Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

Ich höre auch vom Bundesfinanzminister und von der Bundeskanzlerin, dass sie durchaus Sympathie haben und die Bewegung gut finden. Jetzt wollen Sie aber erst einmal alles platt machen, das Camp soll weg, es soll geräumt werden. Ich habe natürlich auch mit den Verantwortlichen der HSH gesprochen und zu hören bekommen, dass diese ziemlich entspannt mit der gesamten Situation umgehen. Es ist so, dass dort auch die Toilette benutzt werden kann.

(Glocke)

Darf ich eben noch meinen Satz zu Ende bringen?

Erster Vizepräsident Frank Schira (unterbre- chend): Nein, jetzt habe ich das Wort.

(Dr. Mathias Petersen SPD: Er kann doch wohl seinen Satz zu Ende sprechen!)

Gestatten Sie eine Zwischenfrage des Abgeordneten Voet van Vormizeele?

Vielen Dank. Herr Kollege, können Sie mir kurz erklären, wenn die Sympathien der Sozialdemokraten so groß sind und so grundsätzlich, warum dann ein sozialdemokratischer Oberbürgermeister von Frankfurt vor wenigen Wochen, übrigens ausgesprochen gewaltsam, das Lager von Occupy in Frankfurt geräumt hat?

(Hansjörg Schmidt SPD: Das ist doch was anderes!)

Die Situation in Frankfurt ist eine andere. Herr van Vormizeele, es ist schon ein Unterschied, wenn so etwas großflächig vor der EZB passiert. Ich möchte, lassen Sie mich das noch einmal erläutern, dass diese Situation in Hamburg nicht eintritt.

(Beifall bei der SPD)

Ich war stehengeblieben, als ich gesagt habe, dass ich mit den Verantwortlichen der HSH gesprochen habe. Die sagten, an und für sich gingen sie mit der Situation recht entspannt um.

(Dirk Kienscherf SPD: Die haben andere Sorgen!)

Natürlich werden Occupy und HSH niemals Freunde werden in diesem Leben, aber es sieht so aus, dass sie auf jeden Fall etwas nicht wollen. Sie wollen nicht, dass dort bürgerkriegsähnliche Zustände,

(Roland Heintze CDU: Bei 15 Menschen!)

die bei einer Räumung offensichtlich unabdingbar sind, vor ihrer Haustür passieren – das auf jeden Fall nicht. Das hat auch diese Stadt nicht verdient, das muss man auch einmal klar und deutlich sagen.

(Beifall bei der SPD)

Wenn wir jetzt Ihren Antrag einmal beurteilen, dann muss man das in diesem Kontext tun. Das Erste ist die Zuständigkeit. Zuständig, das haben Sie auch schon gesagt, ist das Bezirksamt beziehungsweise die Bezirksversammlung HamburgMitte. Von der dortigen CDU habe ich keine Impulse vernommen, die sich damit befassen, dass Occupy weg soll. Einen Anlass sehe ich auch nicht. Natürlich gibt es dort einige Vorkommnisse, aber ob die nun alle Occupy zugerechnet werden können, sei dahingestellt. Es gab einen schwerwiegenden Anlass, das war die Stürmung der Deutsche-Bank-Filiale am Adolphsplatz, und das sind Dinge, die werden wir nicht gutheißen. Es ist sicherlich richtig, dass die Deutsche Bank Strafanzeige wegen Hausfriedensbruch erstattet hat.

(Dietrich Wersich CDU: Ich denke, die ha- ben Ihre Sympathie! Waren das denn ande- re?)

Das hat mit Sympathie nichts zu tun. Es ist auch nicht das Ziel von Occupy, Banken zu stürmen, das ist völlig unsinnig.

Jetzt kommen wir zur juristischen Beurteilung. Im Grunde genommen geht es um die Frage, ob die Occupy-Besetzung – in Anführungsstrichen – des Gerhard-Hauptmann-Platzes eine Versammlung im Sinne des Artikels 8 Grundgesetz ist. Das bleibt unklar, jedenfalls nach meinen Informationen. Rechtlich ist es tatsächlich eine vom Bezirksamt geduldete Nutzung ohne formale Genehmigung. Im Grunde genommen bringt uns diese juristische Beurteilung nicht weiter.

Ich komme zu der politischen Würdigung. Die CDU will räumen, und damit provozieren Sie eine Eskalation, die in keiner Weise dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit entspricht; das muss man mit aller Klarheit deutlich machen. Haben Sie sich eigentlich Gedanken gemacht, was Ihr Antrag auslösen kann? Ich kann mir vorstellen, dass sich schon ei

nige Touri-Chaoten in Berlin oder Frankfurt die Stiefel schnüren, um nach Hamburg zu kommen. Es werden bei einer Räumung Bilder von Hamburg möglicherweise um die Welt gehen, die mit der Weltoffenheit und Toleranz dieser Stadt in keiner Weise vereinbar sind.

(Hans-Detlef Roock CDU: Du liebes Lott- chen!)

Im Übrigen – Herr Wersich, hören Sie einmal zu – meine ich, dass Ihr Antrag auch den Bemühungen um eine moderne Großstadtpartei, die die CDU sein will, entgegensteht. Sie machen im Grunde genommen genau das Gegenteil von dem, was der Zielsetzung der modernen Großstadtpartei entsprechen würde.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Davon haben die sich eh verabschiedet!)

Auf den Punkt gebracht lautet die Frage: Geht es um Scharfmacherei oder um Besonnenheit? Wir wählen die Besonnenheit und werden Ihren Antrag ablehnen.

(Beifall bei der SPD)

Im Übrigen hoffen wir, dass weiterhin alles friedlich verläuft. – Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der SPD)

Bevor ich Frau Möller das Wort gebe, möchte ich darauf aufmerksam machen, dass Beifallskundgebungen im Plenum passieren, aber nicht auf der Besuchertribüne.

Frau Möller hat das Wort.

Herr Präsident, meine Damen und Herren! Ich habe auch nach der Rede von Herrn van Vormizeele nicht wirklich verstanden, was eigentlich die Intention des Antrags ist. Wollen Sie wieder einmal über mehr Sauberkeit in dieser Stadt reden, oder wollen Sie noch einmal die politische Auseinandersetzung, die Sie eben in der Aktuellen Stunde schon verweigert haben, über das, wofür Occupy steht? Ich glaube, dass Sie selbst nicht wissen, was Sie mit diesem Antrag erreichen wollen.

Zur Frage der Störung von öffentlicher Sicherheit und Ordnung wurde eben schon vom Kollegen der SPD einiges gesagt. Es gibt klare Regelungen und es wird auch eingegriffen, wenn es nötig ist. Die andere Frage lautet, was ist eigentlich weltweit von der Occupy-Bewegung noch zu sehen? Dieses ist tatsächlich der letzte noch nicht geräumte Standort eines Camps in Deutschland, und dabei sollten wir es auch belassen, schlicht und einfach.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Die Vereinbarung, die es mit dem Bezirk gibt, dann, wenn der Platz genutzt wird, …

(Zuruf von Roland Heintze CDU)

Vielleicht nicht Weltkulturerbe, das mag zu viel sein, aber immerhin haben sie an der Documenta teilgenommen. Das war doch schon mal etwas, Herr Heintze.

In dem Sinne brauchen wir nämlich Anstöße, um über das Thema, für das Occupy steht, zu diskutieren. Auch in diesem hamburgischen Camp werden immer wieder Angebote gemacht, Angebote zu Diskussionen, Angebote, einfach nur zuzuhören oder etwas loszuwerden. Solche Angebote gibt es viel zu wenige in dieser Stadt.

Was Sie mit dem Antrag erreichen wollen, warum Sie sich darüber beschweren, dass der Bezirk schon reagiert hat und es, was eigentlich alle schon seit Wochen wissen, einvernehmliche Vereinbarungen für die nächsten Wochen und Monate bezüglich der Nutzung des Platzes gibt, habe ich nicht verstanden. Ich glaube, Sie kommen nicht weiter mit diesem Antrag, und vor allem kommen Sie nicht weiter, wenn Sie so sehr deutlich machen, dass es Ihnen schlicht und einfach nur darum geht, prekäres Leben, Armut, Dinge, die nicht den mittelständischen Lebenszielen entsprechen, auf der Straße nicht sehen zu müssen. Darüber wollen Sie vielleicht auch gar nicht stolpern. Ich glaube, dass die Allgemeinheit überhaupt nicht eingeschränkt ist in der Nutzung dieser öffentlichen Fläche, sondern dass sie mit dem Occupy-Camp schlicht und einfach ein neues Angebot bekommen hat, und das sollten wir weiter nutzen.

(Beifall bei den GRÜNEN und der LINKEN)

Das Wort hat Frau von Treuenfels.

Sehr geehrter Präsident, meine Damen und Herren! Liebe Kollegen von der CDU, vor einem Jahr war die Occupy-Bewegung noch in aller Munde. Heute, zwölf Monate später, sind ihre Camps in den Weltfinanzzentren zwischen der Wall Street und der Frankfurter EZB aufgelöst. Es wird stiller um die Protestbewegung, wohl auch, weil viele Menschen erkannt haben, dass okkupieren keine Probleme lösen kann. Nun kommt die Hamburger CDU und will ausgerechnet vor der kränkelnden HSH Nordbank eine Räumung des dortigen Restcamps beschließen lassen. Eine bessere Methode, um diese sterbende Bewegung wiederzubeleben, gibt es wahrscheinlich nicht.

(Beifall bei der FDP – Dr. Andreas Dressel SPD: Das sehe ich auch so!)

Ja, das sehe ich so.

(Jan-Hinrich Fock)

Etwas Besseres, um auf sich aufmerksam zu machen, scheint der Hamburger CDU im Moment nicht eingefallen zu sein. Das ist schade, denn Sie unternehmen hier den untauglichen Versuch, mit einem völlig überflüssigen Antrag Polizeihardliner zu spielen. Nach Ihren eigenen Worten geht es um eine Räumungsverfügung und deren Durchsetzung. Für beides – jetzt müssen wir doch einmal juristisch werden – bestehen klar geregelte Zuständigkeiten, und die liegen weder beim Senat noch bei der Bürgerschaft. Daher sollten wir uns grundsätzlich davor hüten, ungefragt und ohne Not neue Zuständigkeiten zu kreieren und schon gar nicht mit Vorratsbeschlüssen. Das ist weder nötig noch klug. Außerdem sollten Sie einmal die Kirche im Dorf lassen. Mit knapp einem Dutzend Zelten und den dazugehörigen Bewohnern werden die Behörden mit Sicherheit in Ruhe fertig werden. Ich habe daran jedenfalls keinen Zweifel.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD – Dr. An- dreas Dressel SPD: Sehr gut!)

Vielen Dank, das muss ich auskosten, Beifall von der SPD.

Wenn man sich schon in der Sache mit dem Camp beschäftigt, sollte dies zumindest auf differenzierte Art und Weise geschehen. Das fand ich bei der CDU nicht ganz gelungen. Sie monieren das Fehlen einer Genehmigung. Wir vermissen an dieser Stelle die Auseinandersetzung mit der Fragestellung, ob es hier wirklich einer Genehmigung bedarf. Dass das Ganze nicht so einfach ist, zeigt die Entscheidung des Verwaltungsgerichts Frankfurt vom August dieses Jahres. Gleich über mehrere Seiten setzt sich das Gericht dezidiert mit der Fragestellung auseinander, ob die konkrete Veranstaltung von Occupy in Frankfurt noch unter den Versammlungsbegriff fällt oder eine Sondernutzung darstellt. Die CDU hingegen glaubt, in Hamburg mit einem einzigen Satz eine Antwort auf diese komplexe Frage geben zu können, nicht schlecht. Sie machen es sich etwas einfach.

Der entscheidende Punkt ist und bleibt allerdings, dass weder Senat noch Bürgerschaft zuständig für den Erlass einer Räumungsverfügung und deren Vollstreckung sind. Hätten Sie, liebe Kollegen von der CDU, dies von vornherein erkannt, könnten wir uns hier und heute die Befassung mit einem, wie ich finde, etwas überflüssigen Antrag ersparen. – Vielen Dank.