Protokoll der Sitzung vom 25.10.2012

Hintergrund gehabt. Sie dienten dazu, den Anstieg bei den Hilfen zur Erziehung zu stoppen. Sie machen etwas ganz anderes und wollen damit niedrigschwellige offene Angebote finanzieren, aber das ist überhaupt nicht das Ziel gewesen. Damit kommt eine ganz andere Klientel in die Einrichtung, und das ist nicht Sinn und Zweck gewesen. In Wahrheit nehmen Sie dort eine Zweckentfremdung der Mittel vor.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Um es noch einmal auf den Punkt zu bringen: Mit der Zielsetzung, Hamburg zur kinder- und familienfreundlichsten Stadt weiterentwickeln zu wollen, sind diese Kürzungen überhaupt nicht vereinbar. Natürlich wird dies, und darüber kann auch so ein Umsteuerungsfonds nicht hinwegtäuschen, unweigerlich zu Einschnitten bei den Angeboten führen. Wir sind der Überzeugung, dass ein gutes Gemeinwesen auch eine gut ausgebaute soziale Infrastruktur in den Stadtteilen braucht. Sie haben immer noch nicht erkannt, dass wir nicht nur Angebote für Kinder und Jugendliche in prekären Lebenslagen brauchen, wenn schon etwas schiefgelaufen ist, sondern auch gute Freizeitangebote mit pädagogischem Hintergrund für ganz normale Kinder und Jugendliche, damit sie erst gar nicht auf die schiefe Bahn geraten. Dieser präventive Charakter der offenen Kinder- und Jugendarbeit wird bisher verkannt, und deswegen sind diese Kürzungen, die Herr Senator Scheele immer wieder vertritt, auch Ausdruck mangelnder Wertschätzung für die offene Kinder- und Jugendarbeit.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Frau Blömeke hat es gut dargelegt und sich mit den Argumenten auseinandergesetzt, die immer angeführt werden, um diese Kürzungen zu begründen. Ich will sie nicht alle aufgreifen, das haben Sie schon trefflich gemacht, aber zu zwei Dingen möchte ich doch noch etwas sagen. Die Realität deckt sich noch nicht mit der Erwartung, die die SPD hegt, nämlich dass wir durch die Verzahnung von Schule und Jugendhilfe mit den ganztägigen Angeboten dann gar nicht mehr diesen Bedarf in den Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit haben werden. Wir haben bisher, das ist zumindest die Auskunft des Senats, eine Konstanz bei den Nutzern der offenen Kinder- und Jugendarbeit; also ist an der Stelle dieser Trend nicht eingetreten. Darüber hinaus brauchen wir künftig in dieser Stadt auch andere Lernorte und Treffpunkte für Kinder und Jugendliche als die Schule. Schule allein kann nicht ausreichen.

(Gerhard Lein SPD: Hat das jemand je be- stritten?)

Nein, aber Sie führen das immer an, als ob die Kooperation das Allheilmittel sei und dadurch die Notwendigkeit entfallen würde.

(Vereinzelter Beifall bei der CDU – Gerhard Lein SPD: Was soll dann der Popanz?)

Eine wirksame Vernetzung zwischen Schulen und Jugendhilfe braucht Zeit und Geld, das Sie aber erst einmal bei den Trägern und Einrichtungen massiv sparen wollen. Es wird dauern, bis sich Schulleitungen und Jugendhilfeträger diesen ungewohnten Strukturen anpassen, bis Kooperationen auch verinnerlicht werden und eine reibungslose Zusammenarbeit klappt. Deswegen ist es auch eine sinnvolle Forderung, die von den GRÜNEN aus den Bezirken in die Bürgerschaft getragen wurde, sich diese Zeit zu nehmen und ein zweijähriges Moratorium zu verabschieden. Ich will keinen Hehl daraus machen, dass wir als CDU dies nur für die zweitbeste Lösung und nicht für den Königsweg halten. Aber es verschafft erst einmal Zeit, sich sinnvoll einen Überblick zu verschaffen, wie sich die Gegebenheiten verändert haben, und dann tatsächlich auch zu Veränderungen zu kommen.

An der Stelle möchte ich noch eines zur Jugendhilfeplanung sagen, die Sie immer einfordern. Wir haben in Hamburg, und das nicht erst in unserer Regierungszeit, ein langjährig bewährtes Verfahren in der Haushaltsplanung gehabt. Das Verfahren ist so, dass der Senat seinen Haushalt beschließt, wir in der Bürgerschaft beraten, und wenn die Bürgerschaft beschlossen hat, dann die Bezirke ihre Feinspezifikation vornehmen und sagen, welche Angebote sie weiterhin fördern wollen und in welchem Umfang. Sie erwarten jetzt von den Trägern, Kürzungen vorzunehmen, bevor das Parlament überhaupt beschlossen hat. Und das ist eine Zumutung und auch kein ordentliches Verfahren.

(Beifall bei der CDU und den GRÜNEN)

Aber das passt auch zu dem ganzen Gebaren und den Verfahren, die wir inzwischen aus der BASFI kennen. Wir bekommen eine Ergänzungsdrucksache vorgelegt, in der die Kürzungen im Bereich der Zuwendungen konkretisiert werden. Darin steht fast kein einziger Satz, wie diese Kürzungen begründet werden. Erst nach öffentlicher Kritik bekommen wir jetzt ein Papier zugeleitet, in dem ein paar dürre Zeilen dazu stehen. Ähnlich ist es auch bei dem Umsteuerungsfonds. Ihre Fraktion beschließt einen Umsteuerungsfonds, fordert den Senat auf und Monate später bekommen wir ein Papier vorgelegt. Zwischenzeitlich fordern Sie die Träger, die Jugendhilfeausschüsse in den Bezirken, auf, ihre Bedarfe anzumelden, welche Angebote dort zum Zuge kommen sollen und in welchem Umfang. Gleichzeitig verweigert der Senat aber dem Parlament die Antwort, woher diese Mittel kommen sollen und in welchem Umfang. Das ist alles andere als ordentliches Regieren, das ist eine Zumutung fürs Parlament und auch für die beteiligten Träger.

(Beifall bei der CDU und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Deswegen, und dann komme ich auch zum Abschluss, sollten Sie sich diese Zeit nehmen. Das ist kein Oppositionsgetöse, Herr Schmitt, verkennen Sie doch nicht die Voten Ihrer eigenen Leute in den Bezirken. Die sperren sich doch auch händeringend gegen diese Kürzungen, und das sollte Sie zumindest davon überzeugen, wenn wir es nicht können, dass diese Kürzungen noch nicht der Weisheit letzter Schluss sind und dass Sie sie überdenken sollten. Nehmen Sie sich diese Zeit, das Moratorium ist ein guter Vorschlag, und dann können wir auf einer guten Grundlage sinnvoll weiterentscheiden, ohne funktionierende Strukturen zu zerschlagen. – Danke.

(Beifall bei der CDU und vereinzelt bei den GRÜNEN)

Vielen Dank, Herr de Vries. – Das Wort hat Herr Ritter.

(Vizepräsidentin Barbara Duden übernimmt den Vorsitz.)

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Herr Schmitt, jetzt sind Sie doch ein bisschen in die Falle hineingetappt, vor der Sie Frau Blömeke gewarnt hatte, das heißt, nicht alles zu vermischen und sich für Ihre Großtaten zu rühmen, die mit dem, was im Antrag steht, überhaupt nichts zu tun haben. Ich wollte eine Zwischenfrage stellen, die Sie nicht beantworten wollten. Meine Frage war, ob Sie wissen – und Sie müssten es eigentlich fachlich wissen –, wo der Unterschied zwischen offener Kinder- und Jugendarbeit und SHA liegt. Sie haben das hier vorne so vermischt, Sie haben sogar beispielhaft ein paar Mal dargestellt, dass in Altona alles mit SHA abgedeckt werde. Wissen Sie, warum die Träger das machen? Sie kämpfen um die Existenz, die durch Ihre Kürzungen in der offenen Kinder- und Jugendarbeit gefährdet ist. Das ist Ihr Versagen, weil Sie es mutwillig so wollen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜ- NEN)

Alle Träger, mit denen wir in der Praxis draußen sprechen, sehen den Umsteuerungsfonds als Erpressungswerkzeug des Senats und Ihrer SPD. Es ist doch klar, dass die Träger, wenn sie um die Existenz kämpfen, ein Programm einstampfen müssen und versuchen, sich an einem Haken festzuhalten, den sie mit dem Umsteuerungsfonds zu bekommen probieren. Das ist doch keine detaillierte Planung, das ist doch kein geplantes Vorgehen. Die Wirkung der GBS, und jetzt kommen wir zum Argument von Senator Scheele, gibt es nicht sofort, Herr Schmitt. Das ist doch auch logisch bei so einem großen Projekt, das von unserer Seite aus auch wünschenswert und unterstützenswert ist. Es wird sicherlich, da bin ich ganz bei Ihnen, einige Zeit brauchen. Dann wird es auch Wirkungen ge

ben, und es werden einige Projekte in der offenen Kinder- und Jugendarbeit wegfallen, das ist gar keine Frage. Aber Sie können doch nicht jetzt anfangen zu kürzen, obwohl das andere Modell noch gar nicht steht, Herr Schmitt. Und das ist es, was wir Ihnen vorwerfen.

(Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜ- NEN)

Sie sind schon mittendrin. Sie haben die Kürzungen verkündet, und, wie Frau Blömeke ausgeführt hat, gibt es noch nicht an allen Standorten GBS oder ganztägige Betreuung.

Deswegen war die FDP-Forderung vor einigen Monaten schon – das entspricht ungefähr der Zielrichtung der GRÜNEN –, eine seriöse Planung zu machen, das heißt eine Bestandsaufnahme, wie es momentan in der Landschaft aussieht. Wo sind Angebote angenommen worden, welche fallen weg? Dann muss man die Effekte abwarten, denn wir wissen doch nicht, wie es sich entwickelt, wenn eine Ganztagsbetreuung eingeführt wird. Und danach kann man Veränderungen vornehmen. Das können durchaus auch Kürzungen sein, das hat Frau Blömeke auch zugestanden. Aber machen Sie bitte nicht den zweiten Schritt vor dem ersten, Herr Scheele.

(Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜ- NEN)

Ich komme zu unserem Antrag, denn der Vorschlag der GRÜNEN enthält eine kleine Lücke, nämlich die Finanzierung. Das Moratorium zwei Jahre auszusetzen bedeutet, die Kürzungen zurückzunehmen, und es müsste finanziert werden. Unser Vorschlag, den wir auch im Ausschuss diskutiert hatten, lag seit Monaten vor und er liegt immer noch vor, und es wäre auch meine Intention, das zu finanzieren.

Es liegen 15 Millionen Euro Reste aus dem Bildungs- und Teilhabepaket vor, die im Hamburger Haushalt verbleiben können, sollen und müssen. Und wenn Sie überlegen, über was wir gerade sprechen, über 3,5 Millionen Euro, dann wäre genug Zeit, einen Zeitraum von zwei Jahren festzulegen, um diese Umsteuerung zu finanzieren. Sie könnte – ich sage es zum wiederholten Mal – im Ergebnis dazu führen, dass nicht alle Projekte und alle Einrichtungen der offenen Kinder- und Jugendarbeit bestehen bleiben. Es wird nämlich Effekte geben, da sind wir uns grundsätzlich einig. Aber ohne eine vernünftige Planung werden sich Ihre Einsparungen als Milchmädchenrechnung entpuppen.

Die ersten, meist kleineren Angebote werden aufgrund der Kürzungen schon nächstes Jahr wegfallen. Ein konkretes Beispiel: Ein Gruppenangebot für Schulschwänzer wird gestrichen. Die Begründung lautet, dass es jetzt GBS gäbe. Also morgens Schulschwänzer, nachmittags begeisterter

(Christoph de Vries)

GBS-Teilnehmer – das ist eine völlig verfehlte Planung.

(Beifall bei der FDP, der CDU und den GRÜ- NEN)

Doch das ist nicht nur fachlich realitätsfremd, sondern auch aus wirtschaftlicher Perspektive naiv. Denn Einzelfallhilfen, von denen wir alle wissen, dass sie sehr viel teurer sind, sind in diesem Fall doch schon vorprogrammiert. Genau um solche Entwicklungen zu verhindern und das Gelingen der Kooperation zwischen Schule und der offenen Kinder- und Jugendarbeit, die uns sehr am Herzen liegt und die für die weitere Zukunft sehr, sehr wichtig ist, sicherzustellen, unterstützen wir als FDP-Fraktion den Antrag der GRÜNEN und bitten um Ihre Zustimmung.

(Beifall bei der FDP und bei Christiane Blö- meke GRÜNE)

Das Wort bekommt Herr Yildiz.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren, liebe Kolleginnen und Kollegen! Die Kürzungen, über die wir sprechen, belaufen sich auf zwei Jahre, 2013 und 2014, es sind insgesamt 7 Millionen Euro. Ich will kurz erläutern, warum diese Kürzungen nicht richtig sind und auch, welche Folgen sie haben können.

Der Senat sagt selbst, dass es mehr Geld für den Bereich der ganztägigen Bildung und Betreuung gäbe, auch für die "Sozialräumlichen Hilfen und Angebote", sodass noch mehr Kinder in den Genuss kommen. Aber die flächendeckende Einführung der ganztägigen Bildung und Betreuung erwartet der Senat bis Ende 2014. Der Senat rechnet mit etwa 50 Prozent, ich glaube aber, die Zahl wird noch steigen. Ich hoffe, dass die Zahl der Kinder steigen wird, die diese ganztägige Bildung und Betreuung in Anspruch nehmen.

Die Frage bleibt nun, was mit den restlichen Kindern und Jugendlichen passiert, die die ganztägige Bildung und Betreuung nicht in Anspruch nehmen, das heißt, die nach 13 Uhr an der Nachmittagsbetreuung nicht teilnehmen wollen. Selbst, wenn dies erreicht wird, bleibt diese Frage offen. GBS, die ganztägige Bildung und Betreuung, geht bis 16 Uhr. Was passiert mit den Kindern nach 16 Uhr, deren Eltern die ganztägige Bildung und Betreuung nicht bezahlen können? Und was passiert mit den Kindern, die nach dem 14. Lebensjahr – GBS geht bis zum 14. Lebensjahr – die offenen Angebote annehmen wollen? Bleiben sie auf der Straße? Das Angebot eines Hauses der Jugend oder eines Bauspielplatzes ist für sie nämlich nicht offen, und sie werden vor der Tür stehen.

Die offene Kinder- und Jugendarbeit muss gestärkt werden, liebe Kolleginnen und Kollegen.

(Beifall bei der LINKEN und bei Christiane Blömeke GRÜNE)

Der Kollege Schmitt sagte, es wurde für diesen Bereich in den letzten Jahren viel Geld ausgegeben. Ich kann Ihnen dazu eines sagen: Weder die Tarifsteigerungen noch die Nebenkosten wurden in diesen Bereichen in den letzten Jahren übernommen. Da können Sie ruhig den Kopf schütteln. Insgesamt haben 60 Einrichtungen nur einen einzigen Mitarbeiter. Das ist keine Hochrechnung der LINKEN, sondern eine Hochrechnung von Senator Scheele und seiner Behörde.

Im Bereich der offenen Kinder- und Jugendarbeit möchte ich Ihnen mit einem konkreten Beispiel aus Bergedorf deutlich machen, was es bedeutet, wenn diese Kürzungen kommen. Auf Ihren Druck hin wird das Bauspielhaus "Blaue Welle" dicht gemacht. Nach ihren Angaben kommen jedoch 13 000 Besucher jährlich. Dann habe ich hochgerechnet, was sie eigentlich bekommen. Sie bekommen jährlich 100 000 Euro. Dann habe ich das durch 13 000 Euro geteilt, das sind dann 7 Euro jährlich pro Besucher. Dann habe ich 7 durch 365 geteilt, und das heißt, pro Kind würden pro Tag 2 Cent ausgegeben. Also ein erfolgreiches Projekt wird durch die SPD nicht betrieben.

Liebe Kolleginnen und Kollegen! Ein zweijähriges Moratorium hätte folgenden Effekt. Als unter Schwarz-Grün die ganztägige Bildung und Betreuung Thema war, auch "Sozialräumliche Hilfen und Angebote", haben wir gesagt, das ist richtig und wir werden es unterstützen. Aber es sollte nicht den Effekt haben, dass man dann gleich woanders kürzt.

Erstens: Wir haben dadurch die Möglichkeit, dass man überprüft, welche Auswirkungen diese Angebote haben.

Zweitens: Die Jugendhilfeausschüsse und Bezirke sollten die Jugendhilfeplanung neu erstellen können. Und, was sehr wichtig ist, man sollte wieder über die Jugendhilfe fachlich diskutieren und nicht nur aus wirtschaftlichen Aspekten.

(Beifall bei der LINKEN)

Es kann doch keinen wundern, Herr Schmitt, auch Sie nicht, dass in allen Bezirken alle Jugendhilfeausschüsse, viele Bezirksversammlungen und viele Träger gegen diese Kürzungen protestieren. Nehmen Sie das bitte zur Kenntnis.

(Beifall bei der LINKEN)

Bevor Sie behaupten, welche Erfolge diese Angebote der ganztägigen Bildung und Betreuung, auch "Sozialräumliche Hilfen und Angebote", haben, ermöglichen Sie bitte den Trägern und den Jugendhilfeausschüssen vor Ort, dass sie überhaupt einmal selbst anschauen können, ob das tatsächlich stimmt. Herr Schmitt, Sie haben in Ihrer Rede die SHA erwähnt, da widersprechen Sie sich selbst.

(Finn-Ole Ritter)

Ich glaube, mit diesem SHA-Effekt haben Sie mehr Ausgaben als bei der offenen Kinder- und Jugendarbeit, denn viele Kinder werden beim ASD angemeldet sein. Und ich denke, das wird bei Kindern und Jugendlichen den Effekt haben, dass sie nicht mehr die Einrichtung besuchen, da sie Angst haben, dass sie durch die Erfassung durch den ASD Probleme bekommen.