Protokoll der Sitzung vom 07.11.2012

(Beifall bei der FDP)

Wenn Sie die Presseerklärung der Bank von gestern gelesen und Herrn von Oesterreich gestern im öffentlichen Teil des Ausschusses erlebt haben, dann werden Sie gemerkt haben, dass in der Geschichte der HSH Nordbank offensichtlich ein neues Kapitel begonnen hat. Geplante Forderungsabschreibungen per 2019: 4,5 Milliarden Euro, Inanspruchnahme der Zweitverlustgarantie: 1,3 Millionen Euro. Aber wer gibt uns eigentlich die Garantie dafür, dass die Forderungsverluste nicht höher ausfallen oder früher eintreten? Niemand gibt uns die Garantie, wie bei allen Prognosen über die HSH Nordbank zuvor auch. Selbst diese für sich schon höchst besorgniserregenden Aussagen sind erst die halbe Wahrheit, denn zugleich steigt, Frau Hajduk hat darauf hingewiesen, die Ziehungswahrscheinlichkeit der Zweitverlustgarantie erstmals auf mehr als 50 Prozent. Es wird also überwiegend wahrscheinlich, und damit steht beim HSH-Finanzfonds schon nach dem HGB eine entsprechende Drohverlustrückstellung an und nicht erst 2019, sondern sofort. Und nicht nur das, denn wenn eine Bank in beträchtlichem Umfang Forde

(Anja Hajduk)

rungen abschreiben muss oder Verluste einfährt, dann sinkt auch ihr Wert. Daher wird der HSH-Finanzfonds in seinen Büchern neben der bereits vorgenommenen Abschreibung in Höhe von 216 Millionen Euro voraussichtlich eine weitere substanzielle Abschreibung auf den Unternehmenswert der Bank vornehmen müssen. Das ist dann ein Vermögensverlust, der im zweiten Schritt unmittelbar bei Hamburg und Schleswig-Holstein ankommt.

Herr Senator Tschentscher, ich erkenne Ihr Bemühen ausdrücklich an, die Obleute der Fraktion über die aktuelle Entwicklung bei der HSH Nordbank auf dem Laufenden zu halten, aber ich fordere Sie zugleich auf, möglichst schnell vollständige Transparenz über das wahre Ausmaß der Entwicklungen bei der HSH Nordbank zu schaffen, und zwar für die laufenden Haushaltsberatungen, für zukünftige Haushalte und auch für die Vermögenslage der Stadt. Kommen Sie aus Ihrer Schockstarre heraus, entwickeln Sie einen Plan, wo die Stadt als Haupteigentümerin und maßgebliche Garantiegeberin mit der Bank hin will. Hiervon war seit dem Abschluss des Beihilfeverfahrens nichts zu bemerken.

(Jan Quast SPD: Das ist Unsinn! – Dr. An- dreas Dressel SPD: Das stimmt doch gar nicht!)

Sie lassen die Bank treiben und hoffen auf Besserung. Herr Tschentscher, das ist unverantwortlich und rächt sich gerade in diesem Moment.

(Beifall bei der FDP und bei Dietrich Wersich CDU)

Der FDP-Fraktion sind bei der HSH Nordbank drei Punkte wichtig.

Erstens: Die möglichen Risiken der HSH Nordbank müssen im Haushalt und in der mittelfristigen Finanzplanung entsprechend den Grundsätzen der Haushaltswahrheit und der Haushaltsklarheit abgebildet werden. Wir haben hierzu in der letzten Bürgerschaftssitzung einen Antrag eingebracht, Sie haben ihn an den Haushaltsausschuss überwiesen und wir sind auf die Beratungen gespannt.

Zweitens: Die Garantieverpflichtung von Hamburg und Schleswig-Holstein wieder zu erhöhen, mag die nächstliegende Lösung sein, aber auf lange Sicht voraussichtlich nicht die beste. Die bessere Lösung ist ein privater Investor,

(Dirk Kienscherf SPD: Die stehen ja auch al- le Schlange!)

der die Bank mit neuem Eigenkapital nachhaltig stärkt, denn das verbessert die Eigenkapitalquote, ist positiv für das Rating und unterliegt nicht zwingend den Beschränkungen des Beihilferechts.

Drittens: Wenn es nicht gelingen sollte, die Situation der Bank auf diesem Wege zu stabilisieren,

dann darf es in der Tat keine Denkverbote geben. Ich habe Zweifel, ob es wirklich Sinn macht, ein neues Geschäftsmodell auf einem Markt etablieren zu wollen, auf dem Geschäftsbanken, Sparkassen und genossenschaftliche Institute längst unterwegs sind, jedoch ohne die Beschränkung eines Beihilfeverfahrens. Nicht alles, was früher für die Landesbank richtig war, spricht heute auch für eine HSH Nordbank. Mehr Marktanteile holt eine Bank nur durch günstigere Konditionen oder durch die Übernahme von Risiko, das andere nicht wollen. Das eine, nämlich günstigere Konditionen, kann die HSH Nordbank nicht, und das andere, da sind wir uns einig, soll die Bank nicht. Ohne Denkverbote vorzugehen heißt daher auch, über eine planmäßige Abwicklung der Bank nachzudenken, und zwar mit langen Übergangsfristen, die es den Kreditnehmern erlauben, sich ohne Schaden neu zu orientieren, mit einer Übertragung und Veräußerung von ertragsstarken Bereichen und mit einer sozial verträglichen, gesteuerten Verminderung der Mitarbeiterzahl. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP)

Das Wort hat nun Senator Dr. Tschentscher.

Sehr geehrte Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Im April 2009 haben die Länder Hamburg und Schleswig-Holstein eine Garantie für über 180 Milliarden Euro Risiken übernommen aus einer Zeit, als in der HSH Nordbank Geschäfte an der Tagesordnung waren, die man niemals hätte machen dürfen. Es war vermutlich eine der finanziell weitreichendsten Entscheidungen, die die Hamburgische Bürgerschaft jemals getroffen hat. Sie ist den Abgeordneten damals, auch mir, nicht leicht gefallen, denn die möglichen Folgen waren allen bewusst. Aber die Bank und die Länder standen bei einer Gewährträgerhaftung von 65 Milliarden Euro mit dem Rücken zur Wand, und niemand wusste eine bessere Lösung, auch die Links-Partei nicht, Herr Hackbusch.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Abwicklung!)

Seitdem sind die Risiken übrigens nicht täglich gewachsen, sondern gesunken. Aber wenn aus 180-Milliarden-Risiken dann 90-Milliarden-Risiken werden, ist das immer noch bedrohlich hoch. 2009 wie heute gilt, dass sich Risiken nicht wegreden, wegplanen oder wegverhandeln lassen. Es ist wie mit den Schulden: Niemand nimmt den Ländern die Risiken für die Haftung der früheren HSH-Geschäfte ab, nicht der Bund, nicht die EU-Kommission, nicht irgendwelche Investoren oder sonst jemand. Auch die unmittelbaren Folgen der Entscheidung damals waren hart: 3 Milliarden Schulden in einem neu gegründeten Fonds und strenge Auflagen der EU-Kommission für die weitere Ge

(Dr. Thomas-Sönke Kluth)

schäftstätigkeit der HSH. Im März 2011, Herr Heintze, zwei Jahre nach der Beihilfe der Länder, gab es gar nichts, was man als Geschäftsmodell hätte bezeichnen können. Das neue Geschäftsmodell wurde dann ab März 2011 entwickelt, allerdings unter den harten Auflagen der EU-Kommission und nicht unter der Frage, was die Bank oder die Länder möchten, sondern was die EU-Kommission erlaubt und was der Bank überhaupt möglich ist. Ein wichtiges Ergebnis aus Sicht der Länder war, dass eine risikoangepasste Schiffsfinanzierung weiterhin möglich ist. Das ist ein strategisches Interesse der Stadt Hamburg, auch wenn Schiffsfinanzierungen derzeit schlecht im Kurs stehen, denn unsere maritim geprägte Wirtschaftsstruktur sichert uns jedes Jahr hohe Steuereinnahmen und Zehntausende Arbeitsplätze. Was nicht zu unseren Vorstellungen gehört, Herr Heintze, sind Visionen, zum Beispiel Visionen von einer internationalen Investmentbank, wie das in früheren Jahren der Fall gewesen ist.

(Beifall bei der SPD)

Die vorhandenen positiven Erträge des Neugeschäfts werden derzeit von Verlusten aus den früheren Geschäften überlagert, und genau für diese Verluste haben die Länder 2009 eine Garantie gegeben, die nach aktueller Planung ab 2019 im Umfang von 1,3 Milliarden Euro in Anspruch genommen werden soll. Bis dahin werden auf einer anderen Rechnung deutlich höhere Prämien von der HSH an die Länder geflossen sein, die für die Bedienung der Kredite in Finanzfonds zur Verfügung stehen, aber wohlgemerkt alles nach heutiger Planung. Niemand weiß heute zu sagen, ob diese Planungen so eintreten, ob es vielleicht besser kommt oder ob es sogar noch schlechter laufen wird. Das hängt von vielen Faktoren ab, ganz wesentlich auch von der allgemeinen konjunkturellen Entwicklung, der Dauer der Schifffahrtskrise und dem Euro-Dollar-Wechselkurs. Alle drei Faktoren können weder von der Bank noch den Ländern beeinflusst werden. Auf die Risiken der HSH Nordbank hat dieser Senat immer hingewiesen, zuletzt im Finanzbericht, in dem wir die Finanzplanung für die kommenden Jahre beschreiben. Die Behauptung, dass die HSH-Nordbank-Krise 2009 den Haushalt der Länder nicht einmal berühre, stammt ausdrücklich nicht von diesem Senat, und diese Feststellung ist nicht richtig. Wir haben schon jetzt hohe Abschreibungen auf unsere Vermögenswerte bei der HGV, im HSH-Finanzfonds und im Hamburgischen Versorgungsfonds hinnehmen müssen. Die Zahlungen aus dem Haushalt in den Versorgungsfonds sehen Sie in den Haushaltsplänen. Aber schönreden hilft nichts. Es ist wichtig, dass die HSH ihre Planungen an die aktuellen Prognosen zur konjunkturellen Entwicklung und an die Lage der Schifffahrt anpasst. Darüber hat der Vorstand im Ausschuss Öffentliche Unternehmen gestern berichtet, wie wir auch sonst jeden Quar

talsbericht und jede neue Entwicklung sorgfältig darlegen und niemals von einer im Kern gesunden Bank gesprochen haben.

(Beifall bei der SPD)

Herr Heintze, wenn Sie aus Ihren Regierungsjahren in Erinnerung haben, dass der Senat auf der Zuschauertribüne saß, dann mag das so sein. Der heutige Senat, die Finanzbehörde, die Landesregierung und das Finanzministerium in SchleswigHolstein bearbeiten gemeinsam jeden Tag die Fragen, die sich aus der verhängnisvollen Entwicklung der HSH Nordbank bis 2008 ergeben, und zwar in enger Abstimmung mit der Bank und den von uns beauftragten Beratern. Wir müssen alle Risiken im Auge behalten, zum Beispiel auch die Gewährträgerhaftung, die über die Garantien hinaus von den Ländern zu tragen ist, und wir müssen alle Möglichkeiten prüfen, um eine erfolgreiche Fortführung der Bank zu unterstützen und das Vermögen der Länder zu schützen.

(Beifall bei der SPD)

Dazu kann eine Wiedererhöhung der Garantie auf den 2009 beschlossenen Rahmen gehören mit all den Fragen, die Frau Hajduk genannt hat und die wir gestern auch schon im Ausschuss angesprochen haben. Dazu kann aber ausdrücklich auch eine Beteiligung an Maßnahmen gehören, zum Beispiel an den Bundeshilfen, dem sogenannten SoFFin III, wenn dies der Bank hilft und die Vermögensinteressen der Länder schützt. Nassforsche Abwicklungsforderungen und andere Scheinlösungen sind das Gefährlichste, was wir dem Haushalt und der Finanzplanung der Länder antun können. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der SPD)

Das Wort hat nun Herr Hackbusch.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Es gab Zeiten in diesem Land, da wurde derjenige, der die schlechten Nachrichten überbracht hat, geköpft.

(Gabi Dobusch SPD: Das ist schon länger her!)

Man hatte den Eindruck, dass dann das Problem mit den schlechten Nachrichten gelöst wäre. Das war aber damals so wenig der Fall wie heute.

(Beifall bei der LINKEN)

Wir haben Ihnen schon vor zwei Monaten gesagt, dass das ein riesiges Problem wird und dass wir uns ständig damit auseinandersetzen müssen.

(Gabi Dobusch SPD: Das hätten wir sonst nicht bemerkt!)

(Senator Dr. Peter Tschentscher)

Die Wirklichkeit hat uns recht gegeben. Ich will Ihnen auch deutlich sagen, dass Sie sich mit dem Kern der Fragestellung auseinandersetzen müssen. Dazu gehört auch, dass Sie dann bitte nicht immer wieder sagen, dass wir auf einen positiven Ausgang der HSH-Krise hoffen müssen und alles andere wäre eine absolute Katastrophe. Wir müssen uns aufgrund der Situation damit auseinandersetzen, was der Worst Case wäre und wie eine Abwicklung der Bank aussehen würde. Damit müssen wir uns auseinandersetzen, und ich verlange von diesem Senat, dass er den Worst Case aufweist, denn das gehört zu einem normalen, guten Regieren dazu.

(Beifall bei der LINKEN)

Ich will Ihnen auch sagen, warum, und dass das nicht nur eine spinnerte Meinung der LINKEN ist.

(Dirk Kienscherf SPD: Doch!)

Zum Beispiel wird von der EU gegenwärtig verlangt, dass die Banken einen Plan vorlegen müssen – das macht sie seit Kurzem, Herr von Oesterreich hat das gestern bestätigt –, wie sie im Notfall überflüssig sein können; einen Restruction-Plan, der sich auch die Auflösung der Bank vorstellen kann. Das ist eine normale Art und Weise, sich damit auseinanderzusetzen. Zu sagen, dass wir damit erst das Szenario hervorbringen, ist falsch. Fehler macht derjenige, der sich damit nicht auseinandersetzt.

(Beifall bei der LINKEN – Jan Quast SPD: Was will DIE LINKE?)

Die Hoffnung, die Herr Tschentscher und Herr Quast eben ausgedrückt haben, ist gegenwärtig nicht zu sehen. Bei dem gegenwärtigen Geschäftsmodell wird kein Plus gemacht. Und Herr Tschentscher, das ist auch falsch: Der Kern des Geschäftsmodells der HSH Nordbank ist die regionale Wirtschaftsbank. Das war bereits in den Diskussionen 2009 so und auch 2011. Dort gibt es kein positives Zeichen und damit müssen wir uns auseinandersetzen. Wir können nicht die Augen schließen und sagen, es wird schon alles schön. Das ist unverantwortliche Politik.

(Beifall bei der LINKEN – Wolfgang Rose SPD: Wer macht das denn?)

Sie machen das, Sie malen diese schönen Bilder.

Eine Abwicklung bedeutet nichts anderes, als gegenwärtig festzustellen, dass das Geschäftsmodell nicht funktioniert. Dementsprechend müsste man das, was wir gegenwärtig machen, geregelt, ruhig und ordentlich rückentwickeln.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Jetzt plädiert DIE LINKE für Arbeitsplatzvernichtung!)

Die Alternative ist, ein neues Geschäftsmodell zu entwickeln, das man gegenwärtig nicht sieht und