Protokoll der Sitzung vom 13.02.2013

(André Trepoll CDU: Die sind gegen das Wahlrecht!)

Wenn jemand das Wahlrecht mit 16 Jahren erhält und nicht wählen will, dann können wir ihn nicht zwingen. Aber wir wissen doch, dass es auch viele ältere Menschen gibt, die nicht mehr zur Wahl gehen. Die können wir auch nicht zwingen. Aber nur, weil es Jugendliche gibt, die noch gar nicht wählen wollen, können wir doch nicht allen Jugendlichen verwehren, schon mit 16 Jahren wählen zu gehen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Ich würde gerne noch an die Bergedorfer Schule und die beiden Schüler dort oben appellieren: Steht den anderen Jugendlichen nicht im Wege, die ab 16 Jahren wählen wollen.

(Beifall bei Dr. Stefanie von Berg GRÜNE – Zurufe von der CDU)

Es ist nicht die Mehrheit der Jugendlichen, die nicht wählen wollen. Ich freue mich, dass Lebendigkeit in die CDU-Fraktion kommt, die vermisse ich bisweilen.

(Beifall bei den GRÜNEN, der SPD und der LINKEN)

Nun hat Herr Golke das Wort.

Zum offensichtlichen Vergnügen der CDU-Fraktion verlagere ich meine parlamentarischen Aktivitäten auf Fünfminutenbeiträge. Ich will Sie gar nicht so sehr kritisieren. Hören Sie bitte zu, Herr Trepoll. Das tut er nicht einmal, wenn ich ihn auffordere.

Die Rücküberweisung der Drucksache an den Verfassungsausschuss erscheint auf den ersten Blick – und erschien auch mir auf den ersten Blick, das gebe ich gern zu – nicht unvernünftig. Aber bei genauerem Durchdenken des Ganzen komme ich nicht mehr mit, denn auch 24,7 Prozent, die Sie in der Shell-Studie vorstellen, und, vielleicht übersetzt, etwa 80 Schülerinnen und Schüler an den beiden Bergedorfer Gymnasien rechtfertigen doch schon das Wahlrecht ab 16 Jahren. Ist es unbedingt notwendig für ein Wahlrecht, das nun gerade Mehrheiten herstellen soll, Mehrheiten zu verlangen, um es einzuführen? Ich glaube nicht.

(Dietrich Wersich CDU: Na, das ist ja eine Akrobatik! – Zurufe von der CDU)

Regen Sie sich nicht so auf.

Wir haben gestern im Verfassungsausschuss nach langer Zeit und mit viel Gemecker von Ihnen den Antrag 20/4141 mit dem veränderten Petitum der SPD beschlossen, mit dem wir die Motivationskampagne durchführen wollen. In diesem Rahmen haben wir doch über den Gesprächskreis Wahlen und über den Verfassungsausschuss jede Möglichkeit, Jugendliche auch in der Vorbereitung daran zu beteiligen. Das ist doch gar keine Frage, und das werden wir meiner Meinung nach auch tun müssen.

Wir haben im Übrigen in Hamburg klammheimlich das Wahlrecht von unter 18-Jährigen schon einmal eingeführt. Durch das Abitur nach zwölf Jahren studieren an der Universität 17-Jährige, und da geht es nicht nach Alter, sondern nach der Immatrikulation.

(Zurufe von der CDU)

Die vorgetragenen Argumente zur Einsichtsfähigkeit und Reife von Jugendlichen gleichen doch denen, die 1970 bei der Absenkung des Wahlalters von 21 auf 18 Jahre angeführt wurden, und sie gleichen denen bei der Einführung des Frauenwahlrechts. Das muss man ganz deutlich sagen, und das hat die Kollegin von Berg auch richtigerweise bei der Veranstaltung am Luisen-Gymnasium gesagt. Wenn Sie als Gegenargument sagen, da waren die Frauen …

(Glocke)

(Christiane Blömeke)

Meine Damen und Herren! Es mag sein, dass Sie immer noch über die leicht philosophische Frage von Herrn Golke nachdenken, aber vielleicht mag das jeder für sich tun, und wir hören solange dem Redner dann weiter zu. – Herr Golke, bitte fahren Sie fort.

– Vielen Dank.

Wenn Sie daraufhin einwenden, dass Frauen damals schon geschäftsfähig waren, dann sage ich Ihnen: Denken Sie an die Schlüsselgewalt des Ehemannes, denken Sie an das Kündigungsrecht von Arbeitsverträgen durch die Ehemänner und denken Sie an das Schuld-Scheidungsrecht; dann reden wir noch einmal über Geschäftsfähigkeit an dieser Stelle.

Geschäftsfähigkeit ist ein gutes Stichwort. Sie haben gesagt, dass von 1970 bis 1974 im Bundestag die Geschäftsfähigkeit auseinandergefallen sei. Handeln musste dort jedoch der Bund, denn in Hamburg kann das BGB nicht geändert werden. Daran ändert auch Mackie Messer nichts, der gesagt hat, er glaube nicht an die Bibel und auch nicht an das BGB.

(Zuruf von Roland Heintze CDU)

Und nach dem Beschluss ist die Geschichte nicht vorbei. Die Bürgerschaft und die Parteien müssen nun auf die Jugendlichen zugehen, ihre Bedürfnisse berücksichtigen, und die Debatten in der Bürgerschaft müssen sich in manchen Themen ändern. Und das ist auch gut so. – Vielen Dank.

(Beifall bei der LINKEN)

Nun hat Frau Schneider das Wort.

Erstens: Ihr Antrag ist gestern gekommen. Der Antrag der damaligen GAL war eineinhalb Jahre im parlamentarischen Verfahren. Sie haben Ihren Antrag nach den Fraktionssitzungen gestellt, sodass er nicht einmal beraten werden konnte. Sie hätten jederzeit einen Antrag auf eine öffentliche Anhörung stellen können.

(Dietrich Wersich CDU: Jetzt machen Sie doch keine Verfahrensfrage daraus! Der ei- ne philosophiert und Sie machen eine Ver- fahrensfrage daraus!)

Dann hätten Sie sicher unsere Zustimmung gefunden. Eineinhalb Jahre haben Sie an so etwas nicht gedacht, und einen Tag vor der zweiten Lesung, 13 Tage nach der ersten Lesung, kommen Sie auf diesen Gedanken. Das finde ich, ehrlich gesagt, unverschämt.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Zweitens: Frau Blömeke hat schon Etliches dazu gesagt, nämlich dass es nicht stimmt, dass es keine Beteiligung gegeben hat; das brauche ich nicht zu wiederholen.

Drittens: Es geht doch nicht darum, den jungen Leuten etwas überzustülpen und sie mit Pflichten zu versehen, die schwer auf ihnen lasten, sondern es geht darum, die Rechte auszuweiten. Wir haben in Deutschland keine Wahlpflicht – Frau Blömeke sagte es schon –, wir kämpfen natürlich um jede Stimme, wir kämpfen um eine höhere Wahlbeteiligung. Wer sagt, er sähe sich dazu nicht in der Lage, der muss nicht wählen. Aber warum sollen die vielen jungen Menschen, die wählen wollen, nicht wählen dürfen? Es geht um die Ausweitung der Rechte,

(Dietrich Wersich CDU: Vor allem der Rech- ten und der Linken!)

und deshalb lehnen wir Ihren Antrag als scheinheilig ab.

(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN)

Nun hat Herr Dr. Schinnenburg das Wort.

Frau Präsidentin, meine Damen und Herren! Ich glaube, die Debatte ist doch so ernsthaft, dass wir sie auch ernsthaft führen sollten, und das ist auch der Grund, warum ich mich ausnahmsweise einmal mit einem Fünfminutenbeitrag zu Wort melde, was ich normalerweise nicht tue. Wir stimmen nicht über irgendetwas ab, sondern über eine Verfassungsänderung, und zwar eine weitgehende Verfassungsänderung, die, wenn sie einmal beschlossen ist, wahrscheinlich nicht so ohne Weiteres zurückholbar ist, wenn wir später feststellen, dass es doch nicht richtig war.

(Beifall bei der CDU)

Ich bitte Sie also, sehr sorgfältig über diese Frage nachzudenken.

Ich wende mich vor allen Dingen an die Damen und Herren von der SPD-Fraktion, denn ich weiß von vielen, dass sie das eigentlich auch nicht wollen, sich aber einer gewissen Pflicht unterworfen fühlen.

(Heiterkeit bei der SPD, den GRÜNEN und der LINKEN – Dr. Andreas Dressel SPD: Unser Landesparteitag hat das beschlos- sen!)

Denken Sie bitte einmal daran, dass es hier nicht um den Senat geht – er hat sich zu Recht nicht eingemischt –, denn es ist eine Parlamentsangele

genheit. Wohl und Wehe des Senats stehen überhaupt nicht zur Debatte. Ich verstehe es immer, wenn Sie Anträge unterstützen wie den Haushalt des Senats und Ähnliches, weil der Senat in Schwierigkeiten kommen würde, wenn Sie nicht zustimmen würden. Ich würde es auch immer verstehen, wenn man aus diesem Grunde etwas mitmacht, was man eigentlich nicht so gut findet. Darum geht es hier aber nicht. Hier geht es um die grundsätzliche Frage, ob wir eine außerordentliche Abweichung von durchaus bewährten Altersgrenzen – hier die Grenze von 18 Jahren – wollen oder nicht. Das hat nichts mit dem Senat zu tun. Geben Sie sich einen Ruck und stimmen Sie so ab, wie Sie wirklich darüber denken und nicht, wie Sie sich verpflichtet fühlen. Hier geht es nicht um Wohl und Wehe des Senats.

(Beifall bei der CDU)

Nächster Punkt. Es gibt bestimmt Menschen in Hamburg, auch bundesweit, die mit 16 Jahren ohne Weiteres sehr gut an Wahlen teilnehmen können. Sie haben die Kenntnisse und auch die Reife dazu, das ist gar keine Frage. Aber wir reden über einen Durchschnittswert, wir reden darüber, dass wir irgendeine Grenze konkret setzen, und da hat sich die Grenze von 18 Jahren außerordentlich bewährt. Sie ist nicht nur im Wahlrecht bewährt, sondern auch im BGB – das ist ein sehr bewährtes Gesetz, unter uns gesagt, Herr Golke –, und es ist wenig sinnvoll, die allgemeine Geschäftsfähigkeit, das allgemeine Geschäftsrecht aus guten Gründen vorzuenthalten, auch zum Schutz der Jugendlichen, es ihnen aber gleichzeitig zu erlauben, beim Parlament mitzuwählen. Das ist widersinnig, und aus diesem Grund sollten wir die Grenze von 18 Jahren, die in weiten Bereichen gilt, auch hier übernehmen.

(Beifall bei der CDU)

Letzter Punkt. Es kommt selten vor, dass ich aus der "taz" zitiere. Die "taz" steht nicht im Ruf, besonders CDU- oder FDP-nah zu sein oder konservativ oder Ähnliches. Sie hat heute hierzu geschrieben – sie unterstellt oder vermutet unlautere Motive, das will ich nicht weiter vertiefen –, aber diesen Satz möchte ich Ihnen doch vorlesen, weil ich ihn für absolut richtig halte – ich zitiere –:

"Bevor über die Absenkung des Wahlalters entschieden wird, sollte Politik in der Schule früher und breiter gelehrt werden."

Das ist richtig.

(Zuruf von Christiane Schneider DIE LINKE)