Ein Thema wurde in der Großen Anfrage nicht abgefragt, dabei gewinnt es zunehmend an Gewicht. Das "Hamburger Abendblatt" widmete dem Thema "kultursensible Pflege" in der letzten Freitagsausgabe einen großen Artikel. Wir haben dazu vor einigen Tagen eine Schriftliche Kleine Anfrage eingebracht.
Die erste Generation der Gastarbeiter, die in den Sechzigerjahren nach Deutschland gekommen ist, hat mittlerweile längst das Rentenalter erreicht. Ihre Kinder und Enkel sind hier geboren worden und werden hier bleiben, und darum kehrt auch die erste Generation nicht zurück in ihre Heimatländer, wie viele von ihnen es ursprünglich geplant hatten. Viele sind mittlerweile pflegebedürftig. Es gibt in Hamburg nur wenige Projekte, in denen pflegebedürftige Senioren mit Migrationshintergrund betreut werden. Unter dem Stichwort "kultursensible Pflege" arbeiten in den Projekten Pflegekräfte und Ärzte mit speziellen Sprachkenntnissen, denn insbe
sondere Demenzkranke vergessen ihre Deutschkenntnisse. Es werden dort Gerichte angeboten, die sich an die kulturellen Gewohnheiten der Senioren anpassen, und die Einrichtungen geben acht auf spezielle kulturelle Wünsche. Herausragendes, aber leider fast einziges Beispiel ist die Tabea-Klinik mit der Türkei, die im fünften Stock zu finden ist.
Es gibt zu wenige Angebote dieser Art und es ist Aufgabe der Politik, die Rahmenbedingungen so zu gestalten, dass die Bedürfnisse pflegebedürftiger Migranten und ihrer Familien ausreichend berücksichtigt werden.
Wir würden die Große Anfrage gern im Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration debattieren und beantragen deshalb eine Überweisung.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Das Handlungskonzept zur Integration von Zuwanderern soll neu ausgerichtet werden. Die SPD hat sich nun nach einem Jahr Regierung endlich mit diesem Thema beschäftigt und ein Eckpunktepapier vorgelegt. Das begrüßen wir als Fraktion DIE LINKE natürlich, weil wir schon seit Längerem der Meinung sind, dass es das Beste wäre, das bestehende Konzept zu entsorgen und die ganze Sache noch einmal neu zu überdenken.
Wir haben bisher über Integration gesprochen, aber dabei die Themen Rassismus und Diskriminierung ausgelassen. Im Eckpunktepapier wird nun endlich – das wurde auch einmal Zeit – die Diskriminierung erwähnt; das ist schon einmal ein wichtiger und richtiger Schritt.
Werfen wir einen Blick auf die Große Anfrage der CDU. Dort wird zum Beispiel eine Studie zu Intoleranz, Vorurteilen und Diskriminierung aus dem Jahr 2011 erwähnt. Demnach ist die Hälfte der europäischen Befragten der Ansicht, es gäbe zu viele Zuwanderinnen und Zuwanderer in ihrem Land. Ein Drittel glaubt sogar an eine natürliche Hierarchie zwischen den Ethnien und die Hälfte verurteilt den Islam pauschal als Religion der Intoleranz. Da müssen wir uns fragen, wo soll Integration ansetzen, bei den Menschen, die aufgrund ihrer ethnischen Herkunft in diesem Land Diskrimi
nierung erfahren müssen, oder vielleicht doch bei den 50 Prozent, die ohnehin schon der Meinung sind, die Zuwanderer sollten gar nicht hier sein?
Erfahrungen mit Diskriminierung sind nicht gerade integrationsfördernd, das weiß wahrscheinlich auch der Senat. Deshalb wird die Antidiskriminierungsberatung für Migrantinnen und Migranten von "basis & woge" als eine besonders erfolgreiche Maßnahme bezeichnet. Der Senat hat recht, diese Beratungsstelle macht eine ausgezeichnete Arbeit. Weil sich diese ausgezeichnete Arbeit auch bei den Betroffenen herumspricht, steigen die Fallzahlen kontinuierlich an.
nur circa zehn Stunden in der Woche geleistet werden, denn mehr als 20 000 Euro sind in diesem Jahr für diese erfolgreiche Maßnahme leider nicht vorgesehen, und das bei vermutlich Zehntausenden von Betroffenen in dieser Stadt.
Wenn also Integration gefördert werden soll, dann sollte endlich der Forderung nach Einrichtung eines regulären Antidiskriminierungsbüros nachgekommen werden.
Eine weitere vom Senat als besonders erfolgreiche Maßnahme bewertete Einrichtung ist das "Hamburg Welcome Center" – ich zitiere aus der Drucksache –:
"Das HWC ist Ausdruck einer städtischen Willkommenskultur im Sinne einer zuwanderungsfreundlichen Metropole."
Das ist schön, aber leider können nur wenige Privilegierte ihre ausländerrechtlichen Angelegenheiten dort erledigen. Die Masse der Betroffenen muss im schlimmsten Fall zur Zentralen Ausländerbehörde oder in die Bezirke gehen. Wenn man dann noch Pech hat und in Wandsbek wohnt oder in Hamburg-Mitte oder in Altona, dann kann man erleben, was Ausdruck einer Willkommenskultur heißt. Was dort passiert, ist nicht Ausdruck einer städtischen Willkommenskultur im Sinne einer zuwanderungsfreundlichen Metropole, sondern ein klarer Ausdruck von "Du bist hier nicht erwünscht". Eine telefonische Erreichbarkeit ist nicht vorhanden, die existiert nur in der Theorie, Termine gibt es nicht. Stattdessen stellt man sich dort am besten schon nachts in die Schlange, damit man eventuell nach
der Öffnung der Ausländerabteilung noch eine Wartenummer bekommt. Dann hat man Glück gehabt und muss bis zu fünf Stunden warten. Anschließend kann man einen Antrag stellen und erfährt, welche Unterlagen noch vorzulegen sind. Die bringt man dann das nächste Mal mit, und dann muss man noch einmal zum Abholen hin und noch einmal bis zu zwei Stunden warten. Die meisten bekommen allerdings keine Wartenummer mehr, die können es dann am nächsten Tag noch einmal versuchen. Und in der Warteschlange können sie tüchtig darüber nachdenken, wie sie sich in der zuwanderungsfreundlichen Metropole Hamburg denn integrieren können.
Übrigens gilt diese Prozedur seit September vergangenen Jahres auch für Kinder ab sechs Jahren, weil Fingerabdrücke genommen werden müssen. Dass es auch anders geht, können wir in Bergedorf sehen. Dort erfolgt eine Terminvergabe, innerhalb von zwei Wochen gibt es einen Termin und es gibt keine Wartezeit.
Was noch in dieser Großen Anfrage auffällt, ist, dass in der Senatsantwort keine besonders erfolgreichen Maßnahmen gegen Rechtsextremismus und Rassismus aufgeführt sind; anscheinend hat es die nicht gegeben. Aber unter der Rubrik besondere Probleme und Handlungsfelder in den 20 Stadtteilen mit dem höchsten Anteil von Menschen mit Migrationshintergrund findet sich ein winziger Hinweis. In Neuwiedenthal ist tatsächlich als Problemfeld festgestellt worden, dass es Vorurteile gegenüber Migrantinnen und Migranten gibt. Zielgruppe der besonderen Projekte, die daraufhin durchgeführt wurden, sind aber dennoch – jetzt dürfen Sie dreimal raten – natürlich Migrantinnen und Migranten. Immerhin hat die BASFI das Thema Diskriminierung und Vorurteil für die Leitlinien der Neuausrichtung des Handlungskonzepts entdeckt; das ist bereits ein Fortschritt.
Herr Haufler und Frau Demirel haben bereits erwähnt, dass die Stellen der bezirklichen Integrationsbeauftragten größtenteils noch nicht gesichert sind. Die Arbeit, die in den Bezirken von diesen Beauftragten geleistet wird, ist wichtig und sollte finanziert werden und weiterhin erhalten bleiben.
Ihnen sollte bekannt sein, dass eine integrative Gesellschaft nicht durch eine Absichtserklärung entsteht und Integration auch nicht zum Nulltarif zu haben ist. Herr Abaci hat die Parole ausgerufen, wir machen uns als SPD stark. Das Wichtigste, was Sie machen müssten, ist, einmal stark in die Tasche zu greifen und stark in die Integration zu investieren. Dass Sie nicht einmal eine Große Anfrage an den Ausschuss überweisen, weil Sie Angst vor einer Debatte mit den anderen Faktionen haben, ist einfach nur peinlich.
Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/3460 an den Ausschuss für Soziales, Arbeit und Integration zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist das Überweisungsbegehren abgelehnt.
Wer schließt sich der Empfehlung an, die der Eingabenausschuss zur Eingabe 64/12 abgegeben hat? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist dann mehrheitlich so beschlossen worden.
Wer möchte der Empfehlung folgen, die der Eingabenausschuss zur Eingabe 132/12 abgegeben hat? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist dann einstimmig so beschlossen.
Wer schließt sich den Empfehlungen zu den übrigen Eingaben an? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Dann ist auch das einstimmig so geschehen.
Wer schließt sich der Empfehlung an, die der Eingabenausschuss zur Eingabe 133/12 abgegeben hat? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist mehrheitlich so beschlossen.