Protokoll der Sitzung vom 12.12.2012

Sie haben das gerade wieder erwähnt und heute immerhin ein bisschen mit Zahlen bestückt und etwas versachlicht. Es gibt genug Bürger, die sich in

ihrem Kiez wie zum Beispiel Billstedt oder Steilshoop wohlfühlen. Selbstverständlich muss man leider konstatieren, dass ein erheblicher Teil der dortigen Bewohner Hartz-IV-Empfänger sind und die Kinder dort wesentlich schlechtere Chancen haben, einen erfolgreichen Bildungsweg einzuschlagen. Es geht doch aber nicht darum, den Stadtteilen ihr Unvermögen zu attestieren, sondern darum, dem einzelnen Bürger, dem Kind, dem Jugendlichen zu seiner Chance zu verhelfen.

(Beifall bei der FDP)

Es geht bei der Sozialpolitik aber auch darum, Maßnahmen und Institutionen immer wieder auf den Prüfstand zu stellen. Worum es nicht gehen kann – und damit spreche ich den SPD-Senat an – ist, die Realität auszublenden und damit blind an Institutionen festzuhalten, die ihre Legitimation durch veränderte gesellschaftliche Entwicklungen in Verbindung mit schlechtem Wirtschaften längst verloren haben.

(Beifall bei der FDP)

Meine Damen und Herren! Ein zentrales sozialpolitisches Thema in diesem Jahr war und ist die Obdachlosigkeit. Die Plätze im Winternotprogramm sind in der letzten Woche ein zweites Mal aufgestockt worden. Das ist eine notwendige Maßnahme, um angesichts der aktuell recht kalten Temperaturen und der drastisch steigenden Zahlen Bedürftiger allen Obdachlosen in Hamburg tatsächlich Erfrierungsschutz zukommen zu lassen. Die kurz nach Eröffnung des Winternotprogramms wiederholte Aufstockung zeigt aber auch, dass es dem Senat an langfristigen Lösungen fehlt.

(Beifall bei der FDP)

Schon wieder ein neuer Standort, der kurzfristig aus dem Ärmel gezaubert wird. Wir sind froh, dass überhaupt Räumlichkeiten für die Erweiterung gefunden wurden, aber was wir wirklich brauchen, ist eine langfristige Lösung für das Winternotprogramm, die nicht jedes Jahr aufs Neue gefunden werden muss, und kein ständiges Aufrechterhalten eines Provisoriums. Denn das verschlingt Jahr für Jahr durch das ständige kurzfristige Schaffen von Unterbringungsmöglichkeiten unnötig Hunderttausende von Euro, die sicher wesentlich besser und nachhaltiger im Winternotprogramm angelegt werden könnten.

(Beifall bei der FDP)

Nun hat der Senat endlich sein Gesamtkonzept zur Wohnungslosenhilfe vorgelegt. Damit folgt er zum großen Teil dem Beschluss des Sozialausschusses, was zum Beispiel das Projekt für junge Erwachsene und die Einrichtung von Clearinghäusern angeht. Es kommt aber nun darauf an, den Worten auch Taten folgen zu lassen. Was aber das Winternotprogramm in diesem Konzept betrifft, wird dort lediglich der Ist-Stand beschrieben, ein

konkretes Wort zur zukünftigen Planung findet man nicht.

Den Antrag der GRÜNEN zum Thema Wohnungslosenhilfe lehnen wir weniger inhaltlich als vielmehr aufgrund der Gegenfinanzierung ab, denn würden wir ihm zustimmen, dann würden wir Ihrem Leitantrag und damit zum Beispiel der Erhöhung der Gewerbesteuer zustimmen. Das wollen wir natürlich nicht.

Liebe Fraktion der LINKEN, Sie wollen am liebsten den Winter zum Sommer machen und konzeptionell das Winternotprogramm und die Frage der öffentlichen Unterbringung zusammenwerfen. Das geht gar nicht. Außerdem fehlen bei allen Ihren Anträgen konkrete Angaben zur Gegenfinanzierung.

Nun zur Situation am Hauptbahnhof: Wir begrüßen die Übertragung des Sondernutzungsrechts für zehn Jahre an die Deutsche Bahn. Für viele Bürgerinnen und Bürger und Besucher war die Situation nicht mehr erträglich. Was der Senat aber angekündigt und bis jetzt nicht realisiert hat, ist der Ausbau der sozialen Angebote vor Ort. Die Menschen mit Problemen benötigen weiter einen Ort, an dem sie andocken können und wo sie Ansprechpartner finden. Wir fordern daher die Einrichtung des viel diskutierten Trinkerraums als Modellprojekt mit Begleitung durch einen Sozialarbeiter und die Einstellung von jeweils 50 000 Euro für 2013 und 2014.

(Ksenija Bekeris SPD: Den fordern aber nur noch Sie!)

Sie können gleich noch einmal sprechen, Frau Bekeris.

Meine Damen und Herren! Man wundert sich nicht nur hier über das nicht überzeugende Vorgehen des Senats. Hinsichtlich der Kürzungen der Maßnahmen zur Integration – das kam auch schon zur Sprache – hat man nur noch Unverständnis. Erst will der Senat die Mittel für 2013 und 2014 um insgesamt 417 000 Euro kürzen, davon allein 209 000 Euro für die Sprachkurse, dann lässt er gleichzeitig verlautbaren, die Sprachförderung wieder aufbauen zu wollen. Der Senat jongliert hier wie so oft mit Resten aus den zurückliegenden Jahren und macht das Ganze insgesamt durch dieses Anlegen auf Restebildung höchst intransparent. Wir wollen Haushaltstransparenz

(Beifall bei der FDP)

und stimmen deshalb dem Antrag der GRÜNEN zu, die Absenkung der Maßnahmen zurückzunehmen. Ihr aktionspolitischer Antrag, liebe CDU-Fraktion, ist ein Witz und eine Wiederauflage Ihres integrationspolitischen Antrags vom Vorjahr.

(Kazim Abaci SPD: Genau!)

Ich wundere mich, dass Sie sich dafür nicht zu schade sind. Mit Ihrem Antrag degradieren Sie die Eltern mit Migrationshintergrund pauschal zu unwissenden und unmündigen Bürgern. Beim Thema Bildungsschwäche ist es angezeigt, den Fokus immer auf die bildungsfernen Elternhäuser insgesamt und nicht einseitig auf die Familien mit Migrationshintergrund zu richten.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der LINKEN)

Außerdem bin ich mir sicher, dass die Schulen hier schon gute Arbeit leisten und die Eltern weitgehend aufklären.

Zum Thema Menschen mit Behinderung: Leider versäumt der Senat hier seine Ankündigung, den Landesaktionsplan zum Herbst vorzulegen, denn Aktion bedeutet Maßnahmen und damit in der Regel Kosten. Es gäbe mehr Transparenz und auch mehr Chancen für die Umsetzung des Landesaktionsplans, wenn dieser der Bürgerschaft vor Beschluss des Doppelhaushalts zugegangen wäre. Hoffen wir, dass sich der Senat die Appelle zu Herzen nimmt, und hoffen wir darauf, dass Sie, liebe SPD-Fraktion, so emanzipiert sind, sich die Haushaltsanträge der Opposition zumindest ernsthaft zu Gemüte zu führen,

(Jens-Peter Schwieger SPD: Das haben wir gemacht!)

bevor sie abgelehnt werden. – Danke für Ihre Aufmerksamkeit.

(Beifall bei der FDP)

Jetzt hat das Wort die Abgeordnete Özdemir.

Sehr geehrter Herr Präsident, meine Damen und Herren! Wir reden hier über einen Bereich, der wirklich heftig betroffen ist von der Sparpolitik des SPD-Senats, und man muss dazu ganz offen sagen – trotz der guten Rede von Frau Bekeris –,

(Beifall bei der SPD)

dass Ihre Sozialpolitik alles andere als sozial gerecht ist.

(Beifall bei der LINKEN)

Im Bereich Soziales gibt es viele Einrichtungen, Projekte oder sozialräumliche Angebote, die seit Jahren unterfinanziert sind. Nicht nur die SPD ist daran schuld, sondern auch Schwarz-Grün. Auch unter der schwarz-grünen Regierung waren diese Projekte unterfinanziert, und man kann jetzt nicht nur der SPD die Schuld zuweisen. Aber Sie haben jetzt das Zepter in der Hand, also sollten Sie sich darum kümmern.

(Beifall bei der LINKEN)

(Martina Kaesbach)

Diese Einrichtungen sind durch die Tarifsteigerungen und Mieterhöhungen belastet und vom Ausbluten bedroht. Ihre Taktik lautet nicht, einmal im Turboprogramm mit dem Rasenmäher über die Einrichtung zu gehen, sondern Sie versuchen, sie langsam, aber zielsicher ausbluten zu lassen. Und Sie wissen ganz genau, dass diese Einrichtungen in den nächsten Jahren gucken müssen, ob sie noch existieren können. Das ist wirklich nicht gerecht.

(Beifall bei der LINKEN)

Ein Beispiel, bezogen auf die Einrichtungen, die ich meine, sind etwa die Integrationszentren. Auch sie sind von den Tarifsteigerungen und Mieterhöhungen bedroht, sie sind Zuwendungsempfänger, das heißt, dass sie eine gewisse Summe bekommen und keine langfristigen Planungen machen können. Auch ihre reguläre Arbeit ist bedroht, obwohl diese Integrationszentren so wichtig sind, eine niedrigschwellige Beratung in allen möglichen Sprachen anbieten, sich in den Bezirken, aber auch hamburgweit gut vernetzen und verschiedene Projekte und Kurse anbieten, die von den Menschen mit Migrationshintergrund gut angenommen werden. Diese Integrationszentren machen keine unwichtige Arbeit, sondern eine wichtige, die die Benachteiligung von Menschen mit Migrationshintergrund ausgleicht und somit auch den sozialen Frieden in dieser Stadt stärken kann.

(Beifall bei der LINKEN)

Wenn wir uns einmal die Absichtserklärung der SPD zur Integrationspolitik anschauen und dann die Summe, die für die Integrationszentren bereitgestellt wird, damit vergleichen, dann kann man eigentlich nur den Kopf schütteln. Wenn man sich dann noch die Kürzungen im Integrationsbereich ansieht, dann ist das kein gutes Zeichen für die Menschen mit Migrationshintergrund in dieser Stadt. Das muss sofort zurückgenommen werden.

(Beifall bei der LINKEN)

Deshalb werden wir auch dem Antrag der GRÜNEN zustimmen. Es kann nicht sein, dass bei den Sprachkursen, bei der Erwachsenenbildung gekürzt wird. Das sind fast ein halbe Million Euro,

(Olaf Ohlsen CDU: Skandal!)

und das ist wirklich ein Skandal vor dem Hintergrund, was Herr Scheele uns vor einigen Monaten versprochen hatte, nämlich dass es in diesem Bereich keine Kürzungen geben werde.

Aber nicht nur der Senat hat hier kein gutes Zeichen gesetzt, sondern auch die CDU setzt mit ihrem Antrag ein sehr schlechtes Zeichen, denn die Forderung von kostenpflichtigen Aufklärungskursen für Eltern von Kindern mit Migrationshintergrund ist wirklich erschreckend.

(Olaf Ohlsen CDU: Oh, das ist schrecklich!)

Das gilt nicht nur für die Forderung, sondern auch die Deckungsvorschläge gleichen einem Horrorfilm. Dass Sie auch noch bei den Asylbewerbern 100 000 Euro kürzen möchten, das ist ein Skandal.

(Beifall bei der LINKEN und bei Kazim Abaci SPD)

Herr Haufler hat es mit demselben Antrag, den er nun ein bisschen anders ausgeschmückt hat, im vorigen Jahr schon versucht, aber auch jetzt werden wir ihn ablehnen. Wir werden ihn ablehnen, Herr Haufler, mit einem sehr guten Gewissen.

(Beifall bei der LINKEN)

Ihre Forderungen tun Migrantinnen und Migranten nicht gut, sie sind integrationshindernd. Integrationshindernde Faktoren sind auch Rassismus, Diskriminierung und Vorurteile gegenüber Menschen mit Migrationshintergrund. Als Fortschritt können wir verzeichnen, dass die SPD in ihrem Eckpunktepapier diese Faktoren aufgegriffen hat und berücksichtigen möchte. Sie möchte im März 2013 das Konzept vorlegen; wir sind schon gespannt. Es reicht jedoch nicht, nur zu sagen, wir möchten Rassismus bekämpfen und das dann ins Handlungskonzept zu schreiben, man muss auch Maßnahmen ergreifen.