Protokoll der Sitzung vom 26.09.2012

[Bericht des Stadtentwicklungsausschusses über die Drucksache 20/4193: Masterplan "Mitte Altona" (Senatsantrag) – Drs 20/5271 (Neufassung) –]

Der Bericht liegt Ihnen in einer Neufassung vor. Die darin enthaltenen Ausschussempfehlungen wurden unter f) um einen weiteren Punkt ergänzt. Die bisher unter f) aufgeführte Empfehlung finden Sie nun unter g). Wird das Wort gewünscht? – Herr Kienscherf, Sie haben es.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Mit dem jetzt vorgelegten Masterplan "Mitte Altona" und den Ergänzungen der Bürgerschaft vollenden wir erfolgreich das erste Kapitel des neuen Stadtteils Altona Mitte. Es ist ein Stadtteil, der neben der HafenCity zu dem größten städtebaulichen Projekt in dieser Stadt gehört, in den wir in den nächsten Jahren mehrere Hundert Millionen Euro investieren werden, in den wir auf heute brachliegenden Bahnflächen und einem noch zu verlagernden Fernbahnhof ein neues Quartier mit rund 3600 Wohnungen und Platz für 8000 Menschen schaffen werden, insbesondere für Familien. Das ist ein wichtiges Projekt, das die Bürgerschaft insgesamt unterstützen sollte.

(Beifall bei der SPD)

Es wird ein Stadtteil sein, der neue Akzente setzen wird, sich aber gleichzeitig einpassen wird in die Umgebung. Es wird ein Stadtteil sein, der höchst attraktiv ist, und es wird vor allen Dingen ein Stadtteil für alle sein. Ich glaube, es muss unser Ziel sein, höchst attraktive Standorte so zu entwickeln, dass es sich alle Menschen in dieser Stadt leisten können, in diesem Stadtteil zu wohnen. Wir Sozialdemokraten wollen das jedenfalls.

(Beifall bei der SPD)

Eine Hamburger Tageszeitung hat neulich geschrieben, dass das Projekt "Mitte Altona" in Zeitverzug sei. Aber ich glaube, es war richtig, dass wir uns bei diesem wichtigen Projekt die Zeit genommen haben. Wir wollten nicht einfach entscheiden, die Politik sollte nicht allein beraten und entscheiden, sondern wir haben uns die Zeit genommen für einen breiten Beteiligungsprozess. Dieser Beteiligungsprozess war beispiellos. Er wurde eingeleitet von Schwarz-Grün. Schon damals hatte unser damaliger Fraktionsvorsitzender, Michael

(Tim Golke)

Neumann, gesagt, dass wir das, was gut ist, auch gutheißen werden. Und auch in diesem Fall müssen wir Ihnen sagen, dass das, was Sie damals als schwarz-grüne Koalition eingeleitet haben, richtig war.

Wir müssen bei solchen Prozessen die Stadt an diesen Diskussionen beteiligen. Es waren nicht immer bequeme Diskussionen, aber wir sind zu einem guten Ergebnis gekommen, und ich glaube, es wird ganz deutlich, dass Stadtentwicklungspolitik nicht von Schnellschüssen lebt, sondern von der Beteiligung der Bürgerinnen und Bürger.

(Beifall bei der SPD)

Das eine oder andere haben wir nicht berücksichtigen können; Frau Sudmann wird nachher wahrscheinlich noch eine Menge dazu sagen.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Oh ja!)

Aber trotzdem wird sicherlich vieles von dem aufgegriffen werden, wenn es zum Thema B-Plan kommt oder wenn es darum geht, die Funktionspläne zu erstellen, denn der Masterplan an sich bildet den Rahmen für die weiteren Entwicklungen und die weiteren Konkretisierungen. Er ist vor allen Dingen ein Rahmen dafür, mit den privaten Eigentümern ins Gespräch zu kommen. Auch das ist eine Einmaligkeit an dieser Stelle.

Es ist nicht nur eine höchst attraktive Fläche, sondern es ist auch eine Fläche, die sich in Privateigentum befindet. Auch wenn der eine oder andere es nicht hören will: Auch dort muss Stadtentwicklungspolitik reagieren. Und es war richtig, dass sich damals Schwarz-Grün und die Vorgänger-Senate 2007 beziehungsweise 2008 durch einen Senatsbeschluss das Recht eingeräumt haben, hier zu agieren. Eine solch wichtige Fläche kann man nicht allein den Privateigentümern überlassen. Hier muss der Staat Einwirkungsmöglichkeiten haben.

(Beifall bei der SPD – Heike Sudmann DIE LINKE: Muss, Herr Kienscherf!)

Das haben wir, denn wir geben mit dem Masterplan Ziele vor, nämlich Leitziele. Das Erste, was wir machen wollen und werden, ist, dass zwei Drittel des Wohnungsbaus, der dort stattfinden wird, Mietwohnungsbau sein wird, und 50 Prozent davon wird sozialer Wohnungsbau sein. Das heißt, durch diesen Drittel-Mix, den wir auch in anderen Bereichen einführen, der hier aber auf einer privaten Fläche realisiert werden soll, erreichen wir es, einen lebendigen Stadtteil für mittlere, niedrige, aber auch für höhere Einkommen zu schaffen. Ich glaube, genau das ist der richtige Weg.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Gleichzeitig lassen wir natürlich nicht außer Acht, dass diese Fläche nicht unkompliziert zu entwickeln ist. Es kostet viel, viel Geld, die Erschließungsmaßnahmen und die Bodensanierungsmaß

nahmen durchzuführen. Und wir werden es schaffen, auch durch diesen Drittel-Mix, dass die Steuerzahler in dieser Stadt möglichst gering belastet werden und dass die privaten Eigentümer daran beteiligt werden. Wir Sozialdemokraten werden mit ihnen gemeinsam dafür sorgen, dass etwaige Bodenwertsteigerungen nicht zugunsten der Privaten ausfallen, sondern dass sie in dieses Gebiet wieder hineinfließen. Das ist unser Ziel und auch das ist eine sozial verträgliche Stadtentwicklungspolitik.

(Beifall bei der SPD)

Wir wollen darüber hinaus, dass dieser Stadtteil für alle Menschen offen ist, das heißt, nicht nur vom Einkommen her, sondern auch vom Gesundheitszustand her. Deswegen ist es ein wichtiges Anliegen, das hier formuliert wurde, dass dieser Stadtteil beispielhaft werden muss für seine Barrierefreiheit. Viele Menschen vor Ort haben sich in langen Diskussionsrunden damit beschäftigt. Auch an den vielen Gesprächen mit den Investoren kann man erkennen, dass hier der Wille – wir formulieren es trotzdem noch einmal ganz deutlich – sein muss und auch ist, dass viele, möglichst alle Wohnungen, barrierefrei und ohne Schwellen zu erreichen sind. Wir wollen auch barrierefreie Außenflächen. Hier kann dieser Stadtteil als Beispielprojekt gelten. Wir sollten das alle gemeinsam unterstützen.

(Beifall bei der SPD)

Wer die Fläche kennt, weiß, dass es sich bei dem Fernbahnhof um eine attraktive und sehr zentrumsnahe Fläche handelt; wir wollen hoffen, dass er noch verlegt wird. Es gibt Einkaufsmöglichkeiten, Schnellbahnstationen, aber auch andere Attraktivitäten sind in unmittelbarer Nähe. Von daher muss es das Ziel sein – und das formuliert der Masterplan auch –, ein Modellprojekt zu schaffen mit möglichst wenig Autos im Quartier. Wir wollen hier das autoarme Wohnen verwirklichen in großen Bereichen. Wenn wir es schaffen, ein ganz neues Mobilitätskonzept zu entwickeln, das die Bereiche Carsharing, Fahrradfahren und gute Fußgängerverbindungen ermöglicht, dann schaffen wir es hier, ein in Deutschland beispielhaftes Projekt zu entwickeln. Der Masterplan gibt dort klare Vorgaben.

(Vereinzelter Beifall bei der SPD)

Eine weitere Vorgabe, die der Masterplan gibt, ist das Thema Denkmalschutz. Wir retten den Wasserturm, wir retten die Kleiderkammer, wir retten die pfahlhistorischen Gebäude und wir integrieren sie, sodass wir auf der einen Seite einen neuen Stadtteil schaffen, ihn auf der anderen Seite aber verbinden mit seiner Geschichte und diese Geschichte auch erlebbar machen. Das haben wir uns alle sicherlich an anderer Stelle schon gewünscht in dieser Stadt, aber oftmals kam es nicht dazu. In Altona wird es dazu kommen. Ich denke, das ist der richtige Weg, und er ist auch beispiel

haft für andere Dinge. Hier haben wir etwas Gutes entwickelt, meine Damen und Herren.

(Beifall bei der SPD)

Lassen Sie mich noch etwas zum Thema Gewerbetreibende sagen. Auch hier ist die verständliche Sorge der Gewerbetreibenden groß, die sich in dem Gebiet befinden, aber auch die der umliegenden Gewerbetreibenden. Das sind kreative Kräfte in dieser Stadt, die günstige Gewerbemieten haben und die Neues entwickeln. Wir müssen alle darauf achten, dass wir durch solche Neustrukturierungen und Neuschaffung von Stadtteilen in diesem Bereich, aber auch in den angrenzenden Bereichen, nicht dieses Potenzial verschütten und diese Betriebe letztendlich wegjagen, sondern dass wir mit ihnen gemeinsam ein Gewerbemietenkonzept entwickeln, auch mit den Investoren, die dafür sorgen, dass diese Potenziale in diesem Stadtteil erhalten bleiben. Ich denke, das ist sehr, sehr wichtig.

(Beifall bei der SPD)

Es gibt viele andere Dinge, die in diesem Masterplan geregelt sind. Die Detailfragen werden im B-Plan-Verfahren geregelt werden. Worauf wird es jetzt ankommen? Der B-Plan ist die Grundlage für die nun anstehenden Verhandlungen mit den privaten Grundeigentümern. Da wird es darauf ankommen, dass die Stadt aufgrund des Masterplans deutlich macht, was ihre Ziele sind. Dieses Verfahren haben sich weder die Vorgängersenate noch der jetzige Senat ausgedacht, sondern sie sind klar geregelt im Baugesetzbuch, auch wenn der eine oder andere das nicht wahrhaben will.

Die Stadt muss jetzt mit diesem Paket, das wir ihr zur Verfügung stellen, auf die Investoren zugehen und ausverhandeln, dass die Investoren bereit sind, diese Kriterien und diese Vorgaben zu erfüllen. Wir sind zuversichtlich, dass das gelingen kann. Aber eines muss auch ganz deutlich werden: Wenn die Investoren und die Privateigentümer nicht bereit sind, diesen Weg einer sozial verträglichen Stadtentwicklung in diesem Bereich mitzugehen, dann muss und wird die Stadt das Vorkaufsrecht wahrnehmen. Hier muss die Stadt ganz entschlossen reagieren.

(Beifall bei der SPD)

Ich will noch eines sagen, weil Frau Sudmann das sicher nachher auch sagen wird, ich kenne sie mittlerweile.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Ja!)

Warum ist das Vorkaufsrecht jetzt nicht wahrgenommen worden beim ECE-Kauf einer Fläche der Holsten-Brauerei? Es war eine Fläche und es war ein Kauf, der aber nichts mit den jetzigen Abwendungsvereinbarungen zu tun hat. In diesem Fall hätte die Stadt immer nachweisen müssen, dass ECE nicht bereit ist, in diesen Diskussionsprozess

einzusteigen. Das aber hat ECE erklärt. Von daher war es rechtlich nicht möglich, auch wenn ältere Männer aus der Stadtentwicklung – der Name Kossak ist ja heute schon gefallen – sich das vielleicht wünschen, aber rechtlich war es nicht möglich. Deswegen war der Weg richtig, dieses Vorkaufsrecht nicht wahrzunehmen.

Jetzt kommt es darauf an zu sehen, wie sich die Investoren verhalten. Wir haben einen Masterplan entwickelt und wir haben ihn ergänzt durch die Bürgerschaft. Ich denke, wir haben ein gutes Paket geschnürt und sollten das heute verabschieden. Wir sollten dann gemeinsam an dem Thema weiterarbeiten, an der Entwicklung der entsprechenden Bebauungspläne und an der Entwicklung der sozialen Infrastruktur. Das wird ein interessanter Prozess und ich freue mich darauf. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

Herr Roock, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Kienscherf, wir sind zwar nicht immer einer Meinung, aber in dieser Frage doch. Sie haben schon viele Einzelheiten genannt, die ich nicht wiederholen will. Frau Sudmann, es hat auch nichts mit einem Senatssprecher zu tun, denn ich glaube, mein Beitrag wird deutlich machen, welche Positionen wir einnehmen.

Wir als CDU-Fraktion sind der Meinung, dass wir mit der "Mitte Altona" einen großartigen neuen Stadtteil entwickeln können. Die Grundlagen wurden bereits im Dezember 2007 mit den vorbereitenden Untersuchungen nach Paragraf 165 Baugesetzbuch in unserer Regierungszeit gelegt. Heute sind wir nun so weit, über den Masterplan zu entscheiden.

Vorausgegangen sind ein besonderes und neues Bürgerbeteiligungsverfahren und ein städtebaulicher Wettbewerb. Frau Sudmann, wir haben neulich über Beteiligungsverfahren im Plenum diskutiert. Ich habe am Freitag eine schwedische Delegation begleitet, die ein hohes Interesse an moderner Stadtentwicklung hat.

(Heike Sudmann DIE LINKE: Das war aber nicht IKEA, oder?)

Die "Mitte Altona" strahlt schon jetzt international aus und ich finde das gut.

(Beifall bei der CDU)

Dieses Beteiligungsverfahren ist in Deutschland einmalig und wird auch bis zur endgültigen Entwicklung des Stadtteils die unterschiedlichen Prozesse begleiten. Das ist gut so und fördert die Akzeptanz bei den Bürgerinnen und Bürgern.

(Dirk Kienscherf)

Frau Sudmann, Querschüsse der LINKEN mit der Streuung von Gerüchten wie zum Beispiel, dass Investoren spekulieren würden und sich die Taschen vollstopften, oder dass zulasten der Wohnbebauung ein Riesen-Shoppingcenter dort gebaut werden solle, sind bei diesem Projekt wenig hilfreich. Im Gegenteil, es verunsichert die Bevölkerung und es diffamiert und verschreckt seriöse Investoren, die wir für die Weiterentwicklung unserer Stadt dringend brauchen.

(Beifall bei der CDU)

Das ist mit uns nicht zu machen und wir werden alle Möglichkeiten nutzen, um dagegenzuhalten.