Protokoll der Sitzung vom 12.09.2012

(Beifall bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Frau Hajduk. – Das Wort hat Herr Quast.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich finde es sehr vernünftig, dass wir klar und offen darüber diskutieren, dass Aufgabenverlagerung auf die Bezirke mit einer entsprechenden Ressourcenausstattung einhergehen muss, gerade, wenn Mehraufwand entsteht. Das werden wir diskutieren müssen, und wir haben gestern vereinbart und besprochen, dass wir Aussagen dazu bekommen, um das nachvollziehen zu können. Was ich allerdings nicht durchgehen lassen kann, ist, dass gerade von der CDU und den GRÜNEN das Thema so hoch gehängt wird. Wir haben doch in den Bezirken deswegen die Probleme, weil in der vorigen Legislaturperiode Frigge und Freytag Sparprogramme durchgezogen haben, und zwar ohne die Frage zu stellen, welche Aufgaben entfallen, welche Aufgaben verlagert werden oder wo Doppelarbeit abgebaut wird. Sie haben einfach Sparprogramme aufgelegt, worunter die Bezirke heute noch leiden und von denen wir sie zum Teil entlastet haben. Das sollten Sie sich noch einmal deutlich überlegen.

(Beifall bei der SPD)

Vielen Dank, Herr Quast. Mir liegen jetzt keine weiteren Wortmeldungen vor. Wir kommen damit zur Abstimmung.

Wer stimmt einer Überweisung der Drucksache 20/5024 federführend an den Haushaltsausschuss und mitberatend an den Verfassungs- und Bezirksausschuss zu? – Gegenprobe. – Enthaltungen? – Das ist damit einstimmig beschlossen worden.

Ich rufe jetzt auf den Tagesordnungspunkt 45, Drucksache 20/5136, Antrag der CDU-Fraktion: Hamburg – Metropole der Chancen, IT-Gipfel und Campus Party Europe nach Hamburg holen.

[Antrag der CDU-Fraktion: Hamburg – Metropole der Chancen IT-Gipfel und Campus Party Europe nach Hamburg holen – Drs 20/5136 –]

Diese Drucksache möchte die CDU-Fraktion an den Ausschuss für Wirtschaft, Innovation und Medien überweisen.

Wer wünscht hierzu das Wort? – Frau Prien wünscht es und hat es.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich glaube, zwischen allen Fraktionen besteht Einigkeit, dass die Internet- und Kommunikationswirtschaft eine zunehmende, wichtige Bedeutung für unsere Stadt, für unser Land hat. Nicht umsonst haben wir alle gemeinsam gerade den 15. Geburtstag von Hamburg@work gefeiert, und diesen Erfolg können wir uns alle an's Revers heften, denn wir waren, zwar mit unterschiedlichen Verursachungsbeiträgen, daran beteiligt. Hamburg@work ist ein Best-Practice-Beispiel für eine erfolgreiche Clusterpolitik, für die Hamburg in der gesamten Republik zu Recht Anerkennung erhält.

(Beifall bei der CDU)

So weit, so gut, aber wie wir spätestens seit Voltaire wissen, ist das Bessere der Feind des Guten. Insofern gibt es genügend Gründe, einmal genauer hinzuschauen und zu überlegen, ob wir uns auf dem Erreichten wirklich ausruhen dürfen. Um es vorwegzunehmen: Wir dürfen uns nicht ausruhen. Nicht nur bei verschiedenen Rankings, so zum Beispiel dem des Fraunhofer-Instituts zur Top-Positionierung von IT-Standorten in Deutschland, fällt Hamburg stark ab, es gibt auch noch andere alarmierende Zeichen. Zum Beispiel findet demnächst zum siebten Mal in der Republik der nationale ITGipfel statt. Es sind dafür solche Städte wie Darmstadt, München und Stuttgart gefragt, in diesem Jahr ist es Essen, aber Hamburg ist leider wieder nicht dabei. Es gibt noch andere Zeichen. Zum Beispiel hat ein Private-Equity-Kapitalgeber wie Earlybird, der in Hamburg lange Jahre seinen Sitz hatte, in diesem Jahr beschlossen, nach Berlin zu gehen, weil Berlin – ich darf Herrn Hinrichsen einmal zitieren – eben sexy ist und Hamburg nicht.

(Anja Hajduk)

(Zurufe aus dem Plenum: Oh, nee!)

Ich habe nur zitiert.

Aber Spaß beiseite. Sie wissen und haben es unserem Antrag entnommen, dass vor einigen Wochen in Berlin die Campus Party Europe stattgefunden hat. Rund 10 000 IT-Fachkräfte und Unternehmer sind dazu nach Berlin gekommen; es gab ein Riesenaufgebot an wirtschaftlicher und politischer Prominenz. Die EU-Kommissarin Frau Kroes sagte, es gäbe in Europa zwei bedeutende ITStandorte, der eine sei Cambridge, der andere Berlin; Hamburg ist es eben leider nicht mehr. Meine Damen und Herren! Das sind Warnsignale, die wir alle zur Kenntnis nehmen müssen, und es gilt, wie in vielen Bereichen – das ist jetzt an den Senat gerichtet –, dass verwalten leider nicht reicht, Gestalten ist gefragt.

(Beifall bei der CDU)

Anders ausgedrückt: Auch hier ist Stillstand Rückschritt und es ist Zeit, dass der Senat diesen ernsthaften Wettbewerb mit anderen Metropolregionen und Städten in Deutschland und in Europa tatsächlich aufnimmt. Wenn man einmal nüchtern in die Analyse geht, dann muss man leider feststellen, dass es in Hamburg an einem proaktiven Standortmarketing für die IT-Branche fehlt. Wir müssen auch feststellen – das hat unsere Schriftliche Kleine Anfrage in der vergangenen Woche ergeben –, dass es keine branchenspezifischen Förderprogramme gibt. Es gibt keine Initiativen,

(Hansjörg Schmidt SPD: Das stimmt doch überhaupt nicht!)

um vergünstigten Gewerberaum für Start-up-Unternehmen in diesem Bereich zu fördern. Das wäre dringend notwendig, denn sonst kommen die Leute nicht nach Hamburg, sie gehen dann eben nach Berlin oder woanders hin.

Wir müssen uns deutlich fragen, was wir tun können, um für kreative Milieus attraktiv zu bleiben oder um zukünftig attraktiver zu werden. Was können wir tun, um Fachkräfte, die in diesem Bereich absolut international unterwegs sind, für Hamburg zu gewinnen und in Hamburg zu halten? Es wird nicht reichen, immer nur auf Hamburg@work zu verweisen und darauf, dass es doch so eine tolle Clusterinitiative ist, die im nächsten Haushalt wieder Geld bekommt. Sie meinen, damit wäre die Schuldigkeit getan. Nein, meine Damen und Herren, es ist mehr gefragt, mehr Fantasie, mehr Initiative.

(Beifall bei der CDU und bei Finn-Ole Ritter FDP)

Wenn man dann wiederum in die Schriftliche Kleine Anfrage und die Antwort des Senats schaut, dann fasst man es nicht. Es gibt nicht einmal vernünftiges Zahlenmaterial, um zu evaluieren, welche Bedeutung das Internet und die IT-Wirtschaft

für Hamburg haben. Hier gibt es Handlungsbedarf, Sie müssen etwas tun, Herr Senator, so kann das nicht weitergehen.

(Beifall bei der CDU)

Was machen denn die Berliner, auch die neue parteilose Wirtschaftssenatorin?

(Dr. Andreas Dressel SPD: Die ist doch ge- rade zurückgetreten, oder?)

Ist dieser Bereich bei der Senatskanzlei tatsächlich richtig aufgehängt oder gehört er doch eher in den Wirtschaftsbereich? In Berlin gibt es das "Projekt Zukunft", eine große Initiative zur Begleitung der Strukturveränderung hin zu den Notwendigkeiten einer modernen Wissensgesellschaft. Alle Player in dem Bereich sind daran beteiligt. Das ist ein sehr überzeugendes Konzept aus meiner Sicht. In den vergangenen Wochen haben wir nicht nur die große Veranstaltung in Berlin erlebt, es gibt auch ein neues internationales Marketingkonzept des Berliner Senats. Die sind wirklich dran an der Sache, die machen was, und das wünsche ich mir für Hamburg auch.

(Beifall bei der CDU)

Wir wissen seit der Regierungserklärung, dass sich der Senat mit Leuchttürmen schwertut, er macht alles nur mit ordentlichem Regieren. Das ist auch sehr schön, aber ohne große Veranstaltungen, die Leuchtturmcharakter haben, werden Sie die Faszination der internationalen IT-Wirtschaft und vor allem auch der Fachkräfte und Menschen, die in diesem Bereich so wesentlich sind, nicht wecken können – deshalb unser heutiger Antrag, als Teil einer umfassenderen IT-Strategie für Hamburg. Kümmern Sie sich darum, dass tatsächlich der nächste nationale IT-Gipfel nach Hamburg kommt. Kümmern Sie sich darum, dass solche Veranstaltungen wie die Campus Party Europe das nächste Mal in Hamburg stattfinden, und machen Sie sich Gedanken darüber, wie durch neue Veranstaltungsformate viele dieser Menschen, die wir so dringend brauchen, von Hamburg angezogen werden. Wenn ich das Zitat von Herrn Hinrichsen noch einmal bemühen darf: Berlin mag sexy sein, aber sorgen Sie dafür, dass Hamburg unwiderstehlich wird. – Danke schön.

(Beifall bei der CDU)

Vielen Dank, Frau Prien. – Das Wort hat Herr Schmidt.

(Finn-Ole Ritter FDP: Hamburg unwidersteh- lich machen, Herr Schmidt!)

Herr Präsident, meine sehr geehrten Damen und Herren! Wir reden an einem Tag über Events, an dem die ganze Welt auf ein neues Telefon schaut. Vielleicht sollten wir uns um solche Veranstaltungen bemühen. Einmal im

(Karin Prien)

Ernst, es ist absolut zu begrüßen, dass die Hamburger Politik der IT-Wirtschaft einen großen Stellenwert zurechnet. Das merkt man auch daran, dass wir das Thema in dieser Legislaturperiode so häufig diskutieren wie bisher noch nicht – zumindest aus meiner Erfahrung, der ich die Bürgerschaft in den vergangenen Legislaturperioden von außen verfolgt habe. Das begrüßen wir, und daran sollten wir auch weiter arbeiten, denn dieses Thema ist für die Zukunft unserer Stadt natürlich extrem wichtig. Gut wäre es aber auch, meine Damen und Herren von der CDU, wenn Sie den Standort nicht ständig schlechtreden würden.

(Beifall bei der SPD)

Ich nenne nur einmal als Beispiel die Studie des Fraunhofer-Instituts, weil Sie die so häufig angeführt haben, ich glaube, jetzt zum dritten Mal. Weshalb Hamburg bei diesem einzelnen Ranking auf einem Mittelfeldplatz liegt, begründet die Studie damit, dass die IT- und Software-Branche in Hamburg sehr stark mit anderen wissensintensiven Branchen konkurriert. Deshalb ist die Beschäftigungsquote – um die geht es in dieser Studie – naturgemäß hier etwas geringer. Hören Sie also endlich auf, mit diesem Thema ständig den Teufel an die Wand zu malen.

(Beifall bei der SPD)

Nun zu Ihrem konkreten Anliegen. Für den nationalen IT-Gipfel, auf den Sie anspielen, kann man sich nicht bewerben. Die Entscheidung über den Austragungsort obliegt allein der Bundeskanzlerin und dem Bundeswirtschaftsministerium.

(Beifall bei Finn-Ole Ritter FDP – Dr. Andre- as Dressel SPD: Herr Rösler!)

Herr Ritter, wenn dann bei Herrn Rösler oder bei Frau Merkel Orte wie Darmstadt oder Essen eine höhere Priorität genießen als unsere wunderschöne Freie und Hansestadt Hamburg, dann kann man das Darmstadt und Essen sicherlich gönnen, aber dann sagt das im Zweifelsfalle auch etwas aus über die Prioritäten der Bundesregierung. Wie Sie in der Antwort auf die Schriftliche Kleine Anfrage von Herrn Wankum lesen konnten, hat der Senat bereits im vergangenen Jahr gemeinsam mit der Handelskammer sein Interesse bekundet und hat es auch für das kommende Jahr bekräftigt. Also, CDU, zuhören bitte: Wenn Ihnen der IT-Gipfel wichtig ist, dann sollten Sie nicht Ross und Reiter vertauschen, sondern bei Ihrer Bundeskanzlerin vorstellig werden. Der Senat ist der CDU bei diesem Thema in jedem Fall schon einen Schritt voraus.

(Beifall bei der SPD)

Noch eine Bemerkung zur Nachhaltigkeit dieses IT-Gipfels und ähnlicher Veranstaltungen. Wenn die CDU und auch die FDP auf solchen Veranstaltungen einmal zuhören würden,

(Finn-Ole Ritter FDP: He!)

dann würden sie nicht, wie zum Beispiel zuletzt, auf die Idee kommen, durch die Änderung des Jahressteuergesetzes den Start-ups in unserem Lande das Leben ständig schwerer zu machen. Nach diversen IT-Gipfeln und Spitzengesprächen scheint hier auf jeden Fall das Verständnis für die Branche immer noch nicht ausreichend ausgeprägt zu sein.

Nun zur Campus Party Europe. Das ist ein internationaler Wanderzirkus, der bisher hauptsächlich in Spanien, Brasilien und Mexiko stattfand und nun zum ersten Mal in Deutschland Halt gemacht hat, in Berlin, und der sicherlich auf absehbare Zeit erst einmal nicht wieder nach Deutschland kommen wird. Gesponsert wird diese Veranstaltung von einem großen spanischen Telefonkonzern, und aus Berlin hörte man häufig die Kritik, dass dort ein spanisches Ufo gelandet sei und es wenig Interaktion mit der lokalen Szene gegeben habe. Das ist aber für die Nachhaltigkeit von solchen Veranstaltungen sehr wichtig. Ich zitiere einmal den "Spiegel", wenn ich darf:

"Eine Party, auf der irgendwas 'gehackt' werden soll, sieht anders aus."

Von Teilnehmern hat man gehört, dass die Veranstaltung auf dem Flughafen Tempelhof eher langweilig, lieblos und frei von Leidenschaft war. Das ist auch der Unterschied zu einer Veranstaltung, die wir in Zukunft wieder in Hamburg haben werden, nämlich der "Chaos Communication Congress". Dieser wird als nichtkommerzieller Kongress vom Chaos Computer Club organisiert und spielt in einer Liga mit der DEFCON in Las Vegas. Als Plattform für Hacker, aber auch für Wissenschaftler, Künstler und Utopisten gilt der CCC heute als die europäische Hackerkonferenz. In Zeiten, in denen die Netzpolitik weitgehend als Gesellschaftspolitik akzeptiert ist, kommt dem CCC deshalb zweifelsohne eine tragende Rolle als Bühne für Vordenker und Wegbereiter gesamtgesellschaftlicher Entwicklung zu. Deshalb sind wir stolz und begrüßen es außerordentlich, dass der "Chaos Communication Congress" zu seinen Wurzeln zurückkehrt und in Zukunft wieder in Hamburg stattfindet.

(Beifall bei der SPD und bei Katharina Wolff CDU)