Wir haben im Landesrahmenvertrag eine Vereinbarung auch mit dem Senat, dass die Tariferhöhung von 2,1 Prozent übernommen werden soll. Und was macht jetzt dieser SPD-Senat? Er sagt, wir geben nicht mehr als 0,88 Prozent über verschiedene Modelle und den Rest müssen die Träger selber bezahlen. Wir hörten dazu gestern im Ausschuss klare Worte von Senator Scheele. Er will keine Besserstellung der Träger gegenüber seinen Behördenmitarbeitern. Darüber lässt sich lange diskutieren. Aber wo bleibt da die Anerkennung und Wertschätzung, wenn am Ende die Träger selber versuchen müssen, diese tariflich vereinbarten Entgelte zu bezahlen? Und zu wessen Lasten geht es? Es geht zulasten der Qualität in der Kita, es geht zulasten der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter und vor allen Dingen geht es auch zulasten der Kinder, die in der Kita betreut werden.
Aus dem Grund halte ich es zwar auf der einen Seite für ganz wichtig zu prüfen, was wir machen müssen, damit wir in den Kitas eine größere Vielfalt erreichen. Aber auf der anderen Seite würde sich die Anerkennung auch in der Bereitschaft des Senats widerspiegeln, die vertraglich vereinbarten Tariferhöhungen auch wirklich so zu übernehmen, wie sie im Landesrahmenvertrag stehen, und nicht durchs Hinterstübchen Einsparungen im Kita-Bereich durchzusetzen, der doch eigentlich zum Schwerpunktthema erklärt wurde. Über diese Äußerung von Senator Scheele bin ich wirklich sehr erstaunt.
Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Deutschlandweit fehlen 14 000 pädagogische Fachkräfte im Kita-Bereich und das ist eine eher konservative Schätzung. Die Situation in Hamburg ist zwar nicht so dramatisch, aber auch hier fehlen im nächsten Jahr 650 neue Fachkräfte. Nach der gestrigen Familienausschusssitzung haben wir fasziniert festgestellt, dass Statistiken manchmal nicht der Wahrheit entsprechen. Gestern Abend ist herausgekommen, dass wir 4000 Kinder mehr betreuen müssen. Damit wird auch die Zahl der bislang geschätzten 650 Fachkräfte, die wir brauchen werden, wahrscheinlich noch um einiges steigen müssen.
Die FDP würde die Vorschläge für eine umfassende Fachkräftestrategie begrüßen, wenn diese aus dem Antrag der CDU hervorgehen würde. Nur mit einer Imagekampagne und einer Quote – einer Männerquote, ausgerechnet vorgeschlagen von der CDU – werden wir den Fachkräftebedarf nicht decken können.
Der Anteil männlicher Erzieher in Kitas beträgt in Deutschland gerade einmal 2,4 Prozent. Hamburg steht im Vergleich besser da, wir sind bei immerhin fast 10 Prozent. Aber das ist natürlich immer noch ein zu kleiner Anteil und verbesserungswürdig. Wenn wir jetzt aber eine Quote fest vorschreiben wollen und gleichzeitig zu wenig qualifizierte Fachkräfte haben, dann frage ich mich, woher diese männlichen Fachkräfte – in jeder Kita ein Viertel der Erzieher – kommen sollen. Herr de Vries, das müssen Sie uns dann schon noch einmal erklären.
Die Gründe sind vielfältig, sie sind auch schon genannt worden. Wir haben immer noch eine zu geringe Anerkennung und Wertschätzung der Berufe des Erziehers oder der sozialpädagogischen Fachkraft. Trotzdem entscheiden sich immer noch viele junge Menschen für den Beruf, leider noch zu wenig Männer. Eine Studie des Familienministeriums zeigt, dass die Eltern und die Kolleginnen, also die weiblichen Arbeitnehmer, Frau Sudmann,
mehr Männer in Kitas positiv finden. Und jetzt zur falschen Schlussfolgerung der CDU. Wir haben einen extremen Fachkräftemangel an Erziehern und pädagogischen Fachkräften und wir als FDPFraktion sind der Meinung, dass wir keine feste Quote brauchen, um dies zu ändern. Wenn die Kitas erkennen, dass laut Gutachten die Eltern und die Kolleginnen mehr Männer wollen, dann werden die Kitas auf dem Arbeitsmarkt natürlich darauf zurückgreifen, wenn es qualifizierte Männer gibt.
(unterbre- chend) : Herr Abgeordneter, lassen Sie eine Zwischenfrage oder Zwischenbemerkung des Abgeordneten Wersich zu?
Die Anforderungen an den Beruf haben sich gewandelt. Wir haben schon zum Petitum 2 gehört, dass es dem Anspruch an die Qualität nicht gerecht wird, wenn man 250 Kräfte aus der Behörde
umschult und im Kita-Bereich einsetzt. Kinder brauchen Vorbilder, das ist klar. Und das Modellprojekt der Bundesregierung "MEHR Männer in Kitas", Herr de Vries, ist recht erfolgreich. Doch der Beruf muss insgesamt attraktiver werden, da stimme ich Frau Blömeke zu. Die GRÜNEN machen, anders als die CDU, dazu auch konkrete Vorschläge.
Wir als FDP legen auch einen Antrag vor, der vorsieht, durch attraktive Ausbildung und attraktivere Berufsfelder praktisch mehr Leute zu erreichen, damit wir in den Kitas frühzeitig mehr Personal einsetzen können. Wir Liberalen möchten aber die Debatte gerne im Ausschuss weiterführen. Dabei sollte es aber nicht nur um das Projekt "MEHR Männer in Kitas" gehen, sondern es muss vielmehr darum gehen, wie der Beruf insgesamt attraktiver gemacht werden kann. Deshalb stimmen wir einer Überweisung an den Ausschuss zu.
Frau Präsidentin, sehr geehrte Herren und Damen! Betrachtet man einmal die Ursachen dafür, warum bestimmte Berufe fast nur von Frauen ausgeübt werden, dann stellt man fest, dass es die ehemals unbezahlte und privat geleistete Arbeit ist, die verberuflicht wurde. Gleichzeitig ist die gesellschaftliche Anerkennung dieser Berufe gering. Und je länger diese Arbeit nur oder fast ausschließlich von Frauen ausgeübt wird, desto länger dauert dieser Abwertungsprozess. Der Wechsel von typischen Frauenberufen in gemischtgeschlechtliche Berufe erfolgt immer dann, wenn Männer vermehrt in ein Berufsfeld einsteigen, in dem die Professionalisierungsprozesse abgeschlossen sind, wenn also Kontrollpositionen gebildet wurden und Bürokratisierung, aber auch Hierarchisierung einsetzen.
Diese Situation trifft auf die Kitas und den Beruf der Erzieherin und des Erziehers zu. Da Hamburg seit Jahren die meisten Kita- und Krippenplätze unter den westlichen Bundesländern aufweist und damit schon immer überproportional vielen Eltern eine Kinderbetreuung angeboten werden konnte, verwundert es nicht, dass Hamburg immer auch den höchsten Männeranteil in Kitas hatte, sogar im Vergleich zu allen 16 Bundesländern; meine Vorrednerinnen und Vorredner wiesen schon darauf hin. Bayern weist zum Beispiel nur 2,5 Prozent auf. In Harburg übrigens, das finde ich interessant, beträgt der Anteil von Männern in Kitas nur 5 Prozent.
das Thema ausreichend erfasst, richtig analysiert und zu den richtigen Schlussfolgerungen kommt, das bezweifle ich. Ich komme vielmehr zu dem Schluss, dass der Antrag unzulänglich ist.
Er geht von der falschen Annahme aus, mit einer Erhöhung des Männeranteils wären die Probleme sozusagen geritzt. So will die CDU, auch das wurde schon ausgeführt, eine Quote von einem Viertel, sie will noch mehr Öffentlichkeitsarbeit und sie will den von der SPD geplanten Personalabbau im öffentlichen Dienst dafür nutzen. Es wurde schon dargestellt, dass das ausgesprochen falsch ist. Die ausgeschiedenen Männer, die vielleicht Ende 50 sind, sollen zu Erziehern umqualifiziert werden. Sie will das Modellprojekt auf alle Kitas ausweiten. Und in einer Presseerklärung der CDU ist dann auch noch zu lesen, dass es vor allem um die Jungen gehe, die im Nachteil seien, weil so wenige Männer in den Kitas arbeiten. Deswegen seien Jungen Bildungsverlierer. Ihr Plan geht also von mehreren falschen Annahmen aus.
Vor allem befasst er sich mit keiner Silbe mit den Folgen für die Erzieherinnen und für jene, die es gern werden möchten. Und was ich besonders schlimm finde: Der Antrag und die gesamte Debatte um mehr Männer in Kitas entwertet die tolle und auch harte Arbeit der Kolleginnen in den Krippen, Kitas und Horten,
so als ob alle Jungen und Mädchen defizitär erzogen würden, weil sie überwiegend durch Frauen frühkindliche Bildung erfahren. Das ist im Grunde typisch und zeigt, wie gering die Wertschätzung der Arbeit von Frauen ist. Damit muss nun aber endlich einmal Schluss sein, das sind wir unseren Erzieherinnen schuldig.
Die blenden aber aus, dass die soziale Herkunft ausschlaggebend für Schulnoten und Bildungskarrieren ist. Die allernächste Umgebung ist verantwortlich dafür, welche Leistungen Kinder in der Schule erbringen. In Elternhäusern, in denen Erwerbslosigkeit, geringfügige Einkommen oder aber auch der unsichere Aufenthaltsstatus die dominierenden Themen sind, gibt es kaum Raum, Weiblichkeit oder Männlichkeit zu gestalten. Das sagt Frau Professor Dr. Hilde von Balluseck, die an der Alice Salomon Hochschule in Berlin lehrt und dort den Studiengang Erziehung und Bildung im Kin
desalter entwickelt hat. Es ist eine unzutreffende Annahme, dass männliche Erzieher das kompensieren könnten.
Balluseck kritisiert auch, es gebe immer noch einen völlig idiotischen Lernbegriff. Lernen sei nämlich vom Vergnügen immer noch weitgehend entkoppelt. Der Betreuungsaspekt stehe bei Kleinkindern immer noch viel zu sehr im Vordergrund und die Erzieherausbildung sei insgesamt nicht mehr zeitgemäß.
Hinzu kommen dann noch die Arbeitsbedingungen, die einer kindgerechten, also mädchen- wie jungengerechten Pädagogik oft im Weg stehen. Und es kommt natürlich auch das geschlechtsspezifische Verhalten der Erzieherinnen und Erzieher hinzu. Das leben aber Männer genauso wie Frauen vor, wenn sie im Erzieherberuf sind. Es kommt daher vor allem darauf an, dass Erziehende ausgebildet werden, männliche wie weibliche. Der eindimensionale Blick auf Jungen und auf die bloße Vorbildfunktion des männlichen Erziehers ist ein wirklich defizitärer Ansatz der CDU.
(Beifall bei der LINKEN – Dirk Kienscherf SPD: Aber Männer können doch ganz ande- re Aspekte reinbringen! – Olaf Ohlsen CDU: Was ist denn Ihr Vorschlag?)
Jungen sind nicht an sich die Bildungsverlierer. Mit diesem Mythos muss endlich aufgehört werden. Er hält empirischen Untersuchungen nicht stand.
Wenn die Männerquote unter den Erziehern so pauschal, wie von der CDU gefordert, erhöht werden würde, dann hätte dies in der Konsequenz zur Folge, dass Männer in noch stärkerem Maß die wenigen Führungspositionen in Kitas besetzen würden.
Auch das ist erwiesen und heute bereits der Fall. Wenn also eine Quote von männlichen Erziehern gefordert wird, dann gehört konsequenterweise auch eine Quote von Führungspositionen in Kitas dazu.