Protokoll der Sitzung vom 15.08.2012

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Punkt, den ich ausführen will, ist Ihnen vielleicht nicht so klar. Es ist völlig richtig, da stimme ich mit Ihnen überein, dass wir zu viele Schulden in dieser Stadt haben. Aber wissen Sie eigentlich, wie viel Geld wir gegenwärtig für diese Schulden ausgeben? Wie viel geben wir für Zinsen aus und wie viel Steuereinnahmen haben wir? Das misst die Zins-Steuer-Quote. Die Entwicklung der Zins-Steuer-Quote zeigt uns, wie groß die Krise ist. Die Situation ist, dass wir in den nächsten Jahren mit einer Zins-Steuer-Quote von 10 Prozent und weniger planen. Was, vermuten Sie, hatten wir vor zehn Jahren als Zins-Steuer-Quote? Ich will es Ihnen sagen: 15 Prozent oder 16 Prozent. Das sind 50 oder 60 Prozent mehr, die wir für Zinsen ausgegeben haben. Das heißt doch insgesamt – darüber muss auch einmal nachdenken und nicht nur vor sich her plappern –,

(Jan Quast SPD: Eben!)

dass wir bezüglich der Zinszahlungen gegenwärtig keine bedrohliche Situation haben. Panik ist nicht angesagt, wir können in dem Zusammenhang gut planen.

(Beifall bei der LINKEN)

Dementsprechend will ich Ihnen Folgendes sagen. Sie haben die großen Kürzungen im Kinder- und Jugendbereich mit der Begründung durchgesetzt, dass die Ganztagsbetreuung das irgendwann ausgleichen werde und es dringend notwendig sei, das jetzt zu machen. Sie konnten nicht abwarten, was vernünftig gewesen wäre, bis sich in ein bis zwei Jahren die Auswirkungen der Ganztagsbetreuung zeigen. Dann hätte man sich überlegen können, wo man kürzt. Sie aber müssen das jetzt machen. Das ist eine falsche Politik, damit machen Sie in diesem Bereich einiges kaputt und das nur aus Panik. Das hat gar keinen Sinn und das braucht man nicht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christiane Blömeke GAL)

Ich weiß, dass ich in dieser Diskussion häufig mit zwei Argumenten konfrontiert werde und gehe hier gern darauf ein. Das eine Argument, das immer wieder genannt wird, bezieht sich auf die hohen Kosten für den Sozialbereich. Warum sind in diesem Bereich die Steigerungen so groß? Das haben wir auch von Herrn Tschentscher zu diesem Haushalt gehört. Ich möchte mit Ihnen daher gern

ein Einvernehmen herstellen. Wir haben in den letzten Jahren über viele Defizite im sozialen Bereich diskutiert, vor allem im Kinder- und Jugendbereich, Beispiele Chantal und Jessica. Wir haben gemeinsam darüber diskutiert, dass diese Fälle nur die Spitzen eines Eisberges sind und dass wir in der Lage sein müssen, das insgesamt gesellschaftlich zu verändern. Ein Gutachten hat festgestellt, dass die Kontrollmechanismen innerhalb der Behörden zu schwach sind, dass die Anforderungen zu hoch sind, sie können nicht erfüllt werden. Wir müssen einfach feststellen, dort fehlt es an Geld. Wenn wir solche Fälle nicht mehr wollen, dann müssen wir notwendig in diesen sozialen Bereich mehr Geld stecken, sonst geben wir unseren demokratischen Grundanspruch, in dieser Gesellschaft alle mitzunehmen, auf. Das wollen wir nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will in diesem Zusammenhang auch auf andere Bereiche hinweisen und darauf, wie bedeutend es ist, eine Gesellschaft hinzubekommen, in der alle, auch Menschen mit Migrationshintergrund, in der Lage sind, das gemeinsam organisieren zu können. Das bedeutet gesellschaftliche Anstrengung. Wir haben diesen Anspruch in gewisser Weise immer noch nicht erfüllt und es gibt auch ein Recht, das einzuführen. Wenn Sie das alles gemeinsam betrachten, dann können Sie vernünftigerweise fragen, wo man in diesem Bereich eigentlich kürzen will. Der Mechanismus zielt gegenwärtig – Frau Hajduk hat es ausgeführt – auf eine Kürzung der Gehälter. Wie sollen Kitas und andere Träger es eigentlich ausgleichen, dass sie weniger Geld in dem Bereich bekommen, wie sollen sie die Hilfen zur Erziehung organisieren? Ich halte die Gehälter, die gegenwärtig in den Kitas oder in der Pflege bezahlt werden, für einen Skandal.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christiane Blömeke und Anja Hajduk, beide GAL)

In einem so entscheidenden Bereich darf man nicht so wenig Geld verdienen. Deshalb ist es auch ein Skandal, Kürzungen in diesem Bereich vorzunehmen. Sie können sagen, das ist doch linker Spinnkram, der Herr Hackbusch wieder und weiß der Teufel was. Lassen Sie uns einfach ein bisschen weiter in den Norden schauen, wie es in Dänemark, Schweden, Norwegen oder Finnland ist. Sie werden sehen, dass dort besser bezahlt wird, dass die sozialen Strukturen solider sind und dass der Weg, den Sie gewählt haben, ein falscher Weg ist. Gehen Sie den Weg, den wir Ihnen vorschlagen mit, das ist das einzig Vernünftige.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich brauche auf die Frage der Infrastruktur nicht mehr großartig einzugehen. Die wesentlichen Punkte sind genannt worden. Was hier aufgelegt wird, ist kein Sanierungsprogramm, sondern ein Kürzungsprogramm. Wir sind nicht in der Lage, da

mit die Defizite an der baulichen Infrastruktur in dieser Stadt, die der Rechnungshof aufgeführt hat, auszugleichen. Die einzelnen Punkte dazu werden wir genau behandeln.

Zweitens will ich anführen, dass wir leider Fehler und Schwächen der Infrastruktur, die nicht baulicher Art, sondern sozialer und kultureller Art sind, nicht gut messen können. Natürlich gibt es keine materiellen Möglichkeiten zu messen, wie gut oder schlecht jemand betreut worden ist und wann jemand in gewisser Weise gestärkt werden muss. Das auszugleichen fehlt auch, und diesbezüglich gibt es gegenwärtig bei Ihnen gar keine Versuche.

Insgesamt haben Sie Sozialdemokraten versprochen, die soziale Spaltung in dieser Stadt zumindest nicht weiter auseinanderdriften zu lassen. Das Programm, das Sie uns vorlegen, gibt dafür aber keinen Anhaltspunkt. RISE wird zusammengekürzt, eine der wenigen Möglichkeiten, soziale Spaltungen zwischen den Bereichen zusammenzuführen. Das nehmen Sie nicht richtig wahr, deshalb sehe ich die Gefahr, dass die soziale Spaltung weiter zunehmen wird.

Ich will einen zweiten Bereich nennen, der von meinen Freunden oder Kollegen immer gern kritisiert wird. Gibt es nicht zu viel Behörde in dieser Stadt, sitzen dort nicht immer Leute nur herum und haben nichts zu tun? Das ist durchaus ein Vorwurf, der gerade in meinem Arbeitsumfeld, in der sogenannten freien Wirtschaft, sehr gern gemacht wird. Wir müssen aber klar feststellen, dass die Kürzungsprogramme der vergangenen 20 Jahre im Wesentlichen in der öffentlichen Verwaltung stattgefunden haben und dass Analysen, beispielsweise im Allgemeinen Sozialen Dienst, besagen, dass man die Arbeit dort nicht mehr schaffen kann. Wir können uns auch die großen Verfehlungen vornehmen, meinetwegen die Elbphilharmonie. Gegenwärtig arbeiten wir das auf und wir stellen fest, dass es in Grundzügen eine politische Entscheidung war und die Verwaltung eher gewarnt hat, eher vorsichtig war, und dass sie nicht die Kapazitäten hatte, diesen Prozess aufgabenkritisch zu begleiten. Das heißt, wenn Sie weiterhin im öffentlichen Dienst kürzen, werden Sie die Möglichkeiten effektiver Kontrolle solcher Maßnahmen weiterhin blockieren. Das Gleiche gilt für die HSH Nordbank; das will ich gar nicht genauer ausführen.

Das heißt, wir wissen, dass an bestimmten Punkten gespart beziehungsweise gekürzt werden kann. Wir werden dazu auch Vorschläge vorlegen. Aber jeder Vernünftige weiß auch, dass das nicht ausreichen wird. Wir müssen die Einnahmeseite stärken.

(Beifall bei der LINKEN)

Ohne die Veränderung der Einnahmeseite werden wir nicht in der Lage sein, die soziale und kulturelle Infrastruktur in dieser Stadt aufrechtzuerhalten. Sie

entscheiden mit Ihrer Politik darüber, ob Sie das wollen oder nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist doch ein riesiges Problem und keine neue Diskussion. Das Manifest für die Städte, unter anderem von Herrn Voscherau verfasst und im Jahr 1994 von Herrn Kronawitter in München herausgegeben, stellt genau diese Punkte heraus und zeigt, dass das keine neuen Erscheinungen sind. Wir müssen uns gemeinsam anstrengen, eine politische Offensive starten und die Einnahmen zugunsten der Städte verändern. Dazu sind Sie doch eine politische Partei und kein Sparkassenverband.

(Beifall bei der LINKEN – Zuruf von Roland Heintze CDU)

Es ist doch Ihre politische Verantwortung, das zu machen. Wir haben im nächsten Jahr Bundestagswahlen und man könnte das als Wahlgeschenk versprechen. Verehrte Sozialdemokratie, strengen Sie sich doch in dieser Hinsicht einmal an. Das würde mich sehr freuen und auch den Haushalt sehr freuen.

Meine Damen und Herren! Das Schlimmste an der gegenwärtigen Haushaltsplanung ist, dass nicht nach Schwerpunkten gekürzt werden soll, sondern – so der Vorschlag von Herrn Tschentscher – nach dem Rasenmäherprinzip, das heißt, überall und überall gleichmäßig. Überall und überall gleichmäßig bedeutet doch, dass Sie politisch nichts steuern, dass Sie eigentlich gar keine Vorstellung davon haben,

(Roland Heintze CDU: Stimmt!)

was reduziert werden sollte und was nicht. Kürzungen nach dem Rasenmäherprinzip bedeuten doch politisch nichts anderes, als dass Sie ohne inhaltliche Begründungen kürzen und damit Ihre politische Gestaltungsaufgabe überhaupt nicht wahrnehmen. Das ist eine Art und Weise von Politik, die wir nicht akzeptieren können.

(Beifall bei der LINKEN)

Es muss doch innerhalb der Sozialdemokratie Kräfte geben, wo das nicht einfach so durchgeht. Ich hoffe, dass diese Kräfte vielleicht in den nächsten zwei, drei, vier Monaten wach werden und den Weg von Herrn Scholz nicht weiter verfolgen und unterstützen. Der hat schon einmal mit Hartz IV eine der größten politischen Katastrophen der vergangenen Jahre in diesem Land hervorgebracht, soziale Verwerfungen hervorgebracht.

(Beifall bei der LINKEN – Zurufe von der SPD: Oh!)

Und bis heute ist er nicht in der Lage, das selbstkritisch zu sehen, sondern behauptet, das war richtig. Ich weiß nicht, ob das alle innerhalb der SPD fördern, aber ich befürchte das manchmal; wir wer

den es sehen. Ich bin guten Mutes, dass es bei Ihnen doch noch einige gibt, die mehr nachdenken. – Danke.

(Beifall bei der LINKEN)

Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Der Senatsantrag ist im Vorwege an die zuständigen Ausschüsse überwiesen worden. Es bedarf also keiner weiteren Abstimmung.

Wir kommen dann zu Tagesordnungspunkt 12, Drucksache 20/4552, Große Anfrage der CDUFraktion: Feuerwehrnachwuchs.

[Große Anfrage der CDU-Fraktion: Feuerwehrnachwuchs – Drs 20/4552 –]

Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an den Innenausschuss überweisen. Das Wort wird gewünscht von Herrn Warnholz. Er bekommt es.

Herr Präsident, meine sehr verehrten Damen und Herren! Der Senat hat in seinem Arbeitsprogramm erklärt, jedes Jahr 250 Nachwuchskräfte für die Polizei einstellen zu wollen, um die in Pension gehenden Kolleginnen und Kollegen der Polizei rechtzeitig durch ausgebildete Nachwuchskräfte ersetzen zu können. Damit wird die Politik der CDU-Senate fortgesetzt.

(Glocke)

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Entschuldigung, Herr Warnholz. Ich möchte darum bitten, dass das Plenum jetzt dem Redner zuhört und wir zu einer vernünftigen Beratung kommen. Es ist nicht gut, wenn alle Leute hin und her laufen und die Geräuschkulisse zu groß ist. – Herr Warnholz, Sie haben das Wort.

Überraschend ist jedoch, dass Innensenator Neumann, der heute durch Abwesenheit glänzt, diese politische Zielvorgabe nicht auch auf ein Nachwuchsprogramm der Feuerwehr überträgt.

(Beifall bei der CDU)

Auch bei der Feuerwehr steht uns eine Pensionierungswelle bevor. Bis 2017 werden nach Aussage des Senats 217 Mitarbeiter der Feuerwehr in Pension gehen, das sind knapp 10 Prozent des feuerwehrtechnischen Dienstes. Man höre, bis zum Jahr 2022, also in den nächsten zehn Jahren, gehen mehr als 600 Feuerwehrleute in den Ruhestand. Das sind mehr als 25 Prozent aller Frauen und Männer, die bei der Feuerwehr für unsere Si

cherheit sorgen. Auch für unsere Feuerwehr braucht die wachsende Stadt eine Ausbildungsoffensive. Die Antwort des Senats auf unsere Große Anfrage macht in einem erschreckenden Maße deutlich, dass die SPD für die Ausbildung der Feuerwehrleute weder einen Ansatz an der zukunftsorientierten Arbeit für den höheren Dienst noch für die Laufbahngruppen 1 und 2 hat.

(Beifall bei der CDU)

Auch die bei der Feuerwehr selbst diskutierte Fragestellung des Ausbildungsberufs Feuerwehrmann oder Feuerwehrfrau wird von der SPD nicht weiterverfolgt. Wenn der Senator hier wäre, dann würde ich sagen, Herr Senator, nehmen Sie doch einmal mit Ihren Genossen in Berlin Verbindung auf, denn dort wird seit anderthalb Jahren der Vorschlag, den die CDU kurz vor dem Regierungswechsel eingebracht hat, mit großem Erfolg praktiziert. Das bringt eine wesentliche Verkürzung im Vergleich zum Ausbildungsberuf, denn in 18 Monaten wird dort eine Grundqualifizierung zum Feuerwehrmann durchgeführt. Ich denke, das ist ein Weg, den sich Hamburg aneignen könnte. Die CDU ist mit Sicherheit dabei.

(Beifall bei der CDU)

Meine Damen und Herren! Wir brauchen in Hamburg für die Freiwilligen Feuerwehren ebenfalls neues Arbeitsgerät, eine neue Technik, aber wir müssen auch dringend die Gebäude sanieren, denn die Freiwilligen Feuerwehren haben nicht nur eine personelle Not, sondern auch eine finanzielle Not. Oft genug hören wir neuerdings von den Bezirken, dass dort Anträge gestellt werden mit der Bitte, Mängel zu beheben, die früher nicht vorhanden waren.