Protokoll der Sitzung vom 23.01.2013

(Zurufe von der SPD – Dirk Kienscherf SPD: Sie sind doch verantwortlich!)

Olaf Scholz muss endlich zu seiner eigenen Verantwortung stehen, und dazu gehört auch, zu eigenen Fehlern zu stehen.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und bei Robert Bläsing FDP)

Weil Sie gerade auf uns verweisen: Dazu gehört auch ein veränderter Umgang mit der Opposition. Zu Beginn des Baus, in der Entscheidungsphase, haben wir das mit CDU, SPD und GRÜNEN gemeinsam gemacht; FDP und Linkspartei waren damals nicht dabei. Es wurde gemeinsam besprochen, es wurde gemeinsam gewollt, es wurde gemeinsam beschlossen, die Verträge lagen zu Ihrer Einsichtnahme aus. Olaf Scholz dagegen ist in den ersten zwei Jahren nicht ein einziges Mal auf die Oppositionsfraktionen zugegangen. Er hat unsere Vorschläge, die wir Ende 2011 und im Juni 2012 gemacht haben, schlichtweg ignoriert. Wer so handelt, wer so wenig Wert auf die Einbeziehung der anderen Parteien legt, der muss sich den Vorwurf gefallen lassen, keinen Willen zur politischen Zusammenarbeit zu haben und diese Lösung ausschließlich gewählt zu haben, um politische Scha

(Dietrich Wersich)

densbegrenzung zugunsten der eigenen Person zu betreiben. Auf diese Weise sollen die eigenen Irrtümer und Fehler zulasten des Steuerzahlers ausgebügelt werden.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Also, Herr Neu- mann wurde nie eingeladen!)

Deshalb wird und muss die Opposition …

(Zurufe aus dem Plenum)

Ich verstehe ja die Unruhe auf der Senatsbank, aber nicht Herr Dressel braucht Anweisungen, wie er zu reden hat, sondern der Bürgermeister muss vor das Parlament treten.

(Beifall bei der CDU, den GRÜNEN und der FDP – Dirk Kienscherf SPD: Nichts haben Sie eingebunden damals, gar nichts!)

Genau deshalb muss und wird die Opposition für demokratische Kontrolle und Transparenz sorgen. Deshalb erwarten wir Ihre Klarstellung. Deshalb beantragen wir heute die Einsicht in Akten, Unterlagen, den E-Mail-Verkehr und die Gutachten, damit die Wahrheit ans Licht kommt, denn nur wer Transparenz schafft, kann mit Unterstützung rechnen. Die großartige Idee der Elbphilharmonie sollte Ihnen das wert sein, Herr Bürgermeister. Wir sind gespannt auf Ihre Ausführungen. – Vielen Dank.

(Anhaltender Beifall bei der CDU und Beifall bei den GRÜNEN und der FDP)

Das Wort bekommt Frau Suding.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! In der Geschichte Hamburgs gab es wohl kaum ein städtisches Projekt, das mit solch exorbitanten Zahlen verbunden ist wie das Projekt Elbphilharmonie.

(Vizepräsidentin Kersten Artus übernimmt den Vorsitz.)

Dabei geht es nicht nur um Hunderte Millionen Euro, mit denen der Steuerzahler jetzt konfrontiert wird, leider gilt das auch in ganz anderer Beziehung. Wir haben es einmal nachgerechnet. Seit Beginn dieser Legislaturperiode sind 104 Anfragen zum Bauprojekt Elbphilharmonie an diesen Senat gestellt worden, davon 58 Anfragen allein seit April vergangenen Jahres. Die daraus gewonnenen Erkenntnisse erreichen auch ein Rekordniveau, sie gehen nämlich praktisch gegen null. Dieser Senat mauert dramatisch, wenn es um die Weitergabe von Informationen geht, er mauert aber nach wie vor leider nicht am Problembauwerk Elbphilharmonie.

(Beifall bei der FDP)

Diese Informationsverweigerung findet statt angesichts Hunderter offener Fragen zur geplanten

Neuordnungsvereinbarung. Sie ergeben sich aus der vorliegenden Drucksache, die der Senat der Bürgerschaft vor Kurzem zugeleitet hat. Offene Fragen gibt es zu den tatsächlich anfallenden Kosten, zu der vereinbarten Mehrvergütung in Höhe von mindestens 198 Millionen Euro, zur Haftung des Generalplaners, zur personellen Neuausrichtung bei der ReGe, zu den Vertragsstrafen und zu vielen anderen Punkten. Und die Fülle der offenen Fragen erscheint vor dem Hintergrund des Rücktritts von Herrn Leutner umso dramatischer.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Dann müssen Sie mal beantworten, ob Sie das der ReGe zutrauen!)

Wenn der oberste Projektverantwortliche hinschmeißt, wenn Mister Elbphilharmonie, wie die GRÜNEN ihn nennen, nicht mit der vom Bürgermeister geforderten Neuordnungsvereinbarung einverstanden ist und seinen Hut nimmt, dann liegt nicht nur beim Bau, sondern auch beim Senatsmanagement zur Rettung der Situation offenbar vieles im Argen.

(Beifall bei der FDP – Ole Thorben Buschhü- ter SPD: Sie waren ja dabei!)

Dafür sprechen auch die Äußerungen von Herrn Leutner im Parlamentarischen Untersuchungsausschuss am 8. Januar. Er hat den Mitgliedern des Untersuchungsausschusses sinngemäß viel Spaß beim nächsten PUA zur derzeitigen Neuordnungsvereinbarung gewünscht. Das können wir hier im Hause wohl nur als böses Omen werten. Alles andere als hoffnungsvoll stimmt auch die Aussicht, dass der Senat nun vorhat, mit HOCHTIEF bis zum 28. Februar ein neues Vertragswerk zu formulieren. Was also in fast zwei Jahren in einem unablässigen Strom aus Drohungen, Absichtserklärungen, Rahmenvereinbarungen und wieder neuen Drohungen nicht gelungen ist, das soll jetzt ganz plötzlich in gerade einmal acht Wochen zur tragfähigen Basis für die Neuordnung des Projekts werden. Hierzu hat Herr Leutner am 8. Januar im PUA gesagt – ich zitiere –:

"Jetzt haben wir den Druck, bis Ende Februar etwas fertigzustellen, das ist halt so."

Die bisherigen Erfahrungen zeigen aber, dass Druck nie das richtige Mittel sein kann, um ein Großprojekt wie die Elbphilharmonie erfolgreich umzusetzen. Das gilt erst recht für diesen Senat, der seit fast zwei Jahren versucht, immer wieder Druck aufzubauen und trotzdem nicht weiterkommt.

(Beifall bei der FDP)

Sie, sehr geehrter Herr Bürgermeister, versuchen stattdessen jetzt, mit einem offenbar ebenso untauglichen Rezept weiterzukommen. Sie vollziehen eine 180-Grad-Wende weg von der Konfrontationspolitik, die das Verhältnis zu HOCHTIEF nachhaltig

(Dietrich Wersich)

vergiftet hat, und versuchen nun, mit mindestens 198 Millionen Euro einen Burgfrieden zu erkaufen. Ob aber alternativ die Kündigung der Verträge mit HOCHTIEF vielleicht auch ein gangbarer Weg ist, kann die Bürgerschaft auf Grundlage der bisherigen Informationspolitik des Senats nicht bewerten. Wir haben weder detaillierte Informationen zu der vorgesehen Neuordnungsvereinbarung noch grundlegende Informationen zu dem durch die ReGe vorbereiteten Kündigungsszenario.

Meine Damen und Herren! Für die FDP-Fraktion gilt wie für die Hamburger Öffentlichkeit: Wir sind angesichts des Ausmaßes des Desasters Elbphilharmonie nicht weiter bereit, die Katze im Sack zu kaufen.

(Dr. Andreas Dressel SPD: Muss ja auch keiner!)

Wir unterstützen deshalb das Aktenvorlageersuchen. Und wir fordern den Senat dringend auf: Ändern Sie in Sachen Elbphilharmonie Ihre Informationspolitik, überwinden Sie Ihre Bunkermentalität und informieren Sie das Parlament endlich anständig. – Vielen Dank.

(Beifall bei der FDP und vereinzelt bei der CDU)

Herr Hackbusch, Sie haben das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Zunächst möchte ich etwas Grundsätzliches sagen. An und für sich war die Rede von Herrn Wersich gut,

(Wolfhard Ploog CDU: Was heißt "an und für sich"?)

aber es war im Ursprung keine gute Rede. Eines möchte ich deutlich sagen: Der Tag, an dem diese Bürgerschaft einen einstimmigen Beschluss über die Elbphilharmonie gefasst hat und die Art und Weise, wie dies durchgeführt wurde – das müssen wir mit den heutigen Drucksachen doch auf jeden Fall feststellen –, ist einer der peinlichsten Momente, die diese Bürgerschaft je erlebt hat.

(Beifall bei der LINKEN)

Es ist eine der größten Niederlagen der politischen Klasse und wirklich hochnotpeinlich. Das haben wir in allen Bürgerschaftsdiskussionen festgestellt. Ich will Ihnen auch sagen, warum. Schauen Sie sich einmal die gesamte Diskussion über Preissteigerungen bei aktuellen Bauprojekten in der Bundesrepublik an. Sie werden feststellen, dass Hamburg und die Elbphilharmonie bisher wirklich einmalig sind. Anders als alle anderen Großbauprojekte haben wir mindestens eine Verfünffachung, wenn nicht eine Verzehnfachung des Preises, den wir als Bürger zu bezahlen haben. Das ist einmalig dumm,

(Beifall bei der LINKEN – Olaf Ohlsen CDU: Schlauredner!)

und es ist entsprechend zu kritisieren. Zu sagen, Sie hätten das damals alle gemeinsam toll gemacht, ist wirklich peinlich, darüber kann man nicht hinweggehen.

(Zurufe von Finn-Ole Ritter FDP – Olaf Ohl- sen CDU: Du bist ja nicht dabei gewesen, Hackbusch!)

Genau so sehen Sie, Herr Ritter, auch aus. Sie wollen Vorsitzender der FDP werden und meinen, die 500 Millionen Euro könnte man auch noch rausschütten. So gehen Sie mit Geld um, peinlich, peinlich.

Gegenwärtig ist das nur der Anfang einer Debatte, denn die fünfseitige Drucksache vermittelt noch nicht so richtig, wo wir gegenwärtig stehen. Es gibt einige dürre Zahlen, aber um das ernsthaft diskutieren zu können, müssen wir natürlich mehr Informationen bekommen, das haben alle Redner ausgeführt. Doch ich bin schon jetzt äußerst skeptisch. In diesem Papier tauchen einige Begriffe auf, die alle Spezialistinnen und Spezialisten in Sachen Elbphilharmonie schon kennen, zum Beispiel der Begriff Pauschalfestpreis.

(Dora Heyenn DIE LINKE: Genau! Ganz ge- nau!)

Hier gehen bei mir alle Alarmglocken an. Sie sind sehr mutig, diesen Begriff zu benutzen und müssen das wirklich gut begründen. Herr Bürgermeister, zweitens haben Sie es gewagt zu sagen, HOCHTIEF verpflichte sich, kein Claim-Management mehr zu machen. Sprechen Sie einmal mit irgendjemandem von der Bauwirtschaft. Alle werden Ihnen sagen, dass es kein Bauunternehmen in der Bundesrepublik gibt, das kein Claim-Management macht. Sie können noch so viel versprechen, aber nur dann, wenn sich dies rechtlich durchsetzen lässt – und das wird es nicht –, wird es anders aussehen. Ich habe deshalb das Gefühl, dass Sie mit Naivität an die Sache herangehen. Wir werden das genau beobachten.

Weiter ist wichtig, dass wir seit Dezember 2008 eine völlig veränderte Situation dessen haben, auf was die Stadt gebaut hat; ich will das genauer ausführen. Seit Dezember 2008 hat die ReGe einen großen Anteil der 40 Millionen Euro, die wir in den vergangenen Jahren für ihre Arbeit ausgegeben haben, darauf verwendet, um gewissermaßen ein Gegen-Claim-Management gegenüber HOCHTIEF aufzubauen. Das wurde von uns allen in der Bürgerschaft unterstützt, weil wir meinten, gegen ein Bauunternehmen wie HOCHTIEF antreten zu können. Es wurden Akten gefüllt und unglaublich viel geprüft im Gegensatz zu dem, was bei Nachtrag 4 alles nicht geprüft wurde, was vernünftig war und was HOCHTIEF nicht gemacht hat. Mit dieser Entscheidung, Herr Bürgermeister und SPD-Fraktion,

(Katja Suding)

treten Sie alles, was dort in den vergangenen Jahren aufbereitet wurde, in die Tonne und meinen, das wird mit HOCHTIEF schon irgendwie gut gehen. Diesen Schritt möchte ich begründet bekommen, denn für diese Arbeit der ReGe wurden wirklich Dutzende von Millionen Euro ausgegeben. Man muss sehr mutig sein, um einen solchen Schritt zu tun. Wir werden kritisch nachvollziehen, was dort schon gemacht worden ist.