Protokoll der Sitzung vom 14.06.2012

Sie haben sich gefragt, wie das sein könne, denn Sie hatten nur mit 50 Prozent kalkuliert. Die CDU hatte damals mit 40 Prozent kalkuliert, und wir haben ganz bewusst Pilotschulen eingerichtet, um zu schauen, wie dieses System funktioniert und wie es angenommen wird. Die Auswertung der Pilotschulen, die zu Ihrem Amtsantritt auch vorlag, zeigte, dass man mit 40 Prozent und auch mit 50 Prozent nicht auskommt, jedenfalls nicht an allen Standorten. Wir haben in der Auswertung auch gesehen, dass das Angebot an den einzelnen Standorten sehr unterschiedlich angenommen wird. Ich habe Sie schon im April in einer Anfrage gefragt, was denn nun passiere, wenn die Ganztagsnutzung entsprechend steige, denn Sie haben Ihre Kantinen nur auf diese 50 Prozent an jeder Schule ausgerichtet. Und Ihre Antwort war: Zu hypothetischen Fragen nimmt der Senat grundsätzlich keine Stellung.

(Dirk Kienscherf SPD: Recht hat er!)

Daran sieht man wieder einmal, wie schnell aus einer hypothetischen Frage zwei Monate später Realität werden kann.

(Beifall bei der CDU und bei Jens Kerstan GAL)

Ich stelle deshalb meine Fragen vom April heute noch einmal, Herr Senator Rabe, jetzt sind es keine hypothetischen Fragen mehr. Was bedeutet das denn für das Kantinenprogramm? Werden die Kapazitäten nun entsprechend ausgebaut oder essen die Kinder statt in drei Schichten künftig in vier, fünf oder sechs Schichten? Ich habe schon eine Idee, wie Ihr Pressesprecher, der sehr gut ist, das am Ende vermelden wird: Vorreiter in Deutschland – Hamburgs Schüler bekommen jetzt auch ein Abendbrot.

Bislang dachte ich immer, dass das Essen vor Ort wenigstens aufgewärmt wird. Ich war neulich an einer Schule und da hat man mir gezeigt, dass für das Aufwärmen nicht genügend Platz vorhanden ist und daher Konvektomaten angeliefert werden. Die schließt man an die Steckdose an und die Mahlzeiten werden über Stunden warm gehalten, bis auch die letzte Schicht etwas zu essen bekommen hat. Nudeln sind dann wirklich al dente, allerdings nicht für die ersten, sondern eher für die dritten Zähne.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Was ist denn Ih- re Vorstellung?)

Das kann ich Ihnen gleich sagen.

In Ihrer Rede im Schulausschuss haben Sie für diese Verpflegung den Begriff "neue Essenskultur" genannt, den Sie zehn- oder zwölfmal verwendet haben. Ich weiß nicht, ob Sie schon einmal den Namen Jamie Oliver gehört haben. Er hat es in England wirklich geschafft, weil ihm das Thema Schulverpflegung wichtig war, eine neue Essenskultur zu etablieren.

(Gabi Dobusch SPD: Das waren andere Ausgangsvoraussetzungen!)

Was Sie hingegen an vielen Schulen im nächsten Schuljahr machen, ist schlicht Notverpflegung.

(Beifall bei der CDU und bei Dr. Stefanie von Berg GAL)

Es wird nach den derzeitigen Zahlen an vielen Schulen gar keine Kantine geben und dort, wo es sie gibt, sind es nur Aufwärm- und Warmhalteküchen, da die Horte geschlossen werden und sie dementsprechend umwandeln müssen, weil der Druck da ist.

(Zuruf von Dr. Andreas Dressel SPD)

Sagen Sie nicht wieder, dass die Vorgängerregierung an allem schuld sei, Herr Rabe.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Weil die Eltern das wollten!)

Ich habe noch einmal nachgezählt, auch in Ihren Antworten: 51 der bisher bestehenden Hamburger Ganztagsschulen werden von einer Produktionsküche versorgt. Da wird das Essen nicht aufgewärmt, nicht warm gehalten, sondern frisch gekocht. Das ist natürlich ein Riesenunterschied, für Sie hingegen sind Produktionsküchen nur unnützer Luxus. Ihre beste Planungsleistung, Herr Senator, ist aber, dass viele Ganztagsschulen nach den Sommerferien ohne Kantine starten, während an anderen Schulen nagelneue Kantinen in diesen Tagen fertiggestellt werden, obwohl dort der Ganztagsbetrieb frühestens in einem Jahr startet. Ich nenne einmal die Grundschulen: Horn, Kirchdorf, Bandwirkerstraße, Dempwolffstraße, Genslerstraße, Iserbarg, Ohkamp. In den einen Schulen haben Sie leere Kantinen und in den anderen haben die Schüler leere Mägen; das haben Sie wirklich grandios koordiniert.

(Beifall bei der CDU und der GAL)

Nun wollen Sie das Schulgesetz so ändern, dass Sie künftig für diese Qualität auch nicht mehr verantwortlich sind. Die Verantwortung sollen künftig die Schulen bekommen, sie bekommen den Schwarzen Peter. Wir haben heute einen Alternativantrag vorgelegt, der die Verantwortung klar bei Ihnen belässt, und ich sage Ihnen eines: Egal, was Sie juristisch ins Schulgesetz schreiben, politisch behalten Sie die Verantwortung.

(Beifall bei der CDU)

Das Wort hat Herr Holster.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Heinemann, erlauben Sie mir noch ein paar Sätze zu Ihrer Rede von gestern. Da haben Sie gesagt, die SPD verhindere immer Debatten über die Ganztagsschule. Ich will daran erinnern, dass wir im Schulausschuss beschlossen haben – ich schaue einmal zu den anderen Fraktionen –, eine öffentliche Anhörung zum Thema GBS zu machen, und dann wird es noch eine Senatsbefragung geben. Die SPD selbst hat auch schon das Thema GBS zur Aktuellen Stunde angemeldet.

(Robert Heinemann CDU: Auf unseren An- trag hin!)

Also ist der Vorwurf, die SPD-Fraktion würde sich einer Debatte zum Thema Ganztagsschule verschließen, so wie Sie das darstellen, ein bisschen merkwürdig.

(Beifall bei der SPD)

Ich möchte nur ein Wort zu den Kantinen sagen: Ich erinnere mich noch ganz genau, wie Sie im Schulausschuss von der Pampe gesprochen haben, die die Caterer an die Schulen liefern. Das ist eine sehr merkwürdige Aussage. Wir haben hervorragende Caterer in dieser Stadt, die auch hervorragendes Essen liefern, das muss man auch einmal betonen.

(Beifall bei der SPD)

Wir werden unser Ziel, das wir ganz klar gesteckt haben, auch nicht aus den Augen verlieren, denn jeder Schüler in dieser Stadt bekommt ein Ganztagsangebot. Sie haben natürlich recht, dass es an der einen oder anderen Stelle noch hakt. Und wenn ich das einmal auf den Bereich GBS für die Grundschulen beziehe, dann stellen sich natürlich Fragen: Ist das eigentlich auf gleicher Augenhöhe mit den Kooperationspartnern oder wie ist das mit den Doppelnutzungen der Räume? Das alles sind Probleme, die noch gelöst werden müssen, aber eines ist festzuhalten: Kein anderer Vorgängersenat hat mit einer derartigen Geschwindigkeit die längst überfällige ganztägige Bildung an Hamburgs Schulen in Angriff genommen.

(Beifall bei der SPD)

Nun sagen Sie immer, die SPD-Fraktion oder auch der Senator hätten sich von den Qualitätsansprüchen verabschiedet. Das würde im Umkehrschluss bedeuten, wenn das nicht im Schulgesetz stünde, würde ein Träger keine qualitativ gute Arbeit an den Grundschulen machen.

(Robert Heinemann CDU: Warum streichen Sie es dann?)

(Robert Heinemann)

Zwei Gegenbeispiele: Die Schulpolitiker unter Ihnen haben alle den Landesrahmenvertrag gelesen und da steht genau drin, dass zusätzliche Kooperationszeiten geschaffen werden. Das ist aus der Evaluation der Pilotschulen entstanden, das ist zusätzlich und neu und auch anders, das haben wir für die GBS-Standorte neu herbeigeführt. Diese Standorte werden auch in Zukunft evaluiert und überprüft und das macht jetzt der Träger nicht mehr selbst, sondern das ist in staatlicher Hand. Das ist ein ganz klarer Fortschritt zur Qualitätssicherung an den GBS-Standorten.

(Beifall bei der SPD)

Zur Wahlfreiheit: Was konnten wir dazu gestern nicht alles lesen, die SPD knicke ein und sie gebe klein bei. GBS ist freiwillig und es gibt keine Zwangsganztagsschule.

(Beifall bei der SPD)

Diese Wahlfreiheit haben wir immer betont und wir werden deshalb dem FDP-Antrag nachher auch zustimmen.

(Vereinzelter Beifall bei der FDP)

Es ist aber ziemlich abenteuerlich, was man jeden Morgen um 8.30 Uhr von einem Abgeordneten der CDU-Fraktion liest.

(Dietrich Wersich CDU: Er verschickt sie schon um 6.30 Uhr!)

Dann sitze ich aber noch nicht in meinem Büro. Ich lese das um 8.30 Uhr, Herr Wersich.

Herr Scheuerl, wenn Sie schon aus dem SPD-Eckpunktepapier der Bundestagsfraktion zitieren, dann tun Sie das doch vollständig. Die SPD will die Schulen in Deutschland nämlich bis 2020 zu gebundenen beziehungsweise offenen Ganztagsschulen weiterentwickeln. Ziel ist die gebundene Ganztagsschule für alle, das haben Sie richtig zitiert. Aber das heißt, dass jeder das Angebot bekommt, eine voll gebundene Ganztagsschule zu besuchen, das Angebot und nicht die Zwangsganztagsschule. Dieses Ziel deckt sich auch mit vielen Studien, und ich frage mich ernsthaft, wann Sie endlich begreifen, dass die Eltern in Deutschland ganztägige Angebote wollen.

(Beifall bei der SPD)

Das lässt sich am Beispiel bestimmter Studien wunderbar aufzeigen. Ich habe einmal eine mitgebracht: Die Bertelsmann Studie hat Eltern in Deutschland gefragt, auf welche Schule sie ihr Kind am liebsten schicken würden, und 63 Prozent wollen ein Ganztagsangebot. Das müssen wir realisieren und diesen Bedarf müssen wir jetzt umsetzen.

(Beifall bei der SPD und bei Dr. Stefanie von Berg GAL – Glocke)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Heinemann?

Natürlich.

Herr Holster, erinnern Sie sich, dass es SchwarzGrün war, die GBS flächendeckend einführen wollten, und die Dame, die gerade über Ihnen sitzt, immer von zwingend notwendiger Entschleunigung gesprochen hat?

Diese Entschleunigung hat die SPD-Fraktion auch herbeigeführt, indem wir den Schulen ein Jahr länger Zeit geben, sich auf das GBS-Modell einzustellen.

(Beifall bei der SPD – Dr. Till Steffen GAL: So ein Quatsch, das stimmt doch gar nicht!)

Natürlich, sie können sich ein Jahr später auf den Weg machen.