Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Auch von uns noch ein kurzer Beitrag. In der Sitzung des Familienausschusses am vergangenen Freitag wurde unser Antrag vertagt. Darin fordern wir, die Mittel aus dem Bildungs- und Teilhabepaket der Bundesregierung in Hamburg zweckgemäß zu verwenden. So könnten nämlich in den nächsten zwei Jahren die geplanten Kürzungen in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit vermieden werden. Ihre Begründung für die Vertagung war, der Antrag sei haushaltsrelevant. Das ist der Antrag der SPD doch genauso. Sie verhindern durch die Verweigerung der Überweisung eine Debatte im zuständigen Ausschuss, wahrscheinlich aus gutem Grund, denn Sie wissen genau, dass Ihr Antrag eine Art Mogelpackung ist. Statt die übrigen 15 Millionen Euro aus dem Bildungs- und Teilhabepaket im ursprünglichen Zwecksinne einzusetzen, sollen sie jetzt zweckentfremdet in die globale Minderausgabe fließen. Stattdessen wollen Sie die Deckungsfähigkeit der drei Titel Offene Kinderund Jugendarbeit, Familienförderung und Sozialräumliche Angebote ausweiten. Wenn aber doch in allen drei Töpfen 10 Prozent weniger ist, wem ist dann in der Praxis mit erhöhter Deckungsfähigkeit geholfen? Das fragen wir uns sehr deutlich, meine Damen und Herren.
Sie wollen einen Umsteuerungsfonds einrichten, bleiben aber die Details schuldig. Das ist weder ein Beitrag zur Haushaltstransparenz noch eine verlässliche Planungsgröße für die Angebote in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Denn die Höhe der Mittel ist ebenso unklar wie die Bedingungen. Liebe Kollegen von der SPD, Sie rechtfertigen die Kürzungen in der Offenen Kinder- und Jugendhilfe mit den immer gleichen Argumenten. Durch ständige Wiederholungen werden sie aber leider für uns nicht glaubhafter.
Jetzt kommt's. In der Antwort auf unsere Schriftliche Kleine Anfrage – vielleicht ist das der Schlüssel – über mögliche Effekte der GBS heißt es – ich zitiere –:
"[…] Harburg hat sich [jetzt hören Sie sich das Wort genau an] vor allem an der Hypothese orientiert, dass durch die ganztägige Betreuung an den Schulen insbesondere Angebote der offenen Kinderarbeit nicht mehr im vollen Umfang benötigt werden."
Genau das ist das Problem, die Kürzungen beruhen auf einer Hypothese. Sie wissen noch nichts über die konkreten Auswirkungen der Ganztagsangebote an Schulen. Bevor gekürzt wird, müssen doch genau diese Auffangeffekte bekannt sein, um seriös umschichten zu können. Genau deshalb ist es Unsinn, den zweiten Schritt vor dem ersten zu machen. Wir brauchen eine vernünftige Analyse der zukünftigen Bedarfe, wir brauchen aber keine Kürzungen ins Blaue hinein. Deshalb sollten Sie sich besinnen und erst einmal unserer Zwischenlösung zustimmen. – Danke.
Sehr geehrte Frau Präsidentin, sehr geehrte Abgeordneten! Wir hatten am 29. Mai im Familien- und Jugendausschuss eine öffentliche Anhörung zur Offenen Kinder- und Jugendarbeit und am 8. Juni die Senatsbefragung dazu. Beides war sehr gut besucht, was wir ausdrücklich begrüßen. Darüber ist berichtet worden, und unsere Anträge und Pressemitteilungen dazu sind hier im Hause gegenseitig bekannt. Weil aber nicht alle Abgeordneten im Familienausschuss dabei sein konnten, möchte ich für Sie einen Beitrag aus dem Wortprotokoll der öffentlichen Anhörung zitieren:
"Lassen sich die als Reformprogramme verstandenen Projekte Ganztagsschule und SHA dem inhaltlichen Diktat von reinem Kosten/Nutzen-Denken der Finanzpolitiker unterwerfen, die unter dem Slogan 'Keiner geht verloren' nichts weiter im Sinn haben, als dass aus den Kindern unserer Stadt wertvolle Mitglieder dieser Gesellschaft – soll hier heißen, sozialversicherungspflichtige Beschäftigte – werden sollen, so entwickeln sich diese Reformprogramme dann zu Steuerungselementen einer autoritären Gesellschaftsstruktur."
"So droht in einem Klima der fürsorglichen Belagerung ein autoritäres Menschen- und Gesellschaftsbild in der Jugendhilfe zu entstehen, das mit humanistischer und aufklärerischer Pädagogik nichts mehr zu tun hat, sondern in eine Form der autoritären Fürsorgeerziehung münden kann, die wir in diesem Lande niemals wieder wollen."
Wir wissen, dass Sie wissen, dass es so nicht geht. Das kann nicht das Leitbild offener Arbeit sein, wie wir sie wollen.
Wer nun glaubt, dass dieses Zitat eine Einzelmeinung aus der Szene ist, der irrt. Als in der Senatsbefragung Senator Scheele diese Passage des Protokolls zitierte, gab es – ich sage ausdrücklich: nicht von allen – von vielen Anwesenden gar noch Applaus dafür.
Gegenüber diesem Teil der offenen Arbeit sind wir politisch entschieden anderer Meinung. Wir finden es richtig, wenn junge Menschen auch beruflich Fuß fassen, sozialversicherungspflichtig arbeiten und sich selbst versorgen können; dazu stehen wir auch.
Autonomie und Selbstbestimmtheit sind Leitbild der Offenen Kinder- und Jugendarbeit. Sich selbst versorgen zu können ist aber übrigens auch Autonomie. Gerade deshalb gibt es aus unserer Sicht durchaus Veränderungspotenzial. Selbstverständlich wissen auch Sie, dass nicht alle Einrichtungen gleich sind, viele wissen zudem, dass man Rechtsansprüche nicht ausweitet. Die von Ihnen mehrheitlich gewollte, von uns mit 30 Millionen Euro mehr ausgestattete Ganztägige Bildung und Betreuung macht dazu mehr sozialräumliche Angebote, und rundherum bleibt alles beim Alten.
Mit unserem Antrag wird die Flexibilität verschiedener Zuweisungen weiter erhöht, und es wird einen Umsteuerungsfonds geben,
um Trägern Angebotsumstellungen zu ermöglichen. Wir wollen – und das ist entscheidend –, dass es eine echte Jugendhilfeplanung in den Bezirken gibt, was vielleicht vom Vorgängersenat hin und wieder aus den Augen verloren wurde.
Einige von Ihnen wissen auch um die Notwendigkeit. Jenseits öffentlicher Anhörungen klingt das dann zum Beispiel so – und hier zitiere ich einmal den Fachsprecher der CDU-Fraktion aus dem Wortprotokoll des Familienausschusses vom 12. April –:
"Was ich aber auch richtig finde, ist die Frage immer, wenn wir in diesem Bereich finanzieren, welchen Nutzen und welche Wirkung erzielen wir?"
"Und da stimme ich Ihnen zu, die sollte man sich durchaus kritisch einmal angucken, ob man denn tatsächlich das vor Ort erreicht, was man mit diesem Mitteleinsatz auch erwarten muss."
Fakt ist, Hamburg investiert mit SPD-Senat und -Fraktion so viel in Kinder und Jugendliche wie nie zuvor. Die Ausweitung der Rechtsansprüche ist richtig und wird bundesweit anerkannt, GBS wird mit 30 Millionen Euro besser ausgestattet, und die offene Arbeit wird von uns ausdrücklich gewünscht und wertgeschätzt.
In ihrer Umsteuerung liegen neue Chancen. Am Ende werden Kinder und Jugendliche profitieren und ihr Wohl ist unser Maßstab.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Dieser Beitrag machte deutlich, dass es hier tatsächlich um Ideologie geht.
(Beifall bei der GAL, der CDU und der LIN- KEN – Philipp-Sebastian Kühn SPD: Das sagt die Richtige!)
Das Zitat, das Frau Dr. Leonhard gerade vorgetragen hat, war aus dem Zusammenhang gerissen. Die Frau, die Sie zitiert haben, wollte deutlich machen, dass es um die Autonomie von Kindern und