Protokoll der Sitzung vom 24.10.2012

Wir kennen das schon von der SPD. Herr Rabe setzt damit die unselige Politik von Frau Raab fort. Sie wissen, die ist auch immer irgendwelche Sonderwege gegangen, damals immer mit Zustimmung der KMK. Es gab dann irgendwo wunderbare Hamburger Fußnoten, dass die ganzen Regelungen der KMK für Hamburg nicht gelten würden und Hamburg dementsprechend nicht das Niveau der anderen Bundesländer erreichen müsse. Diese Fußnoten habe ich zumindest in der aktuellen Regelung nicht gefunden, das heißt, Herr Rabe hat sich seinen Sonderweg nicht genehmigen lassen.

Nachdem der Senator schon bei der Abschaffung der sonderpädagogischen Gutachten locker über das Schulgesetz hinweggegangen ist, kann ich nur sagen: Herr Holster, sorgen Sie bitte dafür, dass sich der KMK-Präsident in Hamburg an die KMK-Regelungen hält, dass die entsprechenden Verordnungen verändert werden und dass die Stadtteilschulen in den Fächern Mathematik und Englisch ab Klasse 7 und in Deutsch ab Klasse 8 eine äußere Leistungsdifferenzierung in Kursen einführen. Wir dürfen nämlich auf keinen Fall riskieren, dass Hamburgs Schülerinnen und Schüler irgendwann vor der Situation stehen, dass ihre Abschlüsse in anderen Bundesländern nicht mehr anerkannt werden. – Vielen Dank.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei der FDP)

Herr Holster, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Das war eine sehr aufgeregte Rede, Herr Heinemann, und dabei haben Sie ein so wichtiges Thema wie die Differenzierung in den Stadtteilschulen aufgeworfen. Ich finde es auch gut, dass wir uns jetzt mit diesem Thema beschäftigen wollen. Wir werden daher auch einer Überweisung an den Schulausschuss ausdrücklich zustimmen.

Aber es geht nicht nur um die äußere Differenzierung, sondern auch um die innere Differenzierung. Und da gibt diese Große Anfrage auch etwas zum individualisierten Unterricht her. Hierzu hat die SPD-Fraktion eine Selbstbefassung im Schulausschuss beantragt. Gerade in diesem Zusammenhang sollten wir dort dieses ganz spezielle, sehr detaillierte Thema weiter diskutieren. Es gehört in den Ausschuss, und deshalb werden wir einer Überweisung an den Ausschuss zustimmen. – Vielen Dank.

(Beifall bei der SPD)

(Robert Heinemann)

Herr Duge, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Die CDU hat, was ich ein bisschen befürchtet habe, negative Lernfortschritte gemacht, was die Frage der Bildungschancengerechtigkeit angeht und was die Möglichkeit des gemeinsamen Lernens betrifft.

Wenn man sich einmal die Ausbildungs- und Prüfungsordnung für die Klassen 5 bis 10 der Stadtteilschulen anschaut, dann steht in Paragraf 14 ganz eindeutig als erster Satz, das Wichtigste bekanntermaßen immer vorweg:

"In der Stadtteilschule werden Schülerinnen und Schüler unterschiedlicher Fähigkeiten gemeinsam unterrichtet und erzogen."

Das ist das Rückgrat, mit dem die Stadtteilschule aufgebaut wurde, mit dem sie den Kindern, die aus schwierigeren Familienverhältnissen kommen und nicht von Anfang an gute Bildungschancen haben, Chancen geben soll, mit anderen gemeinsam über individuelles Lernen bessere Lernfortschritte und bessere Zukunftschancen zu haben.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Hier wird jetzt der Versuch unternommen, zwangsweise Lern- und Leistungsunterscheidungen in verschiedenen Kursen einzuführen. Das ist genau das, was wir nicht wollen. Es gibt bestimmte Übergangsfristen, auch bezüglich der Ausbildung der Lehrer. Deswegen haben die Schulen die Möglichkeit, das ist auch in der Ausbildungs- und Prüfungsordnung festgehalten, in Einzelfällen unterschiedliche Kurse anzubieten. Die Schulen entscheiden das selbst, und ich finde es gut, dass sie entsprechend ihrer jeweiligen individuellen und örtlichen Situation dies berücksichtigen können. Das wird sich aber, davon bin ich fest überzeugt, im Laufe der Zeit verändern, wenn sich die Übergangsfristen entsprechend anders entwickelt haben und die Fortbildungen, die im Lehrerbereich für das individualisierte Lernen gemacht werden, weiter fortgeschritten sind.

Es fehlt natürlich im Augenblick noch eine Vielzahl von Untersuchungen. KERMIT 7 ist unterwegs. Wir werden abwarten, was dort im Weiteren passiert. Wir werden aber nicht die Aschenputtelmethode mitmachen, die von der CDU wieder angemahnt wird: die Schlechten ins Kröpfchen, die Guten ins Töpfchen. Mit dieser Bildungspolitik werden wir nicht einhergehen, wir werden der Überweisung nicht zustimmen.

(Beifall bei den GRÜNEN)

Frau von Treuenfels, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Tat ist dies ein Thema für den Schulausschuss, deswegen will ich Sie auch nicht mit Details quälen. Dennoch muss ich den GRÜNEN erwidern, dass es im Moment nicht der Fall ist, dass eine Binnendifferenzierung überall an den Stadtteilschulen, die erst aufwachsen müssen, klappt. Wir haben eine erfahrene Real- und Hauptschullehrerin gefragt, wie denn bei ihr die Stadtteilschule und die Binnendifferenzierung funktioniere. Sie hat geantwortet: sehr gemischt. Das ist eine knappe, aber sehr intelligente Antwort.

Meine Damen und Herren! Das ist eine Rückmeldung, die wir aus vielen Stadtteilschulen erhalten. Das kann man sehen, wie man will, man kann auch zur Binnen- und Außendifferenzierung stehen, wie man will, im Moment klappt es jedenfalls noch nicht. Die Stadtteilschule muss noch aufwachsen, sie hat viele Probleme und sie hat eine heterogene Schülerschaft. Ob man die Ergebnisse immer mit Binnendifferenzierung erreicht, wo doch die Lehrer und die Schüler vielleicht noch gar nicht so weit sind, das sei einmal dahingestellt; wir bezweifeln es.

Fakt ist aber, dass nach dem Schulgesetz – da muss ich Herrn Heinemann unterstützen, das tue ich auch gern – binnen- und außendifferenziert unterrichtet werden soll. Das heißt nicht, dass die Schlechten nicht unterstützt werden sollen oder gar abgesondert werden, sondern dass alle nach ihren Qualifikationen in den Bereichen, in denen sie unterstützt werden, unterrichtet werden sollen, und da ist – das wird auch in Sachsen so gemacht – die Außendifferenzierung jetzt jedenfalls noch erfolgreich. Ob man auf dem Wege der Binnendifferenzierung vielleicht einmal das Gleiche erreichen kann, will ich gar nicht abstreiten, aber das ist im Moment noch nicht der Fall. Die Stadtteilschulen werden aber jetzt schon an Ergebnissen gemessen. Da kann man nicht lange die Ergebnisse abwarten und dann noch irgendwelche Evaluationen machen. Sie werden nämlich jetzt schon gemessen, sie müssen jetzt schon mithalten können. Deswegen sollte man daraus keine Ideologiedebatte machen, wer jetzt für was ist und was er früher einmal gesagt hat, sondern nur das Ergebnis zählt.

Darüber müssen wir im Schulausschuss sprechen. Auch der Schulsenator muss offen dafür sein und nicht sagen, er sei nur für eine Binnendifferenzierung. Darüber müssen wir ganz klar reden. Es zählt wirklich das Ergebnis, mehr kann ich jetzt nicht sagen. Wir reden darüber im Schulausschuss.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Frau Heyenn, Sie haben das Wort.

Ich teile die Auffassung von Herrn Duge. Ich glaube, Herr Heinemann, Ihnen wurden als Kind bestimmt oft Märchen vorgelesen, was sicherlich gut ist. Aber sehr häufig ist Ihnen wohl das Märchen vom Aschenputtel vorgelesen worden, denn Sie können vom Aussortieren einfach nicht genug bekommen. Erst einmal muss nach der vierten Klasse aussortiert werden,

(Dietrich Wersich CDU: Frau Heyenn, das hat doch gar keiner gesagt!)

dann wird noch einmal in den einzelnen Klassen aussortiert, bis nichts mehr übrig bleibt. Das hat schon manische Züge, ich würde einmal darüber nachdenken.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun zu Ihrem Antrag. Was Sie hier propagieren und unbedingt wollen, ist eine doppelte Differenzierung. Ich kann mich aber erinnern, dass Sie sich im Schulausschuss mit großer Vehemenz immer dafür einsetzen, dass die Inklusion funktioniert. Und eines sage ich Ihnen: In einem separierenden Schulsystem funktioniert Inklusion überhaupt nicht. Wir haben schon das Problem, dass wir am Gymnasium keine Inklusion haben, nur noch an der Stadtteilschule. Und nun wollen Sie auch noch in den Stadtteilschulen separieren? Dann haben Sie doch wieder die inklusiven Kinder, dann sind die Paragraf-12-Kinder wieder in den anderen Kursen. Das geht so gar nicht.

(Beifall bei der LINKEN)

Dann haben Sie gesagt, die Frage der äußeren Differenzierung sei eine sehr spannende Frage; das ist falsch. Es ist eine rückschrittliche Pädagogik, die ins 19. Jahrhundert zurückgeht, und nichts anderes.

(unterbre- chend) : Frau Abgeordnete, lassen Sie eine Zwischenfrage oder eine Zwischenbemerkung zu?

Aber gerne doch.

Sie haben das Wort, Herr Heinemann.

Liebe Frau Kollegin, ich wollte heute gar nicht von Neuem die Diskussion beginnen, ob eine äußere Differenzierung gut ist oder nicht. Darüber kann man lange diskutieren und darüber haben wir auch lange diskutiert. Aber sind Sie nicht auch der Meinung, dass wir uns in Hamburg an KMK-Vereinbarungen halten müssen? Ich habe die vorgelesen

und an die halten wir uns nicht. Das ist das Problem, was ich heute thematisiert habe.

Ich glaube, dass Sie diese KMK-Richtlinien wirklich sehr eng und sehr falsch interpretieren. Kurse müssen nicht immer nach verschiedenen Niveaus, sondern können auch nach Männlein und Weiblein oder nach Neigungen eingerichtet werden. Das sehen Sie viel zu eng. Schade, dass der Senator nicht da ist, der würde wahrscheinlich ähnlich antworten.

Dass 36 Stadtteilschulen keine äußere Differenzierung in Klasse 7 haben, beruhigt mich sehr. Wenn Sie schon von der Max-Brauer-Schule und der Winterhuder Reformschule sprechen, dann möchte ich Sie einmal daran erinnern, dass dort in den Klassen 5 und 6 ein jahrgangsübergreifender Englischunterricht stattfindet. Und die Erfolge sind dort doppelt so gut wie in Ihren separierenden Klassen mit einem Jahrgang. Das sollten Sie einmal überlegen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Isabella Vértes-Schütter SPD und Christa Goetsch GRÜNE)

Wir haben in den Stadtteilschulen ein ganz anderes Problem. Und, Frau von Treuenfels, wir haben 17 000 Lehrer, und wenn Sie eine Lehrerin befragen, können Sie daraus kein Gesetz ableiten. Bei aller Liebe, das geht nicht.

(Beifall bei der LINKEN und bei Dr. Isabella Vértes-Schütter SPD, Christa Goetsch und Antje Möller, beide GRÜNE)

Unser Problem in den Stadtteilschulen ist zurzeit, dass wir das, was in der Max-Brauer-Schule und in der Winterhuder Reformschule erreicht wird, nämlich ein möglichst ausgeglichener Mix von Schülern mit Prognose Hauptschule, Prognose Realschule und Prognose Gymnasium, hier nicht durchführen können. Weil so wahnsinnig viele Schülerinnen und Schüler nach der 6. Klasse vom Gymnasium zurückgekehrt sind, mussten wir an vielen Stadtteilschulen neue Klassen einrichten, sogenannte Rückläuferklassen. Und da haben Sie schon wieder Ihre äußere Differenzierung. Das sind doch schon wieder die Schüler aus dem E-Kurs und die anderen sind dann aus dem G-Kurs. Darüber müssen wir noch einmal im Schulausschuss sprechen, wie wir es erreichen können, dass das wirklich gewährleistet wird.

Ansonsten hat der Senat die Frage 6 Ihrer Großen Anfrage, wie man eine Binnendifferenzierung durchführen könnte, hervorragend beantwortet. Das sollten Sie sich einmal durchlesen und unters Kopfkissen legen, dann kommen Sie vielleicht auf andere Ideen.

(Beifall bei der LINKEN und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Herr Dr. Scheuerl, Sie haben das Wort.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, liebe Kolleginnen und Kollegen! Ich habe das Gefühl, dass viele von Ihnen heute keine Zeitung gelesen haben, und das finde ich erschütternd. Wir sprechen hier nicht über Ideologie,

(Dora Heyenn DIE LINKE: Nein, natürlich nicht!)

sondern wir sprechen darüber – und deswegen ist es vielleicht auch gut, wenn ich als Jurist diese Debatte abschließe –, dass heute in der Zeitung zu lesen war,

(Dr. Monika Schaal SPD: Wir sprechen über die Große Anfrage und nicht über die Zei- tung!)

dass gerade einmal ein Fünftel der Abgänger der Hamburger Stadtteilschulen einen Ausbildungsplatz gefunden hat. Und wir sprechen darüber, dass Herr Mohaupt von der Handelskammer ausdrücklich betont hat, dass es die Schülerinnen und Schüler aus dem Umland mit Hauptschul- und Realschulabschlüssen besser haben. 50 Prozent der Auszubildendenplätze in Hamburg sind an Schülerinnen und Schüler aus dem Umland gegangen, weil die, so Herr Mohaupt, bessere Schulabschlüsse und ein besseres Sozialverhalten haben. Und wenn man vor diesem Hintergrund sagt, das Gewurschtel in jahrgangsübergreifenden Kursen ohne Differenzierung in den ehemaligen Hamburger Gesamtschulen und jetzigen Stadtteilschulen sei ideologisch der bessere Weg, dann ist das angesichts der Zahlen einfach unverantwortlich.

(Beifall bei der CDU und bei Anna-Elisabeth von Treuenfels FDP)