Protokoll der Sitzung vom 13.06.2012

Meine Damen und Herren, Herr Präsident! Wir freuen uns über den gefundenen und, unserer Meinung nach, alles in allem wirklich guten Kompromiss und über die Tatsache, dass heute alle Fraktionen zustimmen. Ich habe meinen Vorrednern und Vorrednerinnen aufmerksam zugehört und festgestellt, dass der Erfolg wirklich viele Väter und Mütter hat. Ich will das nicht schmälern, möchte aber daran erinnern, dass am Anfang eine erfolgreiche Volksinitiative stand. Sie sitzen heute nicht hier im Raum, aber sie haben natürlich die Initiative ergriffen und dafür gesorgt, dass wir nun zu einem für alle guten Ergebnis gekommen sind. Neben "Mehr Demokratie", "Transparency International" und dem "Chaos Computer Club" gehören noch andere Organisationen dem Bündnis an. Weil das sonst immer verschwiegen wird, will ich es einmal ausdrücklich erwähnen. Die Piratenpartei, die ÖDP und auch wir LINKE haben daran mitgearbeitet, und von weiteren Organisationen wurde das Bündnis unterstützt. Es waren wirklich viele am Werke und wir haben zusammen etwas Gutes hinbekommen.

Offenheit und Transparenz sind Grundprinzipien der Demokratie. Demokratie lebt von der Beteiligung jedes einzelnen Bürgers, jeder einzelnen Bürgerin. Mit der Umsetzung des Transparenzgesetzes werden wesentliche Entscheidungsgrundlagen staatlichen Handelns offengelegt, sie werden kontrollierbar, nachvollziehbar und kritisierbar. Kurzum, sie werden Gegenstand des politischen Meinungs- und Willensbildungsprozesses.

Ich habe den Eindruck – eigentlich steht das nur Ihnen zu, Herr Präsident –, dass es gar nicht so schlecht wäre, wenn der eine oder die andere zuhören würden.

Konflikte können früh thematisiert und angegangen werden und nicht erst dann, wenn die Entscheidungen schon halb oder ganz umgesetzt sind. Im Idealfall kann die frühe Einmischung der Bürgerinnen und Bürger Fehlentscheidungen und Fehlentwicklungen korrigieren, die ansonsten sehr teuer werden, wie die schmerzvolle Erfahrung – Klammer auf – Elbphilharmonie – Klammer zu – zeigt.

Hier wundere ich mich über die Stellungnahme der Handelskammer; eigentlich wundere ich mich nicht besonders. Ich wundere mich ein bisschen über die Chuzpe, sich über mangelnde Einbindung zu beschweren, während man Gesprächstermine offensichtlich zwei Monate lang nicht wahrgenommen hat. Nicht so sehr wundere ich mich, dass die Kammer das Rücktrittsrecht in Paragraf 10 Absatz 2 für inakzeptabel hält, wörtlich: inakzeptabel. Wir erleben und erleiden es ja, dass mangelhaft abgeschlossene Verträge auch Nutznießer haben. Nur sollte sich die Handelskammer nicht ausgerechnet zum Sprecher derjenigen Unternehmen machen, die offensichtlich auf Kosten der Bürgerinnen und Bürger, auf Kosten der Stadt Superprofite machen. Das Rücktrittsrecht wird, da teile ich die Auffassung der Initiative, präventive Wirkung bei der Gestaltung fairer Verträge entfalten.

Was den Umgang mit den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen betrifft, über den sich die Handelskammer sorgt, verweise ich auf den Tätigkeitsbericht Informationsfreiheit 2010/2011. Dort moniert der Beauftragte für Datenschutz und Informationsfreiheit, dass sich die Verwaltungen und Inhaber vermeintlicher Betriebs- und Geschäftsgeheimnisse längst nicht immer an die klaren Vorgaben der Rechtsprechung halten, sondern dass sie den Begriff des Betriebs- und Geschäftsgeheimnisses so weit auslegen, dass nahezu jedes unternehmensbezogene Datum darunter fallen soll. Gipfel des Absurden war, dass die Grabstätte eines Verstorbenen als Geschäftsgeheimnis des Bestattungsunternehmens qualifiziert wurde. Solchen Absurditäten setzt das Transparenzgesetz mit seiner der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts entlehnten engen Definition des Betriebsund Geschäftsgeheimnisses ein Ende.

Der Schritt von der Holschuld der Bürgerinnen und Bürger zur Bringschuld der Verwaltungen bedeutet einen Paradigmenwechsel. Die Erfahrungen zeigen, dass, je schwächer die Informationspflichten sind, desto hartnäckiger sich die Mentalität hält, selbst solche Informationen zu verweigern, die nach der Gesetzeslage gegeben werden müssen. Mit dem Übergang zur Bringschuld, zur proaktiven Veröffentlichung, erhält die Obrigkeit… Ich kann mein eigenes Wort nicht mehr verstehen.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Frau Schneider hat das Wort.

– So ist es. Danke schön.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Mit dem Übergang zur Bringschuld, zur proaktiven Veröffentlichung erhält die obrigkeitsstaatliche

(Finn-Ole Ritter)

Mentalität des Amtsgeheimnisses, so ist zu hoffen, den Todesstoß. Profitieren werden die Bürgerinnen und Bürger dieser Stadt, profitieren werden die Journalistinnen und Journalisten, profitieren werden auch wir Abgeordnete, Herr Tabbert sagte es, die wir oft genug mit unzureichenden Antworten auf unsere Schriftlichen Kleinen und Großen Anfragen abgespeist werden. Zukünftig können wir selbst oft nachschauen

(Dr. Andreas Dressel SPD: Das entlastet so- gar die Verwaltung! – Dirk Kienscherf SPD: Da brauchen Sie gar nicht mehr zu fragen!)

und davon profitiert dann wiederum die Verwaltung.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Wir sehen für uns eine wichtige Aufgabe darin, dafür zu werben, dass die Bürgerinnen und Bürger die Möglichkeiten der Information, der Kontrolle und der Beteiligung an Entscheidungen in Zukunft gut nutzen. – Danke schön.

(Beifall bei der LINKEN und der SPD)

Das Wort erhält Herr Dr. Dressel.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich möchte nur ganz kurz anknüpfen an das Letzte, was Frau Schneider gerade gesagt hat. Das war auch ein Punkt, den wir in den Verhandlungen in jedem Fall realisiert wissen wollten. Bei dem, was wir überall an Berichtswesen haben und was die Verwaltung an Daten erhebt, soll man nicht wieder neue Datenerhebungen machen, sondern man muss schauen, dass das, was erhoben und berichtet wird, ins Register einfließt, um keinen zusätzlichen Verwaltungsaufwand zu produzieren, sondern diesen zusätzlichen Verwaltungsaufwand für die Stadt gering zu halten. Das war ein wichtiger Punkt für die SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Deshalb, Herr Ritter, ist dieser Entwurf jetzt so gut geworden, nicht trotz der Verhandlungen, sondern wegen der Verhandlungen. Wenn wir morgen eine Schuldenbremse beschließen

(Heike Sudmann DIE LINKE: Nicht wir! Sie!)

Sie nicht, aber immerhin zwei Drittel der Abgeordneten dieses Hauses werden das tun –, dann können wir nicht einfach sagen, am Tag vorher machen wir noch einmal ein Wunschkonzert, sondern es muss schon zueinander passen.

Deswegen haben wir gesagt, dass die Frage der Ressourcenschonung ein ganz wichtiger Punkt ist. Das gibt es jetzt nicht völlig außer der Reihe, sondern es muss aus den Mitteln des IT-Globalfonds genommen werden. Hier ist ein zweistelliger Millionenbetrag über die Jahre ohnehin vorhanden, und

man setzt nun die Prioritäten anders, um dieses Register vernünftig zu bezahlen. Und was die Einzelauskünfte angeht, gab es Forderungen, dies solle alles für den Bürger für lau möglich sein. Dann muss man aber einen Gegenfinanzierungsvorschlag machen, sonst passt das nicht zu dem, was wir morgen beschließen wollen. Deshalb muss es weiterhin bei dem Kostendeckungsprinzip für die Einzelauskünfte bleiben. Wir können nicht einerseits einen Konsolidierungskurs beschließen und dann sagen, dass es egal ist, was die Welt kostet. Dies muss schon zueinander passen, das ist jedenfalls die Auffassung der SPD-Fraktion.

(Beifall bei der SPD)

Für alle, die sich jetzt beschweren, ob zu Recht oder zu Unrecht: Es hat mich bei der Handelskammer schon ein bisschen gewundert, denn es gab in der Tat Gesprächsangebote des Bündnisses, auf die die Handelskammer sehr spät reagierte. Ich denke, unsere Ausschusssitzungen zu diesem Thema in den letzten Monaten waren auch sehr transparent, so wie dieses Parlament überhaupt ziemlich transparent ist. Es waren alles öffentliche Sitzungen mit Anhörungen und Experten. Dieses Gesetzgebungsverfahren hat nicht vor einer Woche begonnen, sondern wir haben ein halbes Jahr über die Initiative im Ausschuss beraten. Insofern sollten auch alle in der Stadt mitbekommen, wenn wir uns hier mit einer Volksinitiative beschäftigen, dass dieses Parlament es ernst nimmt. Ich erwarte, dass maßgebliche gesellschaftliche Akteure in dieser Stadt das dann auch ernst nehmen und sich ein bisschen frühzeitiger äußern.

Für alle, die jetzt noch Beschwerden haben: Wir haben eine Evaluierungsklausel im Gesetz. Das ist der Punkt, auf den Herr Ritter hingewiesen hatte. Das war ein guter Hinweis, der in das Gesetz mit eingeflossen ist, das heißt, das Gesetz wird überprüft. Alle können sich melden, dann können wir die Hinweise auswerten und das Gesetz dann irgendwann noch besser machen. Aber jetzt sollten wir es erst einmal beschließen. Vielen Dank an alle, die daran mitgearbeitet haben.

(Beifall bei der SPD, der LINKEN und ver- einzelt bei der FDP)

Ich sehe keine weiteren Wortmeldungen mehr. Dann können wir zur Abstimmung kommen. Zunächst zum Interfraktionellen Antrag aus der Drucksache 20/4466.

Wer Ziffer 1 des Antrags seine Zustimmung geben und das darin aufgeführte Hamburgische Transparenzgesetz beschließen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist einstimmig angenommen.

Es bedarf einer zweiten Lesung. Stimmt der Senat einer sofortigen zweiten Lesung zu?

(Christiane Schneider)

(Der Senat gibt seine Zustimmung zu erken- nen.)

Das tut er. Gibt es Widerspruch aus dem Hause? – Den sehe ich nicht.

Wer das soeben in erster Lesung beschlossene Gesetz in zweiter Lesung beschließen will, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist weiterhin einstimmig beschlossen. Das Gesetz ist damit in zweiter Lesung und somit endgültig beschlossen worden.

Wer darüber hinaus Ziffer 2 des Antrags annehmen möchte, den bitte ich um das Handzeichen. – Die Gegenprobe. – Enthaltungen? – Auch Ziffer 2 ist einstimmig angenommen.

Mit der soeben erfolgten Annahme dieses Antrags hätte sich der Antrag der SPD-Fraktion aus Drucksache 20/4268 erledigt.

Wird dagegen Widerspruch erhoben? – Das sehe ich nicht. Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft den Antrag aus der Drucksache 20/4268 für erledigt erklärt hat.

Wir kommen zu den Punkten 22 und 47 der heutigen Tagesordnung, den Drucksachen 20/4211 und 20/4249 in der Neufassung, dem Bericht des Gesundheitsausschusses: Hamburgisches Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit und dem Antrag der FDP-Fraktion: Änderung des Passivraucherschutzgesetzes.

[Bericht des Gesundheitsausschusses über die Drucksache 20/3315: Hamburgisches Gesetz zum Schutz vor den Gefahren des Passivrauchens in der Öffentlichkeit (Antrag der GAL-Fraktion) – Drs 20/4211 –]

[Antrag der FDP-Fraktion: Änderung des Passivraucherschutzgesetzes – Drs 20/4249 (Neufassung) –]

Zur Drucksache 20/4211 liegen Ihnen als Drucksachen 20/4462 und 20/4482 Anträge der Fraktionen der SPD und der GAL vor.

[Antrag der SPD-Fraktion: Änderung des Hamburgischen Passivraucherschutzgesetzes – Drs 20/4462 –]

[Antrag der GAL-Fraktion: Änderung des Passivraucherschutzgesetzes – Drs 20/4482 –]

Wer wünscht das Wort? – Herr Dr. Schäfer, bitte.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Wir reden hoffentlich zum letzten Mal über dieses Thema an diesem Ort.

(Klaus-Peter Hesse CDU: Nun bin ich wie- der verunsichert!)

Darüber werden wir jetzt noch debattieren, Herr Hesse.