Protokoll der Sitzung vom 23.05.2012

(Beifall bei der LINKEN und bei Gabi Do- busch SPD)

Wenn wir das schaffen, dann hat sich die Aufregung in Hamburg komplett erledigt und wir können uns Themen zuwenden, die den Menschen mehr unter den Nägeln brennen als Kippen verglimmen können, zum Beispiel die Folgen der Schuldenbremse, die Kürzungen im Sozialhaushalt und als Nächstes die Verhinderung der Nazi-Demo am 2. Juni.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei der SPD)

Das Wort hat nun Frau Senatorin Prüfer-Storcks.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es stimmt, ich bin mehrfach richtig zitiert worden, ich habe mich ausgesprochen für ein absolutes Rauchverbot in öffentlichen Räumen. Aber im Unterschied zu vielen von Ihnen halte ich das nicht für eine sensationelle Nachricht, sondern für einen integralen Bestandteil der Stellenbeschreibung einer Gesundheitssenatorin. Insofern nehme ich mir auch die Freiheit heraus, in dieser Frage die reine Lehre zu

(Kersten Artus)

vertreten. Herr Wersich, als ich hörte, dass Sie die Abstimmung in Ihrer Fraktion zu dieser Frage freigegeben haben, glaubte ich einen Moment lang, Sie hätten das als ehemaliger Gesundheitssenator gemacht, um mir Gesellschaft in diesem Bereich zu leisten. Aber das ist bis heute nicht passiert. Es ist jedoch auch noch nicht das Ende aller Debatten zu dieser Frage.

(Heiterkeit bei der LINKEN)

Ich bin aber auf der anderen Seite auch lange genug in der Politik, um zu wissen, dass man sich nicht immer zu 100 Prozent durchsetzt. Es ist selbstverständlich das Recht der Bürgerschaft, auch andere Aspekte mit zu berücksichtigen und zu anderen Entscheidungen zu kommen. Für mich ist es nicht entscheidend, ob ich mich zu 100 Prozent durchgesetzt habe, sondern ob es einen deutlichen Schritt nach vorn beim Thema Passivraucherschutz gibt oder nicht.

(Beifall bei der SPD)

Die Messlatte würde ich dann auch gern an alle Überlegungen anlegen, die jetzt auf dem Tisch liegen oder im Raum stehen. Ich sehe bei der SPD-Fraktion, dass sich wirklich viele ernsthaft bemühen, den Passivraucherschutz deutlich zu verbessern, ohne aber die Belange der Gastwirte und Raucher ganz zu ignorieren und ein Angebot für einen parteiübergreifenden Konsens zu machen in einer Frage, die durchaus emotional und kontrovers in allen Fraktionen diskutiert wird. Deshalb bleibt für mich festzuhalten: Wenn ich mir den Vorschlag der SPD-Fraktion ansehe, dann bringt diese Neuregelung wesentlich mehr Passivraucherschutz als die jetzige Rechtslage in Hamburg.

(Beifall bei der SPD)

Außerhalb der Gastronomie werden wir dann ein absolutes Rauchverbot in öffentlichen Einrichtungen haben. Innerhalb der Gastronomie wird es aufwendig und schwierig sein, Raucherräume einzurichten, und deshalb gehe ich davon aus, dass wir einen deutlichen Rückgang von Raucherräumen und kein Ausweiten des Rauchens im öffentlichen Raum haben werden.

Für den Gesundheitsschutz wäre dies ein deutlicher Schritt nach vorn, denn die jetzige Regelung im Gesetz, die auch schon rein theoretisch besagt, dass Raucherräume abgeschlossen sein müssten, bleibt ein zahnloser Tiger, wenn man das nicht mit ganz konkreten Anforderungen in einer Verordnung hinterlegt und deren Einhaltung auch scharf kontrolliert.

(Beifall bei der SPD)

Ich bin der Meinung, dass es für Nichtraucher, für Passivraucher sehr viel schlechter gewesen wäre, wenn wir nicht zu einer schnellen Neuregelung kommen würden und überall in Hamburg nach der jetzigen, vom Bundesverfassungsgericht geschaf

fenen Rechtslage, neue, überhaupt nicht abgeschlossene Raucherräume eingerichtet worden wären.

(Beifall bei der SPD)

Wenn ich mir dann den Antrag der GAL-Fraktion ansehe, Frau Fegebank, dann sprechen Sie zwar von einem absoluten Rauchverbot, lösen es aber in Ihrem Antrag nicht ein.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Ja, genau!)

Nach Ihrem Vorschlag darf in allen öffentlichen Einrichtungen weiterhin in Raucherräumen, für die es keine Auflagen gibt, geraucht werden, nur in der Gastronomie nicht. Das erweckt den Eindruck, als würden sich die Hamburgerinnen und Hamburger überwiegend in Gastwirtschaften aufhalten und nicht in Einkaufszentren, Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Bildungsstätten, Kultureinrichtungen oder Behörden.

(Beifall bei der SPD)

Aus meiner Sicht stellt dies das Problem auf den Kopf, nämlich strenge Regelungen für diejenigen vorzusehen, die wirtschaftlich betroffen sind, und ganz lockere Regelungen für die, die gar kein wirtschaftliches Interesse an Raucherräumen haben.

Die Gründe, warum die CDU-Fraktion jetzt von ihrer Zustimmung im Gesundheitsausschuss abrückt, sind für mich verfassungsrechtlich und rechtlich nicht schlüssig. Und sie würden auch nur eine Konsequenz nach sich ziehen, nämlich dass Sie keine technischen Auflagen für Raucherräume wollen und das Rauchen in Eckkneipen absolut freigeben wollen. Das wäre aus meiner Sicht ein deutlicher Rückschritt beim Passivraucherschutz.

(Beifall bei der SPD)

Herr Schinnenburg, was Ihren rechtlichen Einwand betrifft, so orientiert man sich bei Einschätzungen, ob etwas verfassungswidrig ist oder nicht, am besten immer am Wortlaut der Urteile des Bundesverfassungsgerichts selbst. Danach kann dem Gesundheitsschutz eine so hohe Bedeutung eingeräumt werden, dass auch hohe technische Anforderungen an die Abgeschlossenheit von Raucherräumen zu stellen sind. Dass das eventuell nicht von allen Gastwirten umgesetzt werden kann, ist hinnehmbar im Sinne des Gesundheitsschutzes.

(Katja Suding FDP: Darum geht es doch gar nicht!)

Und auch bei einer Eckkneipen-Regelung ändert sich gegenüber dem jetzigen Zustand überhaupt nichts. Gerade hier soll keine Änderung vorgenommen werden. Es ist aus meiner Sicht auch nicht notwendig, dass dies geändert wird. Das Bundesverfassungsgericht selbst hat diesen Typus der Gastronomie, die getränkegeprägte Kleingastronomie, umschrieben und sie aus wirtschaftlichen Gründen geschützt und nicht aus Gründen des

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)

Gesundheitsschutzes. Es hat allerdings auch festgestellt, dass die Rauchereckkneipen für den Gesundheitsschutz auch deshalb nicht eine so hohe Bedeutung hätten, weil dort kaum Nichtraucher verkehrten. Das jedenfalls ist das Ergebnis des Bundesverfassungsgerichts nach Anhörung auch von Verbänden. Deshalb bin ich der Meinung, dass das, was von der SPD-Fraktion vorgelegt wurde, ein Schritt nach vorn ist beim Passivraucherschutz, und es ist auch verfassungsfest.

(Beifall bei der SPD)

Meine Damen und Herren! Die SPD hatte versucht, eine parteiübergreifende Regelung zustande zu bringen. Ich weiß nicht, ob das noch gelingt.

(Glocke)

Ich habe leichte Zweifel nach der Debatte, aber an einer schnellen Regelung sollte man festhalten, damit Rechtssicherheit für alle Beteiligten besteht.

(Lang anhaltender Beifall bei der SPD)

Frau Senatorin, wenn Sie die Klingel hören, ist das in der Regel ein Zeichen, dass es kurz innezuhalten gilt. Im Übrigen haben Sie die Redezeit, die den Abgeordneten zur Verfügung steht, um 50 Prozent überschritten. – Jetzt hat das Wort Herr Müller.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Frau Artus, ich möchte vorweg für meine Fraktion zurückweisen, dass wir nicht in der Lage seien, ein wichtiges politisches Thema anzumelden. Ich finde es auch nicht hilfreich, dass sich die Demokraten, die später zusammenstehen sollen, im Vorfeld schon durch Sie aufspalten lassen; das machen wir nicht mit. Wir werden nachher darüber diskutieren, aber nach Ihrem Beitrag und einigen anderen Dingen werden wir noch eine zweite Runde machen.

(Beifall bei der GAL)

Ich habe von der Regierungsfraktion, von Herrn Schäfer und auch von der Senatorin, eben gehört, dies sei alles ganz sicher verfassungsfest; ich wäre an Ihrer Stelle vorsichtig. Dieses Haus hat inzwischen zweimal erleben müssen, dass es mit diesem Gesetz in Karlsruhe gescheitert ist. Und wenn das so ist, dann gehört auch ein bisschen Demut dazu, dass man eine neue Regelung im dritten Anlauf möglichst gut hinbekommt. Mein Eindruck ist, dass die Regierungsfraktion das nicht wirklich wollte, wenn sie ihr Anliegen mit einem Zusatzantrag zu unserem Antrag im Gesundheitsausschuss letzte Woche einbringt und das mal eben ganz schnell auf die Tagesordnung setzt und ohne weitere Beratung abstimmen lassen will. Das hat nun aus internen Gründen und auch dank der CDU in diesem Fall nicht so funktioniert. Ich finde das auch richtig, denn wenn man zweimal in Karlsruhe gescheitert

ist, dann sollte man sich auch die notwendige Zeit nehmen und nicht nur sagen, was man jetzt mache, sei schon alles verfassungskonform. Man sollte auch einmal schauen, wie andere Experten dies sehen.

(Beifall bei der GAL und bei Karin Prien CDU – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Dr. Dressel?

Selbstverständlich.

Lieber Kollege Müller, haben Sie das Urteil des Verfassungsgerichts von 2008 gelesen über die Ausnahme der Eckkneipen?

Und zu welcher Erkenntnis sind Sie danach gekommen?

Zu einigen. Das hat dann auch Einfluss auf das zweite Gesetz genommen, das inzwischen leider nicht standgehalten hat. Wir hatten eine Expertenanhörung, Herr Dressel, die wir übrigens damals ermöglicht haben, aber Sie peitschen das hier durch. Ich halte das nicht für klug. Sie brauchen jetzt nicht auf jemanden einzuschlagen, der selbst die Erfahrung gemacht hat, dass es in Karlsruhe nicht gereicht hat. Meine Fraktion hat immer für eine strengere Regelung gekämpft, und wir hatten mit der letzten Regelung die strengste, die es in Hamburg für die Gastronomie gab. Sie reden sich doch nur damit heraus, den Nichtraucherschutz außerhalb der Gastronomie ausweiten zu wollen, aber das war nicht das Thema des Urteils in Karlsruhe. Das Karlsruher Urteil hat sich lediglich mit einer Wettbewerbsverzerrung in der Hamburger Gastronomie beschäftigt.

(Beifall bei der GAL)

Dass man darüber hinaus noch weiteren Passivraucherschutz betreiben kann, steht außer Frage, aber diese Reaktion war nicht notwendig. Es ist auch nicht der politische Streitpunkt, das wissen Sie und auch die Frau Senatorin, außerhalb der Gastronomie noch mehr Passivraucherschutz zu ermöglichen.

Nun zur Frage, wo es vielleicht Probleme gibt. Es gibt Probleme, indem Sie jetzt versuchen, durch strenge Auflagen von Raucherräumen – wo gegessen wird, soll nicht geraucht werden – eine Ausweitung des Rauchens in der Gastronomie durch die Hintertür doch wieder zu begrenzen. Damit laufen Sie wieder große Gefahr – es ist wieder eine fi

(Senatorin Cornelia Prüfer-Storcks)