und eine Fallzahlobergrenze definieren.
Wir fordern den Senat auf, den Notstand in den Jugendämtern nicht länger auszusitzen. Stimmen Sie unserem Antrag zur Begrenzung der Fallzahlen zu. Verehrte Kolleginnen und Kollegen der SPD-Fraktion, vor allen Dingen diejenigen, die sich lange für den Kinderschutz eingesetzt haben, weisen Sie Ihren Senat darauf hin, dass Kinderschutz per Mausklick nicht ausreichend ist.