Protokoll der Sitzung vom 16.08.2012

Zweitens: Die Aktivitäten der Stadt in Forschung, Entwicklung und Innovationspolitik bemängelt jedes vierte Unternehmen aus diesem Bereich. Das heißt also, hier ist noch Handlungsbedarf.

Drittens: Obwohl es jetzt diese Netzwerke gibt, sehen immer noch 40 Prozent der Unternehmen aus der Branche Nachholbedarf bei Kooperation und Vernetzung, wobei ich sagen muss, dass man sich auch totverclustern und vernetzen kann. Irgendwann muss man auch einmal zur Sache kommen. Das weiß ich aus eigener Erfahrung, denn es gab einmal eine Mode, alles Mögliche zu vernetzen, und hinterher hat man sich gefragt, warum man überhaupt zusammengesessen hat. Also, es ist bei diesem Management auch wichtig zu schauen, ob es effizient ist. Solche Cluster sind nämlich umso effizienter, je kleiner und überschaubarer sie sind.

Viertens: Auf den gut drei Seiten dieser Senatsdrucksache wird insgesamt achtmal das Wort Kooperation verwendet, teilweise als Begriff Kooperationsmöglichkeit, teilweise als Projektkooperation und auch das Thema norddeutsche Kooperation. Es ist unseres Erachtens sehr wichtig, die norddeutsche Kooperation wirklich zu verstärken. Ich brauche da nur die Windmesse in Husum zu nennen, das ist irgendwie sehr unglücklich gelaufen.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Genau! Richtig!)

Man sollte zumindest einmal den Telefonhörer in die Hand nehmen und sich mit den Kollegen in anderen Bundesländern verständigen.

Fünftens: Ein weiterer Punkt, der mir wichtig ist, der auch zum Wachstum dieser Branche in Hamburg beitragen kann, zum Teil aber die Akzeptanz dieser erneuerbaren Energien immer noch einschränkt, ist, dass wir ohne Scheuklappen die Umweltverträglichkeit dieser erneuerbaren Energien untersuchen und schauen müssen, ob sie wirklich umweltverträglich und nicht nur klimaverträglich und gut für den Klimaschutz sind. Ich nenne als Beispiel die Bioenergie, teilweise auch Windenergie, bei denen man noch sehen muss, welche Auswirkungen sie auf die Umwelt haben.

Unterm Strich, denn der Senat lässt viele Fragen offen, teilen wir die Einschätzung, dass wir ein hohes Wachstumspotenzial für Hamburg sehen. Wir stimmen deshalb dem Antrag auf Überweisung zu. –Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort bekommt Frau Heyenn.

Ich will nicht wiederholen, was meine Vorredner gesagt haben. Ich möch

(Jens Kerstan)

te nur einmal darauf hinweisen, dass ich mir angeschaut habe, was eigentlich das Cluster Erneuerbare Energien ist. Inzwischen gehören 170 Unternehmen diesem Cluster an. Ich habe mich gefragt, welche Hamburger Unternehmen denn an diesem aktiven Wissens- und Erfahrungsaustausch interessiert sind, und festgestellt, dass die Hälfte der Mitglieder nicht, wie man annehmen könnte, Energieunternehmen sind, sie sind auch keine Hersteller oder Projektentwickler, sondern die meisten Mitglieder sind Rechtsanwälte, Steuerberater, Banken, Versicherungsmakler, Marketingexperten und Personalberater. Da fragt man sich natürlich, was das soll. Unternehmen, die kaum aktiven Wissenserfahrungsaustausch im Bereich erneuerbare Energien betreiben, stellen mengenmäßig die meisten Mitglieder.

Darüber hinaus ist auch noch eine Vielzahl der Mitglieder in diesem Cluster nicht in der Region ansässig. Die aktuelle Betonung der Cluster-Bildung in Hamburg führt offenkundig dazu, dass sie allein zu dem Zweck kreiert wird, um einen geeigneten Rahmen für den Abruf von Förder- und Strukturfondsmitteln zu schaffen, zum überwiegenden Teil leider auch für die Konzerne.

Hinzu kommt noch, und das hat mich wirklich erschüttert, dass sogar die weltweit größte Zeitarbeitsfirma Mitglied dieses Clusters regenerative Energien in Hamburg ist.

(Finn-Ole Ritter FDP: Oh ja!)

Da frage ich mich natürlich, was in der hamburgischen Innovationspolitik im Bereich Erneuerbare Energien da eine Zeitarbeitsfirma zu suchen hat.

(Finn-Ole Ritter FDP: Billige Arbeitnehmer!)

Was uns fehlt, ist eine öffentliche, klar diskutierte Cluster-Strategie darüber, was das eigentliche Ziel ist – Herr Kerstan hat es angesprochen –, was das Cluster-Management macht, worauf es hinauslaufen soll, was die Hauptziele sind und wo die Zusammenarbeit mit den Nachbarländern ist. Uns ist das Ganze viel zu intransparent und viel zu abstrakt. Deshalb werden wir das sehr kritisch begleiten.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn keine weiteren Wortmeldungen vorliegen, kommen wir zur Abstimmung. Zunächst kommen wir zum Überweisungsbegehren der CDU-Fraktion.

Wer die Drucksache 20/4524 an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen möchte, den bitte ich um das Handzeichen? – Die Gegenprobe. –Enthaltungen? – Das Überweisungsbegehren ist abgelehnt.

Dann stelle ich fest, dass die Bürgerschaft Kenntnis genommen hat.

Wir kommen zu Punkt 80, Drucksache 20/4716, Antrag der CDU-Fraktion: Lebensmittelsicherheit auch in Zukunft gewährleisten – Altonaer Überlastungsanzeige ernst nehmen.

[Antrag der CDU-Fraktion: Lebensmittelsicherheit auch in Zukunft gewährleisten – Altonaer Überlastungsanzeige ernst nehmen – Drs 20/4716 –]

Diese Drucksache möchte die SPD-Fraktion an den Gesundheitsausschuss überweisen. Wer wünscht das Wort? – Herr Thering, bitte.

Frau Präsidentin, meine sehr geehrten Damen und Herren! Verbraucherschutzpolitik ist eine der zentralen Herausforderungen in Zeiten von immer wieder auftretenden Lebensmittelskandalen: EHEC, Dioxin, Gammelfleisch und Antibiotikarückstände in Lebensmitteln, um nur ein paar Beispiele zu nennen. Und das ist nur das, was wir an der Oberfläche zu Gesicht bekommen. Auch in Zukunft werden wir immer wieder solchen Bedrohungen ausgesetzt sein. Unsere Aufgabe ist es dabei, die Gesundheit der Menschen bestmöglich zu schützen. Der Sicherheit von Lebensmitteln kommt dabei eine herausragende Bedeutung zu. Diese Sicherheit ist nur durch fachmännisch durchgeführte Kontrollen in ausreichender Zahl zu gewährleisten.

(Beifall bei der CDU)

Wann aber ist die Zahl der Kontrollen ausreichend? Ein Blick in das Gutachten des Bundesrechnungshofs vom November 2011 zur Organisation des gesundheitlichen Verbraucherschutzes gibt Ihnen die richtige Richtung vor.

(Glocke)

Herr Thering, entschuldigen Sie. Ich wollte Ihnen nur mehr Gehör verschaffen, und dafür wäre es unheimlich wichtig, dass sich die Diskussionszirkel an der Wand auflösen. Herr Thering, Sie haben das Wort.

– Vielen Dank, Frau Präsidentin.

Darin heißt es, dass eine personelle und organisatorische Stärkung der amtlichen Überwachung von Lebensmitteln und Produkten vorzunehmen sei. Wie stellt sich nämlich die Situation heute dar? Auf 1,1 Millionen lebensmittelverarbeitende Betriebe in Deutschland kommen bundesweit rund 2500 amtliche Lebensmittelkontrolleure. Anders ausgedrückt: Ein Lebensmittelkontrolleur ist zuständig für 440

(Dora Heyenn)

Betriebe in Deutschland. Das ist ein dramatisches Missverhältnis.

Der Bundesverband der Lebensmittelkontrolleure schätzt einen Bedarf von zusätzlich 1500 Lebensmittelkontrolleuren. Dieser ungedeckte Bedarf trifft auch in Hamburg mit voller Härte auf uns zu. Das Bezirksamt Altona hat bereits eine Überlastungsanzeige gestellt, dabei haben wir in Hamburg allen Grund, Betriebe regelmäßig zu kontrollieren.

Ich habe den SPD-Senat im letzten Jahr nach der Anzahl der Beanstandungen bei nahrungsmittelverkaufenden Betrieben wie zum Beispiel Restaurants gefragt. Bis Mitte 2011 gab es bereits eine Vielzahl von Beanstandungen und Verstößen. Insgesamt waren es 891 Verstöße bei uns in Hamburg. Und wie viele weitere gesundheitsgefährdende Beanstandungen bleiben uns wohl verborgen, weil Sie als SPD-Senat nicht ausreichend Kontrollen ermöglichen?

(Beifall bei der CDU)

Lediglich 58 Lebensmittelkontrolleure kontrollieren in Hamburg sage und schreibe 9715 Betriebe. Hamburgs Bezirke sind mit einer flächendeckenden Überwachung von Lebensmitteln und Produkten überfordert, weil Sie als SPD-Senat den Bezirken nicht ausreichend Ressourcen zur Verfügung stellen. Im Gegenteil, Ihre Kürzungen in den Bezirken gehen munter weiter. Und dabei können Sie sich als Hamburger Senat nicht einfach aus der Verantwortung stehlen; auch ein Hinweis auf Ihren vermeintlichen Haushaltskonsolidierungskurs ist nicht zulässig.

(Beifall bei der CDU)

Geltendes EU-Recht legt nach dem Gutachten des Bundesrechnungshofs ganz klar fest, dass es aus Kostengesichtspunkten unzulässig sei, auf eine angemessene, finanzielle Ausstattung der amtlichen Kontrollen zu verzichten oder auch nur Abstriche vorzunehmen. Setzen Sie endlich gemäß den ermittelten Zahlen ausreichend Lebensmittelkontrolleure ein, damit wirksame und umfassende Kontrollen ermöglicht werden können.

(Beifall bei der CDU)

Meine sehr geehrten Damen und Herren! Die Gesundheit und Sicherheit der Hamburgerinnen und Hamburger sollte uns allen am Herzen liegen. Dieser Senat setzt die Gesundheit der Menschen aufs Spiel, wenn nicht endlich die erkannten und von vielfacher Seite bestätigten Missstände beseitigt werden.

(Beifall bei der CDU – Zurufe von der SPD: Unsinn!)

Die Bezirke arbeiten an der Grenze ihrer Belastungsfähigkeit. Eine erste Überlastungsanzeige hat es gegeben. Hören Sie endlich auf zu taktieren, handeln Sie endlich für die Sicherheit von Lebens

mitteln und für die Gesundheit der Menschen in unserer Stadt. – Herzlichen Dank.

(Beifall bei der CDU – Jan Quast SPD: Das sind Ihre Einsparungen!)

Das Wort bekommt Herr Dr. Schäfer.

Vielen Dank, Frau Präsidentin. Du meine Güte, Herr Thering, das waren jetzt aber sehr große Worte.

(Präsidentin Carola Veit übernimmt den Vor- sitz.)

Sie haben völlig recht, Verbraucherschutz ist wichtig, ohne jeden Zweifel. Selbstverständlich wird auch ständig überprüft, wo welche und wie viele Lebensmittelkontrolleure auf welche Weise unterwegs sind. Nur so einfach, wie Sie es sich hier machen, geht es nicht. Sie hätten ein bisschen innerhalb Ihrer Fraktion herumfragen sollen, wie es sich verhält. Trotzdem haben alle geklatscht, aber so geht es nicht.

Zum einen sollen wir die Schuldenbremse 2015 einhalten, zum Zweiten sollen wir dabei auch schauen, wie wir mit dem Personal umgehen, und zum Dritten sollen wir dann wiederum Personal einstellen. Irgendwie klappt das so nicht ganz. Aber wir sind gern bereit, darüber zu sprechen, wie man Verbraucherschutz effizient gestaltet. Deswegen überweisen wir den Antrag an den Ausschuss. Dort können wir in Ruhe darüber reden.