Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

(Zurufe von der SPD und der CDU)

Herr Heinemann fordert die ernsthafte Debatte, aber in dem Moment, wo sie beginnt, ist er lieber nicht dabei. Lieber Herr Heinemann, Sie beziehen sich auf Herrn Klemm, der gesagt habe, man

bräuchte in Hamburg rund 500 Lehrer mehr. Sie hätten sich das Gutachten einmal durchlesen sollen, das kann nicht schaden. Was Sie zitieren, stand in der Zusammenfassung. Im Gutachten selbst hat der Professor beschrieben, wie viele doppelt besetzte Unterrichtsstunden er für Hamburg fordert. Wenn Sie sich das angeschaut hätten, dann hätten Sie festgestellt, dass wir genau das einhalten. Wir haben genau diese Forderung sehr ernst genommen, wir machen das. Er empfiehlt nämlich für Kinder mit Förderbedarf rund drei doppelt besetzte Unterrichtsstunden und für Kinder mit speziellen Behinderungen rund fünf doppelt besetzte Unterrichtsstunden. Und was machen wir? Dreieinhalb für die einen, sieben für die anderen, wir übertreffen Klemm. Und auch das zeigt, wir sind mit unserem Fördersystem bundesweit spitze.

(Beifall bei der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Sehr gut!)

Jetzt sagen einige Schulen, das mag alles schön und gut sein, aber wir haben tatsächlich mehr Kinder, als du für unsere Schule errechnet hast. In der Tat soll es einen Teil dieser Lehrerstellen nach einem Pauschalberechnungssystem geben, und bei Berechnungen können vielleicht Fehler auftauchen. Deswegen haben wir das genau überprüft. Tatsächlich müssen wir bei einigen Schulen nachsteuern, weil sie seit langer Zeit solche Schülerinnen und Schüler so gut beschulen, dass sie hoch angewählt werden. Diese Schulen bekommen eine Extraressource.

(Robert Heinemann CDU: Wo steht denn das hier drin?)

Zweitens wird diese Pauschalberechnung der Wissenschaftler zurzeit nachgearbeitet und präzisiert. Aber drittens, Herr Heinemann, sollten wir alle einen Punkt diskutieren, bei dem sich schon die Vorgängerregierung verkalkuliert hat. Wir haben gesagt, Schülerinnen und Schüler können die allgemeinbildenden Schulen besuchen und müssen nicht zur Sonderschule gehen. Das führte dazu, dass in der Tat heute 900 Schülerinnen und Schüler weniger an Sonderschulen sind. Also hätte man nach dem System der kommunizierenden Röhren denken können, wenn 900 Schüler von diesen Schulen weggehen, dann kommen in anderen Schulen 900 Schüler an. Das war aber ein Irrtum, weil tatsächlich die allgemeinbildenden Schulen plötzlich 2000 neue Schüler mit sonderpädagogischem Förderbedarf meldeten. Das, Frau Heyenn, ist ein Phänomen, das man neutral vielleicht so beschreiben kann: Es haben sich die Maßstäbe verschoben.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Nein, haben sie nicht!)

Natürlich, denn wenn vorher 900 Kinder als Sonderschüler ausgewiesen worden sind und plötzlich

(Senator Ties Rabe)

wird von derselben Schülerschaft gesagt, es seien 2000, dann haben sich die Maßstäbe verändert.

Wenn man dazu beiträgt, dass jeder zehnte Hamburger Schüler als Sonderschüler Fördermittel für sich beantragt, dann kann Inklusion schwierig werden. Das ist ein Missverständnis, es geht nämlich nicht um Förderung allgemein. Wir können gern noch darüber streiten, wie man Schüler besser fördert, aber hier geht es um Förderung von Kindern, die sonst zur Sonderschule gekommen wären, und das sind diese 900 Schüler und nicht plötzlich 2000 und mehr. In Hamburg gab es nicht einen solch schwerwiegenden genetischen Umbruch, der erklären könnte, dass sich innerhalb eines Jahres die Zahl der förderbedürftigen Schülerinnen und Schüler verdoppelt.

(Robert Heinemann CDU: Genetischer Um- bruch? Überlegen Sie, was Sie sagen! – Do- ra Heyenn DIE LINKE: Das hat mit Genetik gar nichts zu tun! – Glocke)

(unterbre- chend) : Herr Senator, gestatten Sie eine Zwischenfrage der Abgeordneten Anja Hajduk?

Ich würde gern meinen Satz beenden. Danach lasse ich die Zwischenfrage zu.

Dennoch haben wir gesagt …

(Glocke)

Herr Senator, ich würde auch gern meinen Satz beenden. Sie sind mir ins Wort gefallen. Ich hatte Sie etwas gefragt, und danach antworten Sie. Aber jetzt fahren Sie bitte fort.

(Beifall bei Dr. Anjes Tjarks GAL)

Fahren Sie bitte fort.

Sie müssen mir zuhören, Frau Präsidentin, aber ich respektiere Ihr Urteil und gebe gleich Frau Hajduk das Wort.

Herr Senator, habe ich Sie richtig verstanden, dass Sie uns mit Ihrem Hinweis auf die Unwahrscheinlichkeit von genetischen Veränderungen deutlich machen wollten, dass Förderbedarf insbesondere auf genetische Voraussetzungen zurückzuführen ist?

(Beifall bei Robert Heinemann CDU)

Ich merke mehr und mehr, dass es im Moment offensichtlich die Absicht ist, Argumente zu verzerren. Deswegen will ich meine Aussage präzisieren und Ihnen sagen, es kann nicht sein – und so war es gemeint –, dass sich innerhalb eines Jahres die Zahl der son

derpädagogisch förderbedürftigen Kinder in Hamburg verdoppelt.

(Anja Hajduk GAL: Dann lassen Sie das mit der Genetik doch weg!)

Das ist übrigens das Urteil aller Wissenschaftler, die sich diese Seltsamkeit angesehen haben. Jetzt möchte ich Ihnen sagen, wie wir darauf reagiert haben. Wir haben auch hier die Bildungsforscher gefragt, wie viele Schüler es sind, und sie sagten, seht euch doch eure eigenen Statistiken an, es sind 4 Prozent. Wir empfehlen übrigens, für 4,5 Prozent der Schüler Ressourcen zu vereinbaren. Herr Heinemann, wir haben dann gesagt, wir geben noch einen drauf und machen 5 Prozent daraus, mehr als jedes andere Bundesland. In Schleswig-Holstein wird mit der Hälfte der Mittel operiert. Das ist kein Land hinter dem Nordpol, sondern es liegt direkt um die Ecke, und auch dort wird Inklusion betrieben. Insofern sind die Zahlen stimmig und wir haben eine sehr gute Förderung.

Deswegen möchte ich zum Schluss sagen, dass ich sehr dankbar für die Hinweise von Frau von Berg bin. Dankbar dafür, dass sie den Versuch unternommen hat, diese für mich immer seltsamer werdende Diskussion, die sich nur an der Frage orientiert, wie viele doppelt besetzte Unterrichtsstunden man braucht, auf den eigentlichen Kern zurückzuführen. Wenn es in anderen Bundesländern mit viel weniger klappt, dann klappt das vermutlich auch in Hamburg, wenn wir im Unterricht etwas verändern. Das muss man in der Tat lernen und das ist eine gewaltige Aufgabe. Deswegen sind in unserer Drucksache viele, viele Punkte genannt, die auf Verbesserung des Unterrichts zielen. Wenn Sie uns vorwerfen, dass wir bei den Fortbildungsmitteln kürzen, so lesen Sie doch einmal. In der Drucksache steht, dass wir speziell für die Inklusion eine halbe Million Euro mehr für die Fortbildung ausgeben, und zwar bekommt genau das Landesinstitut eine halbe Million Euro mehr. Wir haben an viele Aspekte gedacht und ich bin sicher, das ist der richtige Weg, um die Inklusion in Hamburg zu einem Erfolg zu machen.

(Beifall bei der SPD)

Es kann nicht falsch sein, wenn man bundesweit die beste Ausstattung realisiert, ein Konzept umsetzt, das von Wissenschaftlern empfohlen ist, und es kann nicht falsch sein, wenn wir uns in der weiteren Diskussion darauf konzentrieren, worauf es wirklich ankommt, nämlich Unterricht und Schule weiterzuentwickeln. Es kann zum Schluss nicht schaden, wenn die Diskussion mit einer Grundehrlichkeit geführt wird. Ich bin darüber verwundert, dass zwei Parteien, die es für richtig hielten, Schülerinnen und Schüler mit 1,6 doppelt besetzten Unterrichtsstunden zu fördern, sich jetzt hinstellen und sagen, wenn der Schulsenator mehr als das doppelte macht, dann ist das noch viel zu wenig. Das ist Demokratie auf den Kopf gestellt. Auch

(Senator Ties Rabe)

darüber lohnt es, einmal genauer nachzudenken. – Vielen Dank, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Nun bekommt Herr Dr. Scheuerl das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen, lieber Herr Senator Rabe! Ich will es wirklich ganz kurz machen und mich heute nur an Sie, liebe Abgeordneten der SPD-Fraktion, wenden. Machen Sie sich klar, dass das Papier, was Ihnen Herr Rabe vorlegt und über das Sie letztendlich entscheiden sollen – Sie werden mit Ihrer einen Stimme Mehrheit entweder dafür stimmen und es durchwinken oder Sie werden die Sache im Interesse der Kinder stoppen –, an den Interessen der betroffenen Kinder vorbei geht. Über die haben wir heute nicht gesprochen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Doch, doch!)

Die Vorgängersenatorin von Herrn Rabe, Frau Goetsch, hat zwei Jahre gebraucht, um es in der "Bild"-Zeitung auf eine ganze Seite zu bringen. Dort war ein Raumschiff zu sehen, das abgehoben über Hamburg schwebt. Herr Rabe hat es in einem Jahr so weit gebracht, dass seine Planungsabteilung Inklusion im zwölften Stock der Hamburger Straße weit über Hamburg schwebt. Alle Befragten, alle Sonderpädagogen, alle Schulleiter, alle Lehrkräfte, Schülerinnenkammer, Elternkammer, Lehrerkammer – alle sagen, dieses Konzept fährt die Inklusion und die Stadtteilschulen an die Wand. Wenn Sie dafür stimmen, dann fahren Sie das System mit an die Wand und machen Herrn Rabe zum Totengräber der Scholz-Regierung. Vielleicht ist das erforderlich, aber machen Sie sich klar, dass Sie Vertreter des ganzen Volkes sind und nicht Abgeordnete von Herrn Scholz oder von Schulsenator Rabe. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)

Frau Dr. von Berg, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch ich möchte es kurz machen und auf etwas eingehen, was Herr Senator Rabe gesagt hat. Wir verlangen keine Doppelbesetzung in allen Stunden, das haben wir nie getan. Wir verlangen eine konsequente Umsteuerung von ungefähr 360 Stellen der Förderund Sprachheilschulen an die allgemeinbildenden Schulen. Herr Rabe sagte, das sei nicht maßvoll. Ich finde, diese Forderung hat durchaus Augenmaß und auch eine gewisse Portion Pragmatismus. Herr Senator, Sie haben sehr ausführlich Ihre

Drucksache verteidigt und Sie wissen, dass wir durchaus Teile davon gutheißen. Wozu ich aber nichts gehört habe, sind die akuten Probleme an den Hamburger Schulen. Die stehen mit dem Rücken an der Wand, und ich würde mir wünschen, dass Sie sehr konkret auf diese akuten Probleme der Schulen jetzt eingehen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der GAL)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Zunächst zum Zusatzantrag der CDU-Fraktion, Drucksache 20/4470.

Wer möchte diesen beschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist dieser Antrag abgelehnt.

Nun zum Bericht des Haushaltsausschusses aus Drucksache 20/4336.

Wer möchte sich der Ausschussempfehlung anschließen? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Damit ist die Ausschussempfehlung angenommen.

Der Senatsantrag aus Drucksache 20/3641 ist damit in erster Lesung beschlossen worden. Stimmt der Senat der für morgen vorgesehenen zweiten Lesung zu? – Das tut er. Dann wird die zweite Lesung in der morgigen Sitzung durchgeführt.

Im Übrigen hat die Bürgerschaft Kenntnis genommen.

Ich rufe nun den Punkt 54 auf, das ist die Drucksache 20/4317, Antrag der GAL-Fraktion: Mehr Transparenz über Sponsoring in Hamburg.

[Antrag der GAL-Fraktion: Mehr Transparenz über Sponsoring in Hamburg – Drs 20/4317 –]