Ich glaube, dieser Vergleich mit dem Frauenwahlrecht ist ganz richtig. Man könnte aber auch ein anderes Beispiel nehmen. Ich bin in einem Alter, dass ich erst mit 21 mündig wurde, aber irgendwann durfte man dann schon mit 18 Jahren wählen. Und diese Diskussion, ob man statt mit 21 nicht schon mit 18 wählen dürfen sollte – das können Sie in den Protokollen nachlesen –, ist fast wortwörtlich die gleiche.
Wenn wir schon davon sprechen, dass sich Jugendliche mit 16 oder 17 nicht über die Konsequenzen im Klaren sind, dann frage ich mich, was eigentlich in Hamburg mit den 18- bis 98-Jährigen los war, als 19 Prozent Schill gewählt haben. Was war denn das für eine Konsequenz?
Herr Wersich, Sie sprechen davon, dass überall rechtsradikale Schriften und CDs verteilt werden. Das ist ein riesengroßes Problem, das betrifft aber nicht nur die 16- und 17-Jährigen, sondern auch die 18- oder die 30-Jährigen. Die Hauptklientelgruppe, die sich von dieser Ideologie infizieren lässt, ist nicht 16 oder 17, sondern 25 bis 35. Das ist das Problem, und da hat Herr Dressel völlig recht: Es ist unsere Aufgabe, nicht nachzulassen und deutlich zu machen, was Faschismus ist.
Herr Bläsing hat, wie ich finde, toll gesagt, dass man für beides Argumente haben kann und wir uns nicht gegenseitig in die Ecke stellen sollten. Was wir aber erlebt haben, ist, dass alle, die für das Wahlrecht mit 16 sind, von Ihnen und insbesondere von Herrn Scheuerl sehr wohl in eine Ecke gestellt worden sind. Und das gehört sich nicht, wie Herr Hackbusch immer sagt, das tut man nicht.
Wir hatten bei "Jugend im Parlament" 24 Azubis, 28 Schülerinnen und Schüler von Stadtteilschulen und 46 Schülerinnen und Schüler von Gymnasien, insgesamt ungefähr 40 verschiedene Schulen. Das ist ein ganz anderer Schnack als zwei Schulen aus Bergedorf.
Was mir bei dieser Diskussion außerdem ein ganz wichtiges Anliegen ist: Hier wird der Eindruck erweckt, als würde in den Schulen überhaupt kein Politikunterricht stattfinden; das ist falsch.
Politische Bildung ist ein Bildungsauftrag der Hamburger Schulen und wird sehr wohl wahrgenommen, und zwar sehr intensiv. Ich habe Schülerinnen und Schüler von noch nicht einmal 16 Jahren, die aufgrund der Diskussionen in der Schule anlässlich von Bundestags- oder Bürgerschaftswahlen, wenn alle Wahlprogramme in den Klassen durchdekliniert werden, ihre Eltern bei deren Wahlentscheidungen beraten, weil sie nämlich genau die Gründe haben.
(Beifall bei der LINKEN, der SPD und den GRÜNEN – André Trepoll CDU: Weil Sie ih- nen das gesagt haben!)
Herr Trepoll, das ist schon wieder so ein Ei: weil ich ihnen das gesagt habe. Fragen Sie meine Schüler, ich kann das ganz genau trennen. Chemie oder Biologie und Politik sind bei mir zwei Paar völlig verschiedene Schuhe, um das ganz deutlich zu sagen.
Ich finde, die Bürgerschaft ist auf einem guten Weg. Wir sollten alle 16- und 17-jährigen Jugendlichen, die das Wahlrecht wahrnehmen wollen, nicht daran hindern. Und ich hoffe, dass wir eine überzeugende Abstimmung hinbekommen.
Sehr geehrte Präsidentin, sehr geehrten Damen und Herren! Ich habe mich nach dem Beitrag von Dietrich Wersich noch einmal gemeldet, weil dieses Argumentationsmuster, das im Hinblick auf die NPD aufgemacht wurde, gefährlich ist. Wenn man beim Wahlrecht vom Ergebnis her diskutiert, dann kann man tatsächlich eine bestimmte Gruppe nach ihrem Wahlverhalten identifizieren und dann darüber reden, ob diese Gruppe das Wahlrecht künftig erhalten soll oder ob man es ihr aberkennen sollte, weil das Ergebnis nicht stimmt.
Das ist die Gefahr, die in diesem Argument liegt, und es ist kein Wunder, dass dieses Argument von Herrn Scheuerl kommt; Herr Scheuerl ist schließlich auch der Meinung, dass es gute und schlechte Volksentscheide gibt.
Hier haben wir also wieder das gleiche Argumentationsmuster, dass ein bestimmtes demokratisches Instrument nach seinem Inhalt beurteilt wird, und das finde ich gefährlich. Das ist der CDU nicht würdig.
Hier wird gesagt, dadurch, dass nun auch 16- oder 17-Jährige potenzielle Wählerinnen und Wähler seien, werde ausgelöst, dass die NPD auf die Schulhöfe gehe. Dass die CDU noch nicht mitbekommen hat, dass die NPD das ohnehin macht, das sorgt mich ein bisschen.
Natürlich weiß die NPD, dass Jugendliche in dem Alter beeinflussbar sind, dass sich in diesem Alter eine politische Meinung bildet und dass politische Arbeit im Hinblick auf junge Menschen lohnend sein kann. Das sollten wir auch für uns beherzigen. Die NPD macht das zum Teil systematisch. Mir bereitet viel mehr Sorge, dass Einzelne wirklich als aktive Rechtsextreme und Rassisten gewonnen werden, die dieses Gedankengut annehmen, in die Gesellschaft tragen und aktive Nazis werden, als dass mir bange ist, was sie damit an Ergebnissen erzielt und ob vielleicht 1 Prozent der stimmberechtigten Jugendlichen die NPD wählen und 99 Prozent etwas anderes. Da müssen wir gegenhalten und nicht erst aufwachen, wenn es um Wählerstimmen geht. Das ist der falsche Ansatz im Umgang mit Rechtsextremismus.
Ich finde es auch erschreckend, dass ein politischer Freund, wie ich nach der gemeinsamen Arbeit mit Dietrich Wersich sagen muss, Herrn Scheuerl für diese Demagogie in Schutz nimmt, die hier ausgebreitet wird. Wenn dieses Argumentationsmuster Schule macht, dann sind wir dabei, unsere Demokratie in eine Richtung weiterzuentwickeln,
wie wir es in den USA erleben, wo Demagogie den demokratischen Betrieb lahmlegt und keine Sachargumente mehr zählen, sondern sich die politischen Gruppen eher voll Hass gegenüberste
Noch ein Argument in der Sache. Wir sagen beim Thema Beteiligung immer, dass sich diejenigen beteiligen müssen, die es betrifft. Wenn wir entscheiden, dann entscheiden wir über die Zukunft der jungen Menschen, deren Lebenswahlentscheidungen auf dem Spiel stehen und die bislang nicht darüber mitreden dürfen, was in wenigen Jahren Realität werden wird. Und das sollte durch diese Entscheidung geändert werden.
Ich habe der Diskussion aufmerksam gelauscht. Eigentlich wollte ich mich nicht zu Wort melden, aber mein Puls ist gerade sehr hoch. Ich bin die jüngste Abgeordnete im Haus, auch die jüngste Abgeordnete in Hamburgs Geschichte, und ich bin wirklich schockiert über den Verlauf dieser Diskussion, vor allen Dingen, was die Argumente der CDU angeht. Dass quasi die jungen Wählerinnen und Wähler die NPD über die 1-Prozent-Hürde tragen würden, ist für mich eine unhaltbare Unterstellung. Ich habe mich mit 15 das erste Mal in der SPD engagiert und auch schon mit meinen Mitschülern viel über Politik geredet. Wir hatten alle eine eigene Meinung. Außerdem ist nicht nur die NPD auf den Schulhöfen unterwegs – ich selber habe nie welche gesehen –, auch die Jusos, DIE GRÜNEN, die ['solid], die Jungen Liberalen und die Junge Union sind auf den Schulhöfen und reden über Politik. Man sollte jedem Jugendlichen zutrauen, sich mit 16 eine eigene Meinung darüber zu bilden und sich nicht von extremistischen Parteien unterbuttern zu lassen.
Wir können mit Aufklärung dafür sorgen, dass sie nicht die NPD wählen. Gerade das muss an Schule passieren, das ist auch unser Plan.
Ich mache viele Rathausführungen mit Schulklassen, da sind die Leute auch erst 14 oder 15, und die interessieren sich sehr für die Inhalte hier. Aber ich glaube, genau diese Diskussion und die Argumente der CDU sind ein Grund, warum die Politikverdrossenheit gerade in diesem Alter so hoch ist. – Vielen Dank.
Meine Damen und Herren! Gibt es weitere Wortmeldungen? – Das ist nicht der Fall. Dann kommen wir zur Abstimmung.
Es handelt sich um das Neunte Gesetz zur Änderung des Gesetzes über die Wahl zur Hamburgischen Bürgerschaft, Drucksache 20/474 in der vom Verfassungs- und Bezirksausschuss geänderten Fassung aus Drucksache 20/6457. Das war in unserer Sitzung vom 24. Januar bereits mit den nach Artikel 6 Absatz 4 Satz 2 unserer Verfassung erforderlichen Mehrheit von zwei Dritteln der abgegebenen Stimmen in erster Lesung angenommen worden. Wir führen jetzt die zweite Lesung durch.